Blinde Weihnachten
von Kastor Aldebaran
Kapitel 1
Weihnachten steht vor der Tür und für mich hat sich wenig geändert. Ich bin alleine, seit Jahren und konnte die Feiertage bisher gut verbringen. Abends in eine Kneipe, sich mit anderen Menschen von der Resterampe volllaufen lassen. Genau das Richtige für mich. Vergessen war die Devise, und die hielt ich über die Feiertage ein.
Dieses verdammte Jahr versaut mir die Show, alles ist durcheinander gekommen und um ehrlich zu sein, kotzt es mich an. Was soll ich nur machen. Alleine saufen ist nicht wirklich ein abendfüllender Plan. Es schmeckt in Gesellschaft einfach besser. Also wollte ich nach draußen gehen, irgendwo im Park oder am Bahnhof würde ich schon irgendwen finden, mit dem ich anstoßen konnte. Aber denkste, auch das ist verboten, kein Alkohol in der Öffentlichkeit und mit Orangensaft wollte ich nicht anstoßen. Vielleicht sollte ich es machen wie in den USA. Einfach eine braune Papiertüte drüberstülpen und tun, als wenn man es zum Atmen brauchte. Leider würde jeder wissen, was sich darin befand, also auch keine Lösung. Was sollte ich also machen, alleine, ohne Familie und Freunde, die ich normalerweise nicht brauchte. Ich kam ohne sie aus, war ein Mensch, der es gut mit sich selber aushielt. Im Sommer machte es mir noch weniger aus. Irgendwo war immer etwas los, Menschen versammelte sich an Seen oder in den Parks, und wenn ich mich für ein paar Stunden dazwischensetzte, waren meine Batterien in dieser Hinsicht aufgeladen. Danach war ich froh, wenn ich ging, meine Ruhe zurückhatte.
Doch an diesen wenigen Tagen im Winter, Weihnachten genannt, war es etwas anderes. Manchmal konnte ich in die Fenster von Wohnungen sehen, die prächtig geschmückt waren, stellte mir vor, wie sich die Tische vor Essen und Süßigkeiten bogen, Kinder mit großen Augen ihre Geschenke auspackten. Ein Trugbild für mich. Keine Frau hatte es länger mit mir ausgehalten, geschweige denn, eine Familie gründen wollen. Ehrlich gesagt konnte ich das verstehen, besonders umgänglich war ich nicht, oft mürrisch, zumindest sah es danach aus. In Wirklichkeit war es der äußere Schein. Mein Gesicht produzierte im Normalfall kein Lächeln.
Was also tun, die Tage der Liebe und Gemütlichkeit standen vor der Tür und wollten nicht eintreten, bei mir war es dafür zu öde und sie weigerten sich, meine Schwelle zu übertreten. Das machte mich trübsinnig und ich kam mir vor wie ein Hamster im Käfig. Zumindest stellte ich mir vor, das er sich so fühlten würde. Leider hatte ich kein Hamsterrad, sonst hätte ich es wahrscheinlich ausprobiert. Um es anders zu sagen, mir fiel die Decke auf den Kopf, musste raus.
Obwohl es gerade dunkel wurde, zog ich mich schnell an, warf mir einen Schal um, eine Mütze auf den Kopf, obwohl es nicht kalt war. Wenn ich mich irgendwo hinsetzen wollte, würde es nützlich sein. Kaum angezogen, ging ich nach draußen, einfach in eine Richtung ohne Ziel, sah mir dabei die festliche Beleuchtung an, die manche Häuser und Wohnungen zierten. Ich erfreute mich an den Lichtern, mochte, wenn sie bunt waren. Die LED-Technik brachte klare und helle Farben hervor, die ich genoss. Endsprechend begeistert lief ich weiter, achtete dabei weniger auf den Weg, sah mir mehr die Fassaden der Häuser an. Daher übersah ich ein wichtiges Detail.
Gerade als ich eine besonders interessante und ausladende Beleuchtung im Vorbeigehen betrachtete, stieß ich mit jemandem zusammen, der aufschrie. Anhand der Stimme war mir klar, dass es sich um eine Frau handelte, wusste jedoch nicht, warum sie mir nicht ausgewichen war. Dies wurde mir erst klar, als sie auf dem Pflaster aufschlug, ihr weißer, langer Stock mit einer Kugel am Ende auf dem Boden aufprallte und davonrollte.
„Oh, Entschuldigung, ich habe sie nicht gesehen!“, sagte ich und wusste in dem Moment, dass es ein unpassender Satz gewesen war. Innerlich hätte ich mich ohrfeigen können.
