19 Miriam - Amphitrite
von Faith
Es wurde Sommer auf der Nordhalbkugel des Planeten Erde. V’nyx der IV. lag reglos auf dem Grund des Pazifiks. Seine Tentakel waren von losem Meeresboden bedeckt. Die ehemals so strahlend orangenfarbenen Blüten hatten eine granitgraue Farbe angenommen, als wären sie tot und in einem fortgeschrittenen Verwesungsstadium. Selbst bei genauer Suche war er in diesem Zustand nicht vom Meeresgrund zu unterscheiden. Aber V’nyx der IV. wollte auch nicht gesehen werden, er wollte seine Ruhe haben, um zuhören zu können.
Hier, an der Ostküste von Oahu, einer zur Hawaiigruppe gehörenden Insel, war einer der datentechnischen Knotenpunkte des Planeten. An dieser Insel kreuzten sich Glasfaserkabel, aus Japan, China und Australien sowie Nord- und Südamerika. Er musste einfach nur ruhig liegen bleiben und den Signalströmen lauschen, die seine weitverzweigten Tentakel aufsogen. Es war mühsam gewesen, die mehrlagigen Schutzschichten der Seekabel zu durchdringen, aber tief im Inneren dieser Kabel zuckten jede Sekunde Milliarden von Lichtblitzen. Wenn man diese Lichtblitze in der richtigen Reihenfolge las, waren darin Unmengen an Informationen enthalten. Dieser Informationen schossen durch ein Kilometerlanges Netzwerk aus Tentakeln, wurden unterwegs vorsortiert, aufbereitet und in seinem Wurzelstock verarbeitet.
Für V’nyx den IV. waren Tag und Nacht nur noch abstrakte Bezeichnungen, die in seinem Lebensraum, der ewig dunkel war, keine Rolle mehr spielten. Er schaute mehrere Fernsehsendungen parallel, durchsuchte in jeder Sekunde Tausende Mails nach interessanten Inhalten und spielte wie ein geübter Jongleur mit verschiedenen Verschlüsselungsalgorithmen, um auch die codierten Nachrichten sichten zu können.
Zur Freude der Königin hatten sich die Finanzmärkte auf einem niedrigen Niveau stabilisiert. Nachdem sich Miriam in ihrer Videobotschaft der Weltöffentlichkeit offenbart hatte, waren die Börsenkurse steil abgefallen. Es reichten ein paar Gerüchte vom nahenden Weltuntergang, um milliardenschwere Konzerne auf dem Papier zu vernichten. Kurz nach Weihnachten, als die Menschen erkannten, dass die Welt wohl doch nicht so bald untergehen würde, obwohl sie diesen Planeten mit einer weiteren Intelligenten Spezies teilen mussten, stoppte die Talfahrt der Börsenkurse.
Da sich für den überwältigenden Teil der Menschheit nichts geändert hatte, fragten sich die einfachen Leute, was die ganze Aufregung sollte. Nach dem Jahreswechsel war wieder ein leichter Aufwärtstrend an den Finanzmärkten zu erkennen. Nun war es Frühsommer und die Gewinne zogen langsam aber beständig an, obwohl die Experten mit einem viel schlimmeren Verlauf gerechnet hatten.
V’nyx der IV. und die anderen Cerebrate seiner Stammlinie erkannten, dass Währungen wie ein virtueller Lebenssaft waren, den die Menschen haben wollten - je mehr desto besser. Und dieser substanzlose Saft floss in gigantischen Mengen durch die Glasfasernetze dieses Planeten. Mit dem Wissen, das die V’nyx-Stammlinie täglich sammelte, war es eine Leichtigkeit, die Logik des virtuellen Saftes zu durchschauen, Vorhersagen zu machen, diese zu beeinflussen und bei dem Spiel mitzuspielen. Wenn die Königin stabile Finanzmärkte wollte, sollte sie die bekommen.
*
V’nyx der IV. entdeckte eine Nachricht, die er einer zweiten, intensiveren Kontrolle unterzog. Sein Anfangsverdacht bestätigte sich. Er erstellte eine Kopie dieser Nachricht, verpackte sie in einen Algorithmus, den die Menschen mit ihren Möglichkeiten niemals knacken könnten, und sendete diese Kopie an einen Server in Neuguinea.
Die Serversoftware ermittelte das Datenpaket als fehlerhaft oder unvollständig und forderte die Daten erneut an. Da diese Rückfrage nie beantwortet wurde, löschte eine Systemroutine den scheinbaren Datenmüll nach einer gewissen Zeit. Auf dem Weg, den das Datenpaket genommen hatte, war es jedoch an V’nyx dem VII. vorbeigekommen, der sich in der Nähe von Guam in den Meeresgrund vergraben hatte und sehr wohl etwas mit den Informationen anfangen konnte. Er schüttelte den losen Meeresboden von seiner Blüte, richtete sie nach Südosten aus und informierte T’rion den II. über den Inhalt der Botschaft.
