07 Miriam - Böse Mädchen gehen überall hin
von Faith
Miriam schlief einen traumlosen Schlaf. Ihr Körper benötigte alle Kraftreserven zur Heilung der Wunden.
Der Klang ihres Handys drang gedämpft zu ihr durch. Sie glaubte, die Melodie in den letzten Stunden mehrmals gehört zu haben, sie öffnete ihre Augen und sah dennoch nichts.
Ein Kokon aus schwarzen, eng anliegenden Blättern umhüllte sie von Kopf bis Fuß und förderte die Heilung der Wunden.
Jede Bewegung schmerzte. Miriam wusste nicht, ob sie eine Stunde oder eine Woche geschlafen hatte. Mit Mühe schob sie einen Arm zwischen ihrem Körper und dem Kokon zum Kopf, suchte eine Stelle, an der sich die Blätter überlappten und öffnete die Naht.
Draußen war es Tag, sie wusste nur nicht welcher. V’nyx der IV. reichte ihr das Handy, das nun nicht mehr läutet. Träge nahm sie das Gerät und versuchte den verschwommenen Blick auf das Display zu fixieren. Es waren mehrere entgangene Anrufe von Sven aufgelistet.
Die Melodie einer ankommenden SMS ließ ihr fast den Schädel explodieren.
„Ich finde Dein zickiges Verhalten albern!“, schrieb Sven vor einer halben Minute.
Vor fünf Stunden, das was Sonntagmorgen, hatte er geschrieben:
„Hallo Schatz, lass uns den Sonntag nicht auch noch mit Streit verschwenden. Ich vermisse Dich“
Die älteste, ungelesene SMS war auch von Sven. Das war die SMS vom Samstagmittag, die ankam, als sie auf dem Hängeschrank saß. Die SMS in der sich Sven entschuldigte und ALLES von ihr wissen wollte.
Es war also Sonntagmittag. Ziemlich genau 24 Stunden nachdem sie V’nyx dem IV. den Mittelfinger gezeigt hatte.
»Oh Gott, Sven macht sich bestimmt Sorgen, wegen dem blöden Streit!«, murmelte sie und wählte seine Nummer.
»Na, hat Ihre Majestät gerade mal Zeit?«, fragte Sven pampig.
»Ich bin nicht mehr sauer auf Dich, ich konnte mich nicht früher melden, bitte glaube mir das.«
»Du klingst ja schrecklich. Bist Du krank?«
»Ja, so ähnlich.«
»Was ist denn passiert!«, fragte Sven, seine Wut war der Erleichterung gewichen, als er ihre Stimme hörte. Zwei Atemzüge später machte er sich Sorge um seine Freundin.
»Am besten Du kommst vorbei, ich muss Dir einen Freund von mir vorstellen«, sagte Miriam mit bedeckter Stimme. Sven schwieg ins Telefon.
»Hallo, noch da?«, fragte Miriam.
»Ja, ich bin nur baff, dass Du mich zu Dir einlädst.«
»Du willst doch alles über mich wissen – ich glaube eine bessere Gelegenheit finden wir nicht … ich habe aber nicht aufgeräumt.«
»Das macht nichts, ich freu mich, deine Stimme zu hören, auch wenn sie ganz schrecklich klingt, brauchst Du was?«
»Was zum Essen währe prima … und wenn Du ein bisschen Blumendünger auftreiben kannst …«
»Blumendünger?«, hakte Sven nach.
»Ja, Blumendünger.«
»Ich schau mal, ob ich was finde … und wie finde ich Deine Wohnung?«
»Fahr zu der Kreuzung an der du mich immer abholst und rufe an, den Rest erkläre ich Dir dann am Telefon.«
Miriam zog die Blätter wieder zusammen, sodass nur ihre Nasenspitze und die Augen herausschauten und sah die beiden orangefarbenen Blüten hoch über ihr, unter der Zimmerdecke schweben.
»Wie bist Du eigentlich so groß geworden?«, frage Miriam.
‚Ich habe schon vor Wochen einen hohlen Baumstamm gefunden, durch den ich mit einem Teil meiner Wurzeln auf einen nährstoffreichen, unterirdischen Fluss gestoßen bin. Ich habe vor, den Fluss zu stauen, um die Nährstoffe besser aus dem Wasser filtern zu können.‘
»Der hohle Baumstamm ist wahrscheinlich die Regenrinne und der unterirdische Fluss ist ein Abwasserkanal. Wenn Du den staust, kommen Menschen mit gelben Helmen und graben Dich aus – lass den Fluss fließen und genieße die täglich frischen Nährstoffe«, erklärte Miriam und kuschelte, sich erschöpft vom vielen Reden, in ihr Nest.
