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Kommentare: 3 | Lesungen: 1476 | Bewertung: 8.33 | Kategorie: Soft Stories | veröffentlicht: 05.03.2019

Ayla und Ella

von

Ayla und Ella

Eine etwas langsamere Geschichte zur Abwechslung.

Ich freue mich wie immer über Feedback.

1. Kapitel


Ich hatte schon gehofft, ich hätte meine Ruhe. Drei Wochen Malle in einer schicken Luxusfinca allein mit einer Menge Büchern und meiner Mutter, die mich aber nicht stören würde, weil sie sogar in den Ferien arbeitete.


Das Boarding war fast abgeschlossen, wir waren so ziemlich die letzten, die noch am Gate warteten.


Aber ich hatte mich zu früh gefreut. Mit schnellen Schritten kam sie auf uns zugelaufen. Im Business-Outfit mit Hosenanzug vollkommen falsch angezogen für einen Urlaub. Sie winkte aufgeregt und fiel meiner Mutter innig um die Arme.


„Hallo Hanna! Gerade noch geschafft. Sorry.“


Es störte mich, dass sie meine Mutter so vertraulich mit Hanna ansprach. Und ihre Umarmung war so herzlich, als wären die beiden seit vielen Jahren beste Freundinnen. Dabei kannte Ayla meine Mutter erst seit ein paar Monaten.


„Und du bist bestimmt Ella, nicht wahr?“


Sie kam auf mich zu und umarmte auch mich.


Als wir uns so nah waren, fielen mir in dem kurzen Wimpernschlag einige Dinge auf: Zuerst ihre großen, dunkelbraunen Augen. Ihr Makeup, das meines Erachtens viel zu dick aufgetragen war, ihr viel zu süßes Parfum und darunter einen Hauch von saurem Schweiß, was etwas an der Perfektion kratzte, auf die sie scheinbar so viel Wert legte. Ihre Augen hinterließen den stärksten Eindruck auf mich. Sie waren groß und braun. Überhaupt war sie verdammt attraktiv. Schlank, groß, schmal, und sie bewegte sich wie ein Model. Ganz selbstverständlich, als wüsste sie, wie schön sie war. Und das fand ich schon wieder unsympathisch. Sie wusste, wie sie sich zu bewegen hatte. Sie strahlte diese Selbstverständlichkeit aus, die Menschen haben, die wissen, dass sie schön sind. Man konnte es auch als Überheblichkeit bezeichnen.


Ich erwiderte ihre Umarmung nur lustlos. Ich war nicht ihre Freundin. Ich hatte sie gerade erst kennengelernt.


„Schön dich endlich kennenzulernen!“


„Finde ich auch.“


„Wie sind deine Klausuren gelaufen? Hanna sagt, dass eine ein wenig tricky war. Stimmt das?“


„Ganz gut. Danke. Ich denke, ich habe bestanden.“


„Das ist schön zu hören.“


Ich sollte etwas erwidern, aber mir fiel beim besten Willen nichts ein, und so entstand eine unangenehme Pause. Sie erwischte mich auf dem falschen Fuß. Ich konnte keine drei Informationen über sie berichten, und sie wusste offensichtlich eine Menge über mich. Ich mochte den Gedanken nicht, dass sie sich mit meiner Mutter, mit ‚Hanna‘, über mich unterhielt.


Sie wandte sich meiner Mutter zu.


„Ich hatte die Hoffnung schon aufgegeben, noch den Flieger zu kriegen.“


„Was ist passiert?“


„Ich hatte heute meine Revision. Teamperformance.“


„Gab es Probleme?“


„Es war ziemlich stressig. Die haben viele Unregelmäßigkeiten und Regelverstöße festgestellt. Nicht in meinem Team, da war alles bestens… natürlich. Aber in anderen. Und das bedeutet, dass alle Teams Supervision bekommen haben. Total ärgerlich. Mein Team war vorbildlich. Da gab es keine Probleme. Wir hatten die beste Performance in diesem Quartal in ganz Deutschland. Aber wenn ein Team underperformt, dann müssen alle anderen mit drunter leiden. So ist das Geschäft halt.“


Ich hatte keine Ahnung, was Ayla machte und was sie für eine Supervision hatte und was das für ein Team war, das sie leitete, welches die beste Performance von ganz Deutschland im letzten Quartal gehabt hatte. Ich hätte es gerne gewusst, aber es war mir zu blöd zu fragen. Ich wollte ihr nicht zeigen, dass ich keine Ahnung hatte, was sie tat, und ich wollte auch kein Interesse zeigen, obwohl es irgendwie interessant klang.


Ich war unserer ersten Begegnung so lange aus dem Weg gegangen, wie es nur ging. Ich brauchte keine neue Familie und keine Schwester. Schon gar keine türkische. Auch wenn das ausländerfeindlich klang. Dass meine Mutter nach langer Zeit wieder einen Freund hatte, der Ahmed hieß, war ihre Sache. Ich hatte ihn einmal kurz kennengelernt, er schien in Ordnung zu sein. Aber das war alles ihre Angelegenheit. Ich brauchte wirklich keine Stiefschwester.


Das alles klang wie diese Fernsehserie. Türkisch für Anfänger. Und unsere Namen Ayla und Ella machten uns zu Figuren aus einem Abenteuerbuch für kleine Mädchen. Hanni und Nanni auf multikulti. Dabei war ich wirklich nicht ausländerfeindlich oder so. Aber als ich das erste Mal von Ayla hörte, dachte ich sofort an Kopftuch, Gebetsteppiche und unterdrückte Frauen. Vielleicht auch noch an Beschneidungen und Hinrichtungen. Ich konnte mir viel vorstellen. Das alles war ziemlich plump und dumm, das war mir klar.


Manchmal steigere ich mich in solche Sachen rein, und dann werde ich stur, und das endet meist nicht gut.


Als wir durch das Gate gingen und ich dem Smalltalk zwischen meiner Mutter und Ayla zuhörte, wurde mir das bewusst. Ich war auf dem Weg in einen dreiwöchigen Urlaub mit Ayla. Das würde nicht gut enden, wenn ich mich nicht zusammenreißen würde. Ich versuchte mich abzuregen. Nach nur wenigen Augenblicken war klar, dass Ayla kein türkisches Kopftuchmädchen war. Sie war attraktiv und offen und erfolgreich. Sie interessierte sich für Menschen.


Sie war mir nicht unbedingt sympathisch, aber vielleicht konnten wir uns aneinander gewöhnen. Wir würden ziemlich viel Zeit miteinander verbringen.


Meine Mutter hatte schon angekündigt, dass sie ihre Ferien in erster Linie mit Arbeit verbringen wollte. Wenn Ahmed zu uns stoßen würde, würden die beiden sicherlich immer aufeinanderhängen.


Als wir die Gangway hochstiegen, wurde mir so richtig bewusst, dass wir auf dem Weg in den Urlaub waren. Ich wollte keine Spielverderberin sein.


Im Flieger saßen Ayla und ich nebeneinander. Meine Mutter vor uns. Kaum saß sie, hatte sie den Laptop schon wieder aufgeklappt und arbeitete irgendwelche Dokumente durch.


Ich hatte mich längst angeschnallt, aber Ayla rutschte auf ihrem Sitz herum, suchte ihren Gurt und schien ziemlich nervös zu sein.


Sie sah aus dem Fenster und meinte:


„Hast du was dagegen, wenn wir die Plätze tauschen?“


„Kein Problem. Willst du nicht am Fenster sitzen?“


Anstatt zu antworten, stand sie bereits ungeduldig auf. Ich musste erst meine Gurtschnalle suchen. In der Enge der Sitzreihe war es nicht einfach. Wir zwängten uns aneinander vorbei, ihre Knie auf dem Sitz. Sie schien jetzt nicht mehr so souverän und elegant, sondern hastig, sogar ein wenig überdreht.


Diese kleine Schwäche machte sie mir etwas sympathischer.


Ihre langen schwarzen Haare strichen mir durchs Gesicht. In der künstlichen Luft der Kabine rochen sie warm. Nicht nach Shampoo, sondern nach ihr. Ich roch auch wieder den Geruch ihres Körpers. Ein wenig bitter verdrängte er ihr Parfum, das sie noch nicht lange trug. Vielleicht hatte sie es im Taxi auf dem Weg zum Flughafen neu aufgelegt, vielleicht bei einem schnellen Zwischenstopp auf der Flughafentoilette, um eben den langen Arbeitstag etwas zu kaschieren.


Schließlich drückten wir uns aneinander vorbei. Ich setzte mich an meinen neuen Fensterplatz, und sie ließ sich in ihren Sitz fallen mit einem erleichterten, lauten Seufzer.


Es machte sie ein wenig menschlicher.


„Zufrieden?“


„Ich glaube schon.“


Ihre Stimme klang immer noch nervös. Ich jedenfalls war zufrieden mit meinem Platz am Fenster.


In der Ferne startete ein Flugzeug. Neben uns entluden Arbeiter die Koffer eines Flugzeugs.


Ayla versuchte sich immer noch einzurichten, rutschte auf ihrem Sitz hin und her und schnallte sich an.


„Ich hasse das.“


„Was?“


„Fliegen.“


„Oh. Flugangst?“


„Wie ein Schwein vor dem Metzger!“


Sie lachte etwas zu laut über ihren eigenen Spruch.


Ich fragte mich, ob Muslime sich über Schweine beim Metzger lustig machen durften, wo sie die doch nicht essen durften. Natürlich war dieser Gedanke schwachsinnig, und ich schämte mich ein wenig für meine Vorurteile. Die Ausländerfeindlichkeit würde ich etwas runterfahren müssen.


Die Stewardess checkte, ob alle angeschnallt waren. Sie musste Ayla ermahnen, das Tablett vor sich einzuklappen und die Sitzlehne hochzustellen.


Nach einigem nervösen Gefummel hatte Ayla alle Befehle befolgt.


„Die soll sich nicht so anstellen!“, zischte sie.


„Die macht doch auch nur ihren Job.“


„Ich weiß. Aber trotzdem!“


Ayla tat mir in diesem Moment leid, aber ich genoss es auch ein bisschen, dass ich ihr zumindest in dieser Situation überlegen war. Ich hatte kein Problem mit dem Fliegen.


Diese kleinen Kratzer in ihrer Perfektion taten mir gut. Aber ich wollte auch nicht blöd sein, und so drehte ich mich zu ihr, reichte ihr die Hand und meinte:


„Ich glaube, wir sollten neu anfangen: Hallo, ich bin Ella.“


Aylas Augenbrauen zogen sich fragend zusammen. Ihre braunen Augen schauten mich an.


„Weiß ich doch.“


Trotzdem ergriff sie meine Hand und schüttelte sie. Ihr Händedruck war etwas schlaff und ihre Hand feucht. Das Flugzeug war an der Startbahn angekommen und wartete auf den Start.


„Weiß ich. Aber wir sind irgendwie auf dem falschen Fuß gestartet.“


„Findest du?“


„Absolut. Also, ich bin Ella und studiere Soziologie im dritten Semester. Davor habe ich zwei Semester auf Lehramt studiert, aber das war nichts für mich, und daher habe ich gewechselt.“


„Was hat dir nicht gepasst am Lehramt?“


„Die Kinder.“ Ich lachte, weil ich meine Antwort witzig fand, aber Ayla nickte nur, ihr war nicht nach Scherzen.


„Ich glaube nicht, dass ich das wirklich dreißig Jahre ausgehalten hätte. Das Geschrei und alles.“


Sie sah an mir vorbei aus dem Fenster.


„Und jetzt studiere ich Soziologie. Ist auch was mit Menschen. Aber nicht mit so nervigen.“


„Ich habe auch oft mit Idioten zu tun. Da muss man sofort dazwischen gehen. Da muss man konsequent sein.“


„Was machst du denn genau?“


Meine etwas zögerliche Frage, um herauszukriegen, worüber sie sich mit meiner Mutter unterhalten hatte.


„Teamleiterin bin ich. Teamleiterin in einem Callcenter. Ich habe zwanzig Leute unter mir. Ist so ähnlich wie eine Lehrerin. Da darf man keine Schwächen zeigen. Sonst tanzen die einem auf der Nase herum. Man muss echt aufpassen und Disziplin einfordern. Vor allem als Frau. Sonst wird man nicht ernst genommen. Und wenn man dann auch noch so aussieht wie ich, dann ist es besonders gefährlich.“


‚Wenn man so aussieht wie ich.‘ Was war das für ein Satz? Ich war mir ziemlich sicher, dass sie ihr Aussehen meinte. Wie konnte man nur so von sich überzeugt sein?


Die Turbinen heulten auf, und das Flugzeug startete. Wir wurden in die Sitze gepresst, und Ayla verkrampfte und packte meinen Oberschenkel.


Sie tat mir wirklich leid, und ich legte meine Hand auf ihre, um sie zu beruhigen.


Als das Flugzeug abhob, griff sie noch fester zu, und ich streichelte ihre Hand, wie um sie zu trösten.


„Alles gut. Das ist ganz normal.“


Sie erwiderte nichts.


Wir saßen eine ganze Weile stumm da. Ich streichelte ihre Hand, die immer noch auf meinem Oberschenkel lag.


Ich hätte gerne in der Zeitschrift gelesen, die meine Mutter sich gekauft hatte, aber mir gefiel meine fürsorgliche Art, und so strichen meine Finger weiter mechanisch über ihre weiche Hand.


Erst nach einer Weile meinte sie:


„Du kannst jetzt aufhören.“


„Was?“


„Meine Hand zu streicheln. Danke, war nett von dir, aber ich komme jetzt zurecht.“


„Oh, klar.“


Ich nahm meine Hand von ihrer und sie ließ meinen Oberschenkel los.


„Geht’s wieder?“


Sie nickte.


„Das ist nicht mein Ding.“


„Was?“


„Fliegen.“


„Ist ja nicht schlimm.“


„Ich habe Medizin mitgebracht.“


„Gegen die Flugangst?“


Sie kramte in ihrer Tasche und zog drei Piccolos heraus.


„Meine Medizin gegen Flugangst!“


„Ich glaube, man darf hier keinen Alkohol trinken, den man nicht im Flugzeug gekauft hat. Habe ich irgendwo gelesen.“


Sie ignorierte meinen Einwand, drückte mir eine Flasche in die Hand und reichte eine nach vorne zu meiner Mutter, die aber ablehnte mit dem Hinweis, dass sie arbeiten müsse.


„Umso besser. Mehr für uns!“


Wir öffneten unsere Flaschen, und ich hielt Aussicht nach der Stewardess, die mit ihrem Wagen einige Reihen vor uns Getränke verkaufte.


Ayla hatte hingegen überhaupt keine Sorgen. Sie knallte ihre Flasche gegen meine, dass es durch das ganze Flugzeug klang und rief:


„Auf drei geile Wochen! Prost.“


Während sie einen tiefen Schluck aus ihrer Flasche nahm, nippte ich nur an meiner. Alkohol im Flugzeug setzte mir immer schnell zu. Aber ich wollte auch keine Spielverderberin sein.


„Ich habe heute den ganzen Tag noch nichts gegessen. Immerhin, dann wirkt der Alkohol besser!“


„Genau!“


Ich lachte, schaute aber auch nach der Stewardess, die immer näherkam.


„Ich kann Urlaub echt gebrauchen. In letzter Zeit war es richtig stressig. So richtig heftig. Du kannst dir nicht vorstellen, was ich gerackert habe, um Teamleiterin zu werden.“


Ich nickte, obwohl ich wirklich keine Ahnung hatte.


„Und ich muss immer doppelt so gut sein. Doppelt so gut wie alle anderen.“


„Wieso das?“


„Wieso das? Sieh mich doch an!“


Schon wieder ein Hinweis auf ihr makelloses Aussehen, dachte ich.


„Wie sehe ich aus?“


Ich wusste nicht, was ich sagen sollte und wollte ihr Ego auch nicht zu sehr streicheln: „Gut? … sehr gut sogar?“


Ayla lächelte.


„Das ist süß, dass du das sagst. Ich finde übrigens, du siehst auch süß aus. Aber ich meinte türkisch! Wenn du Özdemir heißt, dann musst du dreimal so gut sein wie jemand, der Müller oder Meier oder so heißt. Ist einfach so. Dazu gibt es Untersuchungen.“


„Oh. Ja, das ist echt scheiße. Finde ich auch. Dass es immer noch Leute gibt, die was gegen Ausländer haben…“


Jetzt war es mir peinlich, dass ich ihr übersteigerte Eitelkeit unterstellt hatte, wo sie doch nur ihre Herkunft meinte. Diese Studien, die sie meinte, kannte ich auch, und ich wollte ihr zeigen, dass ich durchaus Verständnis hatte.


„Du kannst jedenfalls froh, dass du einen deutschen Namen hast, blond bist und deutsch aussiehst! Das hilft unglaublich. Kannst du dir nicht vorstellen.“


Sie sagte das so locker, und jetzt war es an mir, mich zu fragen, inwiefern ihr Spruch gerade irgendwie rassistisch zu verstehen war. Und warum überhaupt sah ich „deutsch“ aus. Ich war blond, okay, aber wie sah eine typisch deutsche Frau aus? Ich musste unweigerlich an Kartoffeln und blumige Küchenschürzen und fünfzig Kilo Übergewicht denken.


Ayla schien mit ihrem Satz kein Problem zu haben, und sie wechselte dann auch das Thema und erzählte über ihre Arbeit, ihre Aufgaben und Herausforderungen. Ich hörte zu, kommentierte ein wenig hier und da, aber ich konnte nicht so richtig etwas zum Gespräch beitragen. Die Tatsache, dass ich noch keine wirkliche Berufserfahrung vorweisen konnte, wurde ziemlich deutlich. Und das, obwohl ich, wie sich herausstellte, zwei Jahre älter war als sie.


Ich brachte eine kleine Anekdote unter, wie ich mal von einem Vorarbeiter blöd angemacht worden war in einem Ferienjob in einer Fabrik. Aber ich hatte mich da auch sehr blöd angestellt, wie ich zugeben musste, und seine Bemerkungen über meine Dummheit und Unfähigkeit hatte sich genauso gut auf meinen Charakter beziehen können wie auf mein Geschlecht. So richtig viel konnte ich aus eigener Erfahrung also nicht beitragen zu dem Thema Sexismus am Arbeitsplatz. Aber natürlich hatte ich viel darüber gelesen.


Die Stewardess kam nun immer näher mit ihrem Wagen, und ich versteckte meine Flasche in dem Netz für die Zeitungen.


Ayla machte keine Anstalten, und als die Stewardess zu uns kam, sagte sie kein Wort zu Aylas Piccolo. Weil sie es entweder nicht sah, was ich mir aber nicht vorstellen konnte, oder weil es ihr im Endeffekt auch egal war.


Ich fand mich in dem Moment jedenfalls übermäßig spießig und ärgerte mich über meine Ängstlichkeit.


Wir unterhielten uns, nippten an unseren Flaschen, und ich fand es mittlerweile ziemlich angenehm. Man spürte auch, wie der Alkohol Ayla zusetzte. Sie wurde ausgelassener, auch etwas lauter, verschluckte nun hier und da eine Silbe. Schließlich war ihre Flasche leer.


„Eine haben wir noch. Teilen wir uns die?“


Ich nickte und beeilte mich, meine Flasche auch zu leeren.


Ayla nahm einen tiefen Schluck, und ich ertappte mich dabei, fasziniert zuzusehen, wie ihre Lippen sich über die Flasche stülpten.


Sie bemerkte es, sagte lächelte nur, und ich sah weg, fand mich schon wieder peinlich.


Als sie mir die Flasche gab, und ich einen Schluck nahm, schaute sie mir aufmerksam zu und grinste dabei.


„Was?“, fragte ich.


„Nichts. Was soll sein?“


„Was guckst du mich so an?“


„Du guckst mich an. Ich schaue nur zurück.“


„Was soll das denn heißen?“


„Nur so am Rande, ganz ohne Vorwurf. Du bist echt sexy, aber zwischen uns wird nichts laufen. Ich stehe nicht auf Chicks.“ Sie formte eine offene Faust. „Dicks all the way! Verstehst du?“


Ich war sprachlos. „


„Glaubst du, dass ich was von dir will?“


„Wie gesagt, ich habe kein Problem damit. Aber ich stehe nicht auf Frauen.“


„Ich auch nicht!“


„Dann ist ja gut.“


„Komme ich so rüber?“


„Total! Wie du mich anstarrst, deine Hand auf meiner.“


„Du hast deine Hand auf mein Knie gelegt!“


„Schon klar!“


„Jetzt mal ganz im Ernst! Ich will dich nicht anbaggern!“


„Und wenn schon. Wäre ja auch nicht Schlimmes dran!“


Ayla führte das Spielchen noch eine ganze Weile weiter, verdrehte mir die Worte im Mund und unterstellte mir, dass ich auf sie stünde, und ich dementierte immer und immer wieder, bis sie schließlich meinte:


„Dir ist schon klar, dass ich dich nur verarsche, oder nicht?“


„Ist mir vollkommen klar. Natürlich.“ Ich kam mir doof vor.


„Dann ist ja gut. Nicht, dass du dir falsche Hoffnungen machst oder so. Von wegen, dass du doch bei mir landen kannst. Obwohl, wenn ich ehrlich bin, bist du schon süß. So deutsch-süß.“


‚Deutsch-süß‘? Ich ignorierte das.


„Schon klar. Dicks all the way!“ Ich machte ihre Handbewegung nach, was ich aber im gleichen Moment schon recht peinlich fand, und wusste nicht, was ich von der ganzen Sache halten sollte.


Ich wurde nicht schlau aus ihr.


2. Kapitel


Mama meinte, dass uns der Hausverwalter am Flughafen abholen und zur Finca fahren würde. Nachdem wir unser Gepäck abgeholt und den Security-Bereich verlassen hatten, hielten wir Aussicht nach unserem Chauffeur, und in der Tat stand da jemand mit einem Schild, auf dem Mamas Name stand. Allerdings konnte ich mir nicht vorstellen, dass das der Hausverwalter sein sollte. Es war ein großer, schlanker Junge, braungebrannt und mit schwarzen Haaren, schüchtern lächelnd und mit kleinen Grübchen, die an ihm ganz hübsch aussahen.