Von der V’nyx-Stammlinie gab es mittlerweile schon mehrere Ableger, die sich an den Glasfasernetzen in der Tiefsee durch das Chinesische Meer nach Australien und bis in den Indischen Ozean vorgearbeitet hatten. In naher Zukunft würden die Datenautobahnen im Roten Meer erschlossen sein. Bis Ende des Jahres sollten die großen Kabel zwischen Europa und der amerikanischen Ostküste angezapft werden. Dann würden weit über 90 Prozent der weltweiten Kommunikation von der V’nyx-Stammlinie überwacht werden.
V’nyx der IV. erhielt eine indirekte Antwort von V’nyx dem VII. Die Königin war begeistert, dass er den Aufenthaltsort von Greg ausfindig gemacht hatte, und forderte einige Detailinformationen an, um eine Rettungsaktion starten zu können.
***
Greg las eine Zeitung, die schon ein paar Tage alt war und vermutlich schon von Hunderten verschwitzten Händen durchgeblättert worden war. Aber sie war in Englisch geschrieben. Bei den thailändischen Zeitungen, die sonst von Zelle zu Zelle gereicht wurden, konnte er sich nicht vorstellen, dass irgendjemand in der Lage war, diese Symbole zu lesen oder zu verstehen. Bei dem, was gerade in den Medien vorging, war es eine Schande, in einem thailändischen Knast zu sitzen. Wobei er sich nicht beschweren wollte. Er steckte in einem schnuckeligen Vierbettzimmer mit drei kleinen Thailändern, die ihm allesamt kaum bis zu Brust reichten und ihn geflissentlich in Ruhe ließen, in der Hoffnung, er würde sie auch in Ruhe lassen.
Er hätte nicht gedacht, dass er es aus Europa raus schaffte, nachdem er Miriam an der Nordsee abgesetzt hatte. Aber es war ihm noch am gleichen Tag gelungen, einen Last-minute-Flug über Frankreich nach Thailand zu buchen. Dort war er in den Touristenhochburgen untergetaucht. Als sein Geld knapp wurde und er es mit ehrlicher Arbeit versuchte, waren sie ihm auf die Schliche gekommen. Das mit den Arbeitspapieren wurde mittlerweile sogar in Thailand genau genommen - was sollte nur aus dieser Welt werden?
Seine Auslieferung nach Deutschland war schon so gut wie unterschrieben, als etwas passierte, das Greg nicht direkt mitbekam. Aber er spürte, dass etwas passiert war. Etwas von globaler Tragweite. Die Bilder von der Blauen Königin sah er erst zwei Tage später im Fernsehen des Gemeinschaftsraums. Sie hatte jetzt knallrote Lippen und noch schönere Augen. Als Greg ihre Botschaft im englischen Original hörte, machte er einen Freudentanz im Gemeinschaftsraum des Gefängnisses und wurde dafür von den Wachen mit Stöcken verprügelt. Aber Greg lachte trotzdem - denn jetzt hatte es wenigstens einen Sinn, dass er in diesem Rattenloch saß.
Die Religionen waren sich nicht nur untereinander uneinig, wie eine fremde Spezies in ihre Mythologien passen sollte. Die Religionen waren auch intern zerstritten. Was sollten sie den ratlosen Gläubigen sagen: War Jesus auch für dieses Wesen am Kreuz gestorben? Könnte auch diese Spezies das hinduistische Nirwana erreichen? Hatten sie überhaupt eine Seele? Kurz vor Weihnachten erreichte die Zahl der Kirchenaustritte einen neuen Rekord. Das Bisschen, das Greg aus Zeitschriften und Fernsehberichten mitbekam, war köstlich, widersprüchlich und mit wilden Spekulationen überladen.
Politisch waren nur die USA düpiert. Sie holten sich den verlassenen Flugzeugträger und die Begleitschiffe ohne großes Aufsehen zurück und versuchten, die Sache kleinzureden. Die Besatzungen der Schiffe wurden offiziell als vermisst gemeldet. Nach und nach ergaben die Recherchen der Journalisten, dass die Kette der Ereignisse überhaupt erst ins Rollen kommen konnte, weil Tausende von Soldaten mit einem unzureichend getesteten Serum behandelt wurden, das Aliengene enthalten hatte.
Über die Regierung, dem Pentagon und der Navy brach ein Shitstorm herein, wie ihn die USA noch nicht erlebt hatten. Die Angehörigen der betroffenen 8000 Soldaten gingen in die Hunderttausende, und die hatten wiederum Freunde und Bekannte, die sich in den sozialen Netzwerken auskotzten, bis auch der letzte Patriot wütend auf den Tisch schlug.