„Ich auch nicht!“, antwortete sie und zu meiner Überraschung klang es nicht verbittert. Angesichts ihres Schicksals hätte ich es ihr nicht verübeln können, blind zu sein, oder zumindest größtenteils, war sicher nicht einfach.
Sofort streckte ich ihr meine Hand entgegen wie ein Reflex, um ihr aufzuhelfen, als mir einfiel, dass sie diese nicht sehen konnte.
„Darf ich ihnen helfen?“, wollte ich wissen, hatte keine Ahnung, wie ich es anstellen sollte.
„Das wäre nett von ihnen und ich griff nach ihrer Hand, die sie sofort zurückzog.
„Bitte ihren Arm!“, wünschte sie sich und ich beugte mich herunter, hielt ihr meinen angewinkelten Arm entgegen, damit sie ihn selber ergreifen konnte. Mit vereinten Kräften kam sie auf die Beine und ich bückte mich schnell, hob ihren Stock auf und übergab ihn ihr.
„Sehr liebenswert!“, bedankte sie sich, obwohl ich eigentlich der Verursacher unserer Kollision gewesen war.
„Das ist das wenigste, was ich für sie machen kann. Bin ja hauptsächlich schuld daran, dass sie hingefallen sind!“
Zu meiner Überraschung schüttelte sie ihren Kopf.
„Nein, das sind wir beide, ich hätte genauso aufpassen müssen. Dass ich nichts sehe, dafür können sie nichts und ich muss genauso aufpassen, wie jeder andere auch, ich hätte sie hören müssen!“
Danach entstand eine winzige Gesprächspause und ich empfand es als peinlich, dass mir nichts mehr einfiel. Dafür sah ich sie kurz genauer an als zuvor, musste innerlich grinsen.
Sie war unbestimmten Alters, konnte vierzig oder fünfzig sein, schwer zu schätzen. Ihre Mütze, die sie trug, in Stil eines Schlumpfs aussah, konnte ihre krause Haarmasse kaum verbergen. Lockige, braune, mit silbrigen Strähnen versehene Haare quollen darunter hervor und ließen ihre Frisur verwildert aussehen, zumindest den Teil, den ich sehen konnte. Des weiteren war sie normal angezogen, Jeans, eine winterliche Jacke, warme Schuhe und trug eine leere Einkaufstasche über dem freien Arm. Wahrscheinlich wollte sie einkaufen gehen, letzte Besorgungen vor dem Fest machen.
„Kann ich ihnen noch irgendwie helfen?“, fragte ich sie um einen Übergang zu finden, irgendwie war sie mir sympathisch, hatte eine warme Ausstrahlung, die mir ans Herz ging. Außerdem fand ich sie attraktiv, auch wenn sie eine dunkle Sonnenbrille trug, die ihre Augen verbarg. Sie war klein, vielleicht einen Meter sechzig, dazu relativ schlank, wobei ich das kaum erkennen konnte. Ihre dicke Winterjacke verhinderte eine genaue Analyse. Anhand ihrer Beine, die darunter hervorlugten und ihren schmalen Fingern ging ich davon aus.
Sie schien einen Moment zu überlegen.
„Sie haben sicher noch viel zu tun, da möchte ich sie nicht von Abhalten. Nachher bekommen ihre Kinder keine Geschenke!“, war sie sich sicher und ich schüttelte meinen Kopf, bis mir bewusst wurde, dass sie es nicht sehen konnte.
„Keine Sorge, es gibt keine Kinder, niemanden an den ich denken muss. Es wäre mir eine Freude, dann habe ich wenigstens was zu tun!“
Die Frau wendete ihren Kopf in meine Richtung aus, soweit sie berechnen konnte, wo ich mich befand.
„Das hört sich traurig an. Alleine zu sein ist nie schön, an diesen Tagen besonders. Auch sonst ist es nicht schön! Menschen brauchen einander, sind Herdentiere, die ein Miteinander nötig haben, obwohl man manchmal den Eindruck hat, dass das vollkommener Blödsinn ist!“, sinnierte sie und ich bestätigte es ihr.