Hanna sprach ihn an, aber es wurde ziemlich schnell klar, dass er weder Deutsch noch Englisch sprach. Und da keiner von uns Spanisch konnte, verständigten wir uns mit Händen und Füßen. Er bedeutete, uns mitzukommen. Von all dem, was er sagte, verstand ich nur „Ola“, „Bienvenida“ und seinen Namen Marco. Wir stellten uns ihm vor, und er wiederholte unsere Namen voller Enthusiasmus, was ich sympathisch fand.


Während er uns nach draußen zum Wagen führte, regte sich Ayla allerdings auf:


„Wie kann der kein Englisch und kein Deutsch? Der lebt in Europa. Der lebt von Touristen. Ist mir vollkommen unverständlich, wie man so dumm sein kann, nicht ein paar Sprachen zu lernen, wenn man damit seinen Lebensunterhalt verdient!“


„Vielleicht will er gar nicht im Tourismus arbeiten.“


„Egal, was er arbeiten will, er braucht Sprachen. Weißt du, wie hoch die Jugendarbeitslosigkeit in Spanien ist?“


Ich wusste es nicht. Hoch, hatte ich gehört. Aber Ayla musste zugeben, dass sie es auch nicht genau wusste.


„Wie hoch genau ist ja auch egal. Der wird doof gucken, wenn er sich in einem anderen Land einen Job suchen will und keine Sprache kann!“


„Im Moment scheint er ja einen zu haben. Als Hausverwalter sogar.“


„Der ist niemals Hausverwalter. Der ist höchstens Fahrer! Aber ich bin mir sicher, dass er ganz toll Fußball spielen kann oder YouTube-Star werden will. Träumt bestimmt von einer Karriere, aus der aber nichts wird!“


„Ich find ihn jedenfalls süß.“, entfuhr mir ganz unverhofft.


Sie sah mich an, und es tat mir augenblicklich leid, dass ich mir solch eine Blöße gegeben hatte, irgendeine Sympathie oder Regung ihr gegenüber auszudrücken. Ich hatte das Gefühl, bei ihr auf der Hut sein zu müssen. Aber der Alkohol hatte auch meine Zunge gelöst, und jetzt sagte ich Dinge, die ich eigentlich für mich hätte behalten wollen.


„Den findest du süß?“ Aylas Frage klang eher neugierig als abschätzig.


„Groß, muskulös, braungebrannt. Und ein süßes Lächeln hat er.“


„Der sieht aus wie fünfzehn.“


„Mindestens achtzehn wird er sein.“


„Wie kommst du darauf?“


„Sonst hätte er keinen Führerschein.“


„Okay“, meinte sie, und ich verbuchte ein kleines Erfolgserlebnis, dass ich sein Alter kombiniert hatte. „Du kannst ihn haben!“


„Du bist aber großzügig. Vielen Dank!“


„Mein Fall ist er nicht. Ich will mit Typen auch reden können.“


„Dicks all the way, aber sie sollten schon intellektuell sein. Meinst du das?“


Sie sah mich trocken an, und ich grinste, als hätte ich einen weiteren Sieg errungen.“


„Ein Mindestmaß an Kommunikation fände ich schon nicht schlecht.“


„Der hat vermutlich sowieso eine Freundin.“


„Glaube ich nicht. Der sieht mir wie der typische Summerboy aus. Der angelt sich alle blonden, hungrigen Touristinnen, die ihm zwischen die Beine laufen.“


„Dann bist du ja vor ihm sicher.“


„Wieso?“


Ich zeigte auf ihre Haare: „Hungrig weiß ich nicht, aber definitiv nicht blond. Nach deiner Theorie wird der nicht auf dich stehen.“


Wieder einen Treffer. Ich hatte einen Lauf.


Ich schob meinen Wagen mit meinem Koffer über den holprigen Asphalt, ihren hatte Ayla Marco hingeschoben, der ihn auch brav weiterschob. Er hatte sogar Anstalten gemacht, auch den Wagen von mir und meiner Mutter zu schieben. Aber wir hatten abgewunken. Abgesehen davon, dass ich mir nicht vorstellen konnte, wie ein einziger Junge drei Gepäckwagen schieben sollte, konnte ich mein Gepäck auch selbst schieben.


„Was stellst du dich an? Der wird genau dafür bezahlt, dass er uns fährt.“


So fies, wie ich Ayla beschreibe, war sie eigentlich nicht. Genau konnte ich auch nicht sagen, was sie ernst meinte und was nur gespielt war. Ich hatte das Gefühl, dass sie sich oder mir oder Welt irgendwas beweisen musste und sich härter gab, als sie eigentlich war. Es fiel ihr auch selbst auf, und sie riss sich ein wenig zusammen.


Als wir nebeneinander in dem fetten, schwarzen SUV saßen und vom Flughafen auf die Autobahn in Richtung Norden fuhren, erfasste mich so richtig die Urlaubsstimmung. Palmen, diese spanischen Häuser, spanische Ortsnamen, die Wärme des späten Nachmittags, die graubraunen Farben. Aus dem Radio spanische Stimmen, die ich nicht verstand, und diese leichte Popmusik, die mir in Deutschland zu seicht klang, aber genau hierhin passte. Das gleiche Gefühl schien auch Ayla zu haben, denn sie sagte:


„Du musst mich für eine ziemliche Bitch halten.“


„Wieso?“


„Weil ich hier so ablästere über den Typen.“


„Marco heißt er, glaube ich.“


„Marco. Genau. Ich bin eigentlich nicht so. Es ist nur, dass ich super viel Stress habe. Das ist echt eine brutale Welt da draußen.“


Ich wusste erst nicht, welche Welt sie meinte. Die Autobahn von Malle sicherlich nicht.


„Jeden Tag habe ich es mit Leuten zu tun, die das einfach nicht verstehen. Die nichts aus sich machen, aber alles Mögliche verlangen. Die glauben, dass jeder nur darauf wartet, sie einzustellen. Auch wenn sie nichts können. Und wenn man sie am Hals hat, hat man nur Probleme mit ihnen.“


Ich konnte mir nur vage vorstellen, was sie meinte. Aber sie sprach auch eher zu sich als zu mir, und ich hielt mich zurück mit meiner Meinung oder mit Ratschlägen, denn ich hatte natürlich überhaupt keinen Plan, wie das so war mit der richtigen Welt. Ich wusste nicht, wie es im Callcenter zuging und mit welchen Typen man sich da auseinandersetzen musste. Ich wusste nur, dass ich keinen Bock hatte, von diesen Leuten belästigt zu werden und meist schnell auflegte. Wer hatte schon Lust auf so einen Job? Leute zu bequatschen und ihnen Sachen aufzuschwatzen, die sie nicht brauchten oder wollten. Wer machte schon gerne solche Jobs?


„Ich brauche echt Urlaub und muss abschalten. War echt stressig in der letzten Zeit. Was ich brauche ist ein Pool und einen Cocktail oder zwei und Sonne und andere Gedanken. Und dann bin ich auch keine Bitch mehr!“


„Okay.“


„Ich verspreche es dir.“


Sie hielt mir ihre Hand hin. Ich schüttelte sie, obwohl ich das alles etwas übertrieben fand.


Wir fuhren ungefähr eine Stunde, bis wir endlich ankamen.


„Wow!“ war das Wort, das uns allen entfuhr, als wir die Auffahrt hinauffuhren.


Die Finca war riesig und super edel, hatte zwei Etagen, alles war edel eingerichtet. Es gab einen fetten Pool, einen riesigen Garten mit allerlei Palmen. Es war wirklich ein Luxus-Teil.


Als wir in der Einfahrt hielten, erwartete uns eine Spanierin mit einem Tablett voller Orangensaft. Frisch gepresst von den eigenen Bäumen, wie sie uns erklärte. Sie sprach ziemlich gut Deutsch, machte nur wenige Fehler und hatte einen weichen spanischen Akzent.


Ayla war erleichtert: „Gottseidank versteht die uns!“, flüsterte sie mir nicht ganz so leise zu. „Ich hatte schon Angst, dass wir uns hier nur mit Zeichensprache verständlich machen müssen.“


Die Frau sah Ayla kurz an, aber ich konnte ihren Gesichtsausdruck nicht deuten. Sie stellte sich uns als Maria und als Haushälterin vor. Ich schätzte sie auf Anfang-Mitte dreißig. Sie hatte schulterlange Haare, ein attraktives, aber eckiges Gesicht. Ich fand sie hübsch, auch wenn ihr Gesicht und einige kleinere Fältchen Härte ausstrahlten, was durch ihre großen, warmen Augen ausgeglichen wurde. ihr auffallendstes Merkmal war allerdings die Strähne weißer Haare, die ihr in die Stirn fielen.


Ich wunderte mich ein wenig, dass eine Haushälterin so gut Deutsch sprach. Ihre ganze Ausstrahlung war voller gelassener Souveränität, wie man es vielleicht von einem englischen Butler erwarten würde, nicht von einer Köchin und einem Hausmädchen. Aber ich nahm an, wenn man sich so eine Millionenfinca leisten konnte, dann hatte man auch das Geld, tolles Personal zu bezahlen.


„Willkommen auf der Finca Real“, sagte sie lächelnd und reichte uns jeweils ein Glas Orangensaft.


Nachdem wir angestoßen hatten, fragte sie, ob wir eine gute Reise gehabt hätten. Sie entschuldigte sich für die Unannehmlichkeiten, dass wir nicht wie versprochen vom Hausverwalter am Flughafen abgeholt worden waren, aber der hätte ein gesundheitliches Problem und daher wäre Marco dankenswerterweise eingesprungen.


Marco war schon dabei, die Koffer aus dem Wagen zu laden, hielt aber inne und nahm das „Muchas Gracias“ meiner Mutter dankend entgegen.


„Marco wird Ihnen in den nächsten Wochen behilflich sein.“, erklärte Maria.


„Das ist aber nett von ihm!“, meinte meine Mutter in seine Richtung. Aber natürlich verstand Marco kein Wort. Er lächelte aber nett zurück.


Als meine Mutter ihren Fehler bemerkte, wiederholte sie erst noch einmal ihr „Muchas Gracias“ und wandte sich dann an Maria:


„Bitte sagen Sie ihm, dass wir ihm sehr dankbar für seine Hilfe sind.“


Sie übersetzte es, und Marco lächelte wieder.


Maria führte uns durch das Haus und zeigte uns unsere Zimmer. Ayla und ich bekamen jeweils eigene kleine Zimmer, die nebeneinander lagen. Meine Mutter bekam die Suite mit großem Balkon und eigenem Bad und allem Schnickschnack.


Als Marco uns unsere Koffer gebracht hatte, verschwanden wir in unseren Zimmern, um uns frisch zu machen, wie Ayla es ausdrückte, bis zum Abendessen. Mein Frischmachen bestand daraus, dass ich auf mein Bett fiel, die Schuhe von den Füßen kickte und ein Nickerchen machen wollte. Nebenan hörte ich, wie das Wasser der Dusche lief.


Mir fiel Aylas Schweißgeruch ein und ihr für den Urlaub unpassendes Businesskostüm, und für einen Augenblick ging mir das Bild durch den Kopf, wie sie unter der Dusche stand, und der Schweiß ihren Körper hinab gespült wurde. Es war nur ein kurzer Gedanke.


Irgendwann klopfte es an meiner Tür. Ich war wirklich eingeschlafen. Meine Mutter fragte durch die Tür: „Kommst du zum Abendessen, Schatz?“


Ich stand noch etwas groggy auf, ging in mein Bad, schaute mich im Spiegel an und spritzte mir ein wenig kaltes Wasser ins Gesicht.


Dann zog ich meine Schuhe an und ging nach unten.


Mittlerweile war es dunkel geworden. Auf einer großen Terrasse am Pool stand ein Holztisch mit drei Gedecken. In einer Feuerschale loderte ein kleines Feuer.


Ich muss gestehen, ich fand mich ein wenig underdressed. Meine Mutter hatte sich ein Sommerkleid angezogen. Ayla trug eine leichte Pluderhose aus Leinen und darüber eine kurze Bluse, die einen Teil ihres Rückens zeigte. Die beiden standen am Pool. Als ich zu ihnen kam, drehten sie sich um, und mein Gefühl, falsch angezogen zu sein, verstärkte sich nur noch. Aylas langen schwarzen Haare glänzten, ihre dunklen Augen wurden durch den Kajal, den sie aufgelegt hatte, noch unterstrichen, und ihre Lippen leuchteten gefährlich rot. Ihre knappe Bluse entblößte nicht nur ihren Rücken, sondern auch ihren Bauch. Es war unschwer zu erkennen, dass sie sich fit hielt. Ihr Bauch war flach und hart.


„Habe ich was verpasst?“, fragte ich.


„Wieso?“


„Ihr habt euch so rausgemacht, und ich bin hier in Jeans und T-Shirt. Kommt noch wer?“


„Wer soll noch kommen?“, fragte Ayla.


„Keine Ahnung. Der König vielleicht.“


„Was für ein König?“


„Der König von Spanien. Immerhin sind wir in seiner Finca.“


„Wieso?“ Ayla stand auf dem Schlauch.


„Sie meint, weil das hier die Finca Real ist. Ich glaube, das heißt königliche Finca.“, erklärte meine Mutter.


„Dann ist die ja für uns gerade richtig. Ich fühl mich auch so richtig königlich. Wie eine Prinzessin!“


Ich bremste mich gerade noch, sonst wäre mir rausgerutscht:


‚Du siehst ja schon wie eine aus.‘


Meine Mutter meinte, dass alles in Ordnung sei, niemand würde uns sehen und es sei total egal, wie wir aussähen. Wir wären schließlich im Urlaub.


Aber es störte mich, dass Ayla sich so rausgeputzt hatte und ich neben ihr wie ein deutsches Bauernmädchen aussah. Jetzt fing ich mit dem ‚Deutsch‘ auch schon an!


Ich saß ihr gegenüber, meine Mutter am Kopf des Tisches.


Ayla sah verdammt gut aus, hatte vielleicht einen Hauch zu viel Make-up, aber sonst konnte man neidisch werden.


Es war ungerecht, dass manche Menschen einen geilen Körper, ein wunderschönes Gesicht und dazu noch ein überdimensionales Selbstbewusstsein abbekommen hatten. Und ich? Ich konnte in keiner Kategorie mit ihr mithalten. Wenn ich mir nur ihre Augenbrauen ansah, die so elegant geschwungen waren. Oder ihren Bauch, der so perfekt gerundet war oder ihre schmale Taille, die so deutlich betonte, dass sie durchtrainiert war. Und ich?


Jetzt war es an mir, sauer zu werden. Mit meinem unverdienten Mittelmaß.


Aber bevor ich mich in diese, zugegebener Maße, alberne Sache hineinsteigern konnte, passierte etwas Interessantes.


Maria kam mit einem Tablett, wünschte uns einen schönen Abend und stellte uns allen Teller mit verschiedenen Tapas hin. Sie sahen köstlich aus. Maria fragte uns, was wir trinken wollten, und wir entschieden uns für einen Rotwein. Sie wünschte uns einen guten Appetit und war schon fast wieder in der Küche, als Ayla sie zurückrief.


„Ist hier Schweinefleisch drin?“ fragte sie und schubste eine Dattel, die mit Fleisch umwickelt war auf ihrem Teller hin und her.


Maria lächelte und meinte: „Da wir wissen, dass Sie muslimischen Glaubens sind, habe ich die Datteln in eine würzige Paprikasauce eingelegt und dann mit Rinder-Carpaccio eingewickelt. Während Ihres Aufenthaltes bei uns, wird es kein Schweinefleisch geben. Wir werden viel mit Huhn und Meeresfrüchten arbeiten. Ich hoffe, das beantwortet Ihre Frage, und es wird Ihnen schmecken. Wir versuchen aber gerne, all Ihren Wünschen gerecht zu werden.“


Damit war das Thema eigentlich gegessen. Dachte ich zumindest. Aber Ayla stocherte weiter an ihrer Dattel herum.


„Das ist doch alles Quatsch. Woher wollen Sie wissen, dass ich eine Muslima bin?“


„Ich habe mit Maria telefoniert. Vor zwei Wochen ungefähr. Ich wollte sichergehen, dass wir dir gerecht werden. Ich war mir nicht sicher, wie ernst du das nimmst, wollte aber auf Nummer sicher gehen.“


Ayla schaute immer noch skeptisch. Sie spießte die Dattel auf, roch daran und rief: „Ich rieche das Schweinefleisch doch! Mich könnt ihr nicht verarschen!“


Sie warf ihre Gabel mit der Dattel in hohem Bogen in die Dunkelheit. Es war so still am Tisch, dass wir alle hörten, wie sie in einem Gebüsch landete.


Maria sah sie stumm an. Sie verzog keine Miene, und es war mir unmöglich zu sagen, was sie gerade denken mochte.


Meine Mutter versuchte zu vermitteln: „Vielleicht können Sie die Datteln einfach wieder mitnehmen. Ich bin mir sicher, dass Ayla es nicht so meint.“


„Ich meine es so, wie ich es gesagt habe!“


Ayla war offensichtlich nicht zu einem Kompromiss bereit. Maria wandte ihren Blick von Ayla ab, lächelte meine Mutter freundlich an und sagte:


„So machen wir das. Ich habe noch ein paar eingelegte Champignons.“


Damit nahm sie Aylas Teller. Diese saß aufrecht und stolz da mit verschränkten Armen und sah stumm zu.


Mir war das alles super peinlich, und ich wollte zum Frieden beitragen:


„Wir werden in der Zwischenzeit die Gabel suchen.“


„Machen Sie sich keine Sorgen. Die wird sich morgen schon wiederfinden. In der Dunkelheit wird das schwierig.“


Maria verschwand, und für einen sehr langen Augenblick legte sich eine unangenehme Stille über den Tisch. Schließlich sagte meine Mutter:


„Ich wusste gar nicht, dass du deinen Glauben so ernst nimmst. Waren wir nicht schonmal zusammen beim Griechen, und da haben wir uns einen Grillteller geteilt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass da auch Schweinefleisch bei war.“


„Auf keinen Fall. Ich habe darauf geachtet. Kein Schweinefleisch!“


„Bist du sicher?“


„Absolut. Ich kann es einfach nicht ausstehen, wenn Personal sich so benimmt. Was denkt die sich. Wenn ich kein Schweinefleisch will, dann ist das so. Dann muss ich mich nicht für meine Religion rechtfertigen.“


„So war das bestimmt nicht gemeint.“


Ich hielt mich raus, stocherte jetzt auch an der Dattel herum. Datteln waren nicht so mein Ding, aber ich war auch neugierig, wie dieser verbotene Snack schmecken mochte. Ich fand es eigentlich überraschend gut. Die eingelegte Dattel hatte eine leichte Schärfe, das Fleisch schien mit Zitronen eine fruchtige Säure erhalten zu haben. Aber ich hielt meine Meinung für mich und schämte mich fremd für diese Szene.


Mama versuchte Ayla immer noch zu beruhigen, und diese regte sich langsam wieder ab.


„Wasser?“ Ich goss meiner Mutter und Ayla aus einer Karaffe ein.


Ich versuchte das Thema zu wechseln und fragte, was wir am nächsten Tag machen wollten. Doch Mama meinte sofort, dass sie noch einige Dokumente durcharbeiten müsste und entschuldigte sich, und Ayla war nicht in der Stimmung, sich mit dem folgenden Tag auseinanderzusetzen.


Und dann war Maria auch schon wieder da mit ihrem Tablett. Sie brachte Ayla einen kleinen Teller mit gebratenen Champignons, die so lecker aussahen, dass ich ein wenig neidisch wurde.


Ayla sagte höflich, aber sehr knapp, danke und begann sofort zu essen.


Aber ich erkannte, dass diese Sache noch nicht beendet war, denn auf Marias Tablett stand eine Flasche Wein, aber nur zwei Gläser. Sie öffnete die Flasche und servierte Mama und mir den Wein, hatte aber keinen für Ayla.


Ayla war mit ihren Champignons beschäftigt und merkte es erst nicht. Dann sah sie sprachlos zu, wie Maria sie ignorierte und sah ihr zu, wie sie ohne ein weiteres Wort wieder in der Küche verschwand.


Mama und ich saßen stumm da, ich hatte meine Hand schon am Stiel des Weinglases, lies es aber wieder los und zog meine Hand langsam zurück.


„Verarscht die mich?“


Mama und sich sahen uns an.


„Wer glaubt die, wer sie ist?“


Aylas Augen waren jetzt voller Wut. Sie funkelten. Mit einem Ruck schob sie ihren Stuhl zurück, dass Mamas und mein Wein aus den Gläsern schwappte und stürmte ins Haus.


„Das werde ich aber klären!“


„Ich glaube, das ist keine gute Idee, Ayla.“, meinte meine Mama nur etwas lahm. Aber Ayla war schon verschwunden.


Wir saßen still am Tisch, tranken unseren Wein, ohne anzustoßen. Erst als ich schon einen tiefen Schluck genommen hatte, fragte ich Mama:


„Hätten wir den Wein stehenlassen sollen? So aus Solidarität oder so?“


Aber Mama hatte damit überhaupt kein Problem.


„Lass die das mal unter sich ausmachen.“ Damit nahm sie einen tiefen Schluck. „Ich brauche jetzt echt meinen Alkohol! Die werden das unter sich auskaspern in einem ernsten Gespräch zwischen zwei erwachsenen Frauen.“


„Meinst du wirklich?“, fragte ich, und erst da merkte ich, dass sie das ironisch gemeint hatte.


„Ayla ist manchmal ein wenig impulsiv. Vielleicht auch was unsicher. Aber die beruhigt sich auch wieder.“


Ich blieb an dem „unsicher“ hängen. So wirkte sie gerade nicht auf mich. Eher im Gegenteil. Mama glaubte wohl, dass Ayla mit ihrem selbstsicheren Auftreten irgendwas kaschierte.


Dass meine Mama das alles gelassen hinnahm, beruhigte mich jedenfalls. Denn ich hatte schon befürchtet, dass diese kleine Fehde zwischen den beiden uns den Urlaub versauen würde, und da hatte ich keine Lust drauf.