Der Großteil der Bevölkerung nahm diese neue Spezies nicht als Bedrohung wahr. Immerhin hatte die Königin nicht mit einem Heiligen Krieg gedroht, den Kapitalismus infrage gestellt oder Mickey Mouse beleidigt. Sie wollte nicht einmal irgendein Land besetzen, sondern nur die Ozeane bewohnen. Und sie hatte den Menschen die Hand gereicht, indem sie ein Wiedersehen ihrer Drohnen mit ihren Familienangehörigen angeboten hatte. Das wurde von den Behörden jedoch aus Sicherheitsgründen kategorisch ausgeschlossen. Die Vorstellung, jede Drohne würde zwei oder drei enge Verwandte in den Arm nehmen und kurz darauf wären diese Menschen auch Drohnen, entsprach einem sicherheitstechnischen GAU.
Weiterhin hatte die Königin unter anderem den Vorschlag gemacht, gemeinsam mit den Menschen die Zukunft dieses Planeten zu gestalten. Die Propheten der Apokalypse sahen darin natürlich eine List, um das Vertrauen der Menschen zu erringen, bis die Aliens stark genug für den finalen Overkill waren. Die Skeptiker waren sich nicht sicher, ob sie überhaupt wollten, dass jemand anderes an einer Zukunft dieses Planeten mitgestaltete. Und dann gab es einen schwer abzuschätzenden Anteil unter der Weltbevölkerung, der in der Königin und ihrer Art den einzigen Weg sah, um diesen Planeten noch zu retten.
Diese Uneinigkeit zog sich nicht nur durch die Regierungen aller Länder dieser Erde, sondern sie reichte bis in die Familien und Freundeskreise. Hätte die Königin gesagt: »Hier bin ich und ich will euch alle töten«, wäre eine Meinungsfindung eindeutiger ausgefallen. Aber bei der aktuellen Faktenlage würde es wohl nie eine einheitliche Richtung geben.
Abgesehen davon waren die Königin und ihr Volk nach der Videobotschaft quasi vom Erdboden verschwunden. Es gab keine neue Meldungen, keine Katastrophen - nur Gerüchte in einer Welt an der jeden Tag die Sonne auf neue aufging, wie vorher auch.
Greg war durch diese Lawine an Ereignissen entweder vergessen worden, oder die Behörden dachten neu über seinen Fall nach. Er feierte Weihnachten in einem Gefängnis in Thailand. Da seine buddhistischen Zellengenossen das nicht kannten, musste er ihnen die Lieder, von denen er selbst nur die Refrains kannte, mühsam beibringen. Sie wollten erst nicht singen, aber Greg hatte ihnen das Fest der Liebe auf seine Art erklärt. Nach ein paar gestauchten Fingern erklang eine recht passable Interpretation von ‚Stille Nacht, Heilige Nacht’.
*
Weihnachten war schon Monate her, als man ihm Hand- und Fußfesseln anlegte und Greg wusste, dass etwas Besonderes bevorstand. Normalerweise bekam er diesen aufwendigen Edelstahlschmuck nicht angelegt. Sein thailändischer Lieblingswachmann rammte ihm den Stock noch mal in die Niere, bevor er ihn an die Kollegen von der CIA übergab. Die Herren in den schwarzen Anzügen behandelten ihn nicht so ruppig, blieben aber stumm, als er fragte, wo er jetzt hingebracht werden würde. Er musste nach einer langen Autofahrt in ein Flugzeug einsteigen, das, abgesehen von den beiden Piloten, nur mit ihm und seinen beiden neuen Freunden abhob.
Nach dem Start verbrachten sie die nächsten Stunden schweigend. Greg döste in seinem Sitz. So bequem hatte er seit Monaten nicht mehr gesessen. Ein dumpfer Schlag riss ihn aus dem Schlummerzustand. Es folgten weitere dumpfe Schläge, als würde die Maschine von großen Felsbrocken getroffen. Dann sah Greg durch das Fenster eine geflügelte, tiefschwarze Gestalt an einer Tragfläche hängen. Diese Gestalt sah wie ein geflügelter Ritter aus. Abgesehen von den gewaltigen Schwingen, war der Körper von einer Art Bänderpanzer umgeben. Greg kannte den Prototyp dieser anatomischen Rüstung bereits von Miriam. Bei diesen Drohnen handelte es sich um eine deutlich verbesserte Version.
