Bei der angezeigten Geschichte handelt es sich um eine erotische, nicht-pornographische Geschichte. Es gelten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen und der Disclaimer von sevac.com. Sevac.com ist für den Inhalt der Geschichte nicht verantwortlich und distanziert sich von selbigem. Das Copyright liegt beim Autor. Jegliche Weiterverbreitung der Geschichte ist, wenn nicht ausdrücklich anders angegeben, untersagt.
Kommentare: 7 | Lesungen: 907 | Bewertung: 8.98 | Kategorie: Soft Stories | veröffentlicht: 13.07.2020

Aurelies fabelhafte Welt

von

Aurelie kam sich auf dem jährlichen Rummel in ihrer Geburtsstadt deplatziert vor. An dem jährlichen Volksfest hatte sich seit ihrer Kindheit nichts verändert, aber der Geruch von Bratwürsten und Popcorn war nicht ihre Welt. Diana, ihre Freundin aus der Grundschulzeit, zog sie an der Hand über den Festplatz und sagte: »Dort hinten suchen wir uns eine ruhige Ecke und trinken was.«

Aurelie gönnte jedem Menschen, seine Art des Glücks, aber sie fühlte eine beklemmende Enge in diesem Trubel. Nach all den Jahren war sie hier eine Fremde. Aurelie wahrte ein freundliches Lächeln und bemerkte die interessierten, oder zumindest gleichgültigen Blicke der Leute, wenn sie an ihnen vorbeilief.


»Bier?«, fragte Diana, als sie einen Ausschankwagen erreichten. Aurelie schüttelte den Kopf: »Ein Radler, bitte.«

Sie prosteten sich zu und nahmen den ersten Schluck, als Diana sagte: »So schlimm ist es doch nicht.«


Aurelie nickte diplomatisch. Einen Augenblick später verwandelte sich ihr Magen in einen spitzen Stein. Sie erkannte Leon, der Kerl hatte sich kaum verändert, er war nur noch größer und maskuliner geworden.

In Begleitung eines weiteren jungen Mannes lief er auf sie zu und begrüßte Diana mit einer beiläufigen Umarmung. Aurelie reichte er die Hand und stellte sich höflich vor: »Hallo, ich bin Leon.«


»Aurelie«, sagte Aurelie ohne Kraft in der Stimme und gab ihm ihre Hand.


»Wie bitte?«, fragte er und drehte sein Ohr zu ihr. Die Musik der Fahrgeschäfte legte einen nervenden Klangteppich über den Festplatz.


»Aurelie«, sagte sie lauter und rief sich innerlich zur Räson.

Der andere stellte sich als Torben vor, ohne die Hände aus den Hosentaschen zu ziehen. Aurelie erkannte ihn: Der dicke Torben hatte seinen kindlichen Bauchspeck in beeindruckende Brustmuskeln umgewandelt und schien, die soziale Gleichgültigkeit einer Schildkröte beibehalten zu haben.

»Das ist fast ein Klassentreffen«, lachte Diana in die entstandene Runde. Aurelie warf Diana einen bösen Blick zu und wahrte gegenüber den Männern ein höfliches Lächeln mit ihren dezent geschminkten Lippen.


»Warst du auch in unserer Klasse?«, fragte Leon und schaute Aurelie ratlos an. Es war der gleiche Blick wie früher. Wenn Torben eine Schildkröte war, dann war Leon der Leitwolf, der mit instinktiver Präzision das schwächste Mitglied einer Herde erkannte, um es mit seinem Gefolge zu Tode zu hetzen.

Aurelie schwieg und hielt seinem Blick stand. Sie war nicht mehr schwach, sie ließ ihn bewusst zappeln. Er schaute sie nachdenklich an: »An so ein hübsches Mädchen könnte ich mich erinnern – warst du in der Parallelklasse?«


»Denke noch mal nach«, sagte Aurelie und schaute mit leicht gehobenem Kinn zu Leon auf. Sie sah in den Augenwinkeln, dass Diana das Ratespiel mitspielte und schwieg. Torben war ohnehin raus.

»Ich komm nicht drauf«, sagte Leon.


»Ich war der schmächtige, schüchterne Manuel«, sagte Aurelie und warf ihr langes Haar in einer selbstbewussten Kopfbewegung hinter die Schultern. Es war ihr ein Genuss, Leon sprachlos zu sehen. Diana begann zu lachen, in der Hoffnung die Situation zu entspannen.

In Aurelies Metaphern aus Kindertagen war Diana eine Lachmöwe. Sie schwebte, unbehelligt vom tosenden Meer, über den Dingen und lachte über die Scheiße unter ihr. Heute wusste Aurelie, dass Diana dem kleinen Manuel nicht helfen konnte. Diana hatte sich nie an den Mobbingattacken beteiligt und war den traumatischen Situationen entflohen. Erst, wenn die Luft rein war, kam sie zurück, um Manuel ein bisschen Normalität zu bieten. In ihrem Zimmer teilte sie ihre Kinderschminke mit ihm und lachte ihn nicht aus, wenn er sich einen ihrer Röcke anzog und vor dem Spiegel posierte. Diana war keine Beschützerin, sie war eine Heilerin.

»Ich hole mir Pommes, will noch jemand?«, fragte Diana.


»Ich komme mit«, sagte Aurelie und ließ den sprachlosen Leon achtlos zurück. In ihrem knappen Sommerkleid und den weißen Turnschuhen verschwand sie im Trubel, an der Hand von Diana.

»Ich esse sonst nie Pommes«, erklärte Diana kauend, an dem Stehtisch neben der Essensausgabe, »aber einmal im Jahr schmecken die zum Reinlegen lecker.«


»Die sind echt lecker«, pflichtete ihr Aurelie bei.


»Bist du sauer, weil ich dich gegenüber Leon enttarnt habe?«


Aurelie machte eine abfällige Handbewegung: »Du hast ihn und mich bei Facebook in der Freundesliste, er hätte längst wissen können, wer ich bin.«

»Äh, nee«, lachte Diana kopfschüttelnd, »Ich schätze Leon nicht so ein, dass er sich stundenlang mit Onlineprofilen beschäftigt und mit dem Bild eines elfjährigen Jungen im Kopf, kommt man nicht darauf, dass es jetzt eine attraktive junge Frau ist.«


Aurelie warf Diana eine Kusshand zu.

»Warum wurde aus dem Manuel eine Aurelie und keine Manuela?«, hörte Aurelie eine Männerstimme an ihrem Ohr. Sie sah Leon, hinter sich stehen.


»Weil Manuel schon immer eine Aurelie war«, sagte sie selbstsicher und reichte Leon ihre fast leere Pommestüte.