Meine Mama hob ihr Glas und meinte:


„Auf unseren Urlaub!“


Wir stießen an und tranken unseren Wein.


„Aber trotzdem würde ich gerne wissen, was jetzt gerade in der Küche passiert.“


„Ayla war schon ziemlich wütend.“


„Die braucht Urlaub. Aber ich bin mir sicher, die wird schon wieder runterkommen.“


„Das wird es sein.“


Schließlich kam Ayla zurück und setzte sich stumm an ihren Platz.


Dann aß sie ihre Tapas, während Mama und ich ihr still zusahen. Schließlich konnte ich es nicht mehr ertragen:


„Und?“


Sie hielt mir ihren erhobenen Zeigefinger ins Gesicht und zischte:


„Kein Wort, okay?“


„Klar.“


Meine Mutter grinste verschmitzt.


„Möchtest du vielleicht was von meinem Wein?“


Ihre Augen funkelten vor Wut.


„Mir ist die Lust vergangen.“


„Verstanden.“


Im nächsten Moment kam Maria mit einem Tablett und räumte ab.


„Hat es geschmeckt?“ Marias Stimme war nichts anzumerken. Was immer da gerade in der Küche abgelaufen war, sie ließ sich nichts anmerken.


Mama und ich bedankten uns fast überschwänglich, und zu meiner Überraschung presste selbst Ayla ein: „Sehr gut“ hervor.


Was war da in der Küche passiert?


Mama und ich sahen uns an. Wir waren verblüfft und beobachteten die beiden ganz genau.


Aber Maria ließ sich nichts anmerken und Ayla sagte nichts mehr.


So verlief das Abendessen in einer seltsamen Stimmung. Meine Mama und ich unterhielten uns, und Ayla saß still auf ihrem Platz und starrte auf ihren Teller.


Wenn Maria kam um abzuräumen, Desserts zu bringen oder zu fragen, ob wir einen Kaffee wollten, veränderte sich unser Gespräch augenblicklich. Ich merkte, wie auch Mama gespannt war und langsamer sprach, ihre Worte suchte, weil sie so genau beobachtete, wie die beiden sich verhielten.


Maria blieb professionell und Ayla einsilbig.


Sie bat höflich um einen Kaffee, und bekam diesen auch ohne Probleme von Maria serviert.


Was immer da in der Küche vorgefallen war, Maria musste gewonnen haben.


Wenig später verabschiedete sich meine Mutter, sie sei müde und würde schlafen gehen.


Ich blieb noch ein bisschen sitzen in der Hoffnung, ohne meine Mutter etwas mehr in Erfahrung zu bringen, was in der Küche passiert war. Aber Ayla blieb erst einsilbig, dann merkte sie das scheinbar und bemühte sich um ein wenig Konversation, aber ihre Gedanken waren nicht bei dem Gespräch. Wir wechselten zäh ein paar Worte, aber eine Konversation kam nicht auf. Schließlich beschlossen wir, ebenfalls schlafen zu gehen.


Ich war noch nicht müde, ging noch duschen, um die Reise von meinem Körper zu waschen und legte mich dann ins Bett.


Ich war schon fast eingeschlafen, als ich hörte wie die Tür zu Aylas Zimmer geöffnet und geschlossen wurde. Dann hörte ich, wie sich Schritte entfernten und die knarzende Holztreppe hinuntergingen.


Interessant, dachte ich, fragte mich, was das auf sich hatte, und kam mir vor wie in so einem Jugendbuch mit Detektiven. Aber anstatt hinterherzuschleichen, um herauszufinden, was Ayla im Schilde führte, schlief ich ein.

3. Kapitel


Was immer vorgefallen war am Abend zuvor, es hatte Aylas Stimmung nicht beeinträchtigt. Sie saß an ihrem Platz, einen Kaffee vor sich und beschäftigte sich mit ihrem Handy. Mama schwamm im Pool einige Bahnen. Ich war amüsiert über ihre Disziplin. So früh am Morgen musste das Wasser eisig sein. Auch Marco war da und kroch in dem Gebüsch herum, in das Ayla ihre Gabel geworfen hatte.


Ich setzte mich zu Ayla und sah meiner Mutter beim Schwimmen zu. Ayla beachtete mich nicht, und so scrollte ich auch lustlos durch Instagram.


Schließlich kam Maria heraus, wünschte mir einen guten Morgen und fragte mich, ob ich einen Kaffee oder einen Saft haben wollte. Ich entschied mich für beides.


Erst als Maria schon wieder im Haus verschwunden war, fiel mir der Streit zwischen den beiden ein.


„Hast du gestern Abend noch was gemacht?“, fragte ich Ayla.


„Gestern?“


„Nachdem wir in unsere Zimmer verschwunden sind.“


„Nein. Was soll ich gemacht haben?“


Sie sah mich nicht an, und ich nahm ihr das nicht übel, sondern betrachtete die Morgensonne, die auf ihr Haar fiel. Sie saß ganz beiläufig auf ihrem Gartenstuhl, die Füße beide auf der Sitzfläche eines zweiten, den sie sich zurechtgestellt hatte. Es sah ganz casual aus, und doch wirkte alles so, als würde sie für einen Fotoshoot posieren. Selbst in ihrer labberigen Sporthose und dem zu weiten und verknitterten T-Shirt. Wie konnte man so früh am Morgen und so beiläufig schon so gut aussehen?


„Ich dachte, ich hätte die Tür nochmal gehört.“


„Oh… das.“ Sie starrte auf ihr Handy und wischte auf dem Display herum. Ich rechnete schon nicht mehr mit einer Antwort, als sie meinte:


„Ich war noch durstig und habe mir eine Flasche Wasser geholt.“


„Ach so… Wasser.“


Vielleicht stimmte es ja. Aber die Art und Weise, wie sie mich bei ihrer Antwort ignorierte, kam mir verdächtig vor und begann mich nun doch zu ärgern.


„Ich dachte, du hättest gestern Abend genug Wasser gehabt.“


„Wieso?“


Sie blickte ganz beiläufig von ihrem Handy hoch, aber nur für einen winzigen Augenblick.


Es gefiel mir, die Oberhand zu haben, obwohl ich gar nicht auf Krawall aus war.


„Es ist wichtig, immer gut hydriert zu sein.“


„Mmh...“ Jetzt war richtig deutlich zu hören, dass sie genervt war, was mich amüsierte.


Beim Frühstück machten wir unsere Pläne für den Tag. Es war ziemlich einfach. Mama wollte arbeiten. Sie erzählte uns in übertriebenem Enthusiasmus von irgendeinem Problem in der Besteuerung von Wohnbesitz bei Unternehmen, das sie näher untersuchen wollte, und deutete enormes Potential an für den Fall, dass sich ihre Vermutungen bestätigten.


„Mama, du weißt schon, dass wir hier Ferien machen. Steck deine Unternehmenskacke mal weg!“


Sie lächelte mich an und meinte:


„Ohne meine Unternehmenskacke wären wir gar nicht hier. Wer hat durch seine großartige Arbeit denn diesen ganzen Urlaub an Land gezogen?“


„Du.“


„Ich. Genau. Ich. Und wenn es weiter so gut läuft, können wir uns das hier vielleicht irgendwann mal selbst leisten! Also beschwer dich nicht.“


Ich hatte arge Zweifel daran, dass wir uns das hier mal selbst leisten könnten, aber es war ihre Entscheidung. Wenn sie glücklich war, sollte sie sich mit Unternehmenssteuern in ihrem Urlaub beschäftigen.


„Wenn das stimmt, was ich vermute, dann bin ich an einem ganz dicken Fisch dran. Dann wird unser nächster Urlaub in einem Penthouse in New York stattfinden!“


Meine Mama wollte Anerkennung und dass ich mich für ihre Sache interessierte. Glücklicherweise kam Maria dazwischen, und das Thema war beendet. Stattdessen verfeinerten wir unsere Pläne für den Tag.


Ayla wollte an den Strand, und Maria schlug vor, dass Marco uns fahren könnte.


Der hatte mittlerweile die Gabel gefunden, an der die mutmaßliche Schweinefleisch-Carpaccio-Dattel noch steckte, und hielt sie triumphierend hoch.


Ich beobachtete, wie die beiden miteinander auf Spanisch sprachen, und da ich nichts verstand, konzentrierte ich mich auf ihre Mimik.


Marias Stimme klang freundlich, mit einem kleinen dunklen und etwas herben Ton darin. Als Kaffeefarben hätte ich ihn bezeichnet. Ihre Augen leuchteten freundlich, aber auch irgendwie gewissenhaft. Ich fragte mich, warum sie diese weiße Strähne auf ihrer Stirn nicht einfach wegfärbte, weil die sie ein paar Jahre älter machte. Aber sie gab ihr auch etwas Besonderes, fast schon Abenteuerliches. Wie eine Piratin, die nach langen Jahren auf hoher See und wilden Abenteuern aus diesem gefährlichen Leben ausgeschieden war und sich nun für ein langweiliges, aber sicheres Dasein entschieden hatte, weil sie sich nichts mehr zu beweisen hatte.


Marco schien sich zu freuen. Er lächelte jedenfalls und sah kurz zu uns herüber, wobei ich mir einbildete, dass er nicht mich, sondern Ayla ansah. Aber ich konnte ihm das nicht übelnehmen. Ich hätte auch lieber sie als mich angeschaut.


Er nickte jedenfalls, stellte ein kurze Rückfrage und nickte dann. Er wirkte gut erzogen, respektvoll und ein wenig schüchtern, was ich nett fand, denn wenn man sich seinen muskulösen, gebräunten Körper ansah, hätte man etwas mehr Selbstsicherheit vermutet.


Er nickte jedenfalls, und ich verstand „muy bien“.


Sehr gut. Ich würde also meinen Tag verbringen mit einer Türkin, die die Ausstrahlung eines Supermodels hatte, und einem Spanier, der den Körper eines Athleten hatte. Und dazwischen ich, die blonde, etwas zu runde, wenn auch sicherlich nicht dicke, aber deutsche Ella, die sich immer schon vorgenommen hatte, mehr Sport zu treiben und das Abo im Fitnessstudio häufiger zu nutzen als das von Netflix.


Ich stellte mir vor, wie die beiden im Meer standen, die Wellen ihre Körper streichelte und sie sich umarmten. Wie in einem Softporno. Sie würden zueinander passen. Und ich saß am Strand und passte auf, dass unsere Sachen nicht geklaut wurden. Musste ja auch einer machen.


Ayla und ich verschwanden auf unsere Zimmer. Abfahrt zum Strand sollte erst in einer halben Stunde sein, aber Ayla meinte, sie bräuchte etwas länger, und so verabredeten wir uns in einer Stunde.


Als ich hinunter ging, hatte Marco schon den Wagen geholt und Ayla wartete auf mich. Sie hatte sich richtig schick gemacht. Während ich der Einfachheit halber ein Polo-Hemd und Shorts angezogen hatte, trug Ayla einen engen sommerlichen Rock, der ihr bis zu den Knöcheln reichte, und eine passende beige Bluse. Etwas unpraktisch fand ich ihre Schuhe, nicht gerade High Heels, aber dennoch mit Absatz. Einige Momente später sollte ich die Funktion ihrer hohen Schuhe herausfinden.


„Fertig?“


„Total!“ Ich fragte nicht, ob wir unsere Pläne geändert hatten oder warum sie sich so herausgeputzt hatte.


„Dann auf geht’s! Vamos! Andale! Allez!“


Ich war mir ziemlich sicher, dass nicht alle ihrer Wörter Spanisch waren, aber der Gedanke verschwand im nächsten Augenblick, denn Ayla machte ein paar Schritte. Sie setzte einfach ein Bein vor das andere und ging.


Ich hatte noch nie jemanden so gehen sehen, denn ihr enger Sommerrock war so hoch ausgeschnitten, dass sie mit jedem Schritt für einen kleinen Augenblick ihre langen und unglaublich perfekten Beine zeigte. Dieser Schlitz in ihrem Rock ging fast bis zu ihrem Po, und ich hatte das Gefühl, dass mir bei jedem ihrer Schritte der Atem für einen Moment stehenblieb.


Ich konnte nicht anders, konnte meinen Blick nicht von ihr nehmen. Ich hatte schon Tausende von schönen, weiblichen Beinen gesehen. Als jemand, der auch der Philosophie „Dicks all the way“ anhing, und das ohne den geringsten Hauch eines Zweifels, konnte ich mich nicht von diesem Anblick lösen, der immer nur für einen Augenblick bestand, aber definitiv wiederkehren würde. Was war mit mir los? Woher meine Faszination für Aylas lange, wunderschöne, perfekte Beine?


Immerhin war ich nicht die Einzige, die von Aylas Kleiderwahl angezogen wurde. Marco betrachtete sie mit der gleichen Faszination, allerdings etwas versteckter aus den Augenwinkeln. Ich beschloss, mich auch etwas zurückzuhalten. Aber es war verdammt schwer, ihre Beine zu ignorieren.


Marco bedeutete uns einzusteigen, und auf ging es.


Wir fuhren allerdings nicht zu einem Strand, sondern in ein kleines Dorf am Meer.


„Hat der uns nicht verstanden?“, meinte Ayla. „Beach, Strand, Playa!“


„Si, si!“, verstand ich noch. Seine weiteren Worte allerdings nicht. Fand ich das zunächst noch amüsant, mit jemandem einen Tag zu verbringen, mit dem man kein Wort wechseln konnte, stellte sich das nun schon als Problem heraus.


Ayla versuchte es mit ihren geringen Sprachkenntnissen:


„We want vamos a la playa!“


Marco parkte den Wagen in einer Nebenstraße, holte aus dem Kofferraum unsere Strandtaschen und einen Picknick-Korb und ging zu dem kleinen Hafen.


„Was sollen wir machen?“, fragte ich.


„Wir folgen ihm. Was soll’s! Mal sehen, wo er uns hinführt.“


Ayla hatte natürlich recht, auf der anderen Seite überraschte es mich, dass sie ihren Willen nicht stärker versuchte durchzusetzen.


Als wir zum Hafen gingen, ich blieb immer noch einen Schritt hinter Ayla, um mich sattzusehen an ihren Beinen, stieg der Geruch des Meeres in meine Nase. Das Salz des Meeres, dazu die aufsteigende Wärme des Vormittags. Es fühlte sich nach Urlaub an. Nicht zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, aber es fühlte sich immer noch schön an, nicht mehr in Deutschland in einer muffigen Uni-Bibliothek zu sitzen.


Wir gingen ans Pier und Marco führte uns zu einem kleinen, aber teuer aussehenden Boot aus Holz.


„Sollen wir nochmal versuchen, ihm zu erklären, dass wir nur zum Strand wollen? Schippert er uns nach Afrika oder was hat er vor?“


„Ich weiß es auch nicht. Aber lass ihn doch. Wir gehen einfach mit dem Flow.“


„Mit dem Flow?“


„Genau.“


„Ja, dann machen wir das mit dem Flow.“


Ich stellte sicher, dass Ayla vor mir aufs Boot stieg, und war sogar ein wenig enttäuscht, als sie mir für mindestens zwei Sekunden ihren Oberschenkel zeigte und das Mysterium der attraktivsten Beine auf Malle ein wenig verwischte.


Als mir einfiel, dass sie mir am Strand doch sicherlich im Badeanzug ihre Beine zeigen würde, hatte ich Hoffnung, diese komische Obsession bald zu überwinden.


Marco zeigte mir in seinen Shorts schon den ganzen Morgen seine Beine, und die waren sicherlich auch nett und wohlgeformt und muskulös, aber sie wurden auch nicht nur für winzige Augenblicke entblößt.


Es fühlte sich richtig nach Urlaub an, als wir aus dem Hafen fuhren in einem teuren Boot, das Hafendorf hinter uns ließen und die Küste entlangfuhren.


Salzwasser spritzte auf unsere Haut, das Boot schaukelte, als es über die Wellen sprang und der Wind unsere Körper kühlte.


Marco steuerte das Boot die steile Küste entlang, und wir fühlten uns einfach gut und irgendwie wichtig, dass wir so hofiert wurden.


Nach einer Weile drosselte er den Motor und steuerte in Richtung Land. Mit einem Schlag wurde uns klar, warum wir nicht mit dem Auto gefahren waren. Wir landeten an einer kleinen Bucht an, die nicht mehr als zwanzig Meter breit war, mit feinem Sandstrand und die von der Küste aus nicht erreicht werden konnte. Ein Geheimtipp quasi für uns ganz allein.


Entlang einiger Felsen am Rand der Bucht war ein alter Steg, an dem Marco anlegte, und etwas wackelig schafften wir es an Land.


„Wie Piraten, die eine einsame Insel entdeckt haben!“, meinte ich.


Ayla beschränkte sich auf ein: „Sehr geil.“


Wir breiteten uns aus, während Marco noch am Boot hantierte.


Aus den Augenwinkeln beobachtete ich Ayla, die sich ihres Rockes entledigte und mich nun endlich von ihrer Verzauberung befreite. Ihre Beine waren perfekt und schlank und toll. Aber ich konnte sie nun endlich so lange betrachten, wie ich wollte, und das Verbotene war verschwunden. Damit auch ihr Reiz.


Stattdessen zeigte sie mir ihren Körper, der, wie ich es vermutet hatte, natürlich nahezu perfekt war.


Ich schaute zu Marco herüber, ob er auch so fasziniert war, aber der beschäftigte sich noch mit dem Boot. Und überhaupt sah er sowieso vermutlich täglich halbnackte Frauenkörper. Ich brauchte dazu das Internet.


Sie zog auch ihre Bluse aus und darunter kam ihr Bikini zum Vorschein, der super zu ihr passte und teuer aussah.


Ich blieb einige Augenblicke auf meinem Badetuch sitzen, um Mut zu fassen. Mit der gleichen Selbstverständlichkeit konnte ich mich nicht meiner Klamotten entledigen, zumal ich meinen Bikini, der definitiv nicht so gut saß, in der Tasche hatte. So elegant wie sie ihre Klamotten ausgezogen und in den Sand hatte fallen lassen, konnte ich es nicht machen.


Ich musste aufstehen, das Handtuch um mich wickeln und mit schrecklichen Verrenkungen erst die Shorts und meinen Slip ausziehen, dann in das Bikinihöschen steigen, ohne die Balance zu verlieren und dann ähnlich herumhampeln, um das Bikinioberteil anzuziehen.


Elegant ging anders.


Ich hielt immer noch das Badetuch um meinen Körper geschlungen, denn das nächste Problem bestand darin, mich den beiden anderen zu präsentieren. Es war schon etwas her, seit ich mich das letzte Mal so in der Öffentlichkeit gezeigt hatte. Aber es half ja nichts, und außer Ayla und Marco sah mich auch niemand. Mit diesem Gedanken fiel auch mein Badetuch zu Boden. Es hatte ja keinen Zweck.


Ayla war in der Zwischenzeit zum Meer gelaufen und stand nun bis zu den Schenkeln im Wasser, machte langsam einen Schritt nach dem anderen ins kühle Nass. Ich war ein wenig erleichtert, dass das kalte Wasser ihr die Eleganz geraubt hatte und sie nicht super anmutig in die Wellen gesprungen war. Es machte sie menschlicher.


Ich folgte ihr, und in der Tat war das Wasser verdammt kalt. Da ich sie schon nicht in Anmut und Schönheit überholen konnte, zeigte ich ihr zumindest, dass ich härter im Nehmen war, und so überwand ich mich, überholte sie und schwamm bald in dem kalten Meerwasser, während sie sich noch Schritt für Schritt vorantastete. Vielleicht war das der Vorteil ‚deutsch‘ zu sein. Man war härter im Nehmen als diese ganzen mediterranen Schönheiten.


Das Meerwasser auf meinen Lippen, der Anblick des Meeres und der kleinen Bucht, der weiche Sand und die Fische, die um meine Beine schwammen. Was konnte es Schöneres geben?


So plantschten wir eine Weile im Wasser, bis uns kalt wurde.


Schließlich ließen wir uns auf unsere Badetücher fallen, und die Sonne saugte die Tropfen von unserer Haut.


„Du musst dringend was gegen die Sonne tun!“ Ayla zeigte auf meinen Rücken. „So weiß, wie du bist, du deutsche Schönheit!“


„Du hast Recht.“


Ich kramte in meiner Tasche nach der Sonnencreme.


„Welche hast du?“


„Keine Ahnung, Nivea. Faktor 30 oder so. Ich habe nicht so genau geguckt.“


„Girl, du musst mehr auf dich achten! Warte mal…“


‚Girl‘? Wirklich?


Sie holte ihre Sonnencreme heraus.


„Die hier ist besonders für besonders helle Haut wie deine gut. Aber ich nehme die auch.“


Sonnencreme von Chanel! Keine Ahnung, wie teuer das Zeugs war, aber sicherlich ein Vielfaches von meinem.


„Behalt das mal für deinen Luxuskörper. Mir reicht mein gutes deutsches Nivea.“


„Das ist ja Quatsch. So darfst du nicht denken!“


Sie nahm mir die Creme aus der Hand, stopfte sie in meine Tasche und rief:


„Ola Marco!“


Der schaute vom Boot her auf. Ayla wedelte mit ihrer Chanel-Tube.


„Crema de la Sol!“


„Ich glaube nicht, dass das Spanisch ist.“


„Der wird das schon verstehen. Was heißt denn Milch auf Spanisch?“


„Keine Ahnung. Irgendwas mit ‚leche‘ oder so. Von wegen Kaffee mit Milch. Da sagt man doch sowas wie ‚con leche‘ oder so.“


„Ich weiß nicht.“ Sie rief noch einmal „Los Molocco a luna!“


„Was ist denn ‚Molocco‘?“


„In irgendeiner Sprache heißt das Milch. Da bin ich mir ziemlich sicher.“


„Aber ‚luna‘ ist der Mond.“


„Ist doch egal.“


„Was heißt Milch auf Türkisch?“


„Ich glaube nicht, dass der Türkisch spricht.“


„Das glaube ich auch nicht. Ich will’s nur wissen.“


„‘Süt‘, glaube ich. Ich bin nicht so eine Türkin!“


„Eine Türkin, die Türkisch spricht?“


„Eine Türkin, deren ultimatives Ziel es ist, zurück in ein anatolisches Dorf zu ziehen, um da Ziegen zu hüten und zwölf Kinder zu kriegen. So lange ich nicht melken muss, brauch ich auch nicht zu wissen, was Milch auf Türkisch heißt.“


Marco stand mittlerweile neben uns. Er hielt den Picknick-Korb locker in der Hand und hatte sich sein T-Shirt ausgezogen.


