03 Miriam - ride the sky
von Faith
Unfähig, sich aus der Falle befreien zu können und umringt von dunklen Kreaturen, die nach ihrem Körper gierten, lag Miriam auf dem Boden. Dieser dunkle Wald war nicht so wie sie diese Welt kannte.
»V’nyx! Unterwerfe mich nicht unüberlegt. Ohne mich bist auch du verloren.«
Mit verschwommenem Blick sah sie einen großen orangefarbenen Schnabel, der nach den dunklen Kreaturen pickte. Der Vogel stieß grelle Schreie aus, die in Miriams Ohren schmerzten. Für die unheimlichen Wesen aber schienen die Geräusche unerträglich zu sein, sie ließen von ihr ab und versteckten sich in den Schatten, aus denen sie hervorgekommen waren.
Der Vogel ähnelte einem Strauß: Seine langen Beine und der Hals glänzten schwarz, ähnlich wie Miriams Haut. Seine Stummelflügel und der Rumpf waren mit glänzenden schwarzen Federn bedeckt, in denen orangefarbene Punkte wie Edelsteine glitzerten. Aus den Augenwinkeln glaubte Miriam, auch kobaltblaue Farbkleckse zu erkennen.
Miriam fühlte, dass sich die Schlingen um ihren Körper lockerten, sie stemmte sich auf und drehte den Kopf. Der Laufvogel ging einige Schritte zurück und schaute sie mitleidig an.
‚Du denkst doch nicht wirklich, dass ich dich in diese Situation gebracht habe?‘, hörte Miriam in ihrem Kopf, es war die Stimme von V’nyx dem IV.
Die Blaue Königin erhob sich vor dem Vogel und musste den Arm nach oben strecken, um seinen Schnabel zu erreichen. Sie streichelte ungläubig über das Wesen. Abgesehen von ihr, war der Vogel das Einzige, was sie halbwegs mit ihren Erinnerungen an diese Welt vereinen konnte. Der düstere Wald mit den toten Bäumen, und die Wesen, die darin zu leben schienen, waren ihr gänzlich fremd.
‚Komm! Steig auf, ich bringe dich an einen schöneren Ort‘, sagte der Vogel und sank vor ihr auf die Knie. Miriam näherte sich ihm unsicher. Dann hob sie ein Bein und setzte sich auf seinen Rücken, direkt hinter den langen Hals. Der Rücken war angenehm weich und bequem, er bot auch ohne Sattel festen Halt – wie für eine Reiterin gemacht.
Sie schwankte, als sich der Vogel erhob und die ersten Schritte machte. Jeder Schritt, mit dem er auf dem Boden aufkam, setzte sich als kleine Erschütterung in seinem Körper fort. Miriam fühlte diese Erschütterungen ungewöhnlich intensiv zwischen den Beinen und lächelte. Nichts in dieser Welt war ohne Sinn, und meistens war dieser Sinn mit sinnlichen Erfahrungen verbunden.
Obwohl ihr die Umgebung unwirtlich und zu dunkel vorkam, fand sie Gefallen an dem Ritt auf diesem seltsamen Vogel. Miriam spürte jeden kraftvollen Schritt des Tiers in ihrem Körper, während er sich unbehelligt von den lauernden Gefahren aus dem Dickicht kämpfte.
Ihr schwirrten tausend Fragen durch den Kopf, aber sie verstummte vor dem Anblick, der sich ihr bot, als der Vogel den Wald verließ. Sie blickte von einer Anhöhe aus in ein sanft geschwungenes Tal hinab und erkannte ihre Welt.
‚Halte dich fest!‘, sagte der Vogel.
‚Du bist V’nyx, stimmt`s?‘
Der Vogel drehte seinen Kopf und nickte, um sogleich ungläubig den Kopf zu schütteln:
‚Unglaublich, dass du eine Königin bist, du weißt überhaupt nichts von unserer Welt.‘
»Dann bring mir doch bei, was ich wissen muss«, konterte die Blaue Königin. V’nyx der IV. schwieg, und Miriam war zu stolz, um zu betteln. Sie schaute sich verlegen um, während ihr Oberkörper passend zur Schrittfolge ihres Reittiers schwankte.
Im Gefieder von V’nyx dem IV. waren neben den orangefarbenen Sprenkeln tatsächlich auch kobaltblaue Farbkleckse zu erkennen.