»Kannst du das bitte dort in den Müll werfen?«

Leon drehte sich, auf der Suche nach dem Abfalleimer um und Aurelie jubelte innerlich. Sie hatte ihm die Kontrolle über die Situation entzogen, wie es ihr in den Antimobbingtrainings beigebracht worden war. Der Erzfeind ihrer Kindheit brachte für sie den Müll weg und sah ausgesprochen gut aus, wie Aurelie zugeben musste.


»Ich würde gerne …«, setzte Leon an, als er zurückkam, doch Aurelie unterbrach ihn: »Ich habe Durst nach den salzigen Pommes, würdest du mir bitte eine Limo ausgeben?«

Spätestens jetzt durchschaute Leon das Spiel und lächelte sie an. Es war kein hämisches Grinsen, wie sie es allzu gut von ihm kannte. Bei diesem Lächeln lachten seine Augen mit. Er verhielt sich wie ein Gentleman und fragte auch Diana, nach einem Getränk ihrer Wahl. Als Leon losgelaufen war, schaute Diana anerkennend zu Aurelie. Sie hob ihre flache Hand und Aurelie klatschte ab.

Leon stellte drei Flaschen Limonade auf den Tisch und setzte zur Rede an, als ihm Aurelie zuvorkam und fragte: »Was wolltest du vorhin sagen?«


»Wenn du mich zu Wort kommen lässt«, lachte Leon.


»Du kannst frei reden, tu dir keinen Zwang an«, schnitt ihm Aurelie das Wort erneut ab.


»Ich würde gerne unter vier Augen mit dir reden«, sagte Leon mit aufrichtiger Mimik.

»Kein Problem«, sagte Diana. Nach kurzem Blickkontakt mit Aurelie trat sie vom Stehtisch zurück und sagte: »Du gehst nicht, ohne dich bei mir zu verabschieden.«


»Klar«, versprach Aurelie, dann schaute sie dem Wolf in die Augen. Er studierte ihr Gesicht für mehrere Atemzüge und nickte.


»Wenn du lächelst, erkenne ich dich an den Mundwinkeln.«

Leon schwieg nochmals und schüttelte den Kopf: »Dass sich ein Mensch so verändern kann?«


»Ich habe hart daran gearbeitet«, sagte Aurelie.


»Du warst auf einmal verschwunden«, grübelte Leon, »Das war …«


»… in der fünften Klasse«, half sie ihm auf die Sprünge.


»Stimmt. Kein Lehrer hat es uns erklärt. Sie haben nur gesagt, dass du die Schule verlassen hast.«

»Es ging nicht mehr«, sagte Aurelie, schaute ihn an und fragte: »Hast du jemals vor Angst so gezittert, dass du einen Löffel mit Müsli nicht ohne zu Kleckern zum Mund führen konntest?«


Leon schüttelte den Kopf.


»Mir ging es fast jeden Morgen so, vor der Schule. Aber damit hätte ich vielleicht noch eine Weile leben können.«


»Was hat dir den Rest gegeben?«

Aurelie schüttelte den Kopf: »Lass es gut sein Leon. Das ist vierzehn Jahre her und ich habe meinen Weg gefunden.«


Leon stütze sich breitschultrig auf dem Stehtisch ab und wirkte betroffen. Selbst mit diesem schuldbewussten Blick lag noch Kraft in seinen grau-blauen Wolfs-Augen – ein Alpha-Männchen. Er konnte sich sicher nicht über mangelndes Interesse bei Frauen beschweren, dachte sich Aurelie.

»Ich müsste mich bei dir und den anderen bedanken«, sinnierte Aurelie, »ihr habt mir die Hölle gezeigt und ich habe es überlebt.«


»Wir hatten keinen Plan«, sagte Leon und hob die Hände beschwichtigend, »Ich weiß heute wie scheiße das war, aber oft hast du geradezu danach gebettelt.«


»Wann denn?«, fragte Aurelie.


»Du hattest Angst vor dem Fußball.«


»Weil ich nicht schmutzig werden wollte.«


»Und das machte dich als Ziel interessanter als jedes Tor.«

»Indem mich zwei Jungs festhalten und der Rest abwechselnd aus nächster Nähe auf mich schießt! Mit einem Ball, den ihr vorher in Hundescheiße gedrückt habt!«, sagte Aurelie aufgebracht und verschränkte ihre Hände unter den Brüsten.


»Stopp«, sagte Leon und es war ihm anzusehen, dass er diesen Gesprächsverlauf nicht angestrebt hatte.


»Was, Stopp?«, fragte Aurelie. Sie spürte, wie ihr die Situation entglitt, »Ich wollte gar nicht hier her und jetzt weiß ich wieder warum.«

Während sie loslief, sagte sie: »Es ist nicht nur wegen dir. Die plärrende Musik und diese oberflächliche Bierseligkeit finde ich zum Kotzen!«


Ihre Ansage erregte die Aufmerksamkeit einiger Teenager, die an einem Fahrgeschäft herumlungerten. Aurelie hörte eine affektiert überhöhte Stimme sagen: »Oh, die feine Dame hätte gerne Mozart und Champagner.«

Aurelie ging weiter, ohne sich umzudrehen. Gegen Gruppen war Flucht die einzige Rettung. Als sie hinter sich Geräusche von patschenden Schritten und schleifenden Fußsohlen hörte, schaute sie über ihre Schulter. Sie sah einen jungen Kerl, eine Armlänge hinter ihr und dahinter stand Leon. Er packte den Halbstarken mit einer Hand an der Schulter und drückte seinen Daumen in dessen Nacken, sodass der Junge automatisch eine Kehrtwende machte und mit eingezogenem Kopf zu seiner Clique zurück stolperte.

Unter Leons strengem Blick schwieg der Rest der Bande. Er schaute zu Aurelie und sagte: »Ich glaube, er wollte dich nur erschrecken, aber er war schon dicht hinter dir.«


Aurelie schaute Leon mit großen Augen an. Leon hatte vermutlich nie an einem Antimobbingtraining teilgenommen und er wusste nicht, dass man sich nicht mit Gruppen anlegen sollte. Er hatte die Situation mit unantastbarer Souveränität geklärt und der Meute erfolgreich die Stirn geboten.

»Meinst du wir können die Limo an einem ruhigeren Platz trinken, ohne uns zu streiten?«, fragte Leon und zeigte zu den unangetasteten Fläschchen auf dem Stehtisch.


»Stehen die Parkbänke noch unten am Flussufer?«, frage Aurelie. Leon schob seine Unterlippe ratlos vor: »Lass es uns herausfinden.«

»Wohnst du noch hier?«, fragte Aurelie auf dem Weg zum Flussufer, das eine Seite des Festgeländes abgrenzte.


