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Kommentare: 5 | Lesungen: 3634 | Bewertung: 7.84 | Kategorie: Partner | veröffentlicht: 01.05.2009

Befreiende Häutung

von

Manche Menschen durchleben ihre Existenz wie Schmetterlinge. Sie werden gezeugt, wachsen in der Abgeschlossenheit fürsorglicher Kindheit und Jugend, einer Schmetterlingspuppe gleich, auf und erblühen dann, in einer Häutung die Puppe sprengend, zu einem wunderschönen Geschöpf, das wie ein Schmetterling die Blüte des Lebens kostet. Dies ist die Geschichte, die zeigt, wie eine junge Frau diesen Prozess mit allen Mühen und Rückschlägen durchlaufen hat, um letztendlich die Stufe der individuellen Entfaltung zu erreichen.

Kinder erleben und ergründen ihr Leben zunächst in der Familie und werden von diesem Umfeld geprägt. Reginas Elternhaus zählte zu denen, in denen das hierarchische Prinzip galt, wonach der Vater das bestimmende Haupt der Familie ist und die Mutter ihre Erfüllung im Gebären von Kindern und deren Erziehung sieht. Dies geschah auf der Grundlage eines strikten und asketischen Glaubens, der Zentrum und Richtschnur für alles Handeln war. Sogenannte freidenkerischen Tendenzen in der Kirche und im täglichen Leben wurden als Werk des Teufels eingeordnet und abgelehnt. Daher gehörten die Eltern auch einer kirchlichen Gruppierung an, die sich streng an alttestamentarischen Lebensgrundsätze hielt. Aufgrund gesellschaftlicher Entwicklungen in der Gesellschaft, wie Selbstbestimmung der Frau und Gleichberechtigung zwischen den Geschlechter, der Legalisierung gleichgeschlechtlicher Beziehungen und nicht zuletzt die Durchdringung des täglichen Lebens mit Sexualität und Erotik, hatte sich eine Art Bunkermentalität bei den Eltern heraus gebildet, die sich besonders in der Kindererziehung bemerkbar machte.

Regina wuchs bis zur ersten Menstruation im Alter von 12 Jahren, mit dem Gefühl der Geborgenheit auf. Das Morgen- und Abendgebet, sowie die monatliche Beichte in der Kirche waren selbstverständliches Ritual, und die Abschottung vom Fernsehen und anderen Möglichkeiten der „Verderbnis“ wurde als unabänderlich hingenommen, obwohl Regina oft die Neugier plagte, wenn andere Kinder mit glühender Begeisterung über ihre Helden in den Kinderserien des Fernsehens erzählten. Regina hatte auch nie das Bedürfnis, mit etwas anderem als mit Puppen und einer Puppenküche zu spielen, die sie auf ihr Leben als Hausfrau und Mutter vorbereiten sollten.

Der Eintritt der Menstruation wurde zum ersten gravierenden Einschnitt in Reginas Leben. Normalerweise ist dies für eine Mutter die Gelegenheit, Töchter aufzuklären über die körperliche Veränderung zur Frau und sie mit den damit verbundenen Regungen und Anfechtungen der aufkeimenden Sexualität vertraut zu machen. Da die Eltern zutiefst überzeugt waren, dass das Menschengeschlecht nicht auf der Grundlage der Darwinschen Evolutionstheorie entstanden war, sondern dass allein in der Bibel das Werden der Menschheit schlüssig und hinreichend erklärt war, beschränkte sich die Aufklärung darauf, dass Gott Regina jetzt die Fähigkeit geschenkt habe, Kinder zu gebären. Die Mutter legte dabei ihren besonderen Schwerpunkt auf die Anforderungen von Züchtigkeit des Lebenswandels, Schamhaftigkeit einer Frau und die Anfechtungen, denen man als Frau ausgesetzt ist. Männer waren in dieser gottlosen Welt triebhafte Wesen, denen es nur darum ging, eine Frau zu verführen und vom Wege der Tugendhaftigkeit abzubringen. Dem hatte die Frau eisern ihren Willen entgegen zu setzen, sich ihre Unschuld zu bewahren, die sie erst in der Ehe dem Manne, dem sie angehört, zur Zeugung von Kindern opfern wird. Reginas knospende fraulichen Rundungen wurden ab dieser Zeit in hochgeschlossenen Blusen und Kleidern mit langen Röcken, deren Saum mindestens 10 cm unter das Knie reichten, versteckt. Hosen zu tragen, war ihr verboten, weil diese äußeres Zeichen männlichen Seins waren. Schminkutensilien, wie Lippenstift und anderes, galten als Werkzeuge des Teufels, eine Frau zum Leben als liederliche Hure zu verführen, der Gottes Verdammnis gewiss war.

