Benno hat die Wahl
von Helios53
Zögernd betrat Benno das schummerige Hinterzimmer jener geheimnisvollen Frau, die ihm sein Kumpel Zippo heimlich empfohlen hatte. Sie sei fantastisch und irre so gut wie nie. Das wollte Benno einerseits gern glauben, andererseits sagte ihm sein Verstand, dass Wahrsagerei im Grunde ein Beschiss war. Und Zippo traute er genau genommen auch nicht über den Weg. Der machte immer so auf Gentleman-Gauner, war sich zu gut für einen ehrlichen Bruch. Benno war mehr für die einfachen Dinger, wenn gute Aussicht auf Erfolg und wenig Risiko bestand. Das sollte man halt immer vorher wissen. Leider war es ihm nicht vergönnt, in die Zukunft zu sehen. Abergläubisch war Benno nicht, natürlich nicht, aber konnte es schaden, mal nachzufragen?
Ganz traditionell in einen bunten Umhang gekleidet saß die Frau, die fast nie irrte, hinter einer glänzenden Glaskugel auf einer altertümlichen Ottomane und schaute murmelnd in die Zukunft, die sie wohl aus den Reflexionen auf der blanken Oberflächen zu lesen versuchte. Mit knochigen Hexenfingern winkte sie Benno näher heran und bedeutete ihm, sich auf den harten Holzstuhl zu setzen. ‚Alles nur Show!‘, beruhigte sich der neue Kunde, bekam aber dennoch weiche Knie und war froh, als er endlich saß.
Die geheimnisvolle Frau nahm zuerst seine hundert Euro, dann seine beiden Hände, fuhr mit ihren langen Fingernägeln daran hin und her, starrte fest in seine Augen, bis er blinzelte und dann wieder in ihre Weissagungskugel.
Eine Weile murmelte die Alte Unverständliches, bis sie endlich den Blick wieder auf Benno richtete.
„Die Vier ist deines Lebens Zahl.
Suche sie! Du hast die Wahl
Zwischen ihr oder der Acht,
die dich niemals glücklich macht!“
Weiter sagte sie nichts und deutete, er solle jetzt gehen. Benno wagte nicht, einzuwenden, dass das für hundert Eier doch ein wenig dürftig war und flüchtete auf die Straße. Sonst war er doch ein harter Hund, aber vor der knitterigen Alten hatte er gekniffen. Das ärgerte ihn und er malte sich aus, wie er die Hexe an ihrem dürren Hals packte und die vier Zwanziger und vier Fünfer aus ihren Falten geschüttelt hätte. Nur langsam beruhigte er sich und begann, nachzudenken. Vier Zwanziger und vier Fünfer, zusammen acht Scheine. War das jetzt ein Hinweis auf Unheil oder auf doppeltes Glück? Verdammt, diese windigen Weiber drückten sich aber schon äußerst unpräzise aus!
In Gedanken versunken schlich er durch die Straßen, unschlüssig, wohin er sich wenden sollte. In dieser Gegend war er zuvor noch nie gewesen, in der Stadt selbst nur selten. Wie kam er jetzt zurück zum Bahnhof? Er musste zurück in seine Heimatstadt!
Leise wiederholte er die mysteriösen Reime, die ihm die Alte Wahrsagerin mit auf den Weg gegeben hatte. Da durchzuckte ihn die Erkenntnis und er fluchte halblaut. Verdammte Axt! Seit Jahren fuhr er täglich mit der Straßenbahnlinie 8. Da konnte er ja auf keinen grünen Zweig kommen. Auf diese niederschmetternde Erkenntnis musste er einen trinken. Oder zwei. Ob es half, wenn er gleich vier kippte? Auf keinen Fall aber acht. Dafür reichte sein restliches Geld nicht und wenn ihm keines ‚zuflog‘, konnte er nichts einkaufen. Und wenn er nichts einkaufte, würde ihm seine Gaby nichts kochen. So einfach war das. Er sah sich um. Da drüben war eine Bar, was er an dem schmiedeeisernen Champagnerglas erkannte, das über dem Eingang schaukelte. Doch als er näher kam, konnte er den Namen des Etablissements lesen: ‚8-Bar‘! Der Schweiß brach ihm aus. Wahnsinn, fast wäre er in sein Verderben gerannt!
Benno wechselte die Straßenseite und erstarrte. Hausnummer 8! Verflixt! Er musste wohl die Straßenseite mit den ungeraden Hausnummern bevorzugen. Worauf man immer achten musste, und das, obwohl Benno ja überhaupt nicht abergläubisch war! Hatte das überhaupt was mit Aberglauben zu tun? Freitag, der dreizehnte, schwarze Katzen und Scherben! Alles bloß Humbug!