„Findest du nicht, dass der total süß aussieht? Wie so ein junger Ronaldo.“


Ich hatte ein bisschen ein schlechtes Gewissen, so über ihn zu reden, wo er vor uns stand und uns hören konnte. Was, wenn er doch Deutsch sprach und uns das alles nur vorspielte? Aber warum sollte er uns so reinlegen?


Ich sah ihn an, aber er lächelte nur verständnislos.


„Wie gesagt, mir ist der noch zu klein. Aber ihr wärt ein gutes Paar!“


„Meinst du? Der hat bestimmt eine Freundin.“


„Glaube ich nicht.“


„Auf so einen Körper fliegen die Frauen doch! Auch Spanierinnen! Sieh dir mal seine Brustmuskeln an und sein Sixpack!“


„Aber guck mal, wie schüchtern er ist. Es geht nicht ums Aussehen, sondern um die Ausstrahlung. Der interessiert sich nur für Fußball. Genau wie Ronaldo.“


Bei dem Wort veränderte sich Marcos Miene. Den Namen verstand er also, und er musste nicht so ganz klug sein, um zu erkennen, dass wir über sein Aussehen redeten. Mir war das peinlich. Schließlich lästerte man nicht über andere in deren Beisein, auch wenn sie einen nicht verstanden. Aber Ayla hatte diese Skrupel offensichtlich nicht.


„Ola, Marco: Leche con sola por mon ami ici!”


Sie wedelte mit der Flasche und zeigte auf mich.


„Warum kannst du mir nicht den Rücken eincremen?“


„Dafür ist Marco doch da! Der ist den ganzen Tag dafür abgestellt, uns zu Diensten zu sein. Das macht der bestimmt gerne.“


„Was?“


„Weiße Frauen eincremen und so.“


„Meinst du?“


„Außerdem, was bist du so scharf darauf, dass ich dich eincreme? Du erinnerst dich noch: Dicks all the way? Ich will nichts von dir.“


„Ich will definitiv auch nichts von dir!“


„Leg dich auf den Rücken und lass Marco sein Werk verrichten. Du findest den süß, wenn du ihn klarmachen willst, dann musst du ihm auch was bieten.“


„Klarmachen, was bieten? Was redest du?“


„Jetzt mach schon!“


Sie warf ihm die Chanel-Tube zu und bedeutete mir, mich auf den Bauch zu legen.


Was soll ich sagen. Es war mir etwas unangenehm, aber die Situation war auch irgendwie prickelnd. Also gehorchte ich und machte es mir bequem.


„Na also. Geht doch. Por favor, Marco. Dawaj!“


Wenige Augenblicke später spürte ich seine Hände auf meinen Schultern. Vorrichtig verrieb er die Creme auf meinem Rücken. An seinen Bewegungen spürte man, dass er das nicht oft machte. Sie waren vorsichtig und behutsam.


„Wie ist es?“


„Wie soll es sein?“


Ich fand die Situation auch seltsam. Meinen Kopf hatte ich zu Ayla gewendet, die neben mir kniete. Auf der anderen Seite war Marco. Ich fühlte mich erst ein wenig wie eine Kranke auf dem Operationstisch, die von allen angestarrt wird.


Ayla sah fasziniert zu, und um ihrem Blick zu entgehen, schloss ich die Augen und genoss schließlich auch Marcos Berührungen auf meinem Körper.


Ich hatte das Gefühl, dass er ziemlich viel von der sündhaft teuren Sonnencreme auf meinem Rücken verteilte, aber es war mir egal.


Es war schon was her gewesen, dass mich jemand so berührt hatte.


Nach einer Weile unterbrach Ayla meinen stillen Genuss:


„Ola, aqui!“


Wenig später berührten seine Hände meinen Hals, meinen Haaransatz. Ich war da schon immer empfindlich gewesen, und empfand die Berührungen nun zunehmend als Streicheleinheiten.


Ayla dirigierte Marcos Hände und bald schon strichen sie über meinen Brustkorb und wanderten meinen Rücken hinunter bis zum Saum meines Bikinihöschens. Für einen kleinen Augenblick verschwanden sie darunter, aber ich konnte nicht mit Sicherheit sagen, ob es ein Versehen war.


Ich öffnete die Augen. Ayla betrachtete ganz fasziniert, was Marco mit mir anstellte.


„Los Legos aussi, por favor!“


Ich hörte, wie Marco seine Position veränderte und sich meinen Beinen widmete. Meinen Waden und meinen Füßen.


Zunächst war ich enttäuscht, da ich seine Finger gerne noch länger auf meinem Rücken gespürt hätte. Aber dann wurde mir klar, wohin seine Hände ihn führen würden, wenn er weitermachte, und nun breitete sich ein Kribbeln in meinem Unterleib aus. Ich rutschte etwas auf meinem Bauch hin und her und spürte einen kleinen Sandhügel, der auf meinen Venushügel drückte. Meine Hüften schoben sich hin und her, und dann fiel mir ein, dass ich unter enger Beobachtung stand und musste mich dazu zwingen, still liegenzubleiben, um meine Gefühle nicht zu verraten. Der Gedanke, von Ayla beobachtet zu werden, war seltsam.


Seine Finger wanderten höher zu meinen Knien, und ich spreizte ein wenig die Beine, um ihm Zugang zu meiner Haut zu gewähren.


„Gefällt es dir?“


Aylas Stimme ärgerte mich zunächst, weil sie mich aus meinen Gedanken riss. Auf der anderen Seite aber erregte es mich auch, dass sie mich ansah, dass ich das Zentrum ihrer Aufmerksamkeit war und sie mit meinem Anblick auch irgendwelche Gedanken, sexuelle Gedanken mussten es definitiv sein, verband.


„Ihm gefällt es auch! Guck mal!“


Ich drehte meinen Kopf und schaute unauffällig zu ihm. Zwischen Marcos Shorts war definitiv eine dicke Wölbung zu erkennen.


„Ist doch schön, dass ich ihm auch gefalle.“, murmelte ich mehr zu mir als zu ihr. Es war nett, dass ich solch eine Wirkung auf ihn hatte. Dabei tat ich gar nichts. Ich bot ihm nur meinen Körper für seine Berührungen.


Er hatte nun meine Oberschenkel erreicht, spritzte wieder einen Klecks der sündhaft teuren Creme auf meine Haut und verrieb sie weich und nun mit festerem Griff, als hätte er seine Scheu abgelegt. Seine Hände verschwanden zwischen meinen Schenkeln und ich musste mich stoppen, weil meine Hüften schon wieder unruhig auf dem Sandhügel hin und her rutschten.


Ich musste mich zwingen, nicht zu verraten, was Marcos Hände auf meinem Körper anstellten. Es war mir peinlich, dass sie solch einen Effekt hatten, und dann aber auch fühlte es sich schön an, dabei beobachtet zu werden, wie ich immer nervöser wurde und mein Atem schwerer ging. Es war dieses Gefühl, seinen Händen ausgeliefert zu sein, als hätten die etwas Magisches, dem ich mich nicht entziehen konnte, als würde ich überwältigt, als gebe es einen Kampf zwischen meinem Willen und meinem Körper, dem mein Wille vollkommen und hoffnungslos unterlegen war.


Seine Finger fuhren an meinem Po entlang, einmal fuhren sie zwischen meine Schenkel und berührten mein Bikinihöschen an meiner heiligsten Stelle, und dies war so unerwartet, dass ich zusammenzuckte.


Dann war es plötzlich vorbei, und mein Körper schien zu schreien, dass er weitermachen sollte.


Ich versuchte das Gefühl seiner Berührungen zu behalten. Sie sollten sich in meine Erinnerung einbrennen und nicht am Ende sein.


„Muchas gracias, Marco!“, meinte Ayla, und ich dachte nur, dass er sich den Dank noch nicht verdient hatte. Dass er hätte weitermachen sollen, statt mich so frustriert zurückzulassen.


Ich sagte nichts, spürte, wie er aufstand, wie Ayla sich von mir abwandte und aufs Meer schaute. Ich drückte meinen Schoß in den Sandhügel, aber es war klar, dass der Augenblick verloren war und er würde auch nicht zurückkommen.


So blieb nur die Sonne auf meiner Haut, und ich nahm die salzige Luft des Meeres wieder wahr, statt seine Hände auf meinem Körper.


Ayla ließ mich fünf Minuten in Ruhe, in denen ich mit meinen Erinnerungen wegdöste, bis sie mich ansprach:


„Kannst du mir auch den Rücken eincremen?“


„Ich dir?“


„Warum nicht?“


„Marco kann das ziemlich gut.“


„Habe ich gesehen.“


„Warum genießt du dann nicht auch seinen Service? Er würde das bestimmt gerne machen.“


„Weißt du, wenn ich den an meinen Körper lasse, dann ist der für alle anderen Frauen verloren.“


„Weil du so schön bist?“


„Es ist ein schrecklicher Fluch. Kannst du dir gar nicht vorstellen, wie sehr ich darunter leide, aber wenn ich ihn an mich ranlasse, dann fällt er vor mir auf die Knie und haut ab, um irgendwelche Drachen für mich zu töten.“


Ich hoffte, dass sie scherzte, aber sie meinte eine ganze Menge von dem, was sie da sagte, offensichtlich ernst.


„Der würde nur noch an mich denken. Und wir wollen ja, dass Marco an dich denkt. Ich bin mir sicher, nach seiner gründlichen Massage wird er das auch. Da kannst du drauf wetten.“


In diesem Moment dachte ich mir nicht viel dabei, aber später ärgerte es mich schon, dass sie so viel von sich hielt und meinte, sie sei zu sexy für Marco, ich aber nicht. Vielleicht hatte sie ja recht, aber sie musste das ja nicht so offen sagen.


„Also gut“, seufzte ich und richtete mich auf. Marco saß etwas entfernt von uns und spielte mit seinem Handy.


„Du bist lieb!“


Sie legte sich auf ihr Handtuch, wie ich zuvor dort gelegen hatte. Ich nahm mir die Sonnencreme, drückte einen dicken Klacks auf meine Finger und verrieb ihn auf ihrem Rücken.


Ich hätte das alles mit der gleichen Schüchternheit verrichtet, mit der Marco auf meinem Rücken begonnen hatte, aber so wollte ich nicht rüberkommen, und so gab ich mir Mühe, meinen Bewegungen eine größere Selbstverständlichkeit zu geben.


Ich griff kräftiger zu, als wäre es ganz normal, einem anderen Mädchen den Rücken einzureiben. Natürlich war es das eigentlich auch. Ich hatte das schon getan, und da war nichts komisch dran gewesen. Aber in diesem Moment war es eben anders.


Ihre Muskeln fielen mir auf, ihr Körper, der härter und modellierter war als meiner. Ich musste mich nicht bitten lassen, sondern rieb ihren Hals ein, schob dabei ihre rabenschwarzen langen Haare aus dem Weg. Ihren fast schon zerbrechlich dünnen Hals. Mit meinem Zeigefinger strich ich über ihre Ohrläppchen, als wüsste ich, was sich täte.


Ich spürte eine unbekannte Aggression in mir aufsteigen. Dass sie mich so manipuliert hatte, dass sie so mit mir spielte. Dass es ihr auch gelungen war.


Es fühlte sich wie das dunkle Bordeaux eines Rotweins an, und ich wollte das genießen. Dass meine Finger nun dran waren, dass ich nun dran war und sie zu meinem Objekt reduziert war. Sie sollte unter meinen Händen schmelzen, wie ich unter Marcos dahingeschmolzen war.


Also rieb ich ihr den Rücken ein, wie sie das gewünscht hatte, aber gleichzeitig sprenkelte ich immer wieder kleine Bewegungen einen, ließ meinen Zeigefinger ihr Rückgrat hinabfahren bis zu der kleinen Beugung, an der ihr Po begann. Ich streichelte sie kurz. Mit anderen Worten, ich versuchte sie durchaus anzumachen.


In diesem Moment kam mir das auch nicht seltsam vor. Von wegen Dicks all the way. Ich wollte einfach mit ihr spielen, wie sie Marco angewiesen hatte, mit mir zu spielen. Es war ganz simpel.


Ein Blick auf Marco verriet mir, dass der nur noch so tat, als schaue er auf sein Handy. Stattdessen starrte er mit offenem Mund zu uns herüber und erwartete offensichtlich irgendwelche lesbischen Spielchen.


Bei dem Gedanken musste ich dann innehalten, denn es war gar nicht meine Absicht, so etwas zu veranstalten.


Er hatte sich das so bestimmt auch nicht vorgestellt, als er beauftragt worden war, sich um die deutschen Touristinnen zu kümmern.


Es gelang mir nur nicht, Ayla in der gleichen Weise geil zu machen.


Sie murmelte einmal:


„Du machst das gut!“, als ich die Tatsache ausnutzte, dass ihr Bikinihöschen so knapp geschnitten war, dass ich ihren Po ausgiebig einreiben konnte.


Aber sie machte nicht den Eindruck, dass ich sie mit meinem Einreiben so aus der Ruhe brachte, wie Marco mich aus der Ruhe gebracht hatte. Und warum sollte sie auch? Warum wollte ich sie eigentlich aus der Ruhe bringen? Ich wollte nichts von ihr. Es kam mir dann doch doof vor.


Ich riss mich zusammen und konzentrierte mich auf das Verteilen von Sonnencreme auf ihrer Haut, statt zu versuchen, sie irgendwie anzumachen. Warum sollte mich das überhaupt interessieren? Ich wollte nichts von ihr.


Sie hatte einfach einen schönen Körper, den sie pflegte, der weiblich geformt, aber dann auch straff und muskulös war. Er strömte diesen warmen Duft aus, der sich mit dem Meeresduft vermischte und sich mit dem dezenten Geruch ihrer Sonnencreme vermischte.


Also tauchte ich nicht so tief zwischen ihre Schenkel, wie Marco es sich bei mir getraut hatte.


Später war es mir sogar peinlich, wie sehr ich mich auf Ayla gestürzt hatte.


Und sie ließ keine Regung erkennen. Es war mir nicht gelungen, sie irgendwie zu erregen. Ein bisschen ärgerte mich das schon. Denn jetzt war ich diejenige von uns beiden, die sich nicht unter Kontrolle hatte.


Dann ärgerte ich mich über diesen Gedanken, dass wir schon wieder in so einem Wettstreit waren, und dass ich ihn offensichtlich verloren hatte.


Ich legte mich schließlich auf mein Badetuch, und die Sonne machte mich dösig.


Aber meine Gedanken blieben bei ihr und Marco, und ich dirigierte sie zu Marcos Massage, wie er mich berührt hatte und dass ich mehr davon haben wollte.


Ich richtete mich schließlich auf und schaute nach ihm. Er spielte immer noch an seinem Handy, sah zu mir herüber, und ich winkte ihm verspielt zu. Er lächelte zurück und winkte auch. Aber da mir die Worte fehlten und irgendwie auch das Gesprächsthema, legte ich mich wieder hin.


Wir lagen eine Weile da, bis Ayla sich irgendwann meldete:


„Hast du eigentlich auch Durst?“


„Absolut. Ich könnte auch eine Kleinigkeit essen.“


Ayla rief Marco und zeigte auf den Picknick-Korb. Er sprang pflichtbewusst auf und brachte ihn.


Ein Blick hinein zeigte uns ein paar Gläser, kleine Teller und Besteck sowie eine große Kühltasche mit Wasser und zwei kleinen Karaffen mit Wein, die mit Korken verschlossen waren.


„Die sind wohl beide für mich!“


„Wie kommst du darauf?“


„Naja, Maria respektiert deine Religion. Kein Schweinefleisch und keinen Alkohol. Nett von ihr, findest du nicht?“


„Lach du! Wir haben das alles geklärt.“


„Erzähl mal, was genau ist denn da passiert?“


Ayla wurde augenblicklich mundfaul.


„Nicht viel. Wir haben uns ausgesprochen, und jetzt ist alles wieder gut zwischen uns. Eine der beiden Karaffen Rotwein ist für mich. Ganz bestimmt.“


„Wie, nimmst du das etwa doch nicht so ernst mit dem Schweinefleisch und dem Alkohol?“


„Isst du etwa freitags kein Fleisch, sondern nur Fisch?“


„Ich behaupte aber auch nicht, religiös zu sein.“


„Und ich bin auch nicht so super religiös. Nur so ein bisschen. Viele von uns Muslimen nehmen das nicht so ernst. Das nehmt ihr immer nur an.“


„Ist mir auch egal. Geht mich nichts an. Aber du hast gestern so darauf rumgeritten.“


„Mir ist einfach ihre Art auf den Keks gegangen.“


„Welche Art?“


„Na diese Art von ihr. Dass sie meint, sie hätte alles unter Kontrolle.“


„Ist doch gut, dass sie sich so kümmert.“


„Ja, finde ich auch. Wir haben uns ja auch ausgesprochen, und ich habe ihr das erklärt mit dem Alkohol und dem Schweinefleisch.“


„Aber trotzdem hast du gestern keinen Wein mehr getrunken.“


„Mir war der Appetit vergangen.“


„Aber du darfst jetzt wieder Alkohol trinken?“


„Was heißt dürfen? Ich lass mir das doch nicht vorschreiben!“


„Wenn du das sagst.“


„Was soll das denn heißen?“


Ich genoss es, sie so in der Defensive zu sehen. Dass Ayla so rumeierte. Ihre Story stimmte hinten und vorne nicht. Irgendwas war in der Küche vorgegangen, und es war nicht das, was Ayla mir weißmachen wollte.


Irgendwas passierte, und ich wollte herausfinden, was das war.


Sie nahm die Gläser aus dem Korb und mischte uns eine Rotweinschorle zusammen, doch bevor wir anstießen, unterbrach ich sie und wandte mich an Marco:


„Marco, Vino und Wasser?“


„Aqua heißt das, glaube ich.“


„Jetzt korrigierst du mich?“, lachte ich. Du wirfst alle Sprachen der Welt zusammen, aber ich werde von dir berichtigt?“


„Warum nicht?“


Marco zeigte auf den Wein und deutete mit seinen Fingern an, dass er nur ein wenig haben wollte, und Ayla meinte:


„Gib ihm bloß nicht zu viel. Der muss uns noch von hier wegbringen. Wenn er uns besoffen in die Felsen steuert, dann müssen wir hier die Nacht verbringen.“


„Wäre doch auch nett.“


„So wie du die Sonnencreme auf meinem Körper verteilt hast, habe ich Angst, mit dir allein die Nacht hier zu verbringen. Du besteigst mich doch sofort, nachdem die Sonne untergegangen ist!“


„Jetzt bin ich es schuld? Du hast damit doch angefangen!“


Wir stießen alle zusammen an, sagten Prost in drei Sprachen, und aßen die kleinen, leichten Snacks, die Maria uns eingepackt hatte. Sie waren köstlich.


Ayla hatte die Idee, etwas mehr über Marco zu erfahren. Aber allein ihr Versuch, sein Alter zu erfragen, scheiterte schon fast, weil sie ihm erfundene Wörter an den Kopf warf, die er nicht verstehen konnte. Am Ende zählte er mit seinen Fingern 19, und wir zeigten ihm mit den Fingern unser Alter, dass wir ein paar Jahre älter waren. Aber das Ganze war so mühsam, dass wir es bald aufgaben.


Vielleicht mussten wir auch nicht so viel über ihn erfahren. Es war irgendwie nett, die Zeit mit jemandem zu verbringen, mit dem man praktisch kein Wort wechseln konnte, sich aber trotzdem irgendwie verstand.


Der Tag am Meer plätscherte so dahin. Der Alkohol, auch wenn wir nur wenig tranken, machte uns schläfrig. Ich starrte auf das Meer und genoss, einfach nichts zu tun. Selbst meinen Roman ließ ich in der Tasche. Es war einfach zu schön, nichts zu tun und so weit weg zu sein von dem Rest der Welt. Es gab nur uns drei. Am Horizont fuhr mal ein Schiff vorbei, aber so weit entfernt, dass wir keine Menschen sehen konnten. Und ich wollte auch keine sehen.


Später gingen wir alle drei ins Meer, um uns abzukühlen.


Marco hatte einen kleinen Ball dabei, und nachdem wir ein paar Meter geschwommen waren, warfen wir uns den zu. Es war ein harmloses Spielchen, bis Ayla mich auf etwas aufmerksam machte:


„Siehst du, wie er sich ins Zeug legt?“


Sie warf ihm den Ball zu, aber zu hoch. Marco streckte sich, sprang, so hoch er konnte. Aber es war offensichtlich, dass er den Ball nicht erreichen konnte. Als sein Körper sich aus dem Wasser erhob, entstand für einen winzigen Augenblick dieses perfekte Bild wie aus einer Werbeanzeige. Das Wasser, das wie Edelsteine um seinen Körper funkelte und seine angespannten Muskeln, die sich deutlich abzeichneten wie bei einer griechischen Statue.


Marco warf Ayla den Ball zurück, und sie meinte zu mir:


„Versuch auch mal.“


Sie warf mir den Ball zu, und ich warf ihn so schlecht zu Marco, dass der wieder mit aller Kraft aus dem Wasser steigen musste, um ihn doch noch zu fangen.


„Süß, nicht?“


Sie hatte Recht. Er wollte uns gefallen.


„Wir sollten das eigentlich fotografieren.“


„Meine Freundinnen würden total neidisch, wenn sie sehen könnten, mit wem ich im Meer rummache.“


„Soll ich mein Handy holen?“


„Ist das wasserdicht?“


„Keine Ahnung. iPhone halt. Das ist bestimmt wasserdicht. iPhone kann alles.“


„Auch Wasser abhalten?“


„Theoretisch bestimmt.“


„Und praktisch?“


„Wir sollten es vermutlich nicht versuchen.“


„Vermutlich nicht.“


„Er kann sich ja im Sand nach uns strecken, dann lassen wir ihn da das Bällchen holen.“


„Okay.“


Aylas letzter Satz war wieder so einer, der mir negativ aufstieß. Was sollte das mit „Bällchen holen“? Marco war kein Hündchen, mit dem man spielte, auch wenn ich das vor einem kurzen Moment noch selbst getan hatte.


