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Kommentare: 5 | Lesungen: 5448 | Bewertung: 7.89 | Kategorie: BDSM | veröffentlicht: 22.07.2004

Blau

von

Eine kühle Brise richtete Härchen auf ihrer blassen Haut auf, die Gänsehaut, die sich bildete, hob jedes einzelne von ihnen dem tiefblauen Himmel entgegen. Hastig zog sich Natascha ihren Seidenschal über die nackten Schultern, hüllte sich darin ein, suchte Schutz vor der Kälte, die der aufkommende Wind mit sich brachte. Ängstlich sah sie sich um und erst als sie sicher war keinen Verfolger zu entdecken, wagte sie es ihren Weg fortzusetzen.


Selbst jetzt als ihr die Flucht gelungen war, spürte sie noch diesen Kloß im Hals, garniert mit den schmerzenden Fingerabdrücken an ihrer Kehle, die dieser widerliche Kerl mit seinen dicken Fingern an ihr hinterlassen hatte.


Wieder stieg dieses Würgegefühl in ihr hoch, als ihr das Bild der vergangenen Situation ins Bewusstsein stieg. Er hatte ihr aufgelauert, nachts, in dem dunklen Park.

Ja, er hatte sie vorgewarnt, immer wieder.


Seine Anrufe waren ihr mit der Zeit schon fast zur grausamen Gewohnheit geworden. Wie er mit ihr sprach, so kalt, ruhig und fast flüsternd. Er beschrieb ihr in zärtlichsten Worten, wie er ihr die Kleider vom Leib reißen würde, seinen schweren Körper auf sie werfen würde.


Anfangs hatte sie jedes Mal aufgelegt, als er anrief. Doch er ließ sich nicht abschütteln. Selbst ihre neue Geheimnummer hatte er schnell herausgefunden. Immer wieder beschrieb er ihr in widerlichsten Worten, was er mit ihr anstellen würde, wenn er sie in seine Finger bekommen würde. Es schien als würde Natascha über die Monate hinweg abstumpfen, sie legte den Hörer einfach beiseite und versuchte seine Worte nicht mehr unter ihre Haut zu lassen.


Er kostete sie viel Kraft und der Druck, den er auf sie ausübte, ging ihr an die Substanz. Sie war am Ende, sie wollte nicht mehr. Das Leben ergab für sie unter diesen Umständen keinen Sinn mehr. Sie verlor jede Lebenslust, jedes Interesse an ihrer Außenwelt. Nach und nach verlor sie ihre Freunde, sperrte sich in ihrer kleinen Wohnung ein und sammelte all ihre Kraft um gegen diese Angst und gegen dieses Ungeheuer bestehen zu können.

Und dann, dann war er plötzlich da gewesen.


Sie war draußen spazieren, weil ihr die Enge ihrer vier Wände doch wieder einmal zuviel geworden waren. Er kam von hinten, legte ihr die eine Hand auf den Mund und hielt ihr mit der anderen das Messer an die Kehle. Sie wusste auf Anhieb, dass er es war. Er hielt sich peinlich genau an sein eigenes Drehbuch, dass er ihr so viele Male säuselnd ins Ohr geflüstert hatte.

Zitternd lief sie über die Gehsteige bis sie endlich an ihre Wohnungstür gelangte. Sie schlüpfte durch die Tür. Es war gut endlich wieder in den eigenen Wänden zu sein, hier fühlte sie sich wenigstens etwas sicherer. Sie verriegelte gewissenhaft alle Tür- und Sicherheitsschlösser und sank erschöpft der Wand entlang auf den Boden.


Sie wusste, dass er sich dafür grausam rächen würde. Sie wusste, dass er nie wieder von ihr ablassen würde. Sie wusste wie sehr er sie quälen würde um diese Schmach zu tilgen. Und sie wusste, dass sie das weder weiter ertragen konnte noch wollte. Ihr Leben war keinen Pfifferling mehr wert.