»Bin vor drei Jahren wegen des Berufs weggezogen und habe heute meine Eltern besucht. Torben hat mich überredet, mit hierherzukommen.«


»Wo ist der geblieben?«


»Bei den anderen Zuhausegebliebenen.«


»Und da wolltest du nicht dabei sein?«, fragte Aurelie.

Leon zuckte mit den Schultern: »Kampftrinken finde ich nicht mehr so spannend, wie mit sechzehn und als ich erfahren habe, wer du bist, wollte ich die Gelegenheit auf keinen Fall verpassen.«


»Welche Gelegenheit?«, fragte Aurelie.


»Als ich dich zuletzt gesehen habe, warst du ein introvertierter, tollpatschiger Junge, der sich nicht einmal gegen die Mädchen in der Klasse durchsetzen konnte und jetzt? Wow! Ich meine – so was gibts doch nur im Film.«


»Ist schon gut«, sagte Aurelie, »ich habe meine Kindheit verarbeitet. Zumindest außerhalb dieser Umgebung.«

Sie erreichten den Grünstreifen am Flussufer. Er war gut besucht mit Menschen, die dem Rummelplatz aus unterschiedlichen Gründen entflohen waren. Manche waren hier als Paar zum Flirten, andere zum Ausschlafen ihres Rauschs. Sie fanden eine freie Bank und setzten sich nebeneinander.


»Du warst vierzehn Jahre vom Erdboden verschwunden«, sagte Leon und sie stießen mit der Limonade an.

»Ich kam auf ein Internat, das besonderen Wert auf Toleranz und Respekt in der Erziehung legt, und ich wurde als Mädchen eingeschult. Ich habe mich nie zuvor freier gefühlt.«


»Dieses Jungen-Mädchen-Ding war der eigentliche Grund für den Schulwechsel?«, hakte Leon nach.


Aurelie nickte: »Als ich mein erstes Schamhaar entdeckte, wurde mir klar, dass sich mein Körper noch weiter in die falsche Richtung entwickeln würde. Ich bin an diesem Tag mental und körperlich zusammengebrochen, da haben meine Eltern endlich zugehört und mir einen Neuanfang ermöglicht.«

»Und du bist …«, Leon räusperte sich, »sorry für die Frage, aber du bist eine richtige Frau geworden?«


Aurelie lächelte und strich sich durchs Haar. Sie zeigte zu einer Baumgruppe: »Siehst du den Typ, der an den Baum pinkelt?«


Leon nickte.


»Das könnte ich auch«, sagte Aurelie mit einem Augenzwinkern, »Ich durfte früh mit der Hormonbehandlung anfangen – Östrogen rein, Testosteron raus. Die Hormone und ein tolerantes Umfeld haben mir ermöglicht, zu dem Menschen zu werden, der ich heute bin – interessiert dich das?«

»Du siehst weiblicher und hübscher aus, als die meisten echten Frauen«, sagte Leon mit einer Verbindlichkeit, die Aurelie berührte.


»Danke, ich fasse das als Kompliment auf«, sagte sie, »wenn man um etwas kämpfen muss, was andere in die Wiege gelegt bekommen, achtet man mehr darauf.«

Nach dem Sonnenuntergang sah sie Leon schemenhaft neben sich auf der Parkbank sitzen. Die Laterne in einiger Entfernung spendete genug Licht, um sich orientieren zu können. In Aurelies Handtasche brummte es. Sie nahm das Smartphone heraus und hielt es an ihr Ohr.


»Ich bin mit Leon am Flussufer … nein, er hat mich noch nicht verprügelt«, lachte Aurelie, »OK, bis gleich.«

»Das war Diana«, erklärte Aurelie, »Sie möchte mit ihrer Schwester nach Hause gehen. Wir treffen uns zum Verabschieden am Kettenkarussell, kommst du mit?«


»Ich bleibe lieber an deiner Seite. Nicht, dass du dich wieder mit der Dorfjugend anlegst«, sagte Leon mit einem süffisanten Grinsen und ging voraus, um ihr mit seinem Smartphone den Weg zu leuchten.

Auf dem Rückweg fragte Leon: »Warum bist du heute hier?«


»Meine Mutter ist gestern fünfzig geworden, alle paar Jahre fällt ihr Geburtstag auf das Wochenende mit dem Rummel. Ich habe nach der Party hier übernachtet und war heute Mittag mit Diana am See, dann hat sie mich überredet, hierherzukommen.«


»Ich muss sagen, dass ich vom Verlauf des Abends positiv überrascht bin«, gestand Leon, als sie die bunt blinkenden Lichter des Festplatzes erreichten.

»Ach?«, sagte Aurelie und Leon blieb stehen.


»Ich weiß, dass eine Entschuldigung albern wäre, und ich kann nichts wiedergutmachen, aber …«


»Ach, lass gut sein«, sagte Aurelie und winkte ab.


»… Können wir unsere Nummern tauschen, um in Kontakt zu bleiben?«, frage Leon. Gegen diese Bitte konnte Aurelie nichts einwenden.

*

Am nächsten Tag reiste Aurelie zurück in die Großstadt, wo ihre Wohnung winzig und die empfundene Freiheit grenzenlos waren. Mit Leon entwickelten sich freundliche Dialoge über die sozialen Netzwerke. Er gab sich aufrichtig Mühe, sein Image aus früheren Tagen durch unaufdringlichen Humor zu relativieren. Aurelie fühlte sich von seiner höflichen Aufmerksamkeit geschmeichelt. Am darauffolgenden Donnerstag fragte er, ob er sie für Samstag zum Essen einladen dürfte. Sie sollte ein Lokal in ihrer Stadt nennen, er würde sich um den Rest kümmern.

Sie verabredeten sich für Samstag, 19 Uhr in einem kleinen italienischen Restaurant in der Fußgängerzone. Aurelie betrat das Lokal um zehn Minuten nach 19 Uhr, nicht weil sie sich verspätet hatte. Sie wollte ihn warten lassen.


In einem knielangen Stretch-Rock mit hoher Taille und einem eng anliegenden, dunklen Oberteil, das hochgeschlossen, aber partiell transparent war, betrat sie das Lokal auf hohen Riemchensandalen und zog für einen Moment alle Blicke auf sich. Ihr Haar war mit einer großen Spange auf dem Hinterkopf hochgesteckt und ihr Gesicht ausgehfein geschminkt. Übergroße Kreolen an ihren Ohrläppchen rundeten das Outfit ab.

Leon stand auf, als er Aurelie kommen sah. In seiner dunklen Stoffhose und dem weißen Hemd trug er ein klassisches Outfit, mit dem man als Mann nicht viel falsch machen konnte.