Da diese geflügelten Wesen unmöglich aus eigener Kraft so schnell fliegen konnten wie ein Düsenjet, hatten sie dem Flugzeug in der Luft aufgelauert und griffen die Maschine nun im Sturzflug von vorne an. Bei diesem Anflug hatte jeder Angreifer nur eine Chance. Einige schafften es nicht, sich am Rumpf oder den Flügeln festzuhalten oder trafen die Maschine so unglücklich, dass sie einfach abprallten. Greg konnte den Angriff nicht weiter beobachten, da er von den beiden CIA- Agenten mit dem Kopf nach unten gedrückt wurde, bis seine Ohren auf Kniehöhe waren. Im Flugzeug wurden hektische Befehle gerufen, die Maschine verlor an Höhe und legte sich hart in eine Kurve. Als die Einstiegsluke von außen geöffnet wurde, sank der Kabinendruck schlagartig ab und Greg verlor das Bewusstsein.
*
Als Greg die Augen wieder öffnete, wurde ihm eine Atemmaske auf das Gesicht gedrückt und er schaute benommen in das wunderschöne Gesicht einer weiblichen Drohne. Seine Arm- und Fußfesseln waren entfernt worden und er sah, dass seine beiden Freunde von der CIA auf dem Boden lagen, aber immerhin auch mit Sauerstoff versorgt wurden. Sie schienen zu schlafen, wie glückliche Babys. Neben den beiden lagen die beiden Piloten - sie schliefen auch. Im Cockpit feixten zwei männliche Drohnen und es schien so, als könnten sie die Maschine so routiniert bedienen, dass genug Zeit blieb, um Witze zu machen. Die Maschine verlor weiter an Höhe, fing sich aber ungefähr hundert Meter über dem Meer und flog dann ruhig weiter.
»Was habt ihr mit mir vor?«, fragte Greg die weibliche Drohne auf Deutsch, weil er gerade zu aufgeregt war, um sein Englisch zu bemühen.
»Wir bringen dich zur Königin«, antwortete sie auf Deutsch, allerdings klangen die Worte so, als würde sie diese Sprache gerade zum ersten Mal sprechen.
»Vielleicht will ich da gar nicht hin?«
Seine Frage blieb unbeantwortet und mit einer Drohne zu diskutieren, war sinnlos. Ihm fiel erst jetzt auf, dass die Drohnen keine Flügel mehr hatten. Er erinnerte sich, dass Miriam auch manche Extras wachsen und schrumpfen lassen konnte, wie sie es gerade brauchte.
»Geile Scheiße«, sagte Greg mit einem anerkennenden Nicken.
Nach einiger Zeit wachten die CIA-Agenten und die Piloten auf und waren ebenso schwarz, wie die Flugzeugentführer.
»Habt ihr das auch mit mir gemacht!«, fragte Greg aufgebracht und schaute seine Hände an. Bei ihm sah alles normal, also menschlich aus.
»Der Flug endet hier«, sagte eine der Drohnen aus dem Cockpit. Die neu CIA - Drohnen wurden von je einer erfahrenen Drohne umarmt, dann sprangen sie aus der offenen Tür. Greg sah, dass die erfahrenen Drohnen ihre Flügel im freien Fall ausbildeten, dann weit öffneten und den Fall mit kräftigen Flügelschlägen knapp über dem Meer stoppten, um dann aus eigener Kraft wieder Höhe zu gewinnen.
Zum Schluss blieb er mit der weiblichen Drohne zurück. Sie stellte sich hinter ihn, schloss ihre Arme um seinen Oberkörper und schob ihn zu Tür. Ihm war die Sache nicht geheuer, aber er schwieg, schloss die Augen und ließ es geschehen. Zu Beginn war es wie ein Fallschirmsprung, dann spürte er die immense Kraft, die diese Schwingen aufbringen konnten. Bei jedem Flügelschlag, der ihn und seine geflügelte Freundin höher stemmte, spürte er ein flaues Gefühl, wie wenn ein Fahrstuhl nach oben anfuhr.
Das Flugzeug schlug einige Hundert Meter vor ihnen auf der Meeresoberfläche auf, zerbrach und ging rasch unter. Jetzt lag er in den Armen einer hübschen Drohne mit gewaltigen fledermausartigen Schwingen und war wohl irgendwo zwischen Thailand und den USA auf dem Pazifik. Die Drohnen segelten mit ihrer "Beute", wenn möglich, in der Thermik, um Energie zu sparen und bilden eine V-Formation wie Zugvögel.
*
Greg sah eine schwarze Seerose im Meer schwimmen. Da er keine Bezugspunkte hatte, wusste er nicht, wie weit sie noch entfernt war. Sie wurde nur langsam größer und musste wohl riesig sein. Als sie über der Seerose kreisten, schätzte Greg, dass die Fläche ungefähr zwei Fußballfeldern entsprechen musste, wobei das bei dem sternförmigen Umriss schwer zu schätzen war. An den Blatträndern der schwimmenden Blüte wuchsen baumgroße Auswüchse mehrere Meter in den Himmel. Jeder dieser Stämme hatte zahlreiche, große ovale Blätter, die sich nach dem Sonnenstand ausrichteten. Unter diesen Blättern hingen große kugelförmige Früchte.