»Wo ist eigentlich die Flasche mit dem Chlorreiniger, die stand doch hier irgendwo?«, fragte Miriam trotz ihres Zustandes. Sie wollte nicht, dass V’nyx dem IV. dadurch ein Schaden entstand.
‚Ich habe die Substanz in mich aufgenommen um sie zu neutralisieren.‘
»Du hast das Zeug getrunken?«, fragte Miriam erstaunt.
‚Ja, aber anfangs nur in sehr kleinen Mengen, um mich an das Gift zu gewöhnen.‘
»Und jetzt kann es dir nichts mehr anhaben?«
‚Bis zu einer gewissen Dosis kann es mir nicht mehr schaden, aber süchtig werde ich danach nicht.‘
Eine Armlänge von ihrem Kopf entfernt lag die Natter zusammengerollt zwischen anderen Ranken. Das Ende, von dem Miriam die Spitze gekappt hatte, sah ausgefranzt aus und glänzte matt von geronnenem Pflanzensaft.
»Wächst der Stachel wieder nach?«, fragte Miriam teils aus Neugier, teils aus einer latenten Furcht vor dieser Waffe, durch die Christina, eine ihrer liebsten Drohnen gestorben war.
‚Ja‘, sagte V’nyx der IV.
*
Sven meldete sich einige Zeit später per Handy und Miriam erklärte ihm den Weg zu ihrem Unterschlupf. Kurz darauf blickte Sven in den Flur eines ehemaligen Bürotraktes, in dem nun schwarze Wurzeln über den Boden wucherten.
Unsicher stand er in der Eingangstür, mit einer großen Tüte von McDonald`s in der einen Hand und einem Sack Blumendünger in der anderen.
»Komm rein, ich bin im vorletzten Raum, am Ende des Ganges«, rief Miriam mit dünner Stimme.
Sven lief mit bedächtigen Schritten, um nicht auf eine der Wurzeln zu treten, spähte in den Raum und sah lediglich Miriams Haarschopf aus einem bizarren Dickicht herausschauen.
In diesen Knäul aus Ranken kam ungeahnte Dynamik. Sven glaubte, der Raum würde sich drehen, dabei waren die Wände, das einzige, das sich nicht bewegte.
Das Nest öffnete sich und gab Miriam Preis, deren Körperkonturen sich unter einem eng anliegenden Kokon aus gummiartigen Blättern abzeichneten.
Sven beobachtet diesen unglaublichen Vorgang mit Fassung. Erst als ihm ein Tentakel den Sack Blumendünger entriss, zuckte er erschrocken und wich zurück.
»Das ist V’nyx der IV., mein Cerebrat, Du musst keine Angst haben«, sagte Miriam und öffnete den Kokon mit schmatzenden Geräuschen. Die Innenseite war mit einem farblosen Gel überzogen, das ihre Latexhaut feucht glänzen ließ.
»Bist Du verprügelt worden?«, fragte Sven betroffen. Er betrachtete sich das Loch in der Trockenbauwand, das Miriam gestern geschlagen hatte, um von der Küche in den Nebenraum zu kommen.
»Ja«, gab Miriam zu und betrachtete ihren Körper im Liegen. Die Schürfwunden waren Großteils verheilt, lediglich einige tiefe Kratzer auf ihrem Torso trübten den Anblick. Bis die Schmerzen in ihren gezerrten und überdehnten Gelenken und Muskeln nachließen, würde noch einige Zeit vergehen. Ebenso war die ebenmäßige Symmetrie ihres Gesichts noch durch diverse Schwellungen entstellt.
»Was ist denn passiert, bist Du … überfallen worden?«
»Nein, es gab nur eine Meinungsverschiedenheit zwischen diesem Dickkopf und mir.«
Miriam klatschte mit der Hand gegen den Hauptstamm von V’nyx dem IV.
»Aha«, sagte Sven und trat im Türrahmen auf der Stelle.
»Das riecht nach Big-Mac’s«, sagte Miriam und blickte mit ausgestreckten Armen auf die braune Papiertüte.
»Ja«, sagte Sven und versuchte sich Miriam zu nähern, ohne auf eine Wurzel zu treten, was ihm in diesem Raum unmöglich schien.