Ihr Atem ging immer noch stoßweise, sie schloss die Augen. Ruhiger, sie musste ruhiger werden. Ihre zerbrechlich wirkende schmale Hand glitt an ihre Brust, sie spürte wie ihr Herz gegen ihre Rippen pochte als würde es sich freisprengen wollen. Sie versuchte sich auf ihre Atmung zu konzentrieren aber es half nichts und sie rang nach Luft als würde sie ersticken. Sie konnte nichts dagegen tun. Viel zu viel Sauerstoff drang durch ihre Trachea nach unten, bahnte sich seinen Weg in die Lungen und verdrängte das Kohlendioxid. Natascha griff sich in Panik an den Hals als sie spürte, dass die verminderte Kohlendioxidkonzentration in ihrem Blut bewirkte, dass ihr Atemreflex nicht aktiviert wurde. Die Lungenbläschen konnten keinen weiteren Sauerstoff mehr an das Blut abgeben. Ihr wurde schwarz vor Augen.

Als das Mädchen ihre Augen wieder öffnete, musste sie sie gleich wieder zusammenkneifen. Zu hell und leuchtend war es um sie. Langsam gewöhnte sie sich daran und blickte um sich. Sie sah nichts, absolut nichts. Nein nicht ganz, sie sah blau, überall, über und unter ihr. Das Herz in ihrer Brust machte einen Sprung als sie erkannte, dass sie im Nichts schweben musste. Sie ruderte wild mit ihren Armen, aber da sie nicht fallen konnte, tat sich gar nichts. Ihre mit Tränen gefüllten Augen blickten dem Irrsinn nahe gehetzt hin und her. Doch nichts geschah, sie konnte ihre Situation nicht ändern. Irgendwann wurde sie müde und schien sich dadurch etwas an die neue Lage zu gewöhnen. Selbst ihr Gleichgewichtssinn hörte irgendwann auf verrückt zu spielen und habituierte.


Hilflos schwebte sie ruhig in dem unendlich scheinenden Blau und begann nachzudenken.


Was war mit ihr geschehen und wo um Himmels Willen war sie? War es das nun, das Ende?


Sie war nie besonders religiös gewesen, hatte sich nie Gedanken darüber gemacht was nach dem Tod geschehen würde. Sie war eine Frau der Taten, sie lebte im Diesseits und in der Gegenwart. Himmel und Hölle waren für sie Ammenmärchen, nur dazu da um kleine und wohl auch größere Kinder zum Gehorsam zu erziehen.


Und jetzt schwebte sie hier, gefangen in diesem ewigen Blau und es tat sich absolut nichts.


Den Himmel hatte sie sich wahrlich anders vorgestellt. Oder war das etwa gar die Hölle?


Sie konnte nicht sagen wie lange sie in der Luft hing, da sie jedes Zeitgefühl verloren hatte.

Plötzlich war er da.


Sie konnte es kaum fassen. Er sah ähnlich aus wie es in Sagen und Geschichten beschrieben war. Wie konnten diese Ammenmärchen wahr sein? Er schwebte schräg über ihr. Sah sie wortlos aus seinen kalten, leeren Augen an. Fassungslos starrte sie ihn an, keines Wortes fähig. Sie wusste nicht einmal ob sie Angst empfand, sie spürte nur dieses maßlose Entsetzen über seine Existenz und über sein fast klischeehaftes Auftreten.


Er erhob sich mächtig und geisterhaft über ihr und labte sich an ihrem starren Entsetzen. Kalt und gefühllos betrachtete er sie eingehend, wie sie da in der Luft lag, so allein, verloren und ausgeliefert. Er sah wie sich ihr langes, leicht gewelltes blondes Haar wie ein Kranz in der Schwerelosigkeit ausbreitete. Wie die Wellen ihrer Locken ihr edles Gesicht umspielten und es einfassten. Sie sah aus wie ein Engel und wenn er gekonnt hätte, hätte er gelächelt. Sie schwebte unter ihm, nackt wie Gott sie schuf, und war so von ihm eingenommen, dass sie gar nicht merkte in welch lasziver Haltung sie ihm ihr Becken entgegenhielt.