‚ Die Vier ist deines Lebens Zahl.
Suche sie! Du hast die Wahl
Zwischen ihr oder der Acht,
die dich niemals glücklich macht!‘,
memorierte Benno. ‚Suche die Vier!‘, ermahnte er sich. Plötzlich erkannte er die Lösung. Wenn er statt mit der Linie 8 mit der 4 fuhr, musste er nur an der Endhaltestelle in den Ringlinienbus umsteigen und von der Haltestelle Rummelpark ein Stück zu Fuß gehen. Dann war er auch zu Hause. Zuerst aber einen Schnaps auf den vielfältigen Schrecken. Oder vier!
Nun achtete er doch mehr auf seine Umgebung und - tatsächlich! – da lockte ein Schild, das pure Freude hervorrief: ‚Quatro Bar‘. Quatro bedeutete doch vier, oder? Kein Zögern mehr, er öffnete die Tür und geriet unmittelbar in eine heftige Auseinandersetzung. Eine junge Frau, sehr hübsch, sehr sexy, beschimpfte einen etwas älteren Mann: „Sieh zu, dass du Land gewinnst, alter Wichser! Such dir wen anderen für deine Sauereien, pädophiles Arschloch!!“ Und dann schlug sie mit ihrer voluminösen Handtasche nach ihm. Schweres Geschütz! Benno hatte sich an der Theke unauffällig auf einen Barhocker geschwungen und beobachtete, wie der Mann buchstäblich den Schwanz einzog und verschwand. Die siegreiche Gegnerin stellte sich neben Benno und zischte: „So eine schwule Sau!“
Fasziniert betrachtete er die Amazone und sein Grinsen wurde immer breiter, was sie schließlich bemerkte. „Was?“, fuhr sie ihn wütend an.
„Ich frag mich nur, wie das zusammenpasst. Alter Wichser, pädophiles Arschloch und jetzt auch noch schwule Sau? So ein Pech aber auch!“
„Und was ist mit dir, he?“
„Ich bin weder pädophil, noch schwul und wichsen tu ich nur, wenn es keine andere Lösung gibt.“
„Weißt, was der wollte? Ich soll mich als kleines Mädchen verkleiden und ihm dann einen runterholen! Was hätte ich denn davon? Ich bin ja keine Professionelle, die für Geld alles macht, was der Kunde verlangt. Ich bin nur eine stinknormale Frau, die auch ihre Bedürfnisse hat.“
„Was genau heißt das jetzt?“ Benno ahnte es zwar, aber es war doch interessant, wie sich die junge Frau nun aus der Affäre ziehen würde. Die wollte jedoch gar nicht.
„Das soll heißen, dass ich so richtig geil war auf den Kerl und dann kommt er mir mit so perversem Zeug. Und dass ich immer noch geil wäre, dass ich einen Gorilla ficken könnte!“
„Davon würde ich echt abraten“, erwiderte Benno eiskalt. „Wie ich irgendwo gelesen habe, haben diese fetten Affen nur ganz kurze Pimmelchen. Damit kommst du nie ans Ziel. Wie heißt du eigentlich? Ich bin Benno.“
Die junge Frau starrte ihn an und betrachtete ihn das erste Mal als Mann. Er schien ihr zu gefallen. „Echt wahr? Ich heiße Selma.“
„Klar ist das wahr! Warum sollte ich dir einen falschen Namen nennen?“
„Nicht das! Dass die Gorillas so kurze Schwänze haben?“
„Ach so, ja, also gelesen hab ich das. Ich hab mir dann vorgestellt, wie die das machen, wenn sie’s machen, aber das ist irgendwie nicht aufgegangen:“ Er lachte und Selma lachte mit.
„Und du?“, fragte sie dann mit lüsternem Blick. ‚Die ist wirklich geil wie eine rollige Katze!‘, schoss es Benno durch sein erwachendes Hirn. Diesmal gab es kein Missverständnis. Er deutete eine gewisse Länge mit den Händen. „Wow! Über zwanzig Zentimeter? Wirklich?“
„Ich bin schlecht im Schätzen von Entfernungen. Da habe ich sicher übertrieben, aber bisher hat es immer noch geklappt!“
„Lass sehen!“, forderte Selma gierig.
„Spinnst du? Doch nicht hier im Lokal!“
„Sieht ja sonst niemand!“
„Und was ist mit dem Barkeeper?“
„Anthony, geh mal in den Keller und hol einen Schampus, zack!“ Der Barkeeper drehte sich wortlos um und verschwand nach hinten. Man hörte seine Schritte auf einer Holztreppe nach unten. Benno schaute Selma verwundert an.