»Ziehe Dich aus und komm zu mir, nach dem Essen erkläre ich alles.«
Sven riss die Augen weit auf und starrte in den Raum. Miriam lag in einem Wust aus Tentakeln, alles war schwarz in schwarz und je länger Sven in den Raum starrte, desto bizarrer kam es ihm vor.
»Du musst keine Angst haben, dir wird nichts geschehen – das verspreche ich dir«, sagte Miriam und richtete sich langsam auf. Sie kam auf wackeligen Beinen zu ihm. Die Tentakel wichen den Schritten der Königin aus und bahnten ihr einen Weg zu Sven. Sie streichelte über seine Wange.
»Es ist bestimmt nicht das was man sich unter einem romantischen Sonntagmittag vorstellt, aber ich verspreche dir, du wirst es nicht bereuen.«
*
Sven Saß nackt in dem Nest neben Miriam, kaute ein paar Pommes und beobachtete das spurlose Verschwinden von zwei Bic-Mac’s, eines Royal TS und einem Liter Cola.
Die Szene brannte sich tief in sein Gedächtnis und in sein Herz: Dieses unglaublich bizarr-erotische Wesen, das er mehr liebte als je einen … Mensch zuvor, in einem mindestens ebenso bizarren Umfeld, beim heißhungrigen Verputzen von Fast-Food zu beobachten, weckte in ihm eine Melange aus Gefühlen; von erheiternd, über glücklich, zu närrischer Verliebtheit, bis hin zu purer Sexgier.
Er schob ihr eine blonde Strähne aus dem Gesicht und strich sorgsam über die aufgeplatzte Haut an ihrer Stirn.
Einem tiefen Verlangen folgend, küsste er seine Geliebte, die mit vollen Backen, von diesem zärtlichen Ausbruch überrascht wurde und die Zuneigung dankend erwiderte, nachdem sie das Essen geschluckt hatte.
»Komm, schlüpf unter meine Decke, wir kuscheln«, sagte Miriam und zog eines der großen Blätter über Svens Rücken, bis es den Rand eines anderes Blattes berührte und sich mit ihm verband.
Die dünne Latexschicht schmiegte sich stramm um das Pärchen. Als der Kokon so weit geschlossen war, dass nur noch ihre Schultern und Köpfe herausschauten fühlte Sven einen sanften Druck, der seinen Bauch gegen ihren drückte.
»Fühlst Du Dich wohl?«,fragte Miriam
»Es ist sehr eng und ich kann mich kaum bewegen«, sagte Sven vorsichtig, denn er wollte die ungewohnte Gastfreundschaft nicht ausschlagen.
»Stell dir vor, dass du dich gar nicht bewegen willst. Versuche zu fühlen ohne zu wollen.«
Sven nickte zaghaft und atmete langsam aus. Er versuchte sich zu entspannen, es gelang ihm, wenn er die Augen schloss.
»Wie ist es jetzt?«
»Besser … viel besser – ich fühle mich geborgen«, sagte Sven, »und ich bin froh, dass wir uns nicht mehr streiten.«
»Wenn dir das gefällt können wir es uns an den Wochenende immer so gemütlich machen«, sagte Miriam und schmiegte sich an Svens Brust.
»Das Klingt gut«, hörte sich Sven sagen und es erschreckte ihn, wie vorbehaltlos er sich eine Zukunft mit Miriam – mit der Blauen Königin – ausmalte, ohne auch nur einen Bruchteil dessen zu kennen, was noch auf ihn zukommen würde.
»Ich freu mich darauf, dir meine Welt zu zeigen«, sagte Miriam. Sie gab ihm einen zärtlichen Kuss auf die Wange und erklärte mit verliebter Stimme.
»Du bist der einzige Mensch in meinem Herzen. Du bist der einzige Bewohner in meinem kleinen Königreich.«
Der Kokon zog sich noch enger zusammen, spannte sich hart um die Konturen der beiden Körper und ließ ihnen kaum den Platz zum Atmen.
Sven wirkte verkrampft und fand die eben noch angenehme Enge, nun als beklemmend. Er schaute Miriam mit weit aufgerissenen Augen an.
Die Spannung des Kokons reduzierte sich auf ein erträgliches Maß.
»Entschuldige ich wollte dir keine Angst machen«, sagte Miriam.
»Magst du es so eng, dass man kaum noch atmen kann?«
»Ja, manchmal, aber ich wollte dich einfach nur ganz fest spüren.«
Sven entspannte sich und empfand eine unterschwellige Erregung, bei der Vorstellung bewusst atmen zu müssen um genug Luft zu bekommen.