»Sorry, für die Verspätung, aber ich warte nicht gerne«, sagte Aurelie und erwiderte die freundschaftliche Umarmung. Er bot ihr einen Stuhl an und setzte sich anschließend auf seinen Platz.

»Warst du lange unterwegs?«, eröffnete Aurelie das Gespräch.


»Drei Stunden mit dem Auto und du?«


»Fünf Minuten zu Fuß«, grinste Aurelie.


Als Leon Rotwein in die Gläser füllte, sagte er: »Ich habe in einem Motel am Stadtrand eingecheckt und bin mit der U-Bahn in die Innenstadt gefahren, da kann ich mit dir anstoßen und morgen ausgeschlafen nach Hause fahren.«


»Klever«, sagte Aurelie und stieß mit ihm an.

Während des Essens erzählte Leon von seiner Arbeit, bei einer Firma, die Luxusautos tunte.


»Für Leute, denen ein normaler Porsche noch nicht exklusiv genug ist.«


Er beschrieb sich als erfolgreiches Nachwuchstalent im Vertrieb, ohne allzu auffällig anzugeben. Bevor sich Aurelie langweilte, fragt er sie nach ihrem Lebensunterhalt.

Sie erzählte von ihrem Job bei einem Kleinverlag: »Eigentlich habe ich mich auf eine Stelle im Artwork beworben, aber der Verlag ist so klein, dass ich überall einspringe, wo not ist. Das ist sehr interessant – nur reich werde ich mit diesem Job nicht«, erkläre Aurelie abschließend und bedankte sich beim Kellner, als er das Geschirr abräumte.

»Habe ich schon gesagt, dass du umwerfend aussiehst?«, frage Leon.


»Nein, aber danke.«


Aurelie wusste, dass etwas in der Luft hing. Leons Interesse ging über den freundschaftlichen Kontakt von ehemaligen Klassenkameraden hinaus – wobei Kameradschaft hierbei höchstens im zynischen Kontext passend war. Aus Neugierde und weil Leon noch nichts Verfängliches unterlaufen war, spielte sie das Spiel mit. Als Manuel war sie das einsame Lämmchen auf der Suche nach einer Herde und es wurde jeden Tag vom Wolf gebissen. Aber, sie war kein Lämmchen mehr.

»Haben weibliche Schafe Hörner?«, fragte sie und brachte Leon sichtbar durcheinander. Er zückte sein Smartphone und erklärte nach kurzer Recherche, dass es Schafrassen gab, bei denen beide Geschlechter Hörner trugen.


»Sind bei den Weibchen aber stets kleiner als bei den Böcken«, schloss er den Exkurs ab und legte sein Smartphone zur Seite.


»Danke«, sagte Aurelie.

Leon musste ohne ersichtlichen Grund lachen und erklärte sich: »Du bist so erfrischend überraschend. Wir sitzen hier und quatschen und du fragst aus heiterem Himmel nach Schafhörnern. Wie kommst du auf so was?«


»Fantasie?«, sagte Aurelie und stütze ihren Kopf verträumt auf den Handballen. Leon streckte seinen Arm über den Tisch und nahm ihre andere Hand.


»Seit wir uns auf dem Rummel getroffen haben, gehst du mir nicht mehr aus dem Kopf. So verliebt war ich noch nie.«

Aurelie hatte es geahnt und war dennoch sprachlos, von dieser vorbehaltlosen Offenheit. Er hatte sein schlagendes Herz auf den Tisch gelegt und sie musste mit der Situation klarkommen. Sein Daumen strich zart über ihren Handrücken. Sie spürte seine Anspannung in diesem sanften Streicheln, während sie nachdachte und ihn warten ließ.


»Das kommt sehr plötzlich«, sagte Aurelie, um sich diplomatisch heranzutasten.


»Du hast feine Antennen – hast bestimmt schon etwas geahnt und ich will kein falsches Spiel spielen. Ich lege die Karten lieber auf den Tisch, bevor Missverständnisse entstehen.«

»Hm«, brummte Aurelie und versuchte Ordnung in ihr Gedankenchaos zu bringen.


»Seit unserem Treffen, letzte Woche, konnte ich es nicht erwarten, dich wiederzusehen«, sagte Leon.


»Weißt du«, setzte Aurelie an, »ich glaube dir aufrichtig, dass du nicht mehr wie früher bist und es dir leidtut, was damals passiert ist, aber du verwechselst den Wunsch, etwas gutzumachen, mit Verliebtheit.«

»Ich habe die letzten Tage mit mir gerungen. Ich wollte es nicht wahrhaben, weil du eine spezielle Frau bist und ich nicht weiß wie das mit uns funktionieren soll, aber der Wunsch, in deiner Nähe zu sein, mit dir zu reden und zu lachen, hat alle Zweifel aus meinen Gedanken gewischt. Du bist fantasievoll, schlagfertig und äußerst attraktiv – ich will mehr von dir.«

Aurelie sah ihr wohlgeordnetes Leben in Gefahr. Ein Leben, das sie in den letzten Jahren mit einem Freundeskreis aus toleranten und rücksichtsvollen Menschen angereichert hatte – eine kleine Welt ohne Raubtiere.


»Es ist vielleicht besser, wenn du jetzt gehst«, sagte Aurelie und fühlte den Kloß in ihrem Hals.


»Warum hast du dich auf das Date eingelassen, wenn du absolut kein Interesse hast?«


»Das war dumm von mir«, gab Aurelie kleinlaut zu, »es tut mir leid.«

Sie schaute Leon nicht nach, als er aufstand und den Tisch, ohne ein Wort des Abschieds, verließ. Nachdenklich trank sie den letzten Schluck aus ihrem Weinglas und überlegte, was schiefgelaufen war. Aurelie träumte seit Jahren von der Gelegenheit, ihren Peinigern von damals zu zeigen, was sie aus ihrem Leben gemacht hatte. Vor allem Leon sollte sehen, dass sie kein verträumter, tollpatschiger Junge mehr war, der nicht wusste, wo er hingehörte. Sie war nie auf Rache aus gewesen. Ehrliche Anerkennung, mehr wünschte sie sich nicht und Leon hatte ihr davon eben zu viel auf einmal gegeben.

»Ach Mensch«, seufzte Aurelie und fuhr mit einem Finger über den Fuß des Weinglases, aus dem Leon noch vor wenigen Minuten getrunken hatte. Sie war enttäuscht über seinen erstaunlich kampflosen Rückzug. Seine täglichen Botschaften auf ihrem Smartphone würden nach diesem Abend vermutlich ausbleiben. Ihr wurde bewusst, wie schnell sie diese kleinen Aufmerksamkeiten liebgewonnen hatte.