Als sie auf der schwarzen gummiartigen Oberfläche landeten, musste sich Greg erst an das schwammige Laufgefühl gewöhnen. Durch die hohen Bäume mit dem dichten Blattwerk war das Meer von hier nicht zu sehen. Er kam sich vor, wie in einem übergroßen Sportstadion aus schwarzem Gummi und mit roten Zierstreifen.
‚... die Blüte schließt sich in zehn Minuten’, hörte Greg in seinem Kopf, aber er kannte die Stimme nicht. Offenbar galt diese Ansage allen, die auf dieser schwimmenden Insel herumliefen - es mussten über hundert sein, die sich langsam zum Zentrum der Blüte bewegten.
Greg lief mit der weiblichen Drohne, die ihn hier hingebracht hatte.
»Du musst dich noch ausziehen«, sagte sie kurz vor dem Zentrum der Blüte. Greg zog sich die Sträflingskleidung ohne zu zögern aus, er war hier sowieso der Einzige in Kleidung, und es war nur fair, wenn alle nackt waren.
Durch einen Gang, der sich korkenzieherförmig in die Tiefe wand, kam er an mehreren Kammern vorbei, die durch Biolumineszenz in ein sanftes rotes Licht getaucht waren. Diese Kammern schienen zum Schlafen geeignet zu sein, aber teilweise sah er darin auch sehr bizarre Spielarten mit mehreren Beteiligten. Der spiralförmige Abstieg endete nach einer, für Greg nicht mehr abschätzbaren, Anzahl von Windungen in einem großen nierenförmigen Raum. Die Biolumineszenz war hier deutlich heller. Über die organisch anmutenden Wände zogen sich fein verästelte, rot leuchtende Linien.
»Hallo Greg«, sagte die Königin. Greg riss den Kopf hoch und sah Miriam am Ende des Raums. Sie war umgeben von Drohnen. Die feinen Linien auf ihrem Körper leuchteten tiefblau und hoben sie deutlich von den umgebenden Wesen ab. Greg schaute sie verlegen an.
»Jeder hier kennt dich. Du hast mir mehrfach das Leben gerettet, ohne dich wäre das alles nie passiert. Wir waren bereit, Risiken einzugehen, um dich zu befreien.«
Ihr Gesicht war direkt vor ihm. Mit den wunderschönen Lippen und den verführerischen Wimpern strahlte sie eine unanfechtbare Autorität aus. Vielleicht war er so verlegen, weil er tief in ihrem Palast war und es hier nur so von Drohnen wimmelte, die sich jederzeit für ihre Königin opfern würden. Es hatte sich verdammt viel verändert, seit sie mit einer Kiste Bier in seiner Scheune gestanden hatte.
Er hörte ein Geräusch, das ihn an einen kräftig knurrenden Magen erinnerte. Die Königin nahm ihn in die Arme und drückte ihn fest an sich.
»Ich würde lieber mit dir an der Oberfläche spazieren gehen, aber wir tauchen jetzt ab, um unsichtbar zu werden. Sicher wimmelte es hier in den nächsten Tagen von Schiffen und Flugzeugen, die das Flugzeugwrack suchen.«
»Befinden wir uns in der Blume aus meiner Scheune«, fragte Greg, während er mit seinen Armen ihren Rücken umfasste.
»Das ist T’rion der II., der größte und älteste der T’rion-Stammlinie. Du kennst ihn nicht«, sagte die Königin und löste die Umarmung.
»Um auf deine dringendste Frage zu kommen: Du kannst zwischen drei Optionen wählen. Ich kann dich erstens an einer Küste deiner Wahl absetzen lassen, dort kannst du versuchen, ein Leben als Mensch im Verborgenen zu leben. Zweitens kannst du zu einer gewöhnlichen Drohne in meinem Kollektiv werden.«
»Und drittens?“, fragte Greg, weil ihm sonst keine Optionen mehr einfielen.
»Drittens mache ich dir ein Angebot, das ich vielleicht einmal bereuen werde. Aber du bist der Einzige, dem ich dieses Angebot auf absehbare Zeit noch machen werde.«
Greg hob den Kopf neugierig und wartete auf den Vorschlag.
»Ich kann dich zu einer Drohne mit freiem Willen machen. Dir stehen alle genetischen Vorteile zur Verfügung, aber du kannst weiterhin frei über dein Leben entscheiden.«
Greg hatte Option zwei von vorneherein ausgeschlossen. Er schwankte zwischen der ersten und der dritten.