Miriam ließ ihren Unterleib in dem Kokon kreisen. Durch die intensiven Berührungen wurde Sven das Ausmaß seiner Erektion bewusst. Sie lächelte ihn an: »Oh, gibt es Nachtisch?«
»Wenn Du willst, … aber es ist verdammt eng hier.«
»Das bekommen wir hin«, sagte Miriam und vollführte einige windende Bewegungen, bis der pralle Schwanz zwischen ihre Beine rutschte. Ihre Brüste waren genau vor Svens Gesicht, dann fühlte er wie seine Spitze zwischen ihre feuchten Schamlippen rutschte. Miriam schlängelte sich innerhalb des Kokons wieder einige Zentimeter abwärts, bis sie Svens Hals zwischen ihren Brüsten spürte. Und natürlich spürte sie seinen Pfahl tief in ihrem Leib. Sven stöhnte Sanft als Miriam wieder zur Ruhe kam.
Ihre sehnsüchtig geöffneten Lippen berührten Svens Wange, er drehte den Kopf und presste seinen Mund gegen ihren. Sie zuckte zurück: »Langsam bitte und nicht so fest heute.«
Er berührte ihre Lippen, die noch nicht ganz verheilt waren, sanft mit seinen und ließ seine Zungenspitze neugierig in ihren geöffneten Mund tauchen.
Miriams Körper bewegte sich kaum sichtbar, dennoch spürte Sven, die Bewegungen ihres Unterleibs.
Er stieß mit dem Becken sachte zu und fühlte die Enge in ihr mit ungeahnter Intensität. Miriam stöhnte bei der kleinsten Bewegung und blickte ihn verlangend an.
Sven kam sich vor, wie sein eigener Schwanz, er steckte in einem engen, feuchtwarmen Schlauch, dicht an seine Geliebte gepresst und jede Bewegung war eine unvermeidliche Berührung des anderen.
»Gaaanz langsam«, hauchte Miriam in seinen Mund. Sven hörte auf, sein Becken kreisen zu lassen, verharrte in der Enge, die seinen Körper umgab und fühlte die Enge um seinen Schwanz, der fest von Miriams Lustkanal umschlossen war. Er empfand diesen Moment als die intimste Erfahrung seines bisherigen Lebens.
Er verlor sich in ihren großen, blauen Augen, die ihn wach und verlieb anschauten, stöhnte leise bei jedem bewussten Atemzug und erschauerte innerlich bei der kleinsten Bewegung, die Miriams Unterleib vollführte.
Sven spannte seinen Beckenbodenmuskel an und erreichte eine kleine Bewegung, tief in Miriam. Sie reagierte mit einem gestöhnten Lächeln und schloss die Augen.
Sven verlor sich in dem Moment, auch er schloss die Augen, um sich auf seine Gefühle zu konzentrieren. Er fühlte nicht nur seinen Körper – diese Gefühle kannte er. Sein Empfinden erweiterte sich auf ein Wir-Empfinden. Er fühlte sich schwerelos, wusste, dass es Miriam ähnlich ging, denn sie war ganz nah bei ihm, in einem Meer aus Licht: warm und weich, verbunden durch seinen harten Schwarz.
*
Als Sven die Augen öffnete, wusste er nicht wie viel Zeit vergangen war, ihm kam es wie ein Moment vor, aber es dämmerte bereits, der Raum war in sanfte Schatten gehüllt.
Eine kleine Bewegung seines Oberkörpers löste eine zärtliche Berührung an seinem Kinn aus. Er sah Miriams herrliche Brüste. Eine der großen harten Knospen rieb sich bei jedem Atemzug an seinem Kinn.
»Deine Bartstoppel machen mich fast verrückt«, gestand Miriam.
»Bist du die ganze Zeit wach gewesen?«
»Ich habe dich beim Schlafen beobachtet und konnte davon nicht genug bekommen.«
Er fühlte sich erholt, wie nach einem Mittagschlaf und war dennoch träge vor Lust. Sein Schwanz steckte tief in ihrem Körper und er spürte jeden Tropfen, der aus seiner Eichel kam und in Miriam überging.
Kein schneller Höhepunkt, bei dem der Eröffnungstusch schon das Ende einleitete, überkam ihn. Stattdessen verharrte er reglos auf einem Plateau der langsam tröpfelnden Lust, bei der jede Bewegung ein Abgleiten in den Abgrund der Ekstase bedeuten konnte.