Die Behauptung, kein Interesse an Leon zu haben, war nicht richtig gewesen, aber ihre emotionalen Schutzfunktionen reagierten übersensibel bei derartigen Sturmangriffen. Zumal es bei all ihren femininen Attributen, einen kleinen Haken gab, der ihr die Leichtigkeit nahm, sich auf spontane Abenteuer einzulassen. Wie sollte sie Leon das alles an solch einem Abend erklären, fragte sie sich. Ihm nachzulaufen kam für Aurelie nicht infrage.

»Signorina, bitte kommen Sie«, sagte der alte italienische Inhaber des Restaurants und zeigte zum vorderen Teil des Gastraums. Der Mann entschuldigte sich tausendfach für die Störung und begleitete Aurelie zum Eingang. Er zeigte auf die Fußgängerzone vor seinem Restaurant. Dort stand Leon mit heruntergelassener Hose und hängenden Armen auf einer öffentlichen Bank.


»Verliebte Männer machen verrückte Sachen«, sagte der Italiener gestenreich, »aber das ist schlecht für mein Geschäft.«

Aurelie lehnte sich mit verschränkten Armen an den Türpfosten, schaute zu Leon und grinste dezent. Er stand, wie in einem Büßergewand, mit seinem weißen Hemd und nackten Beinen auf der Bank und schwieg. Die Großstädter, die um diese Uhrzeit durch die Gassen flanierten, belächelten Leons stille Darbietung, deren wahre Bedeutung nur Aurelie kannte. Ihr Herz hüpfte, weil Leon nicht eingeschnappt abgereist war. Dass er sich mit dieser Vorstellung zum Affen machte, bedeutete ihr nichts.

»Es zählt nicht, wenn man es freiwillig macht«, rief Aurelie mit der Gelassenheit einer Außenstehenden.

Sie erinnerte sich an den Vorfall, bei dem ihr Leon die Hose, aus Spaß ruckartig heruntergezogen hatte und diese Blamage mit dem Rest der Schule teilte, indem er den schmächtigen Jungen auf den Schulhof zerrte und, während der großen Pause, mit Hilfe seiner Kumpels, auf die Tischtennisplatte stellte. Unter dem Gelächter und den hämischen Blicken der Schüler war Manuel nicht fähig, sich dieser Situation zu entziehen, bis ihn ein Lehrer unsanft aus der Starre riss und ihn für diese Provokation schimpfte.

»Lasse mich hier stehen und geh, wenn du mich nie wiedersehen willst«, sagte Leon reglos.

Der Restaurantbesitzer stellte eine kleine Karaffe mit Rotwein und zwei Gläser auf einen freien Tisch vor seinem Restaurant, wischte über die Sitzflächen von zwei Stühlen und sagte: »Bitte sehr, bella Donna. Bringen Sie ihren verrückten Mann zur Vernunft. Es gibt nichts, was man nicht bei einem Gläschen Vino besprechen kann.«


»Muss ich noch zahlen?«


»No, alles erledigt«, sagte der Italiener und deutete auf Leon.

Aurelie nahm an dem Tisch Platz, schlug die Beine übereinander und beobachtete Leon lächelnd, als er seine Hose hochzog und von der Bank herunterstieg. Er steckte sein Hemd nicht in die Hose zurück und kam zu Aurelie gelaufen.


»Lässiger Style«, kommentierte Aurelie sein zerknittertes Hemd und lachte. Sie sah keinen Grund, ihre Freude über diese Wendung des Abends zu verbergen – mit zickigem Verhalten, hatte sie noch nie Gutes erreicht.

Als er sich setzte, fragte sie: »Hast du den Restaurantbesitzer bestochen?«


»Ah, das ist so ein Ding unter Männern – man hilft sich, damit jeder sein Ziel erreicht«, lächelte Leon und zwinkerte ihr zu.


»Wer sagt, dass du dein Ziel erreicht hast?«

»Wir sitzen an einem Tisch und reden«, sagte Leon und legte seine Hände auf den Tisch, zum Zeichen der Offenheit: »Ich habe dir keinen Heiratsantrag gemacht und du musst nichts unterschreiben, aber wenn du nicht wenigstens ein bisschen Interesse an mir hättest, würdest du nicht mehr hier sitzen.«

»Weißt du, warum ich vorhin nach den Schafhörnern gefragt habe?«


»Nein«, sagte Leon und Aurelie erzählte ihm von den Metaphern aus Kindertagen, in denen sie den Kindern aus der Klasse eine Tierart zugewiesen hatte, die zu ihrem Wesen passte. Es war die Art des kleinen Manuels, mit dem Terror klarzukommen. Als er wusste, dass Timo zum Beispiel eine Hyäne war, die erst mitmachte, wenn keine Gegenwehr mehr zu befürchten war, kam es Manuel nicht mehr so hinterhältig vor – Hyänen sind halt so.

Aurelie beschrieb ihre Fabelwelt ausführlich und nahm in Kauf, dass sie Leon langweilte. Wenn er kein Interesse für ihr Innenleben zeigte, disqualifizierte er sich selbst. Leon hörte aufmerksam zu.


»… Und du bist der Leitwolf, auf dich haben alle gehört«, sagte Aurelie am Ende der Erzählung, »Ich habe dich nie gehasst. Ich habe dich beneidet und ich hatte scheiß Angst vor dir. Du kannst nicht einfach kommen und sagen, dass du in mich verliebt bist, in der Erwartung, dass ich dir dankbar um den Hals falle.«

Leon schaute sie nachdenklich an.


»Ich weiß nicht viel über Wölfe, aber die sehen doch wie Schäferhunde aus?«


»Was?«, fragte Aurelie erschrocken.


»Schäferhunde: Sie können gefährlich sein, sind aber gelehrig und beschützen Schafe.«


Aurelie schaute mit großen Augen durch ihn hindurch und versuchte das Gehörte in ihre Fabelwelt zu übersetzen.

Ihr Blick klärte sich, als er seine Hände über ihre Hände legte und sagte: »Früher hast den Mund nicht aufbekommen und letztes Wochenende hast du mich den Müll wegbringen lassen und Getränke holen geschickt. Heute hast du mich mit Absicht warten lassen. Ich mag es, wenn du ein bisschen frech zu mir bist, ich habe ein dickes Fell und brave Mädchen finde ich langweilig.«

Ein spitzbübisches Grinsen huschte über Aurelies Gesicht und ihre Augen funkelten. Mit dieser flirtbereiten Mimik sagte sie: »Du weißt, dass ich kein normales Mädchen bin.«


»Normale Mädchen kenne ich schon«, flüsterte Leon in ähnlicher Flirtpose, »ich hoffe, du zeigst mir einen Weg zu dir.«


»Schließe deine Augen.«

Leon schloss die Augen und fühlte ihre Lippen auf seinem Mund. Erst ein zarter Kuss, dann eine zaghafte Zungenspitze. Ihre Hand streichelte seine Wange. Nach einem schüchternen Blickkontakt war der nächste Kuss leidenschaftlicher.