»Ich könnte also so werden wie alle hier, könnte aber trotzdem meine Sachen packen und gehen, wenn es mir zu bunt wird.«
Miriam nickte: »Ja, du könntest gehen, was auch immer das für Konsequenzen für mein Kollektiv hätte. Immerhin würdest du aus Sicht der Menschen meine Art vertreten. Und, alles was du anrichtest, würde auf mich zurückfallen.«
Greg wurde die Tragweite bewusst, und die Verantwortung, die ihm die Königin in die Hände legte.
»Kann ich darüber schlafen?«
Die Königin zeigte einladend auf eine Nische im Raum. Möchtest du Gesellschaft beim Schlafen?«
Neben Miriam erhoben sich zwei weibliche Drohnen.
»Hallo Greg«, sagte die Zierliche an seiner linken Seite.
»Hallo Greg«, sagte die mit den üppigen Kurven an seiner rechten Seite.
»Habt ihr auch Namen?«
Die Zierliche stellte sich als Tyra vor, die große Blondine als Evette. Greg war aufrichtig müde. Tyra und Evette nahmen darauf Rücksicht. Er lag in Seitenlage auf dem weichen gummiartigen Boden zwischen Tyra und Evette. Die beiden streichelten ihn liebevoll, bis er einschlief. Er hatte seinen Entschluss schon längst gefasst.
*
Als er aufwachte, war er mit der Königin alleine im Raum.
»Guten Morgen«, sagte sie und kniete sich neben ihn, »möchtest du frühstücken?«
Die Königin hielt in jeder Hand eine schwarze Frucht, von der Größe einer Orange. Greg nahm eine davon und wusste nicht genau, wie er sie essen sollte.
»Ist das echtes Essen, oder ...«
»Das ist echtes Essen, kein Sperma«, erklärte die Königin. Sie biss ein Loch in die dünne Schale und saugte den Inhalt heraus. Die pralle Hülle erschlaffte langsam. Greg machte es ihr mit der zweiten Frucht nach. Das weiche Fruchtfleisch schmeckte süßlich, hatte die Konsistenz von Honig und war ihm Abgang leicht salzig.
»Am Anfang hatten wir ein echtes Nahrungsproblem, aber langsam sind die Cerebrate der T’rion-Stammlinie so produktiv, dass wir kleine Vorräte an Früchten anlegen können«, erklärte die Königin. Greg legte die leere Hülle der Frucht zur Seite. Er fühlte sich satt.
»Ich will eine freie Drohne werden«, sagte Greg.
»Ich weiß«, antwortete die Königin und holte eine weitere schwarze Fruchtkugel. Dann erklärte sie: »Dazu musst du betrunken sein. In dieser Frucht ist der Zucker bereits vergoren. Du musst sie austrinken, bevor ich beginnen kann.«
Greg biss die Frucht auf und ihm spritzte etwas vom Inhalt ins Gesicht. Die Konsistenz war wässrig. Er presste seine Lippen auf die Öffnung und saugte den alkoholhaltigen Saft heraus. Es schmeckte wie Likör und Greg leerte die Frucht, ohne abzusetzen. Kurz darauf spürte er die ersten Anzeichen des Alkohols in seinem Kopf.
»Sind wir überhaupt noch auf der Erde«, fragte Greg nach einiger Zeit mit schwerer Zunge. Die Königin kniete seit Minuten neben ihm und schien durch ihn hindurchzuschauen. Die Frage riss sie aus ihrer Konzentration, sie war die letzten Minuten scheinbar wirklich in einer anderen Welt gewesen.
»Ich meine«, lallte Greg, »wir könnten doch genauso gut auf dem Mars oder der Venus, oder sonst wo sein.«
»Sind wir aber nicht«, sagte die Königin mit Rücksicht auf seinen alkoholisierten Zustand.
»Jaa-ha, aber es könnte doch sein«, sagte Greg beharrlich.
Die Königin streichelte ihm über die Stirn und kam mit ihren Lippen nahe an sein Ohr.
»Diese Diskussion führt zu nichts. Du bist jetzt so weit. Wir können mit der Umwandlung beginnen.«
Greg packte sie mit der ganzen Kraft einer Männerhand am Arm und fragte: »Wird es wehtun?«
»Nein«, hauchte die Königin, »mir ist kein einziger Fall bekannt, in dem es nicht als wunderschön beschrieben wurde, aber du musst deine Aufgabe bewältigen.«
Greg wollte noch fragen, was das für eine Aufgabe sei, aber sie versiegelte seine Lippen mit einem Kuss, der ihm die Sinne raubte.
*
Als Greg sich seiner selbst wieder bewusst wurde, fühlte er Ranken, die sich um seine Fuß- und Handgelenke wanden. Er war mit gespreizten Beinen und nach oben abstehenden Armen zwischen zwei Baumstämmen fixierten. Die Rinde der Bäume war schwarz und glatt. Er war nackt, seine Haut war ebenso schwarz wie die beiden Baumstämme und sein Schwanz stand hart von ihm ab. Vor ihm knieten Tyra und Evette.