Abgelenkt durch diese Erkenntnis erschrak sie, als V’nyx der IV. seinen Gang beschleunigte. Die Erschütterungen in ihrem Unterleib wurden intensiver. Sie glich die Bewegungen seiner Schritte mit wippendem Becken aus. Dabei rieb ihre Lustperle sanft über den Halsansatz des Vogels. Miriam hauchte bei jedem Schritt erregt aus – das gab dem Begriff Vögeln eine ganz neue Bedeutung.
Der Wind wehte ihr ins Gesicht, als sie im vollen Spurt ins Tal hinab rannten. Ihre Brüste bebten, und sie genoss jeden seiner weit ausholenden Schritte. Jede Berührung brachte sie ein Stück näher an den Höhepunkt.
Aus ihrem lustvollen Stöhnen wurden ungehemmte Schreie, die sich zu einem wollüstigen Gesang verdichteten, der durch das vor ihnen liegende Tal hallte.
Benommen von den Empfindungen, sah sie die ihr bekannten Pflanzen: groß wie Bäume, mit mächtigen Blüten in allen Farben des Regenbogens – friedlich Seite an Seite.
Diese Welt war bunt und lebte von der Vielfalt, ein Meer aus Farben explodierte in ihrem Kopf.
***
Als Miriam ihre Augen öffnete, lag sie vor dem Blumentopf in ihrer irdischen Behausung und sah die kraftvoll erstrahlende Blüte – orangefarben mit blauen Filamenten.
Während des Besuchs in der Anderswelt hatte sie sich auch in der Realität in die Blaue Königin verwandelt. Ihr Schoß war feucht unter den Hotpants, die sie noch trug. Unterhalb der kurzen ausgefransten Hosenbeine erstreckten sich ihre langen, schwarz glänzenden Beine bis zu den weißen Sneakers, in denen ihre Füße steckten.
Miriam strich mit ihren Händen über den Stoff ihres Oberteils, das mit ihrer aktuellen Oberweite überfordert war. Sie zog das Shirt über den Kopf und legte es zur Seite. Als sie ihre prallen Brüste streichelte, schaute sie auf ihre Finger und erschrak.
Auf den langen blauen Fingernägeln erschienen kunstvolle Muster in Orange. Der blaue Akzent ihres schwarzen Grundtons wurde um eine weitere Farbe ergänzt. Ihr Weltbild war erschüttert.
»Was machst du mit mir?«
‚Das Gleiche könnte ich dich fragen‘, antwortete V`nyx der IV.
»Was waren das für dunkle Kreaturen in dem Wald?«, fragte Miriam, denn solche Wesen waren ihr in der Anderswelt noch nie begegnet.
‚Ich dachte, du wüsstest es‘, antwortete V`nyx der IV.
»Nein«, sagte Miriam laut. Sie ruhte mit angewinkelten Beinen auf dem Boden vor der Pflanze und legte ihren Kopf erschöpft auf den ausgestreckten Arm.
»Das letzte Mal war ich vor einigen Jahren als Drohne in dieser fantastischen Welt, und so seltsam es dort auch war, ich empfand nie Angst.«
‚Eine Drohne wandelt nur auf den Wegen, die ihre Königin auswählt. Einer Königin stehen jedoch alle Bereiche offen‘, erklärte V`nyx der IV.
»Gab es diesen dunklen Wald mit seinen Bewohnern also schon immer?«
‚Woher soll ich das wissen, ich bin gestern erst erwacht‘, antwortete V’nyx der IV.
Miriam atmete enttäuscht aus.
»Du wirst ein Cerebrat, davor habe ich Angst.«
‚Warum?‘
»Du beeinflusst mich, und … ich habe keine guten Erfahrungen mit euch gesammelt.«
‚Wie willst du ohne Cerebrat herrschen?‘
»Ich will nicht herrschen!«, fauchte Miriam.
‚Warum bist du dann Königin geworden?‘
»Das hat sich so ergeben, nachdem mich Tanja, die Rote Königin, verstoßen hatte«, seufzte Miriam.
‚Warum tötest du mich nicht, solange die Verbindungen noch schwach sind?‘
Miriam schaute träge zu der Flasche mit dem Chlorreiniger. Das Zeug stank widerlich und sie war sich sicher, dass der Inhalt ausreichte, um der Pflanze ein Ende zu setzen.
»Wirst du mich kontrollieren, wenn ich dich am Leben lasse?«
‚Wenn du schwach bist … muss ich die erste Stimme übernehmen‘
»Und, wenn ich eine starke Königin bin?«
‚Eine Königin kann ohne Cerebrat keine echte Stärke erlangen‘, stellte V’nyx der IV. herablassend klar. Nach einem kurzen Moment der Stille erklang die telepathische Stimme von V’nyx dem IV. wieder in Miriams Kopf.