»Bellissimo«, entfuhr es dem Restaurantbesitzer hinter dem Fenster zur Straße, »es ist immer das Gleiche mit den jungen Leuten, erst discussione und dann amore.«

Beim Küssen wurde der kleine Tisch zwischen ihnen zu einem störenden Element. Sie standen auf, um sich einen bequemeren Platz zu suchen. Aurelie verabschiedete sich winkend vom Gastgeber, er rief: » arrivederci bella und sei nicht so streng mit deine verrückte Mann.«

Beim Gehen fanden sich ihre Hände. Aurelie schaute zu ihm auf, lächelte verlegen und schwieg. Sie hatten einen Schritt gewagt, der sie näherbrachte, als es sich Aurelie je vorstellen konnte. Sein verlegenes Schweigen ließ sie ahnen, dass ihn diese neue Situation ähnlich befangen machte.


»Wo gehen wir hin?«, fragte Leon.


»Ich dachte, du wüsstest das, weil du so zielstrebig losmarschiert bist«, sagte Aurelie.


»Ich kenne mich hier doch gar nicht aus.«


»Komm mit!«, lachte Aurelie und sie bogen in eine Seitenstraße ab.

Aurelie führte ihn in eine Lounge-Bar. Sie setzten sich nebeneinander auf eine Couch, vor der ein niedriger Tisch stand. Nach dem Bestellen legte Leon einen Arm um Aurelie und sie Küsten sich, bis ihre Drinks serviert wurden. Nach dem ersten Schluck setzten sie zeitgleich zum Sprechen an und schwiegen lächelnd, um dem jeweils anderen das Wort zu lassen.


»Du zuerst«, sagte Leon.

»Es fühlt sich an, als wäre ich aus einem Flugzeug gesprungen«, beschrieb Aurelie ihre Gefühlslage.


»Bist du schon mal aus einem Flugzeug gesprungen?«


Aurelie nickte, »Im Tandem mit einem Profi, da wusste ich, dass der Fallschirm aufgeht, jetzt …«


Sie schmiegte sich an Leos Flanke und fühlte seinen Arm auf ihrer Schulter. Sie kam sich geborgen vor und zugleich hilflos, gegenüber ihren Gefühlen. Sie verschränkte die Finger ihrer Hand mit seinen.


»Was wolltest du sagen?«, gab Aurelie den Ball an Leon weiter.

»Ich möchte dich tausend Sachen fragen und alles auf einmal wissen, aber ich weiß nicht wie ich anfangen soll.«


»Ich habe Erfahrung mit Männern und ein bisschen mit Frauen«, sagte Aurelie und schaute ihn an, »Aber so viel Herzklopfen wie heute, hatte ich noch nie.«


»Das hätte ich nicht zuerst gefragt«, sagte Leon.


»Nein, das ist wichtig«, sagte Aurelie, »Du kennst mich seit meiner Kindheit, du weißt mehr über meine Vergangenheit, als mir lieb ist – keiner kann mich so verletzen wie du.«

»Warum lässt du mich so nach an dich ran, wenn es dir Angst macht?«


»Unterbewusst habe ich mir immer gewünscht, du könnest sehen, was aus mir geworden ist. Dass ich stark bin …«


»… und wunderschön«, fügte Leon hinzu und sagte: »Du hast mich letzte Woche, auf dem Rummel komplett aus der Bahn geworfen.«


»Weißt du, auf was du dich einlässt?«, frage Aurelie.

»Ich habe bisher nur Erfahrung mit … normalen …«


»… mit, nicht transsexuellen Frauen«, half ihm Aurelie bei der Formulierung und Leon nickte dankbar.


»Ich habe kein Interesse an Männern, aber ich würde nicht hier sitzen, wenn ich eine Beziehung von einer Vagina abhängig machen würde«, erklärte Leon schlingernd und schaute hilfesuchend zu Aurelie.

Leon holte tief Luft und unternahm einen neuen Anlauf: »Shemale-Pornos machen mich echt heiß, aber in erster Linie hast du mich letzte Woche als Mensch fasziniert und ja, ich bin unheimlich gespannt, deinen Körper kennenlernen zu dürfen, und hoffe, dass du mir diese Welt behutsam näherbringst.«

Aurelie küsste ihn und rutschte mit ihrem Hintern auf seinen Schoß, sodass sie quer auf seinen Oberschenkeln saß, anders konnte sie ihm in dem engen Rock nicht näherkommen.


»Jetzt wirst du mutig.«


»Vielleicht will ich ja, dass mich der Wolf beißt«, neckte ihn Aurelie.


»War die Idee mit dem Schäferhund nicht gut?«


»Nein, ich will keinen Hund«, sagte Aurelie entschlossen. Sie war nicht bereit, ihm die Deutungshoheit in ihrer Fabelwelt zu überlassen, in der Hunde andere Attribute besetzten, als Wölfe.

Sie turtelten, bis sie von der Bedienung unterbrochen wurden: »Darf ich euch bitte abkassieren? Wir schließen in ein paar Minuten.«


»Wir sind die letzten Gäste, stelle Aurelie nach einem Rundumblick fest.«


Leon bezahlte. Als sie auf der Straße standen, sagte er: »Ich möchte dich noch zur Haustür begleiten. Es ist spät.«

Nach einem kurzen Fußweg blieb Aurelie am Eingang eines mehrstöckigen Hauses stehen und gab Leon einen Kuss auf Zehenspitzen. Er bemühte nicht das Klischee, eines letzten Kaffees in ihrer Wohnung. Aurelie schätzte seinen Edelmut und bedauerte zugleich, ihn loslassen zu müssen.


»Können wir morgen gemeinsam frühstücken, bevor ich abreise?«, fragte Leon.


»Sehr gerne, wir schreiben uns«, hauchte sie erleichtert, drückte ihn und verschwand im Treppenhaus.

In ihrer Einraumwohnung blieb sie neben dem Esstisch stehen und fasste sich an den Kopf. Vor wenigen Stunden hatte sie sich hier ausgehfein gemacht und war mit ihrem Leben im Reinen gewesen. Unter der Flut, der jüngsten Eindrücke und Emotionen, kam es ihr vor, als wäre sie von einer langen Reise zurückgekehrt. Zu dem Rausch der Verliebtheit kam eine diffuse Angst, vor unliebsamen Veränderungen in ihrem sorgsam arrangierten Leben.