Marco warf ihr den Ball zu, und sie warf ihn zwischen ihn und mir. Der Ball war näher bei mir, also schwamm ich hin, aber Marco nahm es als Herausforderung. Er warf sich in die Wellen und kraulte auf mich zu. Ich spielte mit, stellte mich etwas ungeschickt an, hatte den Ball haarscharf eher in der Hand, aber er schwamm weiter, fasste mich an der Hüfte, hob mich hoch und warf mich in die Wellen. Und ich spielte mit, quietschte aufgeregt, machte ein wenig auf hilflos, und er schwamm lachend wieder auf mich zu, wollte mir den Ball aus der Hand nehmen. Aber ich hielt ihn von ihm weg, eng an meinem Körper, dass seine Hände mich umschlangen. Ich wand mich, kämpfte spielerisch gegen seine kräftigen Muskeln, versuchte mich halbherzig zu befreien, aber er hielt mich in seinen Armen und rief etwas, das ich nicht verstand. Ich lehnte mich zurück, presste mich an seine Muskeln. Seine Arme waren um meinen Bauch geschlungen. Ich strampelte und versuchte mich nicht wirklich zu befreien, aber dann presste er sich an mich, und ich glaubte, dass er, als unsere Hüften sich trafen, wieder einen Steifen hatte.


Es störte mich nicht, im Gegenteil. Nun entwand ich mich ihm wirklich, nur um wild mit den Armen zu schlagen, und nicht wirklich zufällig unter Wasser in seinen Schritt fasste.


Ich hatte Recht.


Er merkte, was ich tat und nun drehten sich die Rollen. Er versuchte gespielt empört von mir wegzukommen, aber nun jagte ich ihn, versuchte ihn an die Shorts zu packen, und er wand sich nun, aber nicht ernsthaft genug, sich meinen Händen zu entziehen. Er schwamm auch nicht schnell genug, um mir zu entkommen. Ich griff nach ihm, fing seinen Unterschenkel, hangelte mich zu seinem Oberschenkel hoch, griff dann nach seinen Shorts und seinem knackigen Hintern.


Mir gefiel die Aufmerksamkeit, die er mir schenkte, mir gefielen seine Muskeln, seine Stärke, seine ganze Energie. Ein wenig kindlich noch und verspielt. Seine Erektion schmeichelte mir. Er wollte mich, und ich musste zugeben, dass ich ihn wollte. Und zwar nicht, weil er nett war, intelligent, aufmerksam, sondern weil er einen geilen Körper hatte.


Kurz fiel mein Blick auf Ayla, die uns still zusah und meinen Blick mit einem süffisanten Lächeln erwiderte.


Es fühlte sich an, als hatte sie, was sie wollte. Aber es beschäftigte mich erst später. In dem Augenblick wollte ich nur Marcos Körper fühlen, und wir umschlangen uns, betatschten, berührten, streichelten uns im Wasser. Alles unter dem Vorwand, zu spielen, zu ringen, zu kämpfen, aber es ging uns nur um die Berührungen, unsere Körper und unseren Spaß am anderen Geschlecht.


Schließlich wurde es Ayla zu viel, sie schwamm an den Strand, aber wir folgten ihr erst viel später.


Von da an war Marco immer auf mich fokussiert. Es war deutlich zu sehen, als er mir auf das Boot half auf dem Weg zurück. Er deutete auf irgendwas an der Küste und lächelte, und ich folgte seinem Blick, verstand nicht, was er mir zeigen wollte, aber nickte wissend.


„Der ist dir verfallen.“


„Eifersüchtig?“


„Total nicht. Im Gegenteil. Ich freue mich für euch. Ihr seid ein süßes Paar.“


Ich konnte nicht sagen, ob sie das ernst meinte. Ich wusste auch nicht, was ich davon halten sollte. Aber ich beschloss, nicht so viel darüber nachzudenken.

4. Kapitel


Wir kamen rechtzeitig zum Abendessen zurück, hatten noch kurz Zeit, auf unsere Zimmer zu gehen, und ich beschloss, noch nicht zu duschen. Ich mochte das getrocknete Meersalz auf meinem Körper. Und so zog ich mir nur ein paar frische Klamotten an und bereitete mich darauf vor, wie am vergangenen Abend vollkommen underdressed zu sein im Vergleich zu Ayla.


Als wir zurückkamen, saß Mama am Pool. Sie hielt ein Glas Rotwein in der Hand, aber ihr Laptop war nicht weit entfernt.


„Hast du den ganzen Tag gearbeitet?“, fragte ich vorwurfsvoll.


„Nicht den ganzen Tag.“ Sie deutete auf das Glas Wein in ihrer Hand.


„Doch, ich glaube, du hast den ganzen Tag gearbeitet. Wir sind hier im Urlaub. Im Urlaub arbeitet man nicht. Im Urlaub hängt man ab, faulenzt, ist entspannt.“


„Für mich ist das Entspannung. Hier am Pool zu sitzen und ein bisschen was zu lesen.“


„Ein bisschen was zu lesen? Du liest irgendwas über Unternehmenssteuern. Kein Mensch liest sowas aus Vergnügen.“


„So lange Achi nicht da ist, habe ich auch nichts anderes zu tun.“


Achi war eigentlich Ahmed, ihr Freund. Sie mochte den Namen nicht, und vielleicht war es ihr auch ein kleines Bisschen peinlich, dass sie einen Freund hatte, der so hieß, daher nannte sie ihn nur Achi. Ich fand das kindisch, sollte sie doch zu ihm stehen!


„Hast du was von ihm gehört?“


„Er ist immer noch in Indien. Es läuft war ganz gut und sie sind gut im Zeitplan – er sagt immer im „Schedule“, aber es kann sein, dass er ein paar Tage später kommt.“


„Probleme?“


„Vermutlich irgendwelche Komplikationen. Wir haben nicht drüber gesprochen. Er grüßt dich jedenfalls.“


„Nett von ihm.“


„Was habt ihr heute gemacht? Wie war der Strand?“


Ich erzählte ihr von unserem Tag, ließ aber alles aus, was Marco betraf. Und natürlich diese Sonnencreme-Orgie. Was dann noch von dem Tag übrig blieb, war ein faules Herumfläzen am Meer, mit am Strand Liegen und ein bisschen Schwimmen. Herrlich unproduktiv.


Ich überlegte, ob ich Mama einladen sollte, das nächste Mal mit uns zu kommen. Aber eigentlich wollte ich nicht, dass sie uns drei so zusammen sah. Nach diesem Tag gehörten wir irgendwie zusammen, und was da an diesem Strand passiert war und vielleicht noch passieren sollte, war unser Geheimnis.


Meine Mutter musste nicht zusehen, wie wir uns gegenseitig beim Einreiben anmachten oder wie ich einem Typen, den ich kaum kannte und mit dem ich mich nicht verständigen konnte, zwischen die Beine griff. Trotzdem meinte ich:


„Wenn du arbeiten willst, dann tu das, aber ein bisschen Spaß solltest du dir auch gönnen.“


„Versprochen!“


Schließlich kam Ayla zu uns. Sie sah noch schicker aus als am Tag zuvor, hatte sich geschminkt, trug einen kurzen Rock und eine luftige Bluse, die unter ihrer Brust zusammengeknotet war und ihren Bauch betonte.


Obwohl ich sie an diesem Tag mit weniger Klamotten gesehen hatte, konnte ich meine Augen nicht von ihr wenden, sondern musste einfach ihren Anblick genießen.


Aber es war harmlos. Sie war schön anzusehen, und wie sie sich gab, wollte sie angesehen werden. Ich tat ihr den Gefallen. Sie bemerkte meine Blicke, sagte aber nichts, stattdessen räkelte sie sich in ihrem Sessel, streckte sich, um ihre Rundungen zu betonen. Wenn sie den Brustkorb hervorstreckte, schmiegte sich der Stoff um ihre Brüste. Es schmeichelte mir, dass sie sich so viel Mühe machte, mir zu gefallen. Zumindest deutete ich das so.


Schließlich kam Maria mit einem Tablett aus der Küche und servierte uns Longdrinks mit Orangensaft und etwas Rotwein. Schön angemacht mit einem Zuckerrand am Glas, einer Scheibe Apfelsine und Strohhalm.


Sie fragte, ob alles in Ordnung sei und wie unser Tag gewesen wäre. Ich hatte eigentlich wenig Lust, noch einmal zu erzählen, was ich Mama schon gesagt hatte, aber das musste ich auch nicht. Ayla sprang nämlich ein. Mit großem Enthusiasmus erzählte sie von unserem Tag an der geheimen Bucht. Doch wie ich ließ sie all die neckischen Spielereien aus. Ich empfand das als ein Band zwischen uns, dass wir ein gemeinsames Geheimnis hatten und wussten, dass diese Dinge unter uns bleiben würden.


Aylas Offenheit gegenüber Maria wunderte mich jedoch. Ayla gab sich Mühe, Maria zu gefallen, sie war höflich, bedankte sich und ließ nichts von der Überheblichkeit erkennen, die sie am Tag zuvor gezeigt hatte.


Maria hingegen schien sich nicht verändert zu haben. Sie war freundlich, interessierte sich für uns, war auf der anderen Seite aber auch ein wenig reserviert. Als kühl hätte ich es nicht bezeichnen wollen. Es war nicht leicht zu erklären.


Ich fragte mich, wie Marco mit diesem Tag umgehen würde und stellte mir vor, wie er mit seinen Freunden jetzt gerade in einer kleinen Bar saß, wo sich keine Touristen hin verirrten und ganz stolz erzählte von den beiden deutschen Touristinnen, die er an die Bucht bugsiert hatte und die voll abgegangen waren. Er würde erzählen, wie er mich eingerieben hatte und mich dabei scharf gemacht hatte. Vielleicht hätte ich vor Lust gestöhnt, vielleicht hätte ich sogar einen Orgasmus bekommen. Einfach nur von seinen Händen, die mich massiert hätten. Und meine Freundin hätte zugeschaut. Danach hätten wir uns gegenseitig eingerieben, und das total ohne Scham, als wäre er gar nicht dagewesen. Weil diese deutschen Touristinnen total schamlos wären. Vielleicht vermutete er gegenüber seinen Freunden, dass wir zwei Lesben wären, dass er es aber geschafft hätte, uns zu bekehren. Durch seine Männlichkeit und nachher im Meer hätten wir unsere Hände nicht von ihm lassen können. Von seiner Männlichkeit.


Vermutlich würde er all die Sachen nicht sagen. Vermutlich würde er sie für sich behalten, weil es ihm zu privat war. Wenn er sich nicht verstellte, sondern immer so war, wie er zu uns war, dann würde er schweigen und genießen.


Aber ich gönnte ihm die übertriebene Geschichte und dass seine Freunde ihn beneideten für das, was er mit uns erlebt hatte.


Wir aßen jedenfalls zu Abend und verbrachten eine nette Zeit.


Da Mama nicht viel zu erzählen hatte, drehte das Gespräch sich doch wieder um den Tag am Meer, und noch deutlicher spielten wir beide mit dem Geheimnis, das wir teilten, wenn eine von uns etwas erzählte, das definitiv anders passiert war, wir aber die Details nicht teilen wollten. Ayla und ich sahen uns dann verstohlen an und grinsten wissend, und Mama war glücklich, dass wir beiden uns so gut verstanden. Sie bekam natürlich auch mit, dass wir ihr etwas verheimlichten, aber es störte sie nicht. Sie ließ uns machen.


Ich fühlte mich jedenfalls gut, ein wenig an die Mädchenbücher meiner Kindheit erinnert. Ayla und Ella als Hanni und Nanni auf Malle. Verspielt, etwas kindisch, harmonisch.


Zumindest für diesen Abend traf das zu.


Irgendwann meinte Ayla, sie wäre müde und würde ins Bett gehen. Es überraschte mich, dass sie den Augenblick offensichtlich nicht genauso genoss wie ich, denn es war noch früh.


Sie stand auf, verabschiedete sich und nahm sogar noch ihr leeres Glas mit in die Küche.


Wie aufmerksam, dachte ich.


Wenig später verabschiedete ich mich auch. Allerdings war mir noch nicht danach, zu Bett zu gehen. Stattdessen beschloss ich, mir das riesige Grundstück anzusehen. Die Sonne war lange untergegangen, aber überall waren Lichter im Boden versenkt, die diverse Wege beleuchteten.


Ich gebe zu, dass ich die vage Hoffnung hatte, Marco über den Weg zu laufen. Ich hätte ihn gerne noch gesehen und herausgefunden, wie er so nach Sonnenuntergang war. Wie es wäre, mit ihm allein zu sein. Den Mond zu betrachten, den Vögeln zuzuhören, die mitten in der Nacht sangen. Waren das Nachtigallen?


Ich hatte keine Ahnung, ob er überhaupt auf dem Anwesen wohnte. Am vorherigen Tag hatte Maria uns ganz knapp das Anwesen erklärt und auch darauf hingewiesen, dass sie in einem Haus für die Angestellten wohnte, das etwas versteckt hinter der riesigen Finca lag, in der wir wohnten.


Wen mochte sie außer sich mit den Angestellten meinen? Ich nahm an, dass das Marco sein würde.


Das Haus für die Angestellten war klein, hatte zwei Etagen und war in einem ähnlichen Stil gebaut wie das Anwesen. Direkt daran befand sich eine riesige Garage für mindestens zwei Autos.


Ich schlenderte hinüber.


Vor der Tür war eine kleine Veranda mit einem Tisch und zwei Stühlen. Ein Kaktus stand neben der Tür. Es war idyllisch. Nicht so unübersehbar protzig wie die Finca.


Im Fenster brannte ein Licht, aber es war nur eine kleine Lampe, die es mir erlaubte, in eine kleine Küche zu schauen, die sehr karg eingerichtet war. Die Wände waren weiß und leer.


Hier wohnt Maria also, dachte ich. Nur ein einziges Foto hing in einem einfachen Rahmen an der Wand. Darin ein Schwarzweiß-Foto von einer Brücke. Sehr einfach, aber auch künstlerisch, dennoch nicht so perfekt, wie man es kaufen kann. Als hätte sie das selbst gemacht. Mich wunderte, dass eine Haushälterin sich ein Foto einer Brücke aufhängte. Aber vielleicht war das nicht ihr Foto. Vielleicht hatte der Boss meiner Mama das aufgehangen.


Ich kam mir wie eine Detektivin vor, aber ich fühlte mich auch irgendwie schlecht, dass ich so im Leben anderer Leute herumschnüffelte.


Ich fand jedenfalls kein Anzeichen dafür, dass Marco hier wohnte.


Also schlenderte ich weiter, am Haus vorbei in einen kleinen Wald von alten Olivenbäumen, die ein wenig verkrüppelt aussahen und in der Dunkelheit fast schon unheimlich wirkten.


Da ich den Weg hinter mir gelassen hatte, waren nun auch die Lichter verschwunden. Ich leuchtete mir den Weg mit der Taschenlampe meines Handys.


Bald kam ich dann ans Ende des Grundstücks, das durch einen Hügel eingegrenzt war. Es war stockduster, bisher hatte ich nichts Spannendes gesehen, ich ging weiter auf diesen Hügel zu und erkannte in der Dunkelheit Stufen und dahinter leuchtete etwas. Wo ich schon so weit war, wollte ich wissen, was sich hinter dem Grundstück befand.


Was ich fand, war ein Haus. Es war ähnlich groß wie die Finca, bestand aus zwei Etagen, aber dieses Haus sah noch viel teurer aus. Es war praktisch komplett aus Glas gebaut, und da alle Zimmer beleuchtet waren, konnte man wie in ein Schaufenster in die Räume schauen. Jede Etage erstreckte sich über einen Raum. Unten war eine Kombination aus Küche und Wohnzimmer zu sehen, oben ein großer Raum, in dem ein Bett stand, ein Schreibtisch, ein riesiger Fernseher hing an der Wand und eine Hantelbank stand in der Ecke. Auf beiden Etagen waren noch Türen, die sicherlich zu anderen Zimmern führten wie zum Beispiel dem Bad. Ich fand die Aufteilung der Räume seltsam. Sie schienen nur auf einen Menschen zugeschnitten zu sein. Für solch ein großes Haus erschien mir das eine große Verschwendung.


Alles war ziemlich edel. Die Wände waren aus Beton und ganz glatt und leer und die wenigen Möbel sahen richtig teuer aus.


Als ich mir das Haus so ansah, kam aus einer Tür ein Mann. Er war Mitte bis Ende dreißig, ein paar graue Haare machte ich aus der Entfernung aus. Er trug nur eine Trainingshose. Sein Oberkörper war nackt, und er war durchtrainiert. Er hatte einen Laptop in der Hand, den er auf den Tisch stellte. Dann ging er an die Hantelbank, holte sich zwei Hanteln und machte Übungen.


Im Licht des Appartements konnte ich alles genau beobachten.


Seine Bewegungen waren rhythmisch und kraftvoll. Während er seine Übungen machte, sprach er mit jemandem. Ich dachte zuerst, dass er vielleicht telefonierte, aber dann vermutete ich, dass er seinem Laptop etwas diktierte, denn er wandte sich manchmal zu dem Bildschirm, wenn er sprach. Es sah aber nicht so aus, als würden er skypen oder so.


Es war alles recht mysteriös. Was konnte er seinem Computer diktieren? War er vielleicht ein Schriftsteller? Diktierte er ein Buch, während er seine Übungen machte?


Nun legte er seine Hanteln weg und für einen Moment sah er zu mir hinüber. Mein Herz blieb stehen, da ich Angst hatte, dass er mich entdeckt hätte. Aber das war ziemlich unmöglich, denn ich stand in der Dunkelheit, dazu noch hinter einem Olivenbaum versteckt.


Danach nahm er sich ein Springseil, mit dem er ziemlich professionell skippte wie ein Boxer in einem Film. Er machte eine Pause und rief etwas in Richtung des Computers. Er gestikulierte und war ziemlich aufgeregt. Dann nahm er wieder sein Training auf, brach es aber kurz danach wieder ab und rief wieder etwas in den Computer. Dann lief er hastig auf den Rechner zu und tippte etwas ein. Er zog sich einen Stuhl heran und tippte nun ganz schnell und voller Intensivität.


Ich als Voyeurin sah dem Ganzen fasziniert zu, anonym und unentdeckt hinter einem knorpeligen Olivenbaum in der Dunkelheit, und er in einem voll erleuchteten Haus vollkommen sichtbar. Aber natürlich vermutete er nicht, dass er beobachtet wurde. Ein schlechtes Gewissen hatte ich schon, aber es war spannend, ihn zu beobachten. Immerhin wusste ich nicht, wer das war, und wenn er sich so präsentierte, musste er nicht wundern!


Er stand auf, skippte noch einmal kurz und intensiv, dann warf er das Seil ärgerlich in die Ecke des Raumes, rief etwas in Richtung des Laptops und ging dann zu einer Tür. Als er die Tür öffnete, konnte ich sehen, dass es das Badezimmer war.


Dann passierte erst einmal nichts.


Die Tür war nur einen Spalt geöffnet, und ich konnte nur Schatten sehen, die einmal vorbeihuschten.


Also wartete ich, und je länger ich wartete, desto mehr wuchs mein Unwohlsein, dass ich vielleicht doch etwas Verbotenes und Unmoralisches tat, wenn ich einem Wildfremden so nachspionierte.


Ich rang mit mir und war schon fast bereit, zurückzugehen, als er aus dem Bad kam.


Er war vollkommen nackt und trocknete sich hastig mit einem Handtuch ab.


Zu gleichen Teilen wuchs mein Unbehagen und meine Faszination.


Er warf das Handtuch über den Stuhl, auf dem er eben noch gesessen hatte, dann zog er sich eine weite Hose an, wie sie ein Kampfsportler trug, nahm seinen Laptop und legte sich ins Bett. Gleichzeitig sagte er etwas in Richtung des Fernsehers, und der schaltete sich an. Ich konnte nicht sehen, was da lief, da der Flachbildschirm parallel zu mir an der Wand hing. Vorsichtig schlich ich einige Meter nach rechts, um vielleicht doch etwas erkennen zu können.


Dabei stolperte ich in der Dunkelheit über einen Stein, und fiel auf den staubigen Boden.


Mein Herz raste vor Angst, dass er diese Bewegung vielleicht gesehen haben könnte. Aber er zeigte keine Reaktion. Auch an meiner neuen Position konnte ich nicht sehen, was auf dem Fernseher lief.


Lange Zeit passierte nichts. Der Mann tippte auf seinem Laptop und schaute manchmal kurz auf den Flatscreen.


Es war nicht mehr sehr spannend, trotzdem konnte ich mich nicht aufraffen und meine Observation aufzugeben. Doch dann klappte er den Laptop zu, sagte etwas und augenblicklich gingen alle Lichter im Haus aus.


Auch als meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte ich nichts mehr erkennen. Also kraxelte ich den Hügel hinunter und schlich zurück. Allerdings traute ich mich lange nicht, die Taschenlampe des Handys anzumachen, weil ich Angst hatte, dass der Schein des Lichts vielleicht über den Hügel leuchten könnte.


Als ich ins Haus zurückkehrte, war ich ziemlich euphorisch. Ich hatte irgendwas Spannendes entdeckt, auch wenn ich nicht wusste, was genau das war oder wer dieser Mann war. Ich nahm mir vor, Maria vorsichtig auszufragen, was sie über diesen Nachbarn wusste.


In der Finca war es still. Ich merkte meine Müdigkeit und ging nach oben in mein Zimmer. Es war schon spät.


Als ich im Bett lag, hörte ich Schritte und dann ging die Tür zu Aylas Zimmer auf und zu. Schon wieder passierten merkwürdige Dinge!


Wo war sie gewesen? Viele Geheimnisse, die es aufzudecken galt.

