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Thema18.3.05, 13:36 - Betreff: Über die Quadratur des Kreises
tyami
Beiträge: 6/473
dabei seit: Dez '03
tyami takez
ahoi und so...

erstmal, der fred hätte sicher auch in mindestens drei andere rubriken gepasst, aber die hier wird sowieso sehr stiefmütterlich behandelt... cool

sei es subjektive wahrnehmung, aber mir fällt doch immer wieder auf, dass eine "objektivere" bewertung von geschichten gefordert wird. ich hab zwar grade genug literaturwissenschaftliche grundformatierung abbekommen, um mir das in der praxis vorstellen zu können, aber ich frage mich, ob es diejenigen, die das einfordern, auch wirklich wollen.confused

grundsätzlich kenn ich im "realen" betrieb (sprich professioneller literaturkritik) keine einzige namhafte institution, die "objektiv" bewertet oder sich auch nur den anschein gibt. ob Reich-Ranickis rezensionen oder Ingeborg-Bachmann-preis, ja selbst der literaturnobelpreis wird von einer jury vergeben, und unter den kriterien spielt der "persönliche eindruck" selten die geringste rolle. den gerechtigkeitsfanatiker mag das schmerzen, andererseits spiegelt sich darin nur die "ungerechtigkeit" des lebens selbst wieder (nebstbei, eine "objektiv gerechte" welt sollte wohl besser von robotern denn von menschen bewohnt werden, find ichlookaround).

objektivierbare kriterien gibt es zuhauf, aber gerade diese werden am heftigsten kritisiert: länge einer geschichte, grammatik und orthografie, sogar für den stil ließe sich sicher ein "qualitätskatalog" anlegen. auch den "inhalt" kann mensch, so ihm nicht davor graust, auf diese weise rastern: wie viele personen, wie viele fickszenen, detailgenauigkeit, usw. ... faustregel: alles ZÄHLBARE ist objektiv (selbst da gibt´s streitfragen, was nun gezählt werden kann, aber das führt hier zu weit...)

bleibt die frage: wem nützt das? normierte literaturkritik führt zu normierter literatur, weil autor zur erreichung besserer resultate nun "nach vorgabe" schreibt, führt zu normierter leserschaft. das kann, weder in der erotischen noch in der literatur allgemein, im sinne der sache sein. darum bleibt uns "armen autoren" wohl nur, in stunden des leideslol3 mit dem (angeblich auch von manchen rezensenten verehrtenwink) Freiherrn von Goethe zu sagen:

Der Tausendsackerment!
Schlagt ihn tot, den Hund! Es ist ein Rezensent!


so long,
tyamiwaving
Beitrag18.3.05, 15:41 Uhr
-Serenity-
Beiträge: 129/1799
dabei seit: Aug '02
Serenity
tyami:
ahoi und so ...

Warschau ...

Hi tyami, eigentlich hast Du Deine Fragen mehr oder weniger selbst beantwortet. An anderer Stelle hab ich es bestimmt auch schon mal erwähnt, dass es eine objektive Bewertung nicht geben kann. Steht auch in den Grundsatzerklärungen von Sevac. ( Wie wird bewertet? )

Wenn man dort ganz genau hinschaut, sind sogar die Bewertungskriterien in ihrer Rangfolge aufgeführt. Zu Recht steht Rechtschreibung, Grammatik, Formatierung ganz oben in der Liste. Denn wenn das Grundgerüst, oder technisch gesehen, der Bauplan nicht in Ordnung ist, bleibt die ganze "Schreibe" Stückwerk.

Die genannten Kriterien sind maßgeblich mit dafür verantwortlich, wie flüssig ich eine Geschichte lesen kann. Wenn ich ständig hängenbleibe, verliere ich die Lust am Lesen. Und Rechtschreibfehler sind nun mal Stolperfallen. Sie stören ganz einfach.

Inhalt (Originalität, Erotik, Spannung)
Hier greift die Subjektivität voll und ganz. Denn jeder Leser empfindet diese Kriterien unterschiedlich, weil der Mensch als lesendes Wesen keine Einheitsbaureihe ist. ("Tschuldigung", hab ich aus der Eisenbahnerterminologie geklautlol3)

Würden wir jetzt anfangen, Geschichten an zählbaren Parametern zu messen, ich glaube, dann würde ich hier ganz schnell Götz von Dingenskirchenlol3 zitieren. An einer Kurzgeschichte, kleiner als eine Seite, könnte ich das gnadenlos durchziehen, aber wehe, ich bekäme eine Geschichte von dem geschätzten Schreiber why-not in die Finger. Erstens würde ich mit dem Lesen unter objektivierten Bedingungen nie fertig werden und abgesehen davon würde ich mich wahrscheinlich totsuchen.