Sie nahm die Klammer aus ihrem Haar, schüttelt den Kopf und setzte sich auf ihre Schlafcouch. Die hohen Schuhe loszuwerden, war eine Wohltat. Mit offenen Augen legte sie sich auf den Rücken und durchlebte die Gespräche des Abends nochmals – an Schlaf war nicht zu denken. Das Brummen ihres Smartphones ließ ihr Herz einen Schlag aussetzen. Sie öffnete die Nachricht und war enttäuscht: Ein Arbeitskollege schickte ihr nachts um drei Uhr ein lustiges Bild. Es war ihr Humor, aber der falsche Absender. Wie konnte man einen Menschen nach so kurzer Zeit derart vermissen, fragte sie sich.

»Bist du gut angekommen?«, tippte sie und sendete es an Leon. Er musste sein Smartphone in der Hand gehalten haben. Die Lesebestätigung kam umgehend und er tippte eine Antwort.


»Sind gleich da. Sitze noch im Taxi.«


»Wollen wir JETZT frühstücken?«, schrieb Aurelie spontan.


»Bei dir?«


»Habe Kaffee und Toastbrot zuhause.«


»Taxifahrer sagt: 20 Minuten. Sind auf dem Weg«, schrieb Leon. Aurelie drückte ihr Smartphone an die Brust.

Als es klingelte, öffnete Aurelie und wartete an der offenen Wohnungstür, bis Leon über die Treppe im dritten Stock ankam. Sie war barfuß, mit offenem Haar und trug noch das Outfit des Abends. Sie umarmten und küssten sich im Türrahmen, als hätten sie sich seit Wochen nicht gesehen.


»Du verrücktes Schaf«, lachte er, zog seine Schuhe aus und folgte ihr in die Wohnung. Leon ließ den Blick schweifen. Er sah eine moderne Möblierung und eine Dekoration mit weiblicher Handschrift. Bemerkenswert empfand er eine Schaufensterpuppe, die einen bodenlangen Trenchcoat trug.

»Das ist Miss Fox«, erklärte Aurelie geheimnisvoll und stellte sich grinsend neben Leon.


»Darf ich?«


Aurelie nickte und Leon öffnete den Trenchcoat. Er schaute mit zunehmendem Erstaunen auf das, was die Puppe darunter trug.


»Ist das so ein Fetischthema?«


»Es heißt Cosplay«, erklärte Aurelie, »Cosplay für Erwachsene«, fügte sie grinsend hinzu und ließ ihre Hand unter Leons Hemd an seinem Rücken emporgleiten.


»Darf ich kurz ins Bad?«, fragte Leon, Aurelie zeigte auf die einzige Zimmertür ihrer Wohnung.

Als Leon zurückkam, sorgte Aurelie mit einigen Teelichtern für eine stimmungsvolle Beleuchtung. Er stellte sich hinter Aurelie, umfasste ihre Hüften und küsste ihren Hals. Sie hielt, mit einem genießerischen Lächeln auf den Lippen still und nahm wohlwollend zur Kenntnis, dass seine großen Hände an ihren Flanken aufwärts glitten und ihre Brüste von hinten umfasste. Ihre Brüste waren nicht groß, aber fest und wohlgeformt, weswegen sie zugunsten ihre Outfits auf den BH verzichtet hatte.

»Du bist so zart und anschmiegsam, wie…«


»… eine Frau«, flüsterte Aurelie und legte das Feuerzeug ab, ohne sich Leons Griff zu entziehen.


»Entschuldige meine verbale Tollpatschigkeit, ich meine das nicht böse.«


»Ich weiß«, gurrte Aurelie in seinen Armen, »ich weiß, wie es sich anhört, wenn du es böse meinst.«


Um ein aufkommendes Gespräch zu unterbinden, drehte sie sich in seinen Armen und küsste ihn. Dabei knöpfte sie sein Hemd und die Hose auf.

Als Leon mit offenem Hemd und heruntergelassener Hose dastand, streichelte sie seinen Oberkörper und fühlte seine Hände auf ihrem Rücken.


»Wie geht der auf?«, flüsterte Leon und tastete den Bund ihres Rocks ab.


»Einfach nach unten ziehen.«


Leon zog den elastischen Stoffschlauch an ihren Beinen herunter und ging in dieser Bewegung vor ihr in die Hocke. Aurelies eng anliegendes Oberteil entpuppte sich als Stringbody.

Auf Augenhöhe mit ihrem Schambereich erkannte er im Licht der Kerzen eine kleine Erhebung, die sich nicht wesentlich von einem Venushügel unterschied. Leon streichelte mit der Hand über ihren Bauch und bewegte sich langsam tiefer. Durch den zarten Stoff fühlte er den kleinen, festen Schwanz. In der engen Umschließung des Bodys war er zwischen ihre Beine geklemmt.

Aurelie ging vor Leon in die Hocke und war wieder auf Augenhöhe mit ihm.


»Du wolltest es sachte angehen lassen?«, fragte sie und streifte das Hemd von seinen Schultern.


»Habe ich was falsch gemacht?«


»Nein«, hauchte Aurelie zärtlich, »aber ich habe es gerne gemütlich.«


Sie erhob sich und ging zu ihrer Schlafcouch. Auf dem Weg griff sie seitlich in den Beinausschnitt ihres Bodys, nestelte in ihrem Schritt und setzte sich dann auf die Polsterfläche.

Leon folgte ihr, in nichts als seinen knappen Pants, die seinen knackigen Hintern betonten und vorne eine beträchtliche Ausbeulung zeigten. Er sah, dass Aurelies kleiner Schwanz nicht mehr zwischen ihren Beinen klemmte. Er zeigte, zwischen ihrem Bauch und dem halbtransparenten Material des Bodys in Richtung ihres Nabels. Nach einigen leidenschaftlichen Küssen, lagen sie vis-a-vis nebeneinander auf der schmalen Liegefläche.

Leons Hand erkundete ihren Körper bei den Brüsten beginnend und wagte sich nach einigen Atemzügen nach unten. Vorsichtig streichelte er die Eiche, über die sich zarter Stoff spannte. Der Schaft fühlte sich fest, nicht hart an. Darunter ertastete er die Hoden. Es war alles da, nur kleiner als bei ihm.