5. Kapitel


Ich freute mich auf Marco und war gespannt, wie er auf mich reagieren würde. In der vergangenen Nacht hatte ich viel an ihn gedacht. An seine Berührungen, als er mich eingecremt hatte. Seine Hände, seine Muskeln, seine braungebrannte Haut. Seine Natürlichkeit, die so im Gegensatz stand zu meiner Lebensweise. Ich kam mir im Vergleich langweilig vor. Während er seine Zeit am Meer verbrachte, frische Meeresluft einatmete, saß ich in einer Bibliothek und roch den muffigen Staub auf vergilbten Büchern. Mir schien sein Leben so viel wirklicher, und genauso war auch sein Körper: natürlich, stark, gesund. Ich hingegen blass und mir fielen viele kleine Makel an meinem Körper auf, die ich bestimmt nicht hätte, wenn mein Leben so wie seins wäre. Aber das war, wie mir auch klar war, Unsinn. Stattdessen fabulierte ich darüber, was aus uns beiden noch werden könnte. Natürlich nicht viel. Aber sein Körper, seine Arme, die mich umschlangen, das würde mir reichen. Wir hatten keine gemeinsamen Worte, aber ich wollte auch keine klugen Gespräche von ihm. Ich wollte etwas anderes.


Wir frühstückten noch, als er auftauchte. Lächelnd und entspannt stand er auf einmal am Tisch. Wir begrüßten uns mit unserem begrenzten Vokabular, und ich bildete mir ein, dass er sich mehr freute mich zu sehen als Ayla.


Hatte er in der vergangenen Nacht auch an mich gedacht? Hatte er sich auch gefragt, wo das mit uns hinführen könnte? Hatte er sich überlegt, wie er mir näherkommen könnte, so wie?


Als wir am Hafen ins Boot stiegen, stellte ich mich ungeschickt an, fiel und ließ mich von ihm auffangen.


„Muchas gracias!“


„De nada!“


Marco hielt mich fest, und aus den Augenwinkeln sah ich, dass Ayla mich durchschaut hatte. Aber sie sagte nichts.


Marco forderte mich auf, zu ihm zu kommen, und er ließ mich das Boot steuern. Ich hielt das Steuerrad, und er stand hinter mir. Näher, als er es vielleicht müsste. Er legte seine Hand auf meine, um das Steuerrad zu korrigieren.


Als das Boot über die Wellen sprang, stellte ich mich wieder ungeschickt an, verlor das Gleichgewicht, ließ mich gegen seine Brust fallen. Seine Arme um meine Hüften, die mich festhielten. Ich machte keine Anstalten, mich von ihm zu lösen. Ich drehte meinen Kopf, sah zu ihm auf. Seine braunen Augen, seine weißen Zähne! Ich roch sein Aftershave. Es war ein billiges, und für mich hätte er es nicht auflegen müssen. Aber ich fand es nett, dass er für mich Mühe gegeben hatte.


Schließlich kamen wir wieder an unserem Strand an.


Ayla und ich gingen an Land, während Marco noch auf dem Boot werkelte.


Ich entledigte mich meiner Klamotten bis auf den Bikini nun ganz selbstverständlich und setzte mich auf mein Badetuch. Ayla sah ich zu, wie sie ihren Rock und ihre Bluse auszog. Der Gedanke, wie schön sie war, ging mir auch jetzt wieder durch den Kopf, aber nur kurz.


„Mach mal die Beine breit?“


„Was?“


„Die Beine, damit ich dazwischen kann.“


Sie stand vor mir und dirigierte mit ihren Füßen meine Knie auseinander, dann setzte sie sich mit dem Rücken zu mir und rutschte an mich heran.


„Kannst du mir bitte den Rücken einreiben? Wie gestern?“


„Klar.“


Sie drückte mir die Creme in die Hand, und obwohl ich mich ein wenig überfallen fühlte, gehorchte ich und begann mit ihren Armen.


„Wir hatten noch keine Zeit über gestern zu reden.“


Mir fiel der Mann in seinem Glashaus ein, von dem ich Ayla noch nicht erzählt hatte, aber sie meinte Marco.


„Wie war es?“


„Was meinst du?“


„Eure kleine Sonnencreme-Orgie.“


„Du meinst, wie er mich eingecremt hat? So wie ich dich eingecremt habe?“


Ich hoffe, dass es dich nicht so scharf gemacht, mich einzucremen, wie es ihn scharf gemacht hat, dich einzucremen.“


Ich hätte zu diesem Vergleich etwas sagen können, ließ es aber.


„Bist du etwa eifersüchtig?“


„Überhaupt nicht. Ihr seid ein süßes Paar.“


„Das ist nett, dass du das sagst.“


„So ein bisschen wie der wilde Tarzan und die weiße Frau.“


„Als wild würde ich ihn nicht bezeichnen.“


„Ich meine nur, weil der nicht unbedingt nicht der zivilisierteste ist und unsere Sprache spricht.“


„Naja, wir auch nicht seine.“


„So meine ich’s auch nicht. Aber ihr beide seid nicht unbedingt Seelenverwandte.“


„Ich glaube, wir beide sind gar nichts.“


„Gestern ging es aber ziemlich ab zwischen euch.“


„Findest du?“


„Scharf gemacht hast du ihn schon.“


„Kann schon sein.“ Ich grinste und sie lachte.


„Das meine ich nur.“


Ich sah hinüber zum Boot.


„Keine Sorge, Marco ist unter Deck. Meinst du, er würde eifersüchtig, wenn er uns hier so sähe?“


„Wie ich dich einreibe? Warum sollte er?“


„Genau. Warum sollte er. Hast du schon einen Plan?“


„Was für einen Plan?“


„Wie es weitergeht.


„Brauch ich einen Plan?“


„Absolut. Du musst doch wissen, was heute zwischen euch passieren soll.“


„Keine Ahnung. Das wird sich zeigen. Brauche ich dafür einen Plan?“


„Vollkommen. Soll ich dir dabei helfen?“


„Bei dem Plan, wie es mit Marco weitergeht?“


„Ich sehe total, dass du dabei Hilfe brauchst.“


„Ach?“ Ich lachte.


„Gleich wirst du zu ihm hingehen, und ihn bitten, dir den Rücken einzureiben.“


„So wie gestern.“


„Genau. Aber dieses Mal wirst du so sitzen wie ich jetzt.“


„Und welchen Vorteil hat das?“


„Ihr sitzt viel näher beieinander. Du kannst dich zurücklehnen, wenn du willst, und dann berührt ihr euch.“


Sie machte es vor, lehnte sich zurück, dass ihr Rücken meine Schultern berührten.


Sie legte den Kopf nach hinten, und meine Nase steckte quasi in ihren wunderbar warm riechenden Haaren. Sie legten sich sanft auf meine Schulter und kitzelten mich ein wenig. Vor allem aber streichelten sie meine Haut. Ich sah an mir herab und fand den Anblick ihrer schwarzen Haare auf meiner bleichen Haut interessant. Ein schöner Kontrast.


Ich sog den Duft für einen Augenblick ein, bevor ich mich zurücklehnte, um ihrer Berührung zu entkommen.


„So wie du jetzt?“


„Genau.“


„Wenn er so hinter dir sitzt, kann er deinen Rücken betrachten und deinen Hals und deine Haare. Aber du siehst es nicht, und das macht ihn mutiger.“


Wo Ayla das so sagte, musste ich natürlich auf ihren Hals blicken, und ich schob mit meinen Händen ihre schwarze Mähne beiseite, um ihren Haaransatz einzucremen, die dünnen Härchen, die sich kräuselten. Ich strich mit meinen Fingerspitzen darüber.“


„Genau so wie du bei mir, wirst du das auch tun. Weißt du übrigens, dass du einen schönen Hals hast?“


Ich hatte das noch nie so gesehen, fand ihn eher normal, unscheinbar. Aylas Hals war definitiv schlanker und graziler. Trotzdem gefiel mir das Kompliment.


„Danke.“


„Keine Ursache. Ich sage es nur so, wie es ist.“


„Und wie geht es dann weiter?“


„Du lässt dir von ihm den Rücken einreiben.“


Sie richtete sich auf, machte ein Hohlkreuz und betonte damit die Rundungen ihres Oberkörpers.


„Männer mögen das. Unsere weiblichen Rundungen.“


„Soso. Gut zu wissen.“, meinte ich ein wenig spöttisch.


Ein Blick verriet mir, dass Marco immer noch unter Deck war. Ihre Absicht konnte nicht darin liegen, ihn eifersüchtig zu machen.


„Und dann dirigierst du seine Hände.“


Sie lehnte sich wieder zurück und griff nach meinen Handgelenken.


„Als ob du ihm hilfst und ihm zeigst, wo er dich eincremen soll.


Beispielsweise an der Seite.


Sie zog meine Hände an ihre Taille, und ich ließ mich von ihr führen. Einerseits war das alles ziemlich komisch, aber es war auch total erotisch. Ich wusste, was sie tat, aber nicht warum. Vielleicht hätte ich unter anderen Umständen etwas gesagt, aber hier in Spanien, allein mit ihr am Strand, da gab es scheinbar andere Regeln. Es störte mich nicht so sehr, wie ich das vermutet hätte.


Sie führte meine Hände weiter nach vorne, und ich berührte bald die Unterseite ihrer Brüste.


„Wir wollen es aber nicht übertreiben.“ Ich ließ meine Hände ihren Brustkorb hinuntergleiten.


„Ich zeig’s dir ja nur. Das wird er mögen. Wenn du die Initiative ergreifst und ihm quasi Erlaubnis gibst, deinen Körper zu streicheln. Er ist schüchtern, der wird von sich aus nicht so forsch sein und nicht so weit gehen.“


„Das weißt du also.“, grinste ich.


„Das sieht man doch.“


Sie schob ihr Becken zurück, und unsere Körper berührten sich nun. Als sie sich streckte, presste ihr Rücken gegen meine Brüste. Sie drehte ihre Schultern, und ihr Rücken rieb nun über den Stoff meines Bikinioberteils. Die Innenseiten meiner Oberschenkel berührten ihre Oberschenkel.


„Wenn du ihn näherkommen lässt, dann kann er auch deinen Bauch einreiben.“


Sie schob meine Finger über ihren Bauch.


„Du hast einen schönen Bauch. Einen weiblichen Bauch. Er betont, dass du eine Frau bist, dass du fruchtbar bist.“


Ich sagte nichts dazu. Fruchtbar wollte ich definitiv nicht wirken.


„Mein Bauch ist flach und durchtrainiert, aber manchmal wünschte ich mir, er wäre etwas runder. Weiblicher wie deiner.“


Sie führte meine Finger, und ich spürte die Muskeln unter ihrer Haut. Es war auch so eine Sache, die ich noch nie gemacht hatte. Ich hatte noch nie den Bauch einer anderen Frau gestreichelt und mich gefragt, wie sich das anfühlte. Jetzt tat ich es.


„Der andere Vorteil, wenn ihr so nah aneinander sitzt, ist, dass du ganz einfach herausfinden kannst, welche Wirkung du auf ihn hast.“


Sie schob ihr Becken nach hinten, und ihr Po berührte mein Bikinihöschen.


Ich war froh, kein Typ zu sein, denn wenn ich es wäre, hätte ich jetzt eine riesige Latte. Ich fand den Gedanken witzig, aber dann auch wieder seltsam. Warum machte Ayla mich so an, und warum fuhr ich darauf so ab?


Wollte ich sie? „Dicks all the way”, fiel mir ein, und das war auch immer noch so. Es hatte sich nichts daran geändert.


Ich wollte definitiv nichts von Ayla. Ich wusste gar nicht, was ich mit ihr hätte anfangen sollen. Aber es gefiel mir, wie sie mich bezirzte und verführte.


Ich blieb still und ließ es geschehen.


Ihre Finger ließen meine Finger um ihren Nabel kreisen.


„Weißt du, dass Männer total auf unsere Bauchnabel stehen?“


„Ach?“


„Du meinst, den Bauchnabel, aus dem ich immer die Flusen ziehen muss?“


„Die sehen das anders. Für Männer ist das ein Symbol unserer Weiblichkeit. Ein Symbol, dass wir die Kinder kriegen und nicht sie. Es ist ein Zeichen, dass wir ihnen überlegen sind.“


Sie schob meinen rechten Zeigefinger in ihren Nabel, und langsam wurde mir die Symbolik etwas zu viel.


Ich zog meine Hände weg, war aber immer noch in dem Rausch ihrer Berührungen, ihrer weichen Haut, dem Duft ihrer Haare.


Aber dann ziemlich abrupt rückte sie von mir weg, und meine Finger fühlten sich leer an, kalt, verlassen.


„Marco kommt.“


Ich schaute auf, und im gleichen Moment erschien sein Kopf vom Rand des Bootes.


„Ich lass euch dann mal allein.“


„Wo willst du denn hin?“


Sie kramte in ihrer Tasche und zog eine Luftmatratze hervor.


„Meinst du, Marco bläst die für mich auf? Mit seinem muskulösen Brustkorb?


„Kann man mit muskulösen Brustkörben gut Luftmatratzen aufblasen?“


„Mit muskulösen Brustkörben kann man alles!“


Ayla hielt Marco die Luftmatratze hin und blies ihre Backen auf.


Er verstand und begab sich sofort an die Arbeit.


Wir sahen ihm zu und feuerten ihn sogar an. Er war bemüht, und er genoss unsere Aufmerksamkeit.


Wir bewunderten seinen Brustkorb, der sich ausdehnte und zusammenzog, seine Muskeln, die sich anspannten.


„Hast du was dagegen, wenn ich euch zusehe?“


„Bei was?“


„Bei euren Sonnencremespielchen.“


„Vielleicht gibt es die gar nicht.“


„Natürlich gibt es die! Wofür haben wir die ganze Zeit geübt?“


„Ich dachte, du wolltest mich vernaschen.“


„Dich vernaschen?“ Sie lachte. „Bei aller Liebe. Aber das war wirklich nicht so gemeint. Hast du es so aufgefasst?“


„Wie?“


„Dass ich dich irgendwie vernaschen wollte. Denn dann hätten wir ein Problem. Ein Kommunikationsproblem. Denn das war definitiv nicht so gemeint.“


Ich ging darauf nicht näher ein, aber da war wieder diese Ayla, die wusste, was sie wollte und keinen Zweifel ließ und gleichzeitig mit mir spielte. Ich war aber nicht überzeugt von ihren Worten.


„Du willst zusehen.“


„Aber nur ganz dezent.“


„Ist das nicht creepy? Uns zuzusehen, wie wir… Dinge machen. Voyeurismus nennt man sowas.“


„Ist auch nicht anders als Pornos zu gucken im Internet.“


„Dann wirst du sehr enttäuscht sein. Wir werden hier keinen Porno hinlegen.“


„Wer weiß!“


Ich schüttelte mich:


„Das ist doch eklig. Wir sind vielleicht bald Stiefschwestern! Wir sind verwandt. Wer schaut seiner Schwester bei solchen Sachen zu?“


„Wir werden definitiv keine Stiefschwestern. Das kannst du mir glauben. Was immer mein Vater und deine Mutter da miteinander haben, das wird niemals in einer Ehe enden. Mein Vater ist modern und alles. Aber der hat eine Familie in Anatolien, und die ist hardcore anatolisch. Meine Familie wird deine Mutter niemals akzeptieren. So klein und dick und kopftuchig kann die gar nicht werden.“


„Meinst du?“


„Absolut. Da kannst du einen drauf lassen. Wir werden keine Stiefschwestern, und mein Vater wird deine Mutter niemals meinen Eltern vorstellen. Ist also nichts dabei, wenn ich euch zusehe.“


Mir war das Gespräch unangenehm. Dass wir so über Marco sprachen, der neben uns stand. Es war, als nutzten wir ihn aus, als betrogen wir ihn vor seinen Augen. Aber vielleicht meinte es Ayla auch nicht so.


Marco musste sich nun mehr Mühe geben mit dem Aufblasen der Matratze. Sein Gesicht lief rot an, aber er blieb tapfer. Es war süß, wie er uns beeindrucken wollte, und als er uns stolz die aufgeblasene Matratze präsentierte, war ich auf eine seltsame Weise stolz auf ihn. Es fühlte sich an, als hätte er uns einen Dienst erwiesen, als wäre er ein Gentleman, der den hilflosen Mädchen geholfen hatte. Ein bisschen altmodisch, aber auch irgendwie süß.


Ayla bedankte sich, indem sie eine Umarmung andeutete, und dann nahm sie ihre Luftmatratze und entschwand ins Meer.


Und ich war allein mit Marco, mit dem ich kein Wort wechseln konnte, außer:


„Gracias Marco!“


Er sagte etwas, das sich nicht verstand und lächelte.


Ich schüttelte mein Badetuch aus und legte es auf den Strand, dass wir uns beide draufsetzen konnten.


Und so saßen wir da und schauten aufs Meer. Es gab nichts zu sagen, weil wir nichts sagen konnten.


Natürlich gab es eine Möglichkeit, mit ihm zu reden. Google übersetzte heutzutage alles. Wir hätten gegenseitig in unsere Handys sprechen und die Übersetzung ablesen können. Vielleicht würden wir das auch irgendwann tun, aber in diesem Moment war es nicht angemessen.


Stattdessen schwiegen wir nebeneinander. Aus den Augenwinkeln betrachtete ich seinen Körper. Jung, braungebrannt und so lecker.


Wir betrachteten Ayla, die auf ihrer Luftmatratze winkte, und winkten zurück.


Aber schließlich drückte ich ihm die Sonnenmilch in die Hand. Ich spürte die Sonne auf meinen Schultern, stand auf wie Ayla zuvor und dirigierte seine Beine auseinander. Wie ich es nicht verstanden hatte, so verstand er es auch nicht.


Ich setzte mich zwischen seine Schenkel, wie es Ayla bei mir getan hatte. Marco spritzte einen Klecks Sonnencreme auf seine Hand, und er begann, wie ich es bei Ayla getan hatte, damit, dass er meine Arme einschmierte.


Ich ließ es eine Weile geschehen, versuchte es zu genießen. Aber was blieb, was alles überschattete, war, dass es sich anfühlte, als würde sich das wiederholen, was Ayla mit mir gemacht hatte. Ich spürte seine Hände auf meiner Haut. Es war schön, Aber es fühlte sich nicht ganz richtig an. Im Hintergrund war immer Ayla.


Keine fünfzig Meter entfernt schwamm sie auf ihrer Luftmatratze. Sie trug ihre Sonnenbrille, sodass ich nicht erkennen konnte, ob sie uns beobachtete. Aber da sie es angekündigt hatte, ging ich davon aus.


Marco rieb mir nun die Schultern ein und schob meine Haare beiseite. Er strich über meinen Hals mit kräftigeren Fingern, nicht so sanft, wie ich es getan hatte. Aber ich war mir sicher, dass er sich auch die winzigen Härchen an meinem Haaransatz betrachtete. Er drehte sie zwischen seinen Fingern und kitzelte mich.


Ich bekam eine Gänsehaut und schüttelte mich. Wie ein kleiner Stromstoß wurde ich wachgerüttelt. Ich wollte die Situation in die eigenen Hände nehmen, mich von Aylas Version lösen. Also legte ich meine Hände auf Marcos Oberschenkel und begann sie zu streicheln.


Erst so ein bisschen spielerisch, aber nicht lange. Ich wurde ungeduldig. Wir wussten beide, was hier abging. Wir wussten beide, wo es hinführen würde.


Meine Hände strichen nun kräftig über seine Schenkel, und sie wollten hoch, zwischen seine Beine, in seine Shorts.


Aber so, wie wir saßen, war das unmöglich.


Ich rutschte etwas hin und her, aber dann wurde ich so ungeduldig, dass ich mich zu ihm umdrehte, und über ihn herfiel. Ich drückte seinen Körper in den Sand und warf mich auf ihn. Meinen Mund presste ich auf seinen, und für einen winzigen Moment fühlte ich seinen Widerstand, als wäre er sich nicht sicher, ob er das wollte. Es machte mich etwas wütend. Warum hatte er mich dann so angemacht? Aber dann öffneten sich seine Lippen, ließen meine Zunge in seinen Mund, und er küsste mich zurück. Meine Hände fuhren gierig über seinen Körper, seine Muskeln. Ich wollte es jetzt. Ich musste ihn haben. Es war so befreiend, dass diese Spielchen endlich beendet waren. Mein Körper auf seinem, meine Lippen auf seinen. Ich drückte ihn in den Sand. Meine Hände wühlten in seinen Haaren, dann im Sand. Ich über ihn gebeugt wie eine Raubkatze über ihre Beute.


Was bekam Ayla zu jetzt sehen? Wie ich mich gehen ließ, wie ich zeigte, wie notgeil ich war, wie es mir egal war.


Sie allein auf ihrer Luftmatratze im Meer. Ich mit Marco im Sand.


Warum dachte ich überhaupt ständig an sie?


Ich schob sie aus meinem Kopf, packte seinen Körper und wälzte mich mit ihm im Sand, bis ich unter ihm lag.


Sein schwerer Körper auf meinem, mein Haar, das in den Sand gedrückt wurde. Ich würde den Sand noch Tage in meinen Haaren haben.


Ich genoss seinen Körper, seine Berührungen, und ich weiß nicht, wo das alles geendet hätte, wenn ich nicht eine Stimme neben mir gehört hätte:


„Tut mir leid Leute, aber mir ist richtig kalt! Sorry!“


Ayla stand neben uns, und ich musste den Hals verrenken, um zu ihr aufzusehen.


Ich seufzte.


Marco löste sich von mir, sah Ayla an, dann mich vollkommen verständnislos. Ich zuckte mit den Schultern, zeigte auf ihre Gänsehaut. Ich richtete mich auf, schüttelte Sand aus meinen Haaren und atmete tief durch.


„Wirklich. Tut mir leid! Es ist richtig kalt im Wasser. Ich wusste nicht, wohin. Ich kann ja schlecht zum Hafen schwimmen oder so.“


„Schon gut. Ist ja nichts passiert.“


Natürlich hätte sie sich dezent an den Rand er Bucht setzen können.


Ayla kramte ihr Handtuch hervor und trocknete sich ab. Dann legte sie sich ihr Handtuch um die Schultern und meinte:


„Rutscht mal.“


Sie setzte sich zu uns auf mein Handtuch mit mir in der Mitte.


Es entstand Stille.


