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Kommentar: 1 | Lesungen: 1046 | Bewertung: 7.34 | Kategorie: Soft Stories | veröffentlicht: 12.08.2017

Auseinandergelebt - Der Weg zurück

von

Schleichend, auf leisen Sohlen, hatte es sich in unserer Beziehung ausgebreitet. Ein lähmendes Gift hätte nicht erbarmungsloser zuschlagen können. Der Alltag, Arbeit und Karriereleiter, hatte sich Stück für Stück mehr Platz verschafft, die menschlichen Gefühle konterkariert. Wenn nicht der Zufall Pate gestanden hätte... .


Angespannt warteten alle Beteiligten auf die Verkündung des Urteils, das Gremium tagte schon mehr als zwei Stunden hinter verschlossenen Türen. Obwohl ich geständig gewesen war, schon bei der Befragung durch die Beamten hatte ich den Einbruch zugegeben, wurden eine Unmenge an Zeugen angehört. Der Verhandlung war ich nach meiner Aussage nicht mehr gefolgt, hatte alles Revue passieren lassen, das 'Warum' ich überhaupt hier saß.

Vor neun Monaten, der neue Oberarzt hatte schon drei Tage früher seinen Dienst zur Einarbeitung angetreten, erlaubte ich mir einen früheren Feierabend. Nach zwei Tagen wusste ich, ich kann ihm bedenkenlos die Chirurgie überlassen. Da ich Claudia noch in ihrer Anwaltskanzlei vermutete, vor siebzehn Uhr war sie wochentags nie Daheim, wollte ich mich auf der Couch in meinem Arbeitszimmer ein wenig entspannen. Federnd leicht, wie es schon immer meine Art gewesen war, lief ich geräuschlos die Stufen ins Obergeschoss, als ich ein Wimmern vernahm. Vorgebeugt saß sie vor ihrem Laptop und rieb sich die Augen. Nur durch ihre Haltung bedingt, gab mir der rückwärtige Spiegel einen Einblick auf die aufgerufene Webseite. Die biologische Uhr konnte doch noch nicht abgelaufen sein, wir waren doch erst fünfunddreißig. Als ich näher trat, immer noch mit den Gedanken auf dieser Adoptionsseite, klappte Claudia den Laptop zu. Sie erzählte mir eine zu Tränen rührende Story, ein Klient dessen Namen sie natürlich nicht erwähnte. So weit waren wir also schon, den Partner einfach mit einer Ablenkung belügen. Ich nahm es so hin, brauchte Zeit zum Nachdenken.


Für das Wochenende teilte ich mir den Bereitschaftsdienst komplett zu. Auf unserem AB hinterließ ich Claudia eine diesbezügliche Nachricht. Da überraschend wenig zu tun war, nur zwei Unfälle mit chirurgischen Eingriffen, hatte ich viel Zeit unsere Situation auszuleuchten. Während der Studienzeit hatten wir uns vor fünfzehn Jahren kennengelernt, eine gemeinsame Bekannte hatte eine Party ausgerichtet. Schon beim Augenkontakt hatte es gefunkt. Jede freie Minute verbrachten wir zusammen, wussten schon bald alles vom Anderen, ohne das Studium zu vernachlässigen. Zeitgleich machten wir den Abschluss vor elf Jahren, planten unsere Zukunft. Verliebt wie am ersten Tag heirateten wir im Folgejahr. Weitere zwei Jahre später hatte ich den Facharzt geschafft und Claudia war in der Staatsanwaltschaft aufgestiegen. Die Karriereleiter schritten wir Sprosse um Sprosse nach oben. Als ich vor sechs Jahren die Oberarztstelle bekam, ein gut dotiertes festes Einkommen, wagte Claudia den Schritt in die Selbstständigkeit. Mit der Erfahrung aus der Staatsanwaltschaft war sie bald eine begehrte Strafverteidigerin, ihre Kanzlei brummte ab dem zweiten Monat. Fast zeitgleich, vor drei Jahren, mit dem Doktortitel erhielt ich die Chefarztstelle in der Chirurgie. Trotz der deutlich erhöhten Bezüge, mein sicheres Einkommen war nur noch ein Klacks gegenüber Claudias, aber das störte mich nicht.


Noch immer suchte ich schon fast verzweifelt nach dem Beginn der Entfremdung. Im Bekanntenkreis war das Sexleben auch mit der Zeit sehr eingeschränkt worden, andere Werte zählten mehr. Aber nach längerem Überlegen stellte ich fest, der letzte Sex war schon über ein Jahr her. Auch davor waren wir nicht allzu aktiv gewesen, wenn ich da an die Anfänge denke. Mit glasigem Blick schaute ich in den Spiegel, die Tränen, meine Tränen zeigten mir, dass ich sie immer noch abgöttisch liebe. 'Nur nicht die Augen verschließen', schoss es mir durch den Kopf. Mich selbst hart ins Gericht nehmend, brachte mir auch keine Antwort.