Miriam schaute ihm in die Augen, in ihrem Blick lag so viel Dankbarkeit und Liebe, dass sein Becken kurz zuckte. Miriam öffnete ihren Mund in einer Geste des Mitgefühls und gab ihm Halt, auf diesem kleinen Plateau der tröpfelnden Lust.
»Ich werde immer für dich da sein, ganz gleich was passiert«, hauchte Miriam.
»Ich erkenne erst langsam welches unglaubliche Glück ich mit dir habe, aber du gibst mir so viel und ich kann dir nichts bieten«, flüsterte Sven.
»Was ich dir gebe, kommt um ein vielfaches verstärkt zu mir zurück, Sven. Ich bin eine Königin, es macht mich glücklich für dich da zu sein.«
»Das zwischen uns könnte noch intensiver sein, wenn…«
Miriam küsste ihn, um ihn zum Schweigen zu bringen, denn sie wollte diese Diskussion nicht schon wieder führen. Sven ahnte nicht im Ansatz, was es bedeutete eine Drohne zu sein.
Die Nacht brach herein und Miriam summte eine Melodie. Eine Variation dessen, was Sven bereits bei der Autofahrt verzauberte.
Diesmal durfte er sich dem Gesang hingeben, in ihm versinken und eins werden mit den sanften Emotionen ihrer Stimme.
Ein weiterer Tropfen seiner köchelnden Lust ging in Miriam über und löste in ihm ein tiefes Gefühl der Wärme und Geborgenheit aus.
Zu Beginn des reglosen Rauschzustandes fragte er sich, was mit ihm geschah – diese Frage war ihm nun so fern wie alles Weltliche außerhalb dieses Kokons.
Würde er morgen aufwachen und so sein wie Miriam – er wäre dankbar für dieses Geschenk. Aber er wusste, dass sie ihn nicht veränderte, er war nur verzaubert von einer unbändig sanften Lust.
***
Es musste ein Traum sein: Sven sah eine Welt voll bizarrer Schönheit hinter einem zarten Schleier. Wesen die Miriams Erscheinung ähnelten, wohnten darin und seltsame Pflanzen reckten ihre bunten Blüten in den Himmel.
Miriam, die Blaue Königin, stand in ihrer vollen Pracht, mit erhabenem Stolz neben ihm, hielt in fest an der Hand und lächelte ihn an.
»Komm, ich zeige Dir eine Erinnerung aus der Anderswelt«, sagte sie und ging in kleinen Schritten voran. Ihren Fersen entsprangen zierliche, aber sehr lange Absätze, die ihrem graziösen Körper eine noch elegantere Haltung abverlangten. Durch die Absätze berührten lediglich ihre Zehen den Boden. Sie bewegte sich mit der Anmut einer Ballerina über die Lichtung und führte ihn zu einem großen Baum mit orangefarbenen Blüten.
Erst langsam erkannte Sven, in der Vielzahl der Eindrücke, einzelne Wesen, die am Fuße des gewaltigen Baumes ineinander verschlungen miteinander rangen, sich streichelten, küssten, liebten. Andere sammelten Früchte von den Sträuchern und fütterten sich gegenseitig mit den Köstlichkeiten, horchten jedoch auf, als ein lüsterner Laut erklang.
Im Gegensatz zu Miriam waren die Wesen allesamt von durchgängigem Schwarz, edel glänzend, aber ohne königliche Zierde.
Mit Lust nahm eine schwarze Latexpuppe auf dem emporragenden Pfahl eines männlichen Latexwesens Platz und presste ihre unnatürlich großen Brüste in sein Gesicht.
Sie schrie vor Leidenschaft, lockte weitere Männer an und saugte an deren hart aufgerichteten Speeren. Einer nach dem anderen schenkte ihr seinen Samen und sie verrieb den wertvollen Saft auf dekadent verschwenderische Art, auf ihrem Körper.
In das anfängliche Chaos kam Ordnung. Die Wesen gruppierten sich um diese eine Drohne, zollten ihr Respekt und Anerkennung, indem die männlichen Drohnen ihren Samen auf sie spritzen. Die weiblichen Drohnen rieben ihre feuchten Körper an ihr, leckten sie zwischen den Beinen, saugten an ihren Brüsten, oder küssten ihren offenen Mund und ließen, das von ihnen gesammelte Sperma, in den gierigen Schlund laufen.