Noch mehr Subjektivität ist bei den Kriterien 3 und 4 angesagt. Zu Punkt 4 könnte ich allenfalls sagen: "Ja, ich habe während meiner Tätigkeit erheblich dazugelernt."
(Aramis, bekomme ich dann irgendwann mal ein Zwischenzeugnis? rotfl)

Fazit: Wer Objektivität bei der Bewertung fordert, der erreicht damit Einheitsgeschichten mit Einheitsbewertung. Das wollen wir doch nicht wirklich. Dann hätte Sevac einen ganz großen Teil seiner Anziehungskraft verloren.

Es lebe die Subjektivität!!!

Liebe Grüße

SubjektSerenity

warum, wieso, weshalb ...
kein Bücherwurm
Beitrag11.11.06, 01:28 Uhr
icho21
Beiträge: 13/33
dabei seit: Apr '02
Hi,

m.E. gibt es keine objektive Literaturkritik, wie sie in der Schule an Aufsätzen verwendet wird. Wenn dem doch so wäre, hätten sich drei Literaturnobelpreisträger deutscher Zunge durchgehend 4er bis 5er eingehandelt:

- Günther Grass: Kryptische Sprachspiele, die der Leser erst nach dem dritten Lesen halbwegs versteht.
- Elfriede Jelinek: Satzfetzen in plumpster Prosa. Jede zweite Zeile müsste ein rotes W am Rand tragen.
- Thomas Mann: Gedrechselte Halbseitenverbalverschraubungen, gegen die Cäsars "de bello gallico" eine entspannende Badewannenlektüre ist. ;-))

Aber es gibt sehr wohl objektive Kriterien, an denen sich eine gute Erzählung bemessen lässt:

Plausibilität:
- Ist die Story / sind die Charaktere so aufgebaut, dass eine Handlung erkennbar wird?
- Gibt es logische Brüche, widersprechende Beschreibungen?
- Gliederung, Aufbau der Geschichte

Detailreichtum:
- Lassen die Schilderungen ein "Bild" beim Leser entstehen?
- Werden die Szenen nur umrissen oder detailliert geschildert?

Sprachbeherrschung:
- Kann der Autor mit seinen Worten "malen" oder holpert er durch endlose Wiederholungen, unpassende Adjektive, verfehlte Verben und "Endlossätze". BTW: Wer Thomas Mann imitieren will, sollte das auch können.
- Bemüht sich der Autor um eine ordentliche Rechtschreibung und Grammatik?
Selbst ein Legastheniker kann ungeheure, sprachmächtige Bilder aufbauen. Doch dazu muss er sich ungeheure Mühe geben.

Mit diesen drei großen Kriterien lässt sich jeder Fantasieaufsatz, jede Novelle, jeder Roman und jede Story objektiv bewerten.

Seht ihr das anders?

Gruß Icho [drei Engel],
der für den "Zauberberg" höchstens eine "befriedigend" gegeben hätte und dem Thomas noch ein "Braverl" für seinen Fleiß. Günthers "Butt" hätte auch nicht mehr bekommen und Elfriede wäre mit der "Autobahnfickerei" durchgefallen. lolcryingsurprisedwaving
Beitrag14.11.06, 13:15 Uhr
tyami
Beiträge: 6/473
dabei seit: Dez '03
tyami takez
icho21:
Plausibilität
Detailreichtum
Sprachbeherrschung

Mit diesen drei großen Kriterien lässt sich jeder Fantasieaufsatz, jede Novelle, jeder Roman und jede Story objektiv bewerten.

Seht ihr das anders?

Kurz gesagt, ja. Es lässt sich für dich auf diese Weise bewerten, weil diese drei Kriterien für dich wesentlich sind. In groben Zügen hast du dabei die Literaturkritik hinter dir. Ich stimme dir noch soweit zu, dass damit zumindest allgemein gültige Spielregeln geschaffen werden, mit denen sich eine Geschichte vorab, also vor dem Versenden, grob beurteilen lässt.

Der Teufel steckt im Detail. Dein Katalog benötigt wiederum deine rein subjektive Einschätzung, wie weit die geforderten Ziele erreicht wurden. Plausibilität kann zu Vorhersagbarkeit führen, Detailreichtum zur völligen Überfrachtung und, noch schlimmer, zur Zerstörung der Handlungsdynamik. Die Besonderheiten der Sprache will ich erst gar nicht weiter erwähnen. Wo der Pfad zwischen diesen Extremen verläuft, liegt im Auge des Betrachters. Und damit komme ich erst wieder auf das selbe Ergebnis: Auch die beste Geschichte braucht immer noch eine Portion Glück, um "ganz oben" zu landen. tongue2

bye, tyami
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