Sicher, mit der stetig gewachsenen Verantwortung, waren unsere freien Zeiten deutlich geschrumpft. Unsere freien Zeiten verbrachten wir auch heute noch zusammen, und doch war es ganz anders geworden. Unwohlsein und damit verbundene Rücksichtnahme, vielleicht findet sich ja hier ein Ansatz. Im Zeitraffer eines Schnelldurchlaufs, mein Gehirn sortierte schneller als meine Gedanken einhergingen, landete ich bei unserem Kenia Urlaub. Zu Anfang war es herrlich, das Wetter war angenehm und der Nationalpark ließ keine Wünsche offen. Dieser Zoo ohne Gitter, sich des erhöhten Risikos bewusst, war ein hinreißendes Erlebnis. Einzig der erkältete Reiseleiter störte, sein häufiges Niesen scheuchte einige Tiere davon. In der dritten Woche, leider konnte ich den Urlaub nicht länger dehnen, erkältete Claudia sich. Wieder in Deutschland zurück, Claudia suchte ihren Frauenarzt auf, wurden bei ihr die Röteln festgestellt.


Damals hatte ich mir nichts weiter dabei gedacht, oftmals hatten Eltern es versäumt ihre Kinder Impfen zu lassen, griff ich mir nun die Fachliteratur. Obwohl nur überfliegend, in mir keimte ein grausamer Gedanke. Im Nachhinein war es dieser bombastische Urlaub, an dessen Folgen sich unser Glück verhakt hatte. Mit dem schlimmen Gefühl im Bauch, das Wochenende war überstanden, rief ich den Frauenarzt meiner Frau an.


Eigentlich war es naiv von mir, hatte ich doch erhofft eine Auskunft zu bekommen. Die Krankenakte wegen eines Notfalls einzufordern konnte ich auch nicht, zu sehr würde der Ruf der Klinik bei Bekanntwerden darunter leiden. So prokastinierte ich mein Begehren, wartete auf eine passende Gelegenheit. Nur drei Tage später suchte eine von mir operierte Patientin, sie war neu in der Stadt, einen Frauenarzt. In meiner Freistunde fuhr ich sie zu Dr. Goller, inspizierte dabei die Räumlichkeiten. Was ich nicht bedachte, die installierten Kameras dienten auch zur nächtlichen Überwachung.


In unserem Keller übte ich das Knacken von Schlössern, mein chirurgisches Feingefühl half mir schnell Erfolg zu haben. In der Nacht zum nächsten Sonntag, ich hätte Claudia ja etwas von Notfall erzählen können, verschaffte ich mir in kürzester Zeit den Zugang zu ihrer Krankenakte. Die Bestätigung für meine Vermutung, sogar noch weiter reichend, hatte ich schwarz auf weiß vor mir. Knapp ein Jahr vor dem Urlaub hatte Claudia die Pille abgesetzt, wir waren uns einig, bereit für Nachwuchs. Aber erst in der ersten Woche unseres Kenia Urlaubs hatte es dann geklappt, wie ich der Akte entnehmen konnte. Die Röteln hatten dann, in diesem frühen Stadium, zu sichtbaren Fehlbildungen geführt. Einsam, Claudia wusste wie sehr ich mir den Nachwuchs wünschte, hatte sie dann die Abtreibung vornehmen lassen. Das emotionale Loch, sie war auch an einen Psychologen überwiesen worden, hatte ich als natürliche Hormonschwankungen einer Frau wahrgenommen.


Montag, am späten Nachmittag, wurde unser Oberbürgermeister als Notfallpatient eingeliefert. Schwerste Verletzungen durch einen Verkehrsunfall, beinahe ein Wunder dass ich ihn retten konnte. Die fünfstündige Marathonoperation, das Leben hing am seidenen Faden, hinterließ deutliche Spuren der Erschöpfung. Dienstag wurde ich am Krankenbett mit unserem OB von der Presse abgelichtet, was in der Mittwochausgabe zu sehen war. Mittwoch, der OP-Tag war gerade beendet, besuchten mich zwei Kriminalbeamte im Dienstzimmer. Anhand des Fotos in der Tageszeitung hatten sie mich erkannt.


Dem Klinikchef hatte ich nach dem Besuch der Beamten mein Fehlverhalten mitgeteilt. Zu meiner Überraschung wurde ich nicht suspendiert, er wollte den weiteren Verlauf, wenn es nicht in die Presse geriet, bis zum Urteil abwarten. Mit der so gewonnenen Zeit, irgendwann musste ich es Claudia beichten, wollte ich um sie kämpfen. Meinen neuen Oberarzt, ihn hatte sie bis

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Kommentare


Impuditia
dabei seit: Okt '17
Kommentare: 68
schrieb am 25.10.2018:
»Tja,was soll man dazu sagen?Ich hätte fast auf Rosamunde Pilcher getippt.«



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