„Die Bar gehört mir. Habe ich geerbt. Wenn Anthony nicht tut, was ich sage, fliegt er. Er ist ein guter Barkeeper, aber zum Bumsen taugt er nicht. Zu alt für mich. Also! Zeig her!“
Prüde war Benno nicht, also zeigte er. Selma schien höchst zufrieden. „Wenn du einen Gummi dabei hast, könnten wir im Hinterzimmer eine Nummer schieben.“
Und ob Benno hatte! Das gehörte zur Grundausstattung. Er zeigte eine frische Packung. „Gut! Sehr gut!“, befand Selma, schloss die Eingangstür ab und ging ins Hinterzimmer voraus. „Vor sechs Uhr kommen kaum andere Gäste.“ Unterwegs ließ sie schon mal ihre Bluse fallen.
Dann ging es sehr rasch. Benno wurde im Nu seine Kleider los und Selmas kunstfertige Lippen vollendeten, was das anregende Gespräch bereits vorbereitet hatte. Im Überziehen von Kondomen war sie ebenfalls sehr schnell und geschickt. Ja, richtig! Kondomen. Plural! Mit einem Quickie war sie nicht zufrieden, denn so einen Prachtschwanz – nicht über zwanzig Zentimeter, aber sehr schön, sehr steif und sehr schnell wieder einsatzbereit! – wollte sie bis zum letzten Tropfen ausnutzen.
Nach der zweiten Runde erschien Anthony mit dem Champagner und zwei Gläsern. Selma störte das nicht, sie lächelte ihren Lakaien freundlich an, nahm zwei gefüllte Gläser und reichte eines an Benno weiter, der sich langsam von der Überraschung erholte. Sie stießen an und tranken. Anthony schenkte ungerührt nach. „Stell den Rest in den Kühlschrank. Wenn wir bis halb sechs nicht fertig sind, kommst du wieder, sonst trinken wir an der Bar weiter.“
Benno war in Bestform und konnte noch ein drittes Mal. Bis halb sechs war noch Zeit. Selma stieg nur in ihre High Heels, verwehrte auch Benno, sich anzuziehen und zog ihn mit sich an die Bar, hinter der Anthony mit ausdrucklosem Gesicht stand. Er füllte erneut zwei Champagnergläser. „Nimm dir auch eins!“, erlaubte Selma großzügig und stieß erneut mit Benno an. Wie sie lasziv sich räkelnd auf dem Hocker saß und mit seinen Eiern spielte, wäre er fast wieder steif geworden, aber nach drei Mal, brauchte auch er eine längere Pause.
Erst als die Flasche leer war, durfte sich Benno anziehen. Ungerührt und immer noch nackt öffnete Selma die Tür und küsste ihn ein letztes Mal. „Schau mal wieder vorbei, Benno!“, hauchte sie ihm ins Ohr. Er überlegte es ernsthaft.
Den ganzen Heimweg, zuerst mit der Bahn, dann mit der Vierer und dem Bus, dachte er weniger an Selma als an seine Zahlen 4 und 8. Der Nachteil seiner neuen Route war, dass er noch ein Stück zu Fuß durch den schwach beleuchteten Rummelpark gehen musste. Oder war es gar ein Vorteil? Von schräg links kam eine aufregende Blondine. Sie musste bald auf seinen Gehweg treffen. Oh Mann! Genau Bennos Beuteschema! Die Ficks mit Selma waren zwar nicht schlecht gewesen – sie war ziemlich versaut und beherrschte alle möglichen Stellungen, nur anal lehnte sie kategorisch ab - aber der große Kick fehlte doch.
Die Blondine kam ihm gerade recht. Geiles Fickfleisch! Kein Mensch sonst weit und breit. Benno schlang einen Arm um ihren Hals, hielt ihr mit der anderen Hand den Mund zu, warf sie zu Boden und sich auf sie drauf. Doch da traf ihn ein hoher Stiefelabsatz in die Weichteile, die Frau hielt ihm eine Pistole unter die Nase und herrschte ihn an: „Leg dich auf den Bauch! Sofort! Hände auf den Rücken!“ Benno folgte zitternd und heulend vor Schmerz. „Zentrale? Ich hab das Schwein!“, sprach der blonde Polizei-Lockvogel in ein verstecktes Funkgerät. „Holt ihn ab!“
Es klickte, als sich um Bennos Handgelenke die Stählerne Acht schloss.
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Und das Helios53 wieder Spaß am schreiben hat, gefällt mir auch sehr gut!!«
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Danke Helios53, weiter so!«