Reginas erster Konflikt mit den mütterlichen Prinzipien ergab sich wenig später. Sie entdeckte, dass Streicheln des Körpers angenehm prickelnde Gefühle schenkte, die in befriedigendem Erschauern endete. Da Regina erzogen war, keine Geheimnisse vor der Mutter zu haben, erzählte sie am nächsten Tag vor dem Abendgebet über ihr lustvoll beglückendes Erleben. Die Mutter reagierte harsch.


„Tochter, der Teufel hat dich versucht und du hast ihm nicht widerstanden. Die Stelle zwischen den Beinen ist unrein, denn es dient vornehmlich der Ausscheidung deiner Notdurft. Es ist kein Wunder, dass dich der Teufel verführt, diese Öffnung zu berühren, um dich genauso schmutzig zu machen, wie er es ist. Das Mittel dazu ist dieses Lustgefühl, das bei dir die Schranken der Scham und Züchtigkeit fallen lassen soll. Erst wenn du verheiratet bist und der Mann ein Kind zeugt, wird dieses Gefühl gottgewollt sein. Du wirst es dann glückhaft empfinden, weil es die Belohnung dafür ist, dass du dich deinem Mann als sein Weib hingibst. Bis dahin nutzt es der Teufel, um dich zur Hure zu machen. Du wirst daher im Gebet Gott um Vergebung für deine Schwäche bitten und wirst ihm deine Reue durch zehn „Ave Maria“ zeigen. Von einer erzieherischen Strafe, die du verdient hast, werde ich absehen, da es das erste Mal war. Doch wenn du das Gefühl wieder spürst, vertreibe den Teufel durch inniges Gebet“ sagte die Mutter mit strenger Stimme, aus der tiefe Besorgnis klang.


Regina gehorchte und versank ins Gebet, das „Ave Maria“ murmelnd. Von diesem Tag an, wurde ihr Geschlechtsteil zu einem Werkzeug des Teufels, das sie immer mehr hasste und ekelhaft fand, je öfter sie mit den aufkeimenden Lustgefühlen zu kämpfen hatte. Sie verlor den Kampf auch manchmal und nahm dann die drakonischen Strafen ihrer Mutter aus Ausdruck ihres mütterlichen Schutzes widerspruchlos entgegen.

Zwischen Reginas Eltern und der Schule entspann sich ein verbiesterter Kleinkrieg, weil sie es ablehnten, dass ihre Tochter im Aufklärungsunterricht den absurden Darwinschen Theorien ausgesetzt wurde. Besonders das Zeigen und Erklären der weiblichen und männlichen Geschlechtsorgane traf auf ihren erbitterten Widerstand. Die Auseinandersetzung endete damit, dass Regina die Schule wechseln musste und in einer privaten Mädchenschule, die streng christlich geprägt war, ihre schulische Laufbahn fortsetzte. Der Schock, aus ihrem Freundeskreis heraus gerissen worden zu sein, war tief und brachte Regina dazu, sich gegen Gleichaltrige abzuschotten, aus Angst, der Verlust könne sich widerholen.

Die Aufklärung in der Schule war zwar genau so, wie es die Eltern wünschten, doch die Schülerinnen lebten in keinem Elfenbeinturm, der sie von der Welt gänzlich abschottete. Regina wurde Zeugin, wie sich die Mädchen kichernd und mit glühenden Augen über das männliche Geschlecht austauschten und sich dabei besonders auf die körperlichen Unterschiede zwischen Mann und Frau konzentrierten. Dabei gab eine Mitschülerin, die voll als Frau erblüht war und schon einige Erfahrung mit Männern gesammelt hatte, weswegen sie auch in

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Kommentare


waeschesteif
dabei seit: Dez '02
Kommentare: 53
schrieb am 02.05.2009:
»Einmal Achterlaub,
immer Achterlaub.
mfg waeschesteif«

andreashave
dabei seit: Feb '09
Kommentare: 94
andreashava
schrieb am 04.05.2009:
»Hi Adlerswald,
Du schuldest mir eine Großpackung Papiertaschentücher, mit denen ich meine Tränen trocknen musste. Der Einleser hatte ja schon "vorgewarnt". Nein, Spaß beiseite, natürlich ist die Story ein bisweilen pathetisches Melodram, mir gefällt's allerdings, weil es stilistisch hervorragend geschrieben ist. Und ich mag Melodramen, sie müssen allerdings ein Happyend haben. Das hatte ich bei Dir vorausgesetzt, andernfalls hätte ich die Story auch nicht bis zu Ende gelesen. :)
Leider Gottes ist das Ganze allerdings auch ein Tatsachenbericht, denn solche verbohrten Eiferer, wie Du sie in Reginas Eltern beschreibst, gibt es nicht nur in US-amerikanischen Sekten, sondern leider auch mitten unter uns. Insofern hast Du auch die psychischen Konflikte dieses bedauernswerten Geschöpfes ungeheuer realitätsnah herausgearbeitet bis zum dramaturgischen Höhepunkt des Suizid-Versuchs. Mein Kompliment dafür.
Andrea
P.S. Die kryptischen Verse des "Erst-Kommentators" habe ich nicht verstanden. «