Benommen vor Lust bebte der Körper der Auserwählten, sie glitt ab in einen orgastischen Rausch. Ein trompetenartiger Laut schreckte die anderen Wesen auf und ließ sie davon rennen.
Die Auserwählte kniete, alleine auf der Lichtung und wartete gebannt das kommende Ereignis.
In einer vollkommenen Choreographie reckten sich die Tentakel von dem großen Baum zu ihr, hoben sie auf und ließen sie zur größten und höchsten Blüte schweben.
Breitbeinig wurde sie in den Blütenkelch abgesetzt.
Sven sah nicht genau was darin geschah, er glaubte einen unterarmgroßen Zapfen im Zentrum der Blüte zu sehen, der mühelos in die Latexpuppe eindrang. Er hörte Geräusche, die von einer Euphorie zeugten, wie er sie noch nie gehört hatte und wollte näher zum Geschehen, oder zumindest den weißen Schleier zwischen ihm und der Szene hinfort streichen.
Miriam hielt ihn fest an der Hand und schüttelte den Kopf mit verständigem Lächeln.
»Es ist nur eine Vision, du kannst nicht näher heran«, erklärte sie.
Sven schaute wieder zur großen Blüte, die sich langsam schloss und das Wesen gänzlich umhüllte. Die ekstatischen Geräusche verebbten zu einem lüsternen Wimmen. Er konnte sich nicht vorstellen, dass ein Geschöpf nach dieser Erfahrung noch so war wie zuvor.
»Was geschieht mit ihr?«
»Wenn sich die Blüte von V’nyx dem III. öffnet, wird sie die neue Königin sein«, sagte Miriam, »Aber das ist lange her, es ist die Erinnerung meines Cerebraten aus unserer Heimatwelt.«
Miriam schaute noch einmal wohlwollend auf die ausgelassen tobende Gruppe aus Drohnen, die sich um den Baumstamm versammelt hatte und murmelte: »Ich beneide die junge Königin nicht darum, Ordnung in diese Horde zu bringen.«
Sven schluckte schwer und erkannte die Ähnlichkeit dieses gewaltigen Baums, mit der Pflanze, die in Miriams Unterschlupf wuchs.
»Und du hast das auch erlebt, als du zur Königin wurdest?«
»Ja«, sagte Miriam und blickte auf den Boden, »aber bei mir war es nicht so feierlich, wir waren nur wenige und es musste schnell gehen.«
Sie hob den Kopf und rang um ein Lächeln, denn sie wollte über ihr Schicksal kein Trübsal blasen.
»Komm, wir gehen noch ein Stück den Hügel hinauf, ich zeige Dir einige meiner Bilder«, sage sie zu Sven und zog an seiner Hand.
Sie erreichten den Gipfel der Anhöhe und schauten in das Tal, von hier sahen die mächtigen Bäume mit den großen Blüten, wie exotische Blumen aus.
»Was ist das für ein gruseliger Wald dort drüben?«, fragte Sven.
»Das frage ich mich auch. Dieser Wald und die Wesen, die darin wohnen, gehören nicht in meine Welt.«
»Willst Du da jetzt hin gehen?«, fragte Sven und ließ sich einige Schritte zurückfallen. Die Blaue Königin schritt aufrichtig und mit natürlichen Erhabenheit auf den Waldrand zu. Sven erkannte Miriam in diesem majestätischen Wesen und konnte dennoch nicht fassen, dass sie es war.
Trotz der üppigen Kurven wirkte ihr Körper schlank und edel, der schwarz glänzende Grundton verlieh ihr klar konturierte Umrisse, die durch die blauen Linien vorteilhaft untermalt wurden. Ihre menschliche Gestalt stand diesen Proportionen nicht sonderlich nach, aber in der mutierten Erscheinung war ihr Äußeres auf eine bizarr-erregende Art übertrieben – phantastisch, aufreizend überzeichnet und mit einer makellosen Schicht Latex überzogen.
»Komm«, sagte sie und reicht ihm ihre Hand.
»Du siehst so fantastisch geil aus«, sagte Sven, schloss zu ihr auf und nahm ihre Hand.
Die Blaue Königin überging seine Schwärmerei. Sie stand am Rand des dunklen Waldes und schaute in die Finsternis.
»Sieh! Dort ist eines der dunklen Wesen«, sagte sie zu Sven und zeigte auf eine Stelle, an der eine vage Bewegung zu erkennen war.