»Musst du nach dem Frühstück gleich los?«


»Nein«, sagte Leon, »eigentlich habe ich den ganzen Sonntag Zeit.«


»Hör nicht auf«, sagte Aurelie. Leon streichelte an ihrem kleinen Schaft entlang, bis zu Spitze und zurück. Mit einem wohligen Brummen ließ Aurelie ihr Becken kreisen und streichelte über Leons Erektion. Sie befreite seinen Schwanz aus den Pants, er ragte hart und groß hervor. Leon schaute sie mit großen Augen an.

»Quält er dich schon lange?«, fragte Aurelie mit Flüsterstimme und hilfsbereitem Blick. Sie bildete mit Zeigefinger und Daumen einen Ring, den sie an seiner Eichel rauf und runter gleiten ließ.


»Seit unserem ersten Kuss«, gestand Leon grinsend, »Und bei dir?«


»Auch«, flüsterte Aurelie, »Aber ich habe weniger Probleme mit meiner Potenz.«


Leon schaute irritiert zwischen seine Beine. Aurelie lachte und sagte leise: »Du hast absolut keine Potenzprobleme und ich habe keine Probleme mit meiner Potenz.«

Leon lächelte erleichtert, als er das Wortspiel verstanden hatte, und sagte leise: »Ich mag es, wenn du flüsterst.«


»Und ich mag es, an den Brüsten berührt zu werden.«


»Und ich mag klare Ansagen«, hauchte Leon und streichelte ihre Brüste. Er umsorgte die harten Knospen unter dem gespannten Stoff mit seinen Fingern und erschauerte bei den Empfindungen, die ihm Aurelie mit ihrer Hand verschaffte.


»Es ist schon spät«, sagte Aurelie, »Ich erlöse dich.«

Aurelie ließ sich vom Polster rutschen, spuckte in ihre Hand und wichste seinen Schwanz mit gekonnten Griffen. Sie kniete vor der Couch und Leon ergab sich ihrer zupackenden Kraft in Rückenlage. Aurelie wusste, wo und wie sie ihn mit der Hand verwöhnen musste. Sein leises Stöhnen bestätigte ihr Talent.


»Schau mich an«, flüsterte sie und fixierte ihn mit Blicken.


»Ich will dir in die Augen sehen, wenn du kommst«, sagte Aurelie liebevoll und bewegte ihre Hand schneller.

Leons Becken begann zu zucken, sein Schwanz pumpte. Sein Stöhnen dämpfte Aurelie mit ihren Lippen. Sie küsste ihn leidenschaftlich, bis er ermattet und glücklich zur Ruhe kam.


»Bleib liegen«, sagte sie, stand auf und kam mit Pflegetüchern zurück, mit denen sie die Spuren von Leons Höhepunkt von seinem Bauch, ihren Händen und seinem Schwanz wischte.

»Das war unglaublich«, sagte Leon, »ich bin mit einer Frau noch nie so entspannt geil geworden und gekommen – das kenne ich nur vom Wichsen alleine, aber dann ist es annähernd nicht so erfüllend, wie eben mit dir.«


»Weil ich weder als Frau, noch als Mann in Konkurrenz zu dir stehe und dennoch beide Aspekte bis zu einem gewissen Maß abdecke«, erklärte Aurelie leise und streichelte seine Bauchmuskeln mit einem Pflegetuch, »Mir fällt der Fachbegriff nicht ein. Darüber gibt es Regalreihen voll Bücher – muss man aber nicht gelesen haben.«

»Vorsicht Klugscheißer!«, sagte Leon mit gespielt drohender Stimme, »der Weg zu Schultoilette ist lang und dunkel.«


Aurelie knuffte Leon in die Seite und sprang lachend zu ihm auf die Couch.


»So ist es richtig«, lachte Leon und wehrte ihre angedeuteten Schläge ab, »Lasse dir nichts gefallen.«


Sie beendeten die kleine Rangelei mit einem leidenschaftlichen Kuss und lagen sich schnaufend in den Armen.

»Wie kann ich dich glücklich machen?«


»Du machst mich schon glücklich«, sagte Aurelie und schmiegte ihre Körper an seinen.


»Du weißt, was ich meine«, brummte Leon.


»Nach dem Frühstück zeige ich dir, wie du mich sehr glücklich machen kannst.«


»Können wir vor dem Frühstück kurz die Augen zu machen?«, frage Leon und versuchte ein Gähnen zu unterdrücken.

Leon schlief, als Aurelie eine leichte Sommerdecke über ihn warf und sich, unter der Decke, an ihn kuschelte. Draußen graute der Morgen, als sie ihren Kopf an seine Brust legte und den flackernden Schein der Teelichter betrachtete. An seiner Seite, mit seinem Herzschlag im Ohr, fürchtete sie sich nicht vor dem emotionalen Durcheinander, das solch ein Raubtier in ihrer Welt anrichten konnte.

Kommentare


DorisAnbetracht
dabei seit: Okt '13
Kommentare: 16
Doris Anbetracht
schrieb am 13.07.2020:
»Wunderbar geschrieben. Die Geschichte ist faszinierend.«

Malgretout
dabei seit: Jun '07
Kommentare: 109
schrieb am 14.07.2020:
»Donnerwetter, dieses nicht einfache ( oder ist es das doch?) Thema so überzeugend, gefühlvoll und faszinierend in eine solche Geschichte zu packen....meine Hochachtung.
Die 3x10 hat sich Faith redlich verdient.«

Martinle
dabei seit: Dez '00
Kommentare: 51
schrieb am 16.07.2020:
»coole Geschichte - bin auf die Fortsetzung gespannt«

MichaLoenne
dabei seit: Mär '18
Kommentare: 5
schrieb am 17.07.2020:
»Wow, grandiose Geschichte«

PcRollo
dabei seit: Dez '17
Kommentare: 1
schrieb am 17.07.2020:
»Wunderbar geschrieben,die Geschichte ist faszinierend geschrieben und sehr einfühlsam.Für mich eine der Besten bei sevag«

pogotheclown
dabei seit: Jul '04
Kommentare: 8
schrieb am 26.08.2020:
»Grandios.«

yksinäisyys
dabei seit: Okt '04
Kommentare: 142
schrieb am 25.08.2021:
»Hallo Faith, jetzt bin ich seit Jahren mal wieder lesend unterwegs und musste mir doch auch eine Geschichte von dir heraussuchen. Sehr schön geschrieben, zart und einfühlsam, es ist kein leichtes Thema. Ich freue mich darauf, irgendwann den nächsten Teil zu lesen. Die Rechtschreibung könnte etwas besser sein, fällt aber nicht so sehr ins Gewicht.
Ganz liebe Grüße. yksi«


Kommentar verfassen Kommentar verfassen
AutorIn schreiben AutorIn schreiben
Autorinformationen Autorinfos
 Geschichte melden
 loading...