‚Hast du all die Jahre als blinde Königin gelebt, ohne den Drang zu verspüren, ein eigenes Königreich zu gründen?‘, fragte er spöttisch.
»Ja«, seufzte Miriam und schloss ihre Augen. Die zahlreichen Eindrücke der jüngsten Zeit erschöpften sie, und die aufkeimende Pflanze schien ihr jetzt schon rhetorisch und mental überlegen zu sein. Es wäre leicht, dem ein Ende zu setzen, aber wie sollte sie mehr über ihre Art erfahren, wenn sie die vielleicht letzte Chance auf Antworten vernichtete?
Mit dem festen Vorsatz, ihren Kopf heute nicht noch mehr zu martern, stand sie auf und ging in ihr Schlafzimmer. Sie sah sich in dem großen Standspiegel durch den Raum laufen: die Blaue Königin, oben ohne, in weißen Jeans-Hotpants und mit weißen Sneakers.
Sie trat näher an den Spiegel und beäugte die neu hinzugekommene, orangefarbene Note in ihrem Gesicht. Der blaue Lidschatten dominierte und zog sich weiterhin bis über die Schläfen, war aber mit einem feinen orangefarbenen Lidstrich unterlegt.
Der Übergang ihrer tiefblauen Lippen zum schwarzen Grundton ihres Gesichts wurde durch einen orangefarbenen Schatten sanfter modelliert. Dezent war ihre Erscheinung im mutierten Zustand noch nie, aber mit diesem Farbspiel musste sie sich noch anfreunden.
Aus einer Laune heraus suchte sie in ihrem noch recht spärlich gefüllten Kleiderschrank eine weiße Kurzarmbluse und streifte sie sich über. Ihre Brüste waren aktuell zu groß, als dass sie die Knöpfe schließen könnte. Miriam verknotete die beiden Stoffecken auf Höhe ihres Bauchnabels. Die Bluse schmiegte sich eng an ihren Oberkörper, ihre Brustwarzen waren geradeso bedeckt. Sie betrachtete ihren Körper im diffusen Licht der untergehenden Sonne. Ihre schwarze Haut war in der Dämmerung fast unsichtbar. Einzig die weiße Kleidung und die grellen Farben ihres Gesichts waren deutlich zu erkennen.
Schon als junge Drohne träumt sie davon, nackt und in ihrer wahren Gestalt, unbehelligt durch eine Stadt zu bummeln. Die Sonne auf der Haut zu genießen, während sie in einem Café saß, einen Milchkaffee genoss und die Leute beobachtete, ohne selbst wie ein Zootier angegafft zu werden. Miriam wusste, dass dieser Traum nie in Erfüllung gehen würde. Die Blaue Königin durfte nur hinter verschlossenen Türen und heruntergelassenen Jalousien leben – das war Teil der Abmachung.
‚Ob Sven mich wieder sehen möchte, wenn er wüsste, wer ich wirklich bin?‘, fragte sie sich und spürte ein unangenehmes Ziehen in der Magengegend.
‚Wenn ich wenigstens ihm gegenüber sein dürfte, was ich bin.‘
Miriam spürte die Müdigkeit in ihren Knochen. Die letzte Nacht war zu kurz und dieser Tag war auch wieder sehr ereignisreich gewesen.
Sie zog sich aus, legte sich mit eng angewinkelten Beinen auf das Bett und zog die Decke über ihren Körper. Am liebsten schlief sie zwar in ihrem Latexkokon, aber sie war heute zu müde, um diesen Aufwand zu betreiben.
***
Die Sonne stand bereits hoch am Horizont, als Miriam ihren Kopf unter der Bettdecke hervorstreckte und sich umblickte. Es musste nach Mittag sein, sie hatte geschlafen, bis ihr Körper des Schlafens überdrüssig war. Hellwach riss sie die Bettdecke zur Seite und sprang aus dem Bett. Die Küchenuhr zeigte 13 Uhr an. Ganz gleich, wie viel Uhr es war, ein guter Tag fängt mit einem Frühstück an.
Während sie die Haferflocken mit reichlich Milch, Quark, Erdbeeren und Bananen verrührte, träumte sie von Sven.
Sie trug die Schale mit dem Frühstück ins Wohnzimmer und stellte sie auf den Sofatisch. Dann suchte sie die SIM-Karte aus ihrem Vorrat, für die Sven die passende Nummer hatte. Sie baute die Karte und den Akku in eines ihrer Handys und schaltete es ein.