‚Hallo Greg’, sagte Tyra in Gedanken und leckte über seine pralle Eichel.
Evette massierte seine Hoden und schaute ihn lüstern an.
‚Wir melken dich jetzt, bis deine Eier wie kleine Rosinen zusammengeschrumpft sind’, hörte er Evettes Stimme in seinem Kopf und er glaubte ein boshaftes Kichern zu hören. Vielleicht war es auch nur ein gespielt boshaftes Kichern - er hoffte es.
Tyra sog seinen Schwanz tief in ihren Mund. Die Eichel musste ihr gegen die Mandeln drücken und Greg verdrehte die Augen unter diesem Genuss. Gleichzeitig spürte er zärtliche Hände, die seine Hoden umgriffen und langsam zupackten, bis der Druck fast unangenehm wurde. Die Gefühle in seiner Körpermitte waren wie Zuckerbrot und Peitsche: Während ihm Tyra einen Blowjob gönnte, der auf diesem Planeten seinesgleichen suchte, quälte ihn Evette mit einem latenten Druckgefühl an seinen Kronjuwelen.
Insgesamt war diese Behandlung so erregend, dass Greg froh war, mit Armen und Beinen gefesselt zu sein, denn er konnte sich einfach hängen lassen und genießen.
‚So geil könnte jeder Tag beginnen’, dachte sich Greg.
‚Deine Tage werden jetzt immer so beginnen, es wird den ganzen Tag andauern und der Tag wird so enden’, sagte Evettes Stimme in seinem Kopf. Greg riss die Augen auf. Er ahnte, dass der Bereich zwischen seinen Beinen, der Berührungspunkt zwischen Himmel und Hölle werden würde, wenn die Prophezeiung von Evette eintraf.
Tyra schwieg, genoss und saugte, bis ihm der Saft durch die Samenleiter schoss und von Tyra mit schmatzenden Schlucklauten aufgenommen wurde. Als es vorbei war, saugte Tyra einfach weiter, ohne einmal Luft zu holen oder abzusetzen. Greg zerrte an seinen Fesseln. So schön es auch war, aber er würde diesen beiden geilen Latexpuppen gerne auch mal andere Körperöffnungen versilbern.
Diese Situation war sein Leben in einem Bild. Er war immer der Depp, der es ausbaden musste. Als Soldat gaben sie ihm ein Gewehr und eine Landkarte, schubsten ihn aus einem Hubschrauber und er musste sehen, wie er die Scheiße wegräumte, die zwischen ihm und dem Zielpunkt lag. Als er darauf keine Lust mehr hatte, wurde er mit einer kleinen Rente abgespeist und musste sehen, wie er in einer Zivilgesellschaft klarkam, der er immer entkommen wollte. Dann schob ihm Miriam ihr Gemüse unter und er landete dafür in einem thailändischen Knast. Jetzt stand er hier und war zum Samenspender degradiert worden, während andere ihren Spaß mit ihm hatten.
Mit Kraft allein hätte er die Ranken an seinen Handgelenken nicht abreiß
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Kommentare
(AutorIn)
Kommentare: 102
Faith
Ich bedanke mich bei Franziskus. Er hat jeden Teil dieser sonderbaren Geschichte mit dem richtigen Fingerspitzengefühl vorgestellt.
Natürlich bedanke ich mich auch bei den treuen Lesern, die bis hier her durchgehalten haben.
Ein ganz besonderes Dankeschön geht an die wenigen aber dafür umso fleißigeren Kommentatoren.
Alle die bisher stumme Konsumenten waren, haben jetzt die letze Gelegenheit mir ihre Eindrücke zu vermitteln - es ist mein einziger Lohn für die Arbeit.
liebe Grüße
Faith«
Kommentare: 76
ein schönes happy end .
und doch schade , dass es nun zu ende ist mit der geschichte .
danke«
Kommentare: 32
Kommentare: 26
Ich schließe mich meinen beiden Vorrednern an und möchte noch hinzufügen, dass mit dieser Geschichte die beste Serie hier auf sevac zuende geht. Du hast diese Geschichte einwandfrei entwickelt und ich hab mich jedes mal gefreut, wenn ein neuer Teil online kam.
Das "Danke" aus deiner Nachricht oben kann ich nur zurückgeben.
Hoffentlich hören wir bald wieder von dir;)«
Kommentare: 4
Ich verfolge diese Geschichten seit der allerersten Folge von "Mutation" und habe diese Seite sicherlich allein schon während der Miriam-Serie dutzende male geöffnet, nur um zu schauen ob eine neue Folge da ist. Es ist toll mitzuerleben, wie sich Dein Schreibstil weiterentwickelt, die Geschichte immer komplexer wird und Du trotzdem den Grundideen, der Erotik und der sonderbaren Faszination treu bleibst.