Nataschas Starre löste sich langsam und sie wollte endlich wieder handeln, doch die Schwerelosigkeit fesselte sie an ihrem Platz. Sie wurde sich der Situation und ihrer Nacktheit langsam bewusst und zog schützend ihre Beine ein, wie ein Embryo kauerte sie sich zu einem Ei zusammen und machte damit den schwachen und hoffnungslosen Versuch sich zu schützen.


Dem Mädchen strichen Erinnerungsfetzen durch die Gedanken, was hatte sie gelernt, was hat man sich von je her über ihn erzählt? Wie eine Wolke war er über ihr, ganz in einem bläulich leuchtenden Weiß. Ein schwerer Mantel floss über seinen hageren Körper und eine Kapuze verhüllte leicht sein Gesicht. Dennoch konnte sie seine Augenhöhlen erkennen, so eindeutig und leer. Sein Antlitz war ein ausdrucksloser Schädel. Große weiße engelhafte Flügel schmiegten sich an seinen Rücken, machten ihn so gut und so böse zugleich. Er rührte sich nicht von der Stelle.

Unbestimmte Zeit verstrich. Natascha betrachtete ihn ängstlich, aber dennoch gewöhnte sie sich mit der Zeit an seine Anwesenheit.


Irgendwann begann sie sich sogar danach zu sehnen, dass er irgendetwas sagen oder auch tun würde, irgendetwas dass diese unangenehmen Zustand verändern würde.

Dann begann er langsam auf sie zu zugleiten, fast unmerklich, aber er kam näher. Natascha wusste nicht ob sie sich über diesen Wandel freuen oder sich ängstigen sollte, ihr blieb nichts anderes über als ihn bebend und in Ehrfurcht zu beobachten. Unerträglich langsam verringerte er die Distanz zwischen den beiden in einer Dimension in der die Zeit keine Rolle spielte. Über einen Zeitraum der sich über Äonen zu erstrecken schien, triftete er schließlich ganz nah an sie heran, blieb knapp vor ihr stehen und begann seine Hand nach ihr auszustrecken.


Das Mädchen verspürte keinen Hunger, keine Müdigkeit, nichts was ihr etwas über den Ablauf der Zeit sagen konnte, sie wusste nur, dass die Bewegun

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Kommentare


katalina
(AutorIn)
dabei seit: Jan '01
Kommentare: 13
katalina
schrieb am 03.08.2004:
»danke für euer kommentar!
ich äußere mich aus platzgründen darüber im forum. ;-)

lg katalina«

Juxi
dabei seit: Jul '02
Kommentare: 39
Juxi
schrieb am 29.07.2004:
»Hi Katalina

Hm, was soll ich zu der Geschichte denn sagen? Obskure Fantasie? Alptraumhafte Vorstellung? Wirre Gedanken? Horror in Reinkultur?

Ist alles zusammen nicht ganz zutreffend. Es ist wohl eine Mischung aus allem.
BDSM, warum BDSM? Diese Frage habe ich mir auch gestellt. Keine Ahnung. Wenn der Tod mit seinem kalten, knochigen Finger die Protagonistin zum Erbeben bringt, ist das vielleicht wirklich Folter, aus der es keinen Ausweg gibt. Und schon wieder denke ich an die obigen Begriffe, um die Geschichte zuzuordnen.

Fasziniert hat mich die Idee schon, keine Frage. Abgewinnen konnte ich ihr, wenn ich ehrlich bin, nichts. Naja, ich meine, ich kann das nicht irgendwie geil finden.

Sprachlich war das Ganze wirklich gut, phasenweise sehr packend - eine einzige Illusion, dieses Blau, in dem sie schwebt... aber eine Passage war da, die fast zu detailgetreu war *grins*

"Natascha griff sich an den Hals als sie spürte, dass die verminderte Kohlendioxidkonzentration in ihrem Blut bewirkte, dass ihr Atemreflex nicht aktiviert wurde. Die Lungenbläschen konnten keinen weiteren Sauerstoff mehr an das Blut abgeben. Ihr wurde schwarz vor Augen."