Das Handy signalisierte mit einer Melodie, dass es zum Leben erwacht war und ein Netz suchte. Miriam nahm das wohlwollend zur Kenntnis.
Sie legte sich auf das Ledersofa, stellte die Frühstücksschale neben sich und aß den ersten Löffel. Kauend blickte sie verträumt an ihrem Körper entlang, winkelte ein Bein an und sehnte sich danach, von tausend Augen beobachtet zu werden.
Für ihre Art war es ein Zeichen der Ehre, sich nackt zu zeigen. Nur wer etwas zu verbergen hatte … ja, der verbarg sich hinter Kleidung oder in den Büschen. Sich nackt und breitbeinig zu zeigen und gesehen zu werden, war eine wichtige soziale Komponente, die sie bei den Menschen im Alltag vermisste.
Im Posteingang war eine SMS von der Nummer, die sie Sven gestern gegeben hatte.
„Magst du Sushi heute Abend?“
„Hauptsache, wir sehen uns“, tippte sie mit flinken Fingern und leckte die letzten Krümel vom Löffel.
‚Ich würde überall mit dir hingehen, aber was ziehe ich dazu an?‘, dachte sie kauend. Kaum eine Minute später kam Svens Antwort per SMS:
„O.K., heute Abend, 19Uhr im Sushitempel. Weißt du, wo das ist?“
„Ja, das finde ich. HDL Miri.“
„HDAL Sven.“
Miriam öffnete die Rückseite des Handys, nahm den Akku heraus und legte die Einzelteile auf den Tisch. Mit Sven in ein richtiges Restaurant zu gehen, war ein schöner Gedanke, aber sie machte sich Sorgen über das, was nach dem Essen passieren könnte.
‚Ich darf auf keinen Fall Alkohol trinken‘, ermahnte sie sich.
‚Wenn ich nüchtern bleibe, kann eigentlich gar nichts schief gehen‘, glaubte sie für einen Moment und schüttelte dann den Kopf.
‚Eigentlich kann alles schief gehen!‘
Je mehr sie über ihre Gefühle für Sven nachdachte, desto komplexer wurden ihre Gedankenspiele. Sie machte sich sogar Sorgen, ob Sven das Interesse an ihr verlieren könnte, wenn sie etwas falsch machte. Gerade wegen der Möglichkeit des Scheiterns wollte sie doch dieses Spiel als Mensch spielen. Das Andere in ihr könnte Sven in kurzer Zeit zu einer demütig gehorsamen Lustdrohne machen – sehr effektiv, aber keine Herausforderung. Und vor allem streng verboten für jemanden, der seine zweite Chance bekommen hatte!
Außerdem weckte Sven ein Gefühl in ihr, von dem sie mehr erleben wollte. Von dem das Mädchen, das tief in Miriam lebte, schon lange geträumt hatte: Sich verlieben!
*
Nach dem Frühstück taute Miriam eine weitere Spermaprobe auf und ging zu V’nyx dem IV. Sie ließ den Saft in ihren Mund laufen und näherte sich der weit geöffneten Blüte um sie zu füttern.
‚Was weißt du über die dunklen Kreaturen in diesem toten Wald?‘, fragte Miriam in Gedanken.
‚Ich weiß nichts darüber, das habe ich dir gestern schon gesagt!‘, antwortete V’nyx der IV.
‚Cerebrate sind doch immer mit dieser Welt verbunden – warum findest du es nicht heraus?‘
‚Wie ist eine so lethargische und ursprünglich blinde Königin eigentlich an meine Datenkapsel gekommen?‘, kam als Gegenfrage.
‚Um dieses Rätsel kümmere ich mich, wenn du herausfindest, was in der Anderswelt vor sich geht‘, versprach Miriam.
Die Blüte löste sich von Miriams Gesicht, von dem Sperma waren keine Reste übrig.
‚Du stehst mir im Licht!‘, vermittelte V’nyx der IV.
Miriam erhob sich und ging zur Seite, sodass einige Sonnenstrahlen durch die Jalousien auf die Blume fielen.
‚Kannst du die Blätter entfernen, damit ich mehr Licht bekomme?‘, fragte V’nyx der IV.
»Das sind keine Blätter«, sagte Miriam, strich über die Lamellen der Jalousie und ließ den Sonnenschutz so, wie er war.
»Man muss auch mal mit dem zufrieden sein, was man hat«, sagte sie und verließ den Raum.