Auch Deine anderen Geschichten habe ich immer gerne gelesen, aber diese Welt ist und bleibt mein Favorit. In diesem Sinne noch einmal ein herzliches Dankeschön mit der kleinen Hoffnung darauf, dass es irgendwann doch nochmal eine Fortsetzung in Miriams Universum geben wird.«
Kommentare: 34
Michael
Kommentare: 1
Einfach nur WOW!
Super Story. Einfach ganz große Klasse. Schönes happy End!
Aber auch schade das es jetzt zu Ende ist.«
Kommentare: 9
Diese Reihe hat mich gefesselt. Ich habe fast jeden Tag nachgeschaut ob es schon einen neuen Teil gibt. Auch wenn (oder gerade weil?) sie teilweise relativ wenig Sex-lastig war, fand ich sie unheimlich gut. Danke dafür. Und sollte dir irgendwann eine neue Idee für eine Geschichte (vielleicht mit Amphitrite?) in diesem "Universum" einfallen, wäre ich sehr begeistert.«
Kommentare: 50
Ich hoffe sehr, dass Du neue Ideen für eine neue Geschichte hast.
Ich hatte sehr bedauert, daß zwischendurch wenig von Dir zu lesen war.
Schön, daß Du uns in Deine (Fantasie-)Welt mit nimmst.
Liebe Grüße
Martin«
Kommentare: 10
Eine Fortsetzungsserie bei der es von Folge zu Folge spannender wird. Schlüssige Handlung und toller Schluß.
Mach weiter so.«
Kommentare: 7
Die Übergänge zwischen den einzelnen Episoden (nicht die der Kapitel/Teile) empfand ich als stimmig. Lediglich der Wechsel der Hauptakteure von Roter Königin zu Blauer Königin störte ein wenig.
Das Einbinden der Cerebrate in der letzten Episode gab der Geschichte ein stabiles Gerüst und Handlungsstrang.
Die Schilderung des Auslebens der Sexualpraktiken zeugen von einer Phantasie, wie sie kaum noch vorhanden ist.
Schade das die Geschichte beendet wurde.«
Kommentare: 26
Cathy
Kommentare: 15
Am 1. Teil dieses Romans habe ich Dir ja schon einen Kommentar hinterlassen. Ich hatte auf einen weiteren schön geschriebenen mehr Teiler gehoffet, wie bei den vorhegehenden Geschichten zu Miriam.
Meine Erwartungen wurden um ein vielfaches übertroffen. Dieses Buch(!!) hat mir viele nette abende bereitet.
Von mir also dafür 19x 10 Punkte mit Sternchen !
Weiterhin Daumen hoch und un Erwartung auf weitere tolle Geschichten !
Viele Liebe Grüße«
Kommentare: 4
die Geschichte ist sehr gut und es hat mir gefallen diese zu lesen. herzlichen dank bitte mehr davon«
Kommentare: 3
Hat mich von Anfang an gefesselt und hat sehr viel Spaß gemacht beim lesen obwohl ich eigentlich mit Latex nichts anfangen kann. Großartige Leistung und ich hoffe es werden noch weitere Abenteuer folgen.
Mfg Nico«
Kommentare: 2
eine tolle Idee mit der richtigen Mischung aus Fantasy, Science Fiction und Sex.
Vielen Dank«
Kommentare: 441
Mondstern
Lediglich die Klicks und das Feedback lassen doch sehr zu wünschen übrig. Ich empfehle, unbedingt ein eBook rausbringen. Da gibt es bestimmt noch einige Leser.
LG Mondstern«
Kommentare: 258
schwer beeindruckt kann ich zunächst nur meinen tiefen dank neben meiner höchsten anerkennung zum ausdruck bringen!
neben so vielem, was andere und auch ich an andrer stelle lobend bemerkt habe(n): es ist auch dein menschenbild, das von dir umfassend und gekonnt beschrieben wird - und schlicht ungemein sympathisch daherkommt.
freilich höchst ironisch, dass die menschlichsten wesen hier nun einer anderen, eben auch idealen spezies angehören - die, das wird immerhin deutlich, moralisch aber auch nicht a priori "besser" ist.
es kommt also doch immer noch auf jeden einzelnen an. wie beruhigend - wie ernüchternd...
aber neben einem kleinen moralischen kompass hast du eben auch für viele stunden ein amüsantes, spannendes, tiefes, prickelndes mächtiges lesevergnügen geschaffen. und dafür abermals hochachtung und herzlichen dank sagt
magic«
Kommentare: 11
Vielen Dank für diese Aussergewöhnliche Geschichte.«
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Kommentare: 6
Vielen Dank!«
Kommentare: 2