»Komm zu mir, hab keine Angst«, sagte Miriam zu dem Schatten und beugte den Oberkörper fürsorglich nach vorne. Der Schatten bewegte sich auf sie zu und Sven erkannte die menschlichen Umrisse eines durchtrainierten Mannes, der sich, wie ein scheues, aber zugleich neugieriges Tier, aus seinem Versteck wagte.
»Holst Du uns jetzt?«, fragte das dunkle Wesen.
»Zeige Dich mir, hier im Licht!«, sagte Miriam freundlich aber bestimmend und das Wesen näherte sich der Grenze des Waldes. Es streckte seine Hand aus. Kurz bevor das Wesen Miriams ausgestreckten Arm erreichen konnte, zuckte seine Hand erschrocken zurück.
Der Klang von splitternden Ästen und zerberstenden Stämmen drang aus dem Dunkeln des Waldes.
»Was ist das?«, fragte Sven.
»Bleib hinter mir!«, sagte Miriam zu Sven, als sie die mächtigen Tentakel im Dickicht des dunklen Waldes erkannte.
Der rote Cerebrat, zeigte die Ausläufer seiner Fangarme. Er peitschte damit über den Waldboden wie ein Suchender und fand das dunkle Wesen, das sich eben an die Grenze des Waldes gewagt hatte.
Sven blickte ängstlich zu Miriam. Die Blaue Königin erholte sich vom ersten Schreck und in ihrer Mimik erwachte eine kampfesmutige Entschlossenheit. Sie machte einen mutigen Satz in das Unterholz und versuchte dem dunklen Wesen bei seinem Kampf gegen die hektisch um sich schlagenden Tentakel zu helfen.
Eine Ranke schlang sich um den Brustkorb des Wesens und versuchte es tiefer in den Wald zu ziehen. Miriam fasste das Wesens an den Händen und gab ihm Halt.
»Lass mich los, ich bin verloren. Achte darauf, dass T’rion der II. dich nicht in seine Fänge bekommt, sonst ist alle Hoffnung verloren«, sagte das Wesen.
Miriam wollte das Wesen nicht einfach seinem Schicksal überlassen, aber sie war zu schwach gegen die brutale Macht des Tentakels.
Erste als sie einen Schwarm weiterer Tentakel auf ihre Position zustürmen sah, ließ sie das Wesen los, stieß sich kraftvoll vom Boden ab und machte einen Luftsprung, der sie aus dem Unterholz, zurück auf die Lichtung beförderte.
Svens Wahrnehmung war durch die Vielzahl der Eindrücke gelähmt. Er sah die Gefahr nicht und wurde von einem wuchtigen Schlag getroffen, der ihm das Bewusstsein nahm.
***
Sven riss die Augen erschrocken auf und sah Miriams geängstigtes Gesicht im fahlen Licht der aufgehenden Sonne. Er lag eng an sie gepresst in dem Kokon. Die kahlen Wände des Raums, in Miriams weltlicher Unterkunft, empfand er als Beruhigend. Die Tatsache, dass sein Schwanz immer noch tief in seiner Geliebten steckte, wurde zu Nebensache. Der Schlag auf seinen Kopf, war die letzte Erinnerung an den, anfänglich sehr erregenden, Ausflug in die Anderswelt. Er befühlte seine Schläfe, da wo ihn der Tentakel getroffen hatte. Die Haut war schweißfeucht, aber unverletzt, lediglich die Illusion eines Schmerzes hallte noch nach.
»Was war das?«, fragte Sven.
»Wer war das, trifft es besser«, sagte Miriam und schaute an die Decke. Die Blüten von V’nyx dem IV. schauten sie aufmerksam an. Miriam befreite ihre Hand aus dem Kokon und streichelte über den Stamm.
»Hast Du schon einmal etwas T’rion dem II. gehört?«, fragte Miriam ihren Cerebrat.
‚Nein, aber er ist von unserer Art, obwohl sein Verhalten nicht unserer Natur entspricht.‘
»T’rion der I. war ein Cerebrat der Roten Königin. Dann ist dieser T’rion ist ein direkter Nachfahr dieser Stammlinie«, sinnierte Miriam.
Sven schälte seinen Oberkörper aus dem Kokon, stützte sich mit dem Ellenbogen ab und Fragte: »Was sind das für dunkle Kreaturen in dem unheimlichen Wald?«
»Sven, diese Frage stellt sich hier jeder von uns drei.«
Sven wurde bewusst, dass Miriam der Pflanze auch eine Persönlichkeit zusprach. Er schaute an dem Hauptstamm von V’nyx dem IV. empor und sah einige seiner Tentakel durch die Luft schweben.