Hmpf. Chemisch, medizinisch sinnvoll formuliert. Aber in so einer Geschichte? *zwinker*

Aber wie gesagt, hat einen Eindruck hinterlassen.
Danke für die "etwas" andere Geschichte. Schön zu lesen, wenn auch obskur und... s.o.

LG, Juxi«

Why-Not
dabei seit: Dez '03
Kommentare: 18
Why-Not
schrieb am 03.08.2004:
»Hmm. Schwierig, dazu einen Kommentar zu schreiben. Andererseits wäre es der Story auch nicht angemessen, sie kommentarlos zu übergehen.

Sie ist aufwühlend, die Sinne etwas verwirrend und doch interessant und flüssig zu lesen. Danke für die Story.

Why-Not«

axus
dabei seit: Feb '03
Kommentare: 102
schrieb am 04.08.2004:
»Hm.
Also, ich weiß nicht.
Wie würde ich die Story bewerten ? Gegen den Stil / Sprache ist gar nichts einzuwenden, das ist ausdrucksstark geschrieben, wenngleich ich mich Juxi anschließe und finde, daß medizinische Termini wie "Trachea" und "Kohlendioxidkonzentration" eher was für die entsprechenden Fachbücher wären. Warum nicht einfach "Luftröhre" ? Auch diese für mich pseudoesoterisch klingende Formulierung "Ursuppe, aus der sich Aminosäuren und weitere Stoffe" entwickeln, daraus dann im Weiteren die "Evolution" usw. usw. Na ja. ich bin kein Freund von solchen Sachen. Ist diese Geschichte erotisch ? Auf keinen Fall (meiner Meinung nach), soll sie vielleicht auch nicht sein. Soll sie vielleicht auf gar keinen Fall sein. "Gefingert von toten Knochen". Puh, das ist schon überhaupt nicht erotisch, auch ansonsten keine wirklich gelungene Formulierung, wie ich finde. Ich bin keineswegs ein Freund von solchen Vergewaltigungsgeschichten, auch wenn es "politisch korrekt" ist, das man sich damit auseinandersetzt. Aber will ich sowas hier lesen ? Nein !
Es handelt sich um eine Fanatsie, die aber natürlich nicht in der Wirklichkeit erlebt werden will. Verständlich. Dagegen kann man nichts sagen, also vielleicht unter dem Aspekt o.K.. Aber dennoch, ich finde solche Stories weder originell, notwendig (ausser wir wären alle Insassen in einem entsprechenden Zuchthaus) und eigentlich insgesamt völlig uninteressant.
Sorry, ist aber nur meine Meinung.«

lesabendio
dabei seit: Dez '01
Kommentare: 1
schrieb am 07.08.2004:
»Hallo katalina,

vielen Dank fuer die Geschichte. Sie hebt sich meines Erachtens angenehm von den anderen ab.

Angenehm? Ja, ich denke schon. Nicht vielleicht in dem Sinne, dass sie dazu verfuehrt, sich nach ihrer Lektuere seines Schatzes zu bemaechtigen und ausgiebigen Sex zu haben. Wobei ich mir auch das vorstellen koennte: die Versicherung, unter den Lebenden zu sein, zu spueren, das Leben, das eigene Sein in vollen Zuegen wahrzunehmen und zu genieszen.

Was ich viel mehr bewundere, ist die sprachliche Intensitaet, die nicht los laesst, die packt, weiterzulesen zwingt und auch, nachdem man die letzte Zeile mit den Augen wahrgenommen hat, den Leser noch immer in ihrer Gewalt hat. BDSM auf einer anderen Ebene? Auf der zwischen Adressat und Adressent? Zumindest entsteht waehrend des Lesens ein Machtgefaelle, das deutlicher nicht sein koennte. :)

Selbstverstaendlich gibt es dieses Machtgefaelle auch innerhalb der Geschichte, erst das absolute Ausgeliefert-Sein an den Stalker, dann das an den Tod. Und doch, trotz der Angst, trotz der Verzweiflung, die in der Protagonistin wueten, ist da Lust. Lust, die ueber alles andere siegt, die --- ueber den Tod siegt.

Danke.«



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