Ich trauerte dem vergangenen Moment nach und sah meinen Hormonen hinterher, wie sie meinen Körper verließen. Wehmütig.


Da saßen wir jetzt und schauten schweigend aufs Meer.


Schließlich begann Ayla ein Gespräch:


„Wars denn schön?“


„Du meinst, bevor du uns unterbrochen hast? Da wars richtig schön.“


„Wie gesagt, es wurde richtig kalt im Wasser. Und ihr habt euch ja auch Zeit gelassen.“


„Nicht genug Zeit.“


„Bist du sauer? Wie gesagt, tut mir leid…“


„… aber das Wasser war kalt.“


„Genau.“


Während Ayla und ich umständliche Worte wechselten, hatte auf meiner anderen Seite Marco meine Hand gefunden und streichelte sie.


Er rückte ein wenig näher, bis unsere Schultern sich berührten.


Wie Teenager. Unbeholfen, schüchtern. Ein Flashback zu vergangenen Zeiten. Als ich fünfzehn war und Händchen hielt mit Lars aus meiner Klasse, der sich für mich interessierte und in den ich total verknallt war.


Es war alles komisch, unglaublich dramatisch. Nicht unbedingt Zeiten, die man zurückhaben wollte.


Und nun Marcos Hand. Alles ein bisschen verdruckst und versteckt, weil ich nicht wollte, dass Ayla sich weiter lustig machte. Sie mischte sich zu sehr ein, war das dritte Rad am Wagen. Aber es war nicht zu ändern. Und jetzt hielten Marco und ich Händchen.


Versteckt, aber auch ein bisschen casual. Nebensächlich. Wie so ein Paar, das sich gerade gefunden hatte, aber das Gefühl hatte, zusammenzugehören. Dabei hatten wir nur ein bisschen geknutscht.


Und nun sprachen wir mit unseren Händen, und Marco zeigte mir, dass er nicht nur einen großartigen Body hatte, sondern auch romantisch sein konnte.


Auf der anderen Seite Ayla, die vielleicht nur so tat, als bekäme sie nichts mit von dem, was zwischen uns passierte. Sie ging mir auf die Nerven mit ihren Einmischungen.


Ich brauchte eine Weile, bis ich ihr verziehen hatte.


„Ich habe übrigens gestern Nacht noch etwas Cooles erlebt.“


„Gestern Nacht? Wo… und wann?“ Ihre Stimme klang misstrauisch.


„Gestern Nacht, hinter dem Haus, wo Maria wohnt.“


„Was hat du erlebt?“


„Ich bin noch was rumgelaufen in der Dunkelheit. Wollte das Grundstück auskundschaften.“


„Auskundschaften?“ Der Spott in ihrer Stimme war unüberhörbar. „Und da hast du was entdeckt.“


„Ich bin ganz bis zum Ende des Grundstücks gelaufen. Wo die ganzen Olivenbäume stehen. Ganz am Ende ist ein Hügel, dahinter das nächste Grundstück.“


„Okay.“


„Ich bin also da hochgekraxelt, weil ich hinter diesem Hügel ein Licht gesehen habe. Und da ist dieses Haus. Richtig groß und teuer. Mit Glaswänden. Fett luxuriös. Da war dieser Typ, der sich total seltsam verhielt, war so um die vierzig. Er trainierte und gleichzeitig redete er mit seinem Computer. Total seltsam.“


„Den musst du mir zeigen!“


Ayla war interessiert.


„Definitiv. Heute Abend?“


Sie zögerte für einen winzigen Moment.


„Klar… Heute Abend.“


„Oder hast du was vor.“


„Was soll ich vorhaben?“


„Super!“


Wir quatschten noch ein bisschen, während Marco Sand über meine Hand rieseln ließ und Ayla tat, als bekäme sie das alles nicht mit.


Den Rest des Tages verbrachten wir sonnenbadend. Nebeneinander, alle drei zusammen. Mit mir in der Mitte.


Ayla kramte ihr Handy heraus, und ich ging mit Marco ins Meer.


Er zeigte mir wieder seine Kraft, in dem er mich packte, mich an den Hüften hochhob, ins Meer warf. Und ich quietschte, tat, als kämpfe ich gegen ihn, spielte das kleine Mädchen. Er packte mich, hielt mich fest, und ich tat, als könnte ich mich nicht befreien, als wäre ich schwach und hilflos.


Seine Männlichkeit zwischen den Schenkeln wuchs, und während unserer kleinen Kämpfe berührten meine Hände diese immer mal wieder ganz zufällig.


Er presste mich an sich, mein Bauch rieb sich an seinen.


Ayla saß am Strand, schaute auf ihr Handy, aber immer wieder hob sie ihren Blick und beobachtete uns.


Es war mir egal. Ich packte Marco, umschlang meine Beine um seine Hüften, presste meine Lippen auf seine. Unsere Küsse wie saure Gummibärchen. Süß, aber auch salzig vom Meerwasser.


Die Sonne auf unserer Haut.


Und jetzt war ich diejenige, die die Initiative übernahm, die ihn führte, deren Zunge in seinen Mund eindrang. Wieder warf ich ihn auf mich, und er ließ es erst geschehen, sichtlich scheu zunächst, und erst langsam gewann er an Mut. Ich musste seine Hand nehmen und auf meine Brust legen, und da ließ er sie erst liegen, unsicher, was er tun sollte. Erst nach einer Weile strich er über den Stoff meines Bikinis und meine harten Nippel. Ich genoss es, schaute einmal zum Strand zu Ayla, dann schob ich Marco so, dass er dem Strand seinen breiten Rücken zudrehte und dann hob ich meine Brust aus dem Körbchen. Marco sah sie erst fasziniert an, streichelte sie dann langsam und schließlich nahm er allen Mut zusammen und beugte sich hinunter, um sie zu küssen, und seine Zunge umspielte sie, dann saugte er daran, und ich schloss die Augen und genoss seine Aufmerksamkeit einfach und quetschte ihn wie eine Orange bis zum Letzten aus.

6. Kapitel


„Sollen wir los?“


„Okay.“


„Wo wollt ihr hin?“, wollte Mama wissen.


„Ach, nur ein bisschen rumlaufen.“


„Wo wollt ihr denn hinlaufen? Hier ist doch weit und breit nichts.“


„Nirgends. Wir laufen nur hier auf dem Grundstück ein bisschen rum. Ganz normal.“


„Ganz normal?“


„Ja, ganz einfach, ganz normal.“


Es gab eigentlich keinen Grund, meiner Mutter nicht zu sagen, was wir vorhatten. Aber es fühlte sich passender an, wenn es geheimnisvoll war.


Also stapften wir los. Ayla und ich in die Dunkelheit. Bewaffnet mit den Taschenlampen unserer Handys und ganz viel Entdeckergeist. Zumindest ich hatte den. Ayla war zumindest neugierig. Vielleicht fand sie es albern oder kindisch, weil sie immer so souverän auftrat und so eine taffe Ausstrahlung hatte. Aber wenn es sie störte, sagte sie es nicht, sondern folgte mir.


Schließlich blickten wir auf das Haus. Alle Zimmer waren erleuchtet wie am Tag zuvor. Der Mann stand in der Küche und kochte.


Er trug nichts als schwarze Shorts.


„Wow Du hast mir gar nicht gesagt, wie sexy der ist!“


„Findest du? Okay, er sieht ganz gut aus, aber der ist ja auch schon, wie soll ich sagen, reifer.“


„Reifer? Der ist noch keine vierzig!“


„Aber auch nicht mehr in den Zwanzigern. Guck doch, der kriegt schon graue Haare.“


„Aber sein Body! Sieh dir den an. In einem Kampf auf Leben und Tod würde der deinen Marco mit einer Hand zermalmen.“


„Niemals.“


„Sollen wir wetten?“


„Und wie willst du das herausfinden? Ich glaube nicht, dass wir die beiden dazu kriegen, sich für uns auf Leben und Tod zu bekriegen.“


„Da hast du vielleicht recht. Trotzdem sieht der total heiß aus. Graue Haare, aber total durchtrainiert.“


„Der kocht in seiner Unterhose.“


„Das sind Shorts.“


„Unterhose, sage ich.“


„Du knutschst mit kleinen Jungen, woher nimmst du den Glauben, irgendeine Ahnung über diesen Mann zu haben?“


Ich wechselte das Thema:


„Was wissen wir über ihn?“


„Er kocht Nudeln und schneidet Tomaten.“


„Ich glaube, das sind Paprika.“


„Hinter dem Herd sehe ich Käse. Hartkäse. Parmesan tippe ich.“


„Er sieht aber nicht wie ein Italiener aus.“


„Definitiv nicht. Obwohl er verdammt braun gebrannt ist.“


„Siehst du Fleisch oder Fisch oder so?“


„Ne. Meinst du, der ist Vegetarier?“


„Vielleicht sogar vegan?“


„Könnte ich mir vorstellen. Wer in so einem Haus wohnt, der ist auch vegan.“


„Ist das sein Haus?“


„Bestimmt. Der sieht genauso aus wie ein Mann, der sich ein Haus aus Glas und Zement baut.“


„Ich glaube, das ist Beton. Nicht Zement.“


„Wo ist der Unterschied?“


„Weiß ich nicht, aber Zement ist was anderes als Beton, und bei solchen Sachen sprechen die Leute immer von Beton. Zement kriegt man im Baumarkt.“


Ayla sah mich: „Architektin oder was?“


„Ich meine nur.“


„Meinetwegen Glas und Beton. Aber es ist definitiv sein Haus.“


„Wie kommt der denn in dem Alter schon an so viel Geld?“


„Gerade fandst du ihn noch alt.“


„Der ist zu alt für uns, aber noch zu jung, um sich so ein Haus leisten zu können. Das hat doch Millionen gekostet.“


„Ja und?“


„Vielleicht ist es das Haus von seinem Vater.“


„Das ist seins. Typen, die vegane Pasta kochen, bauen sich solche Häuser. Wenn er einen reichen Vater hätte, wäre alles weiß und vergoldet.“


„Vielleicht ist es sein Haus, aber er hat das Geld dafür geerbt von seinem reichen Vater.“


„Den er selbst um die Ecke gebracht hat, um ans Geld zu kommen?“


„Wo du es erwähnst, warum nicht?“


„Wenn er ein reiches Söhnchen wäre, würde er gelbe Polohemden tragen.“


Ich lachte.


„Wirklich? Tun das alle reichen Söhne, die ihre Väter umgebracht haben, um zu erben?“


„Absolut tun die das.“


„Ich glaube, dass der sich das selbst erarbeitet hat. Das ist sein Haus, das er sich mit seinem Geld nach seinen Wünschen gestaltet hat. Und weil er so hart gearbeitet hat, sieht es auch so bescheiden aus.“


„Das sieht doch nicht bescheiden aus.“


„Aber der Stil ist so.“


„Wie hat er denn das Geld gemacht?“


„Mafia. Ganz klar. Definitiv. Legal kann man nicht so schnell so reich werden. Der ist Mafiaboss.“


„Mafiabosse sind nicht vegan. Die essen viel Fleisch, weil sie männlich sein wollen. Außerdem sind Mafiabosse nicht so gebildet. Die habe sich aus einem Ghetto hochgearbeitet und dabei ihre Feinde gekillt. Die haben keine Schulabschlüsse und keine Ahnung von schicker Architektur. Mafiabosse haben Häuser aus Marmor und alles vergoldet.“


„Ja, aber der ist anders. Deshalb ist er auch ausgestiegen.“


„Wieso ist der ausgestiegen?“


„Der versteckt sich. Der wohnt allein in einem riesigen Haus hinter einem Hügel.“


„In einem Haus aus Glas. So richtig versteckt ist das nicht.“


„Wo ist seine Crew? Seine Gang? Wo sind seine Bodyguards? Der hat die Nase voll vom Töten, und deswegen versteckt er sich in seinem Haus vor seiner Familie und seinen Feinden, die ihn fertigmachen wollen.“


„Er versteckt sich auf Malle?“


In der Zwischenzeit hatte der Mann seine Tomaten oder Paprika angebraten, gewürzt, seine Nudeln abgeschüttet, das ganze vermengt, sich eine Flasche Wein aufgemacht und an einen Tisch gesetzt, der auch aussah, als wäre er aus Beton. Er schaute beim Essen auf sein Laptop, und gleichzeitig lief das Fernsehen auf dem Flatscreen. Wir konnten nicht genau sehen, was er sich da ansah, aber es sah nach einem Nachrichtensender aus. Am Bildrand liefen Laufbänder, und von Zeit zu Zeit wurden Statistiken eingeblendet.


„Der ist Aktienbroker. Ich sag’s dir. Broker haben auch solche Häuser.“


„Und er macht seine Geschäfte aus einem Haus am Ende der Welt? Dann wäre er in New York oder London oder so. Aber nicht auf Malle.“


Es war witzig, wie wir da spekulierten über diesen seltsamen Typen, den Ayla attraktiv und ich zu alt fand.


Ayla und Ella auf der Jagd nach dem Mafiabroker im Haus aus Glas und Beton. Ich lernte neue Seiten an ihr kennen.


„Einen Wein hätte ich jetzt auch gerne.“


„Soll ich einen holen gehen?“


Ayla sah auf die Uhr.


„Lass mal, das ist ja ein ziemlicher Weg.“


„So weit ist das nicht. Ich geh gerne.“


„Nein, schon gut. Außerdem ist mir kalt.“


„Ich bringe dir auch eine Jacke mit.“


„Danke, aber lass mal. Außerdem muss ich weg.“


„Weg? Hast du noch was vor?“


„Ich habe… jemandem einen Anruf versprochen.“


„Skype? Mach’s doch hier. In der Zwischenzeit hole ich Wein, Jacken und vielleicht hat Maria noch was Brot mit Aioli für uns. Das klingt doch super oder nicht?“


„Klingt gut, aber wie gesagt. Außerdem geht es mir nicht so gut.“


„Hast du was?“


„Alles in Ordnung. Ich meine nur. Morgen Abend kommen wir wieder. Versprochen.“


„Okay, versprochen. Hoffen wir nur, dass seine Mafiafamilie ihn bis dahin nicht kaltgemacht hat.“


„Wenn du willst, kannst du aber gerne noch hierbleiben und ihn weiter observieren. Ich finde auch allein zurück.“


„Nee, ist schon gut. Ich komme mit. Mir ist auch kühl.“


„Wirklich? Wäre kein Problem für mich.“


Wir kletterten gemeinsam den Hügel hinunter und gingen zurück zur Finca. Ich fragte mich, was in Ayla gefahren war, warum sie so plötzlich zurückwollte und was sie noch vorhatte. Den Anruf nahm ich ihr nicht ab. Sie scherzte auf dem Weg zurück weiter über diesen Mann, und ich spielte mit. Aber es klang nicht überzeugend, was sie so sagte. Bemüht, als wären ihre Gedanken irgendwo anders. Als wollte sie davon ablenken, dass ich ihr auf der Spur war. Ich spielte trotzdem mit, und wir erfanden noch Geschichten, dass er ein Bauunternehmer war, der eine neue Form des Betons erfunden hatte, die so erfolgreich war, dass er sich aus dem Berufsleben zurückziehen konnte, und wie sich herausstellen sollte, waren wir damit sehr viel näher an der Wahrheit, als wir glaubten.


Ich spielte mit, und das Geheimnis um Aylas Termin rückte in den Hintergrund.


Warum sollte sie nicht Geheimnisse haben? Ich hatte die ja auch.

7. Kapitel


Der nächste Tag brachte eine Abwechslung.


„Leider kann Marco euch nicht zum Strand bringen. Er muss arbeiten. Das tut mir sehr leid. Ist das ein Problem?“


Ich hatte das Gefühl, dass Maria mit der Frage mich meinte.


Natürlich war das kein Problem. Es wurde auch keines, als sie die Frage wiederholte. Aber es ärgerte mich, dass sie von mir und Marco wusste. Nur Ayla, er und ich wussten davon. Ich hatte Ayla noch extra gebeten, niemandem davon zu erzählen.


Vor allem wollte ich nicht, dass Mama davon wusste. Auf ihre Kommentare und Ratschläge konnte ich gut verzichten. Vor allem wusste man nie, was sie einem riet. Es konnte schonmal sein, dass sie mir noch mit solchen Tipps kam wie: Ich soll vorsichtig sein, dass ich mir nichts einfange. K&K: Krankheiten oder Kinder, im schlimmsten Fall beides! Mama war da unberechenbar. Es könnte auch sein, dass sie mir vorschwärmte, wie toll sie Marco fände und dabei in Zweideutigkeiten verfiel, die ich peinlich fand. Ich wollte mich nicht unbedingt fremdschämen für sie, wenn sie von sexuellen Diensten schwärmte, die sie von ihm gerne empfangen würde. Man konnte nie so genau wissen, welche Reaktion Mama zeigte. Sie hatte mir schon Details über das Verhalten Ahmeds im Schlafzimmer berichtet, die ich nun wirklich nicht wissen musste. Und als ich ihr das gesagt hatte, hatte sie gelacht und gemeint, ich solle nicht so prüde sein.


Daher war es mir relativ wichtig, dass sie nichts von Marco wusste. Aber es war zumindest schon bis zu Maria gedrungen. Die Frage war nur, wie.


Marco erschien mir zu schüchtern, um diese Sache heraus zu posaunen. Er war mir irgendwie nicht der Typ, der solche Dinge in der Welt verbreitete. Nicht, dass ich irgendwas Substantielles über seinen Charakter sagen konnte. Eher hatte ich Ayla im Verdacht. Ich hatte sie gebeten, das alles für sich zu behalten, und sie hatte es mir versprochen. Aber Ayla war nicht der Mensch, dem ich zu hundert Prozent vertraute. Sie war mir immer noch zu mysteriös und durchtrieben. Hatte sie meiner Mama von mir und Marco erzählt? Und die hatte es dann an Maria weitergetratscht? Es wäre eine Kleinigkeit, aber eine, die mich ärgern würde. Aber da ich nichts tun konnte, die Sache nur noch schlimmer machen würde, wenn ich davon erzählte, ließ ich es auf sich beruhen.


Maria versuchte uns zu trösten, obwohl wir gar nicht so enttäuscht waren, und erzählte uns, dass Marco uns eingeladen hatte, am nächsten Abend etwas mit seinen Freunden zu unternehmen. Ayla und ich sahen uns an. Ich konnte nicht sagen, was sie dachte.


Ich fand es nett. Marco zu sehen und einen Abend mit seinen Freunden zu verbringen. Wenn sie so alt waren wie er, also ein paar Jahre jünger als wir, dann könnte das spaßig werden. Ein Sprung in die Vergangenheit mit Partymusik, Alkohol und vielen Hoffnungen, die sich vielleicht nicht verwirklichten. Aber am Ende wäre man doch glücklich. Ein Schritt zurück in die Unbeschwertheit der Jugend. Als man sich noch keine Gedanken machte über seine Zukunft, sondern in den Tag lebte. Ich in den Armen Marcos, der mit mir vor seinen Freunden angab, mich als seine Trophäe herumzeigte. Mir würde das schmeicheln. Er würde mir seine Freunde vorstellen. Niemand würde den anderen verstehen, aber es wäre auch vollkommen egal. Wir würden lächeln und zusammen lachen. Ayla würde sich auch jemanden angeln, und ich würde zuschauen, wie sie mit einem großen, starken Spanier knutschte, der sie gegen eine graue Wand presste mitten in der Nacht. Über ihr eine Lampe, um die sich die Motten scharten. Ihre Schulter an der Wand gelehnt, ihre Brust nach vorne gestreckt, ihre Hüfte, die sich an seiner rieb. Er würde sie festhalten, und sie würden sich küssen, und ihr Kuss wäre roh und animalisch, und es schien fast wie ein Kampf um die Kontrolle zu sein, den beide um keinen Preis verlieren wollten. Die distinguierte Ayla, die sich verführen ließ von einem einfachen spanischen Dorfburschen.


Marco und ich würden den beiden zuschauen, und dann würden wir uns einander zuwenden und uns auch küssen. Aber anders. Sanft und gefühlvoll, voller Hingabe und Zuneigung. Ich würde ihn festhalten und von ihm festgehalten werden, und ich würde mir vorstellen, wie meine Liebeshormone in seinen Körper und seine Blutbahn geschwemmt würden, und er würde wissen, wie ich mich fühlte, und ich würde sein Testosteron in meiner Seele spüren. In so einem Augenblick, den man nie verlieren möchte, und an den man sich noch oft zurück erinnern wird.


So stellte ich mir das vor. Kitschig, ich weiß.


Ayla hatte allerdings ganz andere Vorstellungen, wie sie mir später erzählte. Sie hatte keine Lust auf diese „Kinderspielchen“.


„Kann man vorstellen, wie das wird. Wir mit einem Haufen Kindern an einer Tankstelle. Mit Jungs und Mädchen, die gerade mal ein paar Haare da unten herausgepresst haben und uns ihre Tricks auf dem Skateboard zeigen wollen. Und wir schauen zu. Riechen den Gestank von Benzin und saugen an unseren Strohhalmen aus Coladosen.“


„So schlimm wird es schon nicht werden!“


Ich werde mich nicht auf den Gepäckträger eines Fahrrads setzen und von einem fünfzehnjährigen Bubi abschleppen lassen! Hinter ein Restaurant, um mich da zwischen den Mülleimern mit Fischabfällen befummeln zu lassen.“


„Musst du ja auch nicht! Wir sehen uns das an, und wenn wir keinen Bock mehr haben, dann machst du einen auf krank und ziehst einen Tampon aus der Tasche, und mit dem fuchtelst du ein wenig vor den fünfzehnjährigen Typen rum, und dann werden die ganz viel Angst kriegen vor so viel Frau, und niemand wird sich trauen mit dir hinter das Restaurant zu den Fischabfällen zu gehen.“


Ich war stolz auf meine Schlagfertigkeit und ein bisschen sauer, dass sie mir meine Vorfreude verderben wollte.