»Die sehen aus, wie das Ding, das mir eins über den Schädel gezogen hat«, sagte Sven.
»Alle Cerebrate haben Tentakel, die sie sehr vielfältig einsetzen können«, erklärte Miriam.
»Also ist in dem unheimlichen Wald auch so ein Ding?«
»Das sind keine DINGER! Das sind Cerebrate!«, stellte Miriam klar.
»O.K., also ist in dem Wald auch ein Cerebrat?«
Miriam zuckte mit den Schultern: »Ich muss noch herausfinden, ob es diesen Cerebrat „T’rion den II.“ wirklich gibt, oder ob es nur ein Gespenst meiner Albträume ist«, murmelte Miriam.
‚T’rions Existenz steht außer Frage‘, sagte V’nyx der IV. in seiner telepathischen Gedankensprache.
»Wer hat da gesprochen?«, fragte Sven und blickte in einer Vorahnung zu den orangefarbenen Blüten empor. Miriam lächelte entschuldigend: »Natürlich kann V’nyx der IV. nicht sprechen, er hat ja keinen Mund, aber er kann sich telepathisch mitteilen.
Sven wunderte sich nach der letzten Nacht über nichts mehr und griff den Gesprächsfaden wieder auf.
»Wenn es dieses Monster also gibt, müssten wir herausfinden, wo es sich befindet.«
»WIR müssten das herausfinden?«, fragte Miriam lachend.
»Ja natürlich WIR, oder glaubst du ich lasse dich damit alleine? Wo ist diese Anderswelt eigentlich.«
»Ach Sven. Die Anderswelt ist nirgendwo und überall – sie existiert in dem kollektiven Bewusstsein unserer Art – also meiner Art. Und ich kann dich als Besucher in diese Welt mitnehmen.«
Miriam schälte sich aus dem Kokon und präsentierte ihren königlichen Leib in voller Pracht. Die Verletzungen ihrer Haut waren vollständig und ohne sichtbare Narben verheilt. Das farblose Gel, mit dem die Innenseite des Kokons ausgekleidet war, überzog ihre schwarze Haut und gab ihr einen feuchten Glanz.
Sie zeigte Sven auf bittersüße Art, worin sie sich von ihm unterschied, genoss seine begehrenden Blicke und erklärte: »Es ist Montagmorgen, du verpasst deine Lesung, wenn du nicht langsam in die Gänge kommst. Die Welt können wir auch noch morgen retten.«
»Machst du dir keine Sorgen über diese Visionen?«, hakte Sven nach und Miriams Mimik wurde finster.
»Natürlich, zerbreche ich mir den Kopf darüber, aber ich bin nur auf Bewährung in Freiheit! Ich kann es nicht riskieren, etwas zu tun, was mich ins Fadenkreuz bringt und ich kann erst recht nicht riskieren, diesem T’rion unvorbereitet in die Fangarme zu laufen – der ist einige Entwicklungsstufen weiter als V’nyx.«
Sven hob beschwichtigend die Arme, aber das brachte Miriam nur noch mehr auf: »Glaubst du ein Cerebrat dieser Größe könnte sich irgendwo in der freien Wildbahn entwickeln, ohne dass Menschen auf ihn aufmerksam werden?«
Sven zuckte mit den Schultern, Miriam antwortet: »Nein, so ein Cerebrat würde versuchen, so viele Menschen wie möglich in Drohnen zu verwandeln, um seine Macht zu festigen und das er damit durchkommt, halte ich für ausgeschlossen – also müssen es Menschen gewesen sein, die ihn bewusst so stark werden ließen und sie glauben wahrscheinlich, ihn dauerhaft unter Kontrolle halten zu können! Was soll ich deiner Meinung nach auf die Schnell dagegen tun – vielleicht bei der Polizei anrufen?«
»Was sind das für dunkle Wesen in dem Wald?«, bohrte Sven weiter, ohne sich vor Miriams aufkommendem Zorn zu fürchten.
»Es sind keine Drohnen!«, rief Miriam und ihre Augen bekamen ein Funkeln, das Sven kurz verstummen ließ. Mit sanfter Tonlage schlussfolgerte er: »Also sind es Menschen?«
»Ja … noch, sind es Menschen«, hauchte Miriam und ihre Augen wurden feucht.
Sven nahm sie in den Arm und bot ihr seine starke Schulter an, als er mer
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