kater074
dabei seit: Feb '08
Kommentare: 304
schrieb am 05.05.2009:
»So ganz glücklich bin ich mit dem Ausgang der Geschichte nicht. Sie ist zweifellos ganz hervorragend geschrieben und greift auch aus meiner Sicht ein brisantes Thema auf. Beklemmend: Vor 50 Jahren waren solche Familien in manchen Gegenden fast der Normalfall. Erst heute erkennt die Gesellschaft die Perversion, die in derartigen Strukturen innewohnt.
Zum Plot: Die schlimmen Kindheits- und Jugenderlebnisse Reginas sind sehr gut und ausführlich beschrieben, beim absoluten Tiefpunkt (der Prügelorgie ihres Vaters) jagt es mir einen Schauer über den Rücken. Auch der weitere Verlauf der Geschichte liest sich interessant, wenn auch sehr traurig. Die Erklärung für das Auffinden Reginas (die Sache mit dem Brief) ist hingegen unglaubwürdig.

Was mir wieder gefällt, ist die Beschreibung, wie die Sonnenstrahlen in Reginas Leben eindringen, wie sie ihre Körperlichkeit entdeckt und bejaht. Unglaubwürdig ist jedoch, dass Reginas Eltern ihr Studium nach ihrer Veränderung weiter finanzieren. Und dass eine rasierte Scham der Inbegriff von Unschuld sein soll, ist eine verbohrte Ansicht, die ich diesem Autor nicht zugetraut hätte. Für mich ist eine rasierte Muschi eher ein Symbol für erotische Schönheit und Schamlosigkeit.

Je mehr sich die Story dann dem Schluss nähert, umso weniger gefällt sie mir. Regina schafft es leider nicht, sich von ihrer Vergangenheit völlig abzunabeln. Letztlich heiratet sie einen Mann, für den im entscheidenden Moment nur sein eigenes Wohlbefinden zählt. Regina fällt in den Stereotyp der gebärenden Mama und am Ende ist ja doch bloß das geschehen, was sich ihre Eltern gewünscht haben: Sie hat in ihrem ganzen Leben nur einen einzigen Mann kennengelernt, dem sie nun dienende Ehefrau ist. Das hat sich v.a. ihr prügelnder Vater keinesfalls verdient. Ich bezweifle, dass Regina in ihrer Ehe glücklich wird. Und eine selbstbewusste, individualistische Frau ist sie trotz ihrer herausragenden Intelligenz auch nicht geworden.«

hg1
dabei seit: Dez '04
Kommentare: 66
HG1
schrieb am 14.06.2009:
»Hallo Adlerswald

Das Thema dieser Geschichte interessierte mich sehr und der Anfang ist dir wirklich gut geglückt, obwohl es dort bereits rasch ging. Ich bin eben ein Leser, der längere Geschichten mag. Da setzt auch meine Kritik an: Der Inhalt ist mir etwas zu überflogen, Teilweise im Eilzugstempo abgehandelt, es hat mir zu wenig Szenen, vieles ist nur gestreift.

Vielleicht hättest du besser drei Episoden gemacht: Die erste mit der Kindheit, die 2. als sie von zu Hause weggeht bis zum Ende der Therapie und zum Schluss das Wiederfinden mit Bernd. Zwischen den Episoden könnte etwas Zeit liegen, sodass du nicht schreiben musst, was zwischen sie alles macht, sondern konkreter auf das Wichtige eingehen.

Trotzdem habe ich die Geschichte gerne gelesen und finde es toll, dass du dieses Thema angeschnitten hast.

mfg, HG1

edit: Warum machst du vor einem ! und ? immer einen Leerschlag?«

Pseykon
dabei seit: Jan '05
Kommentare: 18
schrieb am 05.10.2009:
»ein schwieriges thema gut bearbeitet ;)
ich konnte mich teilweise in Regina hineinversetzen, denn es ist schrecklich, wenn religiöse Erziehung dazu führt, dass man seinen eigenen Körper und seine Lust verachtet.
Eine wirklich freie Frau ist R. leider nicht geworden.«



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