Miriam wollte sich ihr Outfit für den heutigen Abend zusammensuchen.
‚Ich habe nichts anzuziehen!‘, stellte sie fest, schlug die Schranktür zu und entschied sich vorläufig für ein lässiges Sommeroutfit, mit dem sie zumindest in die Stadt gehen konnte, um sich etwas Angemessenes zu kaufen.
Bevor sie die Behausung verließ, schaute sie noch einmal in den Spiegel und ging ihre Checkliste durch: Heller Hauttyp, Oberweite, grüne Augen, …
***
Die Verkäuferin hatte Miriam freundlicherweise geholfen, die Etiketten aus den Klamotten zu entfernen. Sie saß in ihrem neuen Outfit in einem Café und fühlte sich sehr gut in dem knapp geschnittenen Kleid. Beim Übereinanderschlagen der Beine musste sie aufpassen, denn ein paar Beobachter spekulierten bereits auf die nächste Änderung ihrer Sitzhaltung.
Nach zwei Stück Käsekuchen war ihr das aber fast egal. Sie vermied Blickkontakt und begann damit, das Smartphone zusammenzubauen, auf dem sie die mysteriöse E-Mail erhalten hatte.
Da sie ihre Geräte immer zerlegte, anstatt sie nur auszuschalten, ging ihr das sehr flott von der Hand. Eine technisch begabte Blondine – das brachte ihre Beobachter noch mehr aus der Fassung.
Wenn jetzt jemand ihren Standort zurückverfolgen würde, käme er in einem erstklassigen Café in der Innenstadt heraus – das war besser als bei ihr zu Hause. Sie durchsuchte ihr Gerät, aber weder im Spam-Verzeichnis noch unter den gelesenen E-Mails fand sie die Nachricht, die ihr den Tipp mit der Datenkapsel gegeben hatte.
Sie suchte alle möglichen Verzeichnisse mehrmals durch, ohne auch nur einen Hinweis auf diese E-Mail zu finden. Dann fiel ihr ein, dass sie von der E-Mail auf eine Website weitergeleitet wurde.
Die Historie ihrer besuchten Internetseiten war überschaubar. Sie fand eine Adresse, die nur aus kryptischen Zeichen bestand, und klickte sie an.
"Server nicht gefunden, oder Website existiert nicht"
»Fuck!«, zischte sie und fühlte sich wie ein dummes Kind gegenüber dieser geradezu magischen Allmacht der Technik.
Miriam zerlegte das Gerät in seine Einzelteile, bezahlte und eilte auf ihren hohen Pumps aus dem Café. Sie hatte die Zeit vergessen und musste sich beeilen, um nicht zu spät zum Date mit Sven zu kommen. Sven studierte Informatik, er könnte ihr sicher bei ihrem Problem helfen. Sie entschied sich aber, ihn nicht beim ersten richtigen Date mit der Nase auf ihre Probleme zu stoßen.
***
»Und heute war die Mail verschwunden, als ich sie noch einmal lesen wollte«, erzählte Miriam im Plauderton, »ganz schön doof, oder?«
Miriam war es eine gute halbe Stunde lang gelungen, nicht über ihre E-Mail zu reden, dann platzte sie vor Neugier. Sven zuckte mit den Schultern.
»Das kann doch jedem Mal passieren, wenn es eine Spam-Mail war, hat sie der Server vielleicht automatisch gelöscht. Oder du hast einen Virus, der deine Mails löscht.«
»Hm«, brummte Miriam.
»War die Mail wichtig?«
‚Auf jeden Fall hat sie ihr Ziel erreicht‘, dachte Miriam und entschied sich für ein Kopfschütteln.
»Nein, nicht wirklich, mich ärgert es nur, wenn Dinge geschehen die ich nicht verstehe.«
Sven lehnte sich verschwörerisch über den Tisch und flüsterte gespielt geheimnisvoll: »Kein Mensch versteht mehr was im Internet passiert, aber behalte das bitte für dich, wir wollen die Öffentlichkeit doch nicht verunsichern.«
‚Die Öffentlichkeit zu verunsichern, ist mir sogar vertraglich verboten‘, dachte Miriam grinsend.
»Okay«, hauchte sie und gab Sven einen unverfänglichen Kuss, bevor er sich auf seinen Stuhl zurücksinken ließ.
»Du musst mal diese kleinen Röllchen mit der Seezunge probieren«, sagte Miriam begeistert, um das Thema zu wechseln. Sven winkte dankend ab, er war längst satt.
»Du kennst Sushi nicht, kannst aber müh
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