„Gute Idee. Ich nehme dich beim Wort! Und das mit den Tampons werde ich durchziehen. Kannst du mir glauben!“


„Mach das!“


Ich legte mich wieder auf meine Liege und versuchte mir meine Version des Abends ins Gedächtnis zu rufen. Aber irgendwie war das Bild vom Knutschen zwischen den Fischabfällen stärker. Jetzt tauchten in meiner Einbildung auch noch Ratten auf. Riesige graue Ratten, groß wie kleine Hunde, die von uns aufgescheucht waren und quietschend davonliefen. Bis auf eine besonders große, die sich vor uns drohend aufrichtete und uns anzischte. So viel zu meinen Phantasien.


Wir verbrachten also den Tag am Pool. Mama, Ayla und ich wurden von Maria versorgt, die sich rührend um unser Wohlbefinden kümmerte und immer wieder Getränke brachte und Snacks in Form von geschnittenen Früchten und Knabberzeugs.


Mama hatte sich zwei Tische zurechtgeschoben, auf denen ihre Bücher, der Laptop und Papiere ausgebreitet lagen. Sie saß unter einem großen Sonnenschirm wie die große Chefin.


Einmal lud Mama Maria ein, sich zu ihr zu setzen, und sie plauderten ein wenig über das Leben in Deutschland und in Spanien.


Ich beteiligte mich nicht an dem Gespräch, fand es aber interessant. Es stellte sich schnell heraus, dass meine Mama nicht verstehen konnte, wie man damit zufrieden sein konnte, Haushälterin zu sein. Sie bestand darauf, dass die Arbeit doch eintönig sein müsse. Maria antwortete freundlich, aber sie hielt sich sehr zurück in ihrer Antwort. Ich konnte erkennen, dass sie nicht die einfache Bedienstete war, die nur putzte und kochte und damit ausgelastet war. So wie die weiße Strähne in ihrem Haar nicht zu ihrem Aussehen passte, ihm aber etwas Besonderes verlieh, so passte sie auch meiner Ansicht nach nicht in diesen Job. Ich hätte sie eher in der Rolle einer Businessfrau gesehen, die ein Unternehmen leitet. Aber nicht als Haushälterin. Ich hätte sie mir auch gut vorstellen können in Aylas Job. Zumindest besser als Ayla selbst. Wie gut die wirklich im Umgang mit Menschen war, konnte ich nicht mit Sicherheit sagen, aber ich glaube, sie war bei den Mitarbeitern nicht sehr beliebt.


Maria sprach sehr gut Deutsch, machte nur selten Fehler und benutzte manchmal erstaunlich komplizierte Wörter. Sie war unglaublich ruhig in ihrer Ausstrahlung. Ihre Bewegungen waren ganz kontrolliert und reduziert, als wäre alles genau überlegt. Fast wie eine Geisha. Trotzdem strahlte sie Wärme aus über die braunen Augen und die kleinen Fältchen, wenn sie lächelte.


Auch wenn Maria es nicht sagte, so konnte ich deutlich erkennen, dass sie Mama für ihren Arbeitseifer kritisierte und es nicht verstand, dass sie in ihren Ferien Tag und Nacht arbeitete. Sie sagte so etwas wie: „Es gibt viele Wege glücklich zu werden, und jeder muss seinen eigenen finden.“


Klang ein wenig wie ein Kalenderspruch, aber ich nahm an, dass es ein spanisches Sprichwort war oder so.


Aber sie äußerte diese Kritik so dezent, dass Mama es nicht verstand. Aber ich verstand sie. Es ärgerte mich auch, wie viel Arbeit Mama investierte für nichts. Statt ihren Erfolg zu genießen, wollte sie schon den nächsten. Dabei musste sie sich nichts beweisen. Aber Mama sah das wohl anders. Sie hatte ein schlechtes Gewissen, dass sie so lange Hausfrau gewesen war und mich großgezogen hatte, statt Karriere zu machen. Jetzt wollte sie all das nachholen, was sie versäumt hatte. Ein neuer Job, ein neuer Mann, ein neues Leben mit neuem Stress. Wir waren schließlich nur hier, weil Mama in ihrem Job dem Chef eine Menge Geld gespart hatte und er uns aus Dankbarkeit seine Finca überlassen hatte. War für ihn sicherlich billiger, als einen fetten Bonus zu zahlen.


Ayla hingegen schien kribbelig zu sein. Sie saß zunächst auf der Liege. Vorher durfte ich sie eincremen, und ich war ein wenig traurig darüber, dass ich das ganz nüchtern machen musste, denn ich wollte nun wirklich nicht, dass Mama was davon mitbekam, wie neckisch wir das in den letzten Tagen gemacht hatten.


Trotzdem juckte es mir in den Fingern, und einmal schlüpften sie tiefer in ein Körbchen von Aylas Bikinioberteil als nötig. Ayla atmete tief ein und presste damit ihre Brust gegen meine Hand. Das führte dazu, dass ich ihre Brustwarze berührte, was gar nicht meine Absicht gewesen war. Als ich sie ansah, grinste sie kurz und flüsterte mir gespielt vorwurfsvoll zu:


„Na, na, na!“


Mama hatte davon nichts mitbekommen.


Aber das war nur ein winziger Moment, auch wenn ich noch eine Weile ihre Brustwarze auf meiner Fingerkuppe fühlte. Und meine Finger erinnerten sich noch lange an die Wölbung ihrer Brust. Klein, aber straff und ein Maler hätte nach Jahrzehnten der Übung keine so schöne Rundung hinbekommen. Die Welt war ungerecht.


Als Maria mit kühlen Getränken kam, dirigierte Ayla meine Finger und mich und presste sich gegen meine Finger, wie eine Katze, die ihre Streicheleinheiten genoss. Dabei schaute sie gespielt unbeteiligt zu ihr hinüber.


Ich fand es süß, dass sie sich für Maria so ins Zeug legte, wusste aber nicht, ob sie sie provozieren wollte. Von wegen Muslimas, die was mit Frauen hatten oder so. Nach dem Eklat am ersten Abend war nichts Auffälliges mehr passiert zwischen den beiden. Ayla behandelte Maria besonders freundlich, als wollte sie ihr zeigen, dass sie sich falsch verhalten hatte und um Verzeihung bat. Maria behandelte Ayla vollkommen normal und nicht anders als mich auch.


Ayla jedenfalls konnte nicht ruhig auf ihrer Sonnenliege bleiben. Immer wieder stand sie auf, ging ins Haus, holte irgendwas, setzte sich wieder, rückte ihre Liege zurecht, legte sich hin, dann rückte sie sie wieder zurecht.


Vor allem fiel mir auf, dass sie ständig ins Haus ging. Als mochte sie die Sonne nicht.


Ich fragte sie, ob alles in Ordnung sei, aber sie meinte, alles wäre großartig.


Ich hatte damit keine Probleme, lag in der Sonne, tat nichts, vermisste nichts, dachte hin und wieder daran, was Marco wohl gerade tat und vermisste ihn irgendwie, obwohl ich gar nicht so genau sagen konnte, was ich mit ihm gerne angestellt hätte.


Nach dem Abendessen freute ich mich darauf, mit Ayla den Typen im Glashaus zu beobachten. Aber sie war einfach verschwunden. Wir hatten so etwas wie eine vage Verabredung gehabt.


So nach dem Motto: „Gehen wir morgen wieder zu dem Mafiaboss?“


„Total gerne.“


Aber als ich loswollte, war Ayla nirgends zu sehen. Weder unten, noch in ihrem Zimmer, auch Mama wusste nichts. Ich textete sie an, aber sie antwortete nicht.


Es war seltsam, aber vielleicht wollte sie nur ihre Ruhe haben.


Da stand ich nun, wusste nicht so recht, was ich tun sollte und entschloss mich schließlich, allein zu dem Haus zu gehen. Es war noch relativ hell, und so konnte ich zum ersten Mal mehr von dem hübschen Olivenhain sehen mit den wunderbar verkrüppelten Bäumen. In den Bäumen sangen Vögel, und der Sonnenuntergang tauchte das Ganze in ein angenehmes Licht.


Der Mann war zwar da, allerdings tat er nichts Spannendes. Er trainierte. Er lag auf seiner Hantelbank und machte Übungen für den Brustkorb, dann Liegestütze, dann sprang er Seilchen und so weiter.


Es war wirklich nichts Interessantes, und doch genoss ich es, an einen Baum gelehnt zu sitzen, und ihm zuzuschauen bei etwas, das ganz offensichtlich verboten und damit spannend war. Es war besser, als fernzusehen, denn es war real. Auch wenn nichts wirklich Spannendes passierte.


Leider war sein Verhalten nicht sehr interessant. Er benahm sich nicht komisch, diktierte nichts in seinen Laptop, war nicht aufgewühlt oder sonst wie auffällig. Ich versuchte das Spielchen mit Ayla weiterzuführen und herumzuspinnen, was es mit ihm wohl auf sich haben könnte, aber ohne ein Gegenüber, mit dem man Ideen austauschen konnte, war das alles nicht das Wahre.


Als er fertig war und unter die Dusche ging, brach ich auf und verschwand. Um genau zu sein, wartete ich noch, bis er wieder rauskam, in der Hoffnung, dass ich ihn vielleicht nackt sehen konnte.


Irgendwie war er doch ganz attraktiv, wenn ich es mir genau überlegte. Er war zwar älter und definitiv nicht mein Typ, aber ich fragte mich, ob er nicht vielleicht total viel Erfahrung hatte. Man sagte immer, das ältere Männer besser im Bett wären, weil sie sich nicht nur um sich kümmern würden. In meiner Phantasie hatte er sich drei Jahre vor der Mafia in einem indischen Ashram versteckt und da die Liebeskünste studierte. Unter anderem, wie man Frauen stundenlang beglücken konnte. Ich sah vor meinen Augen, wie er mit seinen trainierten Armen den schlanken Körper Aylas durch das Haus trug, auf den Boden legte und zwischen ihren Schenkeln verschwand, um zwischen ihren Lippen irgendwelche Kamasutra-Praktiken anzuwenden. ‚Die Brillenschlange hypnotisiert die Lotusblüte‘ hätte mich besonders interessiert. Der Schweiß auf ihrer Haut, der sich langsam an der Brust sammelte, die ich schon berührt hatte, und in einem Tropfen der Erregung ihre perfekte Brust hinunterlief und sie dabei zusätzlich geil machte. Er würde es sich zwischen ihren Schenkeln beliebt machen und so lange mit ihr spielen, bis sie um Erlösung winselte. Einfach weil er es konnte.


Aber als er wieder erschien, hatte er sich ein großes weißes Handtuch um die Hüften gebunden. Ich war enttäuscht. Wenn ich so abgeschieden leben würde, würde ich splitterfasernackt durch mein Haus laufen. Schließlich gab es niemanden, der ihn sehen konnte. Warum also ein Handtuch? Zumindest hätte er mir die Freude machen können, sich mir nackt zu präsentieren. Auch wenn ich über die Entfernung nicht viel hätte sehen können von seiner Männlichkeit.


Damit machte ich mich auf den Weg zurück. Ich war ein wenig enttäuscht, hätte gerne meinen kindlichen Forscherdrang noch weiter befriedigt, und ich sollte noch auf meine Kosten kommen. Denn auf dem Rückweg sah ich Licht in dem kleinen Haus neben der Finca. Also schlich ich hinüber, in der vagen Hoffnung, vielleicht doch noch Marco zu sehen und mit ihm durch die Nacht zu spazieren. Vielleicht zurück auf den Hügel zu dem Haus aus Glas und Beton. Wir würden stumm nebeneinandersitzen, Händchen halten, dem Mann zusehen. Irgendwann würde es zu langweilig werden und wir würden miteinander knutschen und vielleicht auch mehr tun.


Ich schlich mich näher, kroch unter das Fenster, bewegte meinen Kopf langsam hoch, bis ich durch das Fenster schielen konnte, und da bot sich mir ein wirklich seltsames Bild:


Am Küchentisch saß Maria und schälte mit einem kleinen Küchenmesser eine Orange. Auf dem Küchentisch stand eine Schale mit Orangen. Maria schnitt bedächtig und langsam, wie zur Meditation. Als sie sich eine Scheibe abgeschnitten und die weißen Fitzelchen beseitigt hatte, steckte sie sich diese in den Mund, lutschte erst daran, als genieße sie, und zerbiss sie dann. Es sah ziemlich sinnlich aus, fast schon erotisch. Sie lehnte sich zurück, schloss die Augen und schien vor Genuss zu seufzen, was mir seltsam vorkam. So toll war eine Orange ja nun auch wieder nicht.


Sie schnitt eine weitere Scheibe aus der Apfelsine, ließ die Schale aber unter den Tisch fallen. Ich war überrascht darüber. Wer warf denn die Abfälle einfach so unter den Tisch? Sie zupfte die weißen Teilchen säuberlich ab, noch genauer als bei der letzten, und dann ließ sie diese auch unter den Tisch fallen.


Was sollte das?


Ich hob meinen Kopf, dass ich unter den Tisch schauen konnte, und musste einen Überraschungsschrei unterdrücken. Denn unter dem Tisch hockte Ayla.


Ich konnte gerade noch sehen, wie sie das Stück vom Boden aufhob und in ihren Mund steckte. Neben ihr lagen säuberlich nebeneinander gereiht Apfelsinenschalen.


Wie unhygienisch!


Ich konnte sehen, dass Aylas Bluse geöffnet war. Allerdings verdeckte der Stoff ihre Brüste. Sie biss in die Orange, dann beugte sie sich hinunter und küsste Marias nackte Füße. Ihre langen offenen Haare hingen ihr ins Gesicht.


Was passierte da gerade? Wo war ich hineingeraten? Ich war fasziniert von dieser Szene. Voller Hingabe, aber ganz sanft küsste sie die Füße.


Maria hatte sich wieder nach vorne gebeugt. Bevor sie das nächste Stück aus der Apfelsine schnitt, griff sie unter den Tisch, fand Aylas Kopf, streichelte über ihre Haare, dann griff sie nach einer Strähne, wickelte sie sich um die Hand und zog Ayla zu sich. Die gehorchte, richtete sich auf wie eine Katze und wartete geduldig, wie Maria Aylas schöne lange Haare durch ihre Finger gleiten ließ.


Maria sagte etwas, was ich nicht verstand. Ich sah nur, wie ihre Lippen sich bewegten, und Ayla beugte sich hinunter und ließ ihre Haare Marias Füße streicheln. Sie rieb ihren Kopf an Marias Unterschenkeln, und Maria spreizte ihre Beine ein wenig, dass Ayla zwischen ihre Beine rutschen konnte. Marias einfacher schwarzer Rock war derweil hochgerutscht bis zu ihren Knien.


Es war bizarr, aber auch vor allem verdammt erotisch.


Maria schnitt zwei weitere Teile aus ihrer Apfelsine, warf die Schalen auf den Boden, und Ayla unterbrach sofort ihre Streicheleien und legte die Schalen säuberlich und geordnet zu den anderen.


Dann aß Maria ihr Stück und warf das nächste Ayla hin, die es sich nahm.


Ich wusste, dass ich verschwinden sollte. Das ging mich nichts an. Aber ich konnte meinen Blick einfach nicht abwenden.


Und dann bellte plötzlich ein Hund irgendwo. Laut und aggressiv. Ich war in Gedanken. Für einen Moment trafen sich mein Blick und der Marias, die auch aufgeschreckt war und nach draußen schaute.


Ich duckte mich sofort und kroch in die Dunkelheit.


Mein Herz raste.


Hatte sie mich erkannt?


Sie konnte es eigentlich nicht. Ich war im Schutz der Dunkelheit gewesen. Draußen war es stockdunkel. Das Licht der Küche ging nur hinaus in die Dunkelheit.


Aber ich war mir auch nicht sicher.


Ich hastete ins Haus, die Treppe hinauf und in mein Zimmer.


Auf meinem Bett atmete ich tief durch. Mein Herz schlug immer noch. Hatte sie mich gesehen oder nicht?


Und was wenn?


Viel später hörte ich Schritte auf der Treppe. Ich löschte schnell das Licht in meinem Zimmer, weil man es unter dem Türspalt sehen konnte, und hielt den Atem an.


Es klopfte an meiner Tür.


„Bist du noch wach?“


Aber bevor ich etwas antworten konnte, ging die Tür schon auf und Ayla kam herein.


Ich tat, als hätte sie mich gerade geweckt, aber sie meinte:


„Du brauchst mir nichts vorzuspielen. Maria hat dich gesehen.“


„Was?“


Mir fiel echt so schnell nichts ein. Statt mir irgendwas einfallen zu lassen, bemerkte ich, dass sie nur zwei Knöpfe ihrer Bluse zugeknöpft hatte, die gerade so ihre Brüste bedeckten. Ansonsten bot sie mir einen Blick auf ihren tiefen Ausschnitt und ihren Bauchnabel. Zudem strahlte sie eine enorme Zufriedenheit aus.


„Keine Sorge. Ist alles in Ordnung. Ich bin dir nicht sauer. Maria ist es auch nicht.“


„Okay...“


Sie legte sich zu mir ins Bett und sah mich an. Ich roch die süßen Orangen in ihrem Atem.


„Ich muss mit jemandem reden. Das war wirklich verdammt großartig!“


Sie legte ihre Hand auf meine.


„Was ist passiert? Warum warst du da unter dem Tisch?“


„Sie hat es mir einfach befohlen. Und ich habe gehorcht.“


„Wie? Einfach so?“


„Ja. Einfach so. Sie hat es gesagt, und ich bin auf die Knie gegangen und unter den Tisch gekrochen.“


„Aber warum sollte jemand sowas befehlen?“


„Warum? Weil es geil ist! Du hast es doch selbst gesehen. War das nicht total geil?“


„Mmh, na ja.“ Ich wollte es nicht so richtig zugeben, aber sie hatte recht. „Aber warum macht dich das so an?“


„Warum? Soll ich dir das sagen? Ich bin eine starke Frau. Okay? Ich weiß, wer ich bin, und mir macht niemand was vor. Ich bin stark. Aber ich sehne mich manchmal danach, dass mir einer zeigt, wo der Hammer hängt. Dass mich einer runterholt. Dass mir einer sagt, was ich tun soll. Und dann gehorche ich. Verstehst du?“


Ich verstand es nicht so richtig, was vor allem daran lag, dass ich mich daran störte, dass sie sich selbst so stark und unbeugsam fand.


„Also brauche ich dir nur was zu befehlen, und du tust es?“ Ich lachte. „Dann los, küss mir die Füße.“


Sie lächelte nur spöttisch.


„Du hast nicht das Zeug dazu. Vor dir, ich meine das nicht böse, aber es ist so, hat einfach keiner Respekt. Ist nicht böse gemeint, aber jemand muss schon die richtige Ausstrahlung haben. Wie gesagt, nicht böse gemeint.“


„Danke.“


Ayla hörte wohl die Kälte in meiner Stimme. Sie beugte sich zu mir, strich mir über den Unterarm, als wollte sie mich trösten, und meinte:


„Ich mein das ernst. Ist nicht so gemeint. Aber um mich zu bezwingen, muss man das gewisse Etwas haben. Und das haben echt nur wenige.“


Ein richtiger Trost war das nun nicht.


„Aber Maria hat das.“


„Total. Du kannst dir nicht vorstellen, wie stark die ist. Mental, meine ich.“


„Also läuft das schon länger?“


„Seit dem ersten Abend. Seit ich ihr blöd gekommen bin. Als ich hinter ihr her in die Küche gelaufen bin.“


„Was ist da passiert?“


„Ich habe ihr eine Szene gemacht wegen dem Schwein und so. Aber sie hat sich das nicht bieten lassen. Sie hat echt heftig reagiert. Total cool, aber auch richtig konsequent.“


„Was hat sie gesagt?“


„Dass ich mich nicht so aufspielen sollte, dass sie ihre Arbeit ernsthaft macht und sich vorher über unsere Wünsche informiert hat und sie ihr Bestes tut und sich das nicht bieten lässt.“


„Und dann?“


„Ich wehrte mich natürlich, wollte mir das nicht bieten lassen, aber sie hatte einfach immer die richtige Antwort, und am Ende fehlten mir die Worte. Ich konnte einfach nichts mehr sagen.“


„Und dann?“


„Das sagte sie auch. So ähnlich: ‚Und jetzt?‘ Was sollte ich machen? Also sagte ich: ‚Entschuldigung.‘ Aber sie meinte: ‚Man kann sich nicht entschuldigen. Man kann nur um Verzeihung bitten. Und der, dem Unrecht getan wurde, der kann es annehmen oder nicht.‘ Sie erklärte mir die deutsche Sprache. Eine Spanierin!“


„Ich glaube, Maria ist ziemlich gebildet. Hast du um Entschuldigung gebeten?“


„Ja klar. Total. Ich habe mir richtig Mühe gegeben. Und dann hat es irgendwie klick gemacht. Ich bin auf die Knie gegangen vor ihr. Als ob ich um ihre Hand anhalten wollte. Ich wollte echt, dass sie meine Entschuldigung annimmt. Und als ich auf den Knien war, was ich echt noch nie gemacht habe. Vor niemandem - das kannst du mir glauben! Ich knie also vor ihr, und da wurde mir klar, dass das was Sexuelles war.“


„Und? Wie hat sie reagiert?“


„Total cool. Sie hat mir ihre Hand hingehalten, als wäre sie ein Mafiaboss. Und ich wusste, was sie von mir wollte. Ich hab

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Kommentare


Jerry7119
dabei seit: Feb '16
Kommentare: 3
schrieb am 18.05.2019:
»Gut geschrieben. Ich mag's auch gerne "langsamer", wenn ich auch im Regelfall kein Freund des Prosa-Ichs bin.
Gut geschrieben.«

daemmerwind
dabei seit: Dez '00
Kommentare: 50
schrieb am 01.12.2021:
»Ja richtig, wer würde denn sowas lesen?
Na ich zum Beispiel! :D

Eine tolle, sehr ruhige und glaubwürdige Geschichte, SLice of life würde man heute dazu sagen, denke ich.«

NOC64
dabei seit: Nov '23
Kommentare: 1
schrieb am 13.11.2023:
»ich finde schon, dass man damit Geld verdienen kann :-)
Eine toll geschriebene Geschichte, die mich über Tage sehr gefesselt hat. Spannend, erotisch, fesselnd, ohne übertrieben pornografisch zu wirken ... würde gerne noch mehr davon lesen.
Danke und weiter so«



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