„Ja, viele mögen einander nicht, können nicht friedlich miteinander leben. Ist schon komisch!“
„Egal, wir werden es nicht ändern können. Aber wenn sie nichts dagegen haben, komme ich gerne auf ihr Angebot zurück. Ich brauche noch ein paar Kleinigkeiten und vor allem Getränke. Wenn sie mir dabei helfen könnten, sie zu tragen, würde es mir viel Arbeit abnehmen. Aber nur wenn sie wirklich wollen, es ist auch nicht weit!“
Ich hatte es angeboten und das wollte ich auch einhalten. Ein paar Flaschen tragen war kein Beinbruch und ich hatte was zu tun. Außerdem lernte ich eine interessante Person dabei kennen, also reine Vorteile für mich. Von daher ging ich gerne darauf ein.
„Klar möchte ich das, mein Angebot steht!“
„Gut junger Mann, dann kommen sie mit. Es freut mich, eine Begleitung zu haben!“
Ich hielt ihr meinen Arm entgegen und führte ihre Hand dorthin, damit sie sich an mir festhalten konnte. Sie nickte mir zustimmend zu, hatte bemerkt, dass ich lernfähig war.
„Zu welchem Geschäft möchten sie denn?“, fragte ich, während wir uns vorwärts bewegten und sie nannte mir den Discounter, der um die Ecke war.
„Ach ja. Menschen, mit denen ich einkaufen gehe, spreche ich gerne mit Vornamen an. Ich heiße Anna und du?“, fragte sie mich, bot mir damit das Du an.
„Kai!“, beantwortete ich ihre Frage und Anna nickte.
„Gut Kai, dann mal los, bevor das Geschäft schließt. Ich glaube nicht, dass wir lange brauchen werden. Und wenn du Fragen hast, nur raus damit. Jeder hat welche, wenn er das erste Mal einen blinden Menschen trifft. Allerdings beantworte ich dir die wichtigste Frage vorweg, damit es dir nicht peinlich vorkommt. Bei manchen ist es so!“
Damit hatte sie recht, in dieser Beziehung war ich gehemmt. Wie es aussah, war Anna anderer Meinung, redete nicht lange um den heißen Brei herum.
„Also ja, ich bin schon immer blind gewesen, wurde ohne Sehvermögen geboren. Das kommt nicht oft vor, wie man denkt, die meisten erblinden durch Krankheit oder Unfall. Damit haben wir das schon mal geklärt. Und was machst du so, wenn du nicht mit wildfremden, blinden Frauen unterwegs bist?“, wollte sie wissen, schien an mir interessiert zu sein.
„Nicht viel. Arbeite, sofern es geht. Jetzt im Homeoffice, per Computer. Es ist den seltsamen Zeiten geschuldet. Früher habe ich immer gedacht, es wäre der Heilige Gral, hatte es mir als besonders erstrebenswert vorgestellt, als den Himmel auf Erden. Nicht mehr zur Arbeit fahren müssen, sich selber die Zeit einteilen, eine Art von Freiheit genießen!“, fing ich an und Anna unterbrach mich.
„Früher? Jetzt nicht mehr?“, wollte sie wissen.
„Ich weiß nicht, der Kontakt zu meinen Arbeitskollegen, das soziale Interagieren, fehlt mir mehr als gedacht. Bei mir Zuhause ist es fast zu ruhig, es gibt keinen Tratsch und Klatsch mehr, ich höre niemanden was sagen. Es klingt seltsam, auch die Gerüche, die Atmosphäre fehlt mir, selbst der Streit über frische Luft, der Sinn oder Unsinn hinter dem Öffnen der Fenster!“, versuchte ich es zu erklären und Anna nickte.
„Ja, es gibt uns das Gefühl nicht alleine zu sein. Übrigens, du riechst gut!“, ließ sie mit einfließen und ich musste lächeln. Bevor ich das Haus verließ, frischte ich mein Deo immer auf, ich mochte es nicht zu stinken.
„Danke, sehr freundlich von dir!“
Anna lachte leise und schmunzelte in sich hinein.
„Ich nehme die Welt anders wahr als du, meine Ohren hören anders als deine, Gerüche sind für mich ebenfalls wichtig. Sie ersetzten meine Augen, sind die Sinne, auf die ich mich verlassen muss!“
In diesem Moment kamen wir beim Discounter an, setzten unsere Masken auf und ich besorgte einen Einkaufswagen, Anna hielt sich seitlich daran fest, ich schob ihn langsam in das Geschäft, achtete dabei darauf, dass Anna nirgends gegen lief. Nicht einfach bei den beengten Verhältnissen.
„Was brauchst du denn?“, wollte ich von ihr wissen und sie erklärte es mir.
„Ein paar Kekse, Brot, Äpfel wären nicht schlecht und Vanillesoße sowie Marzipanrohmasse!“, erklärte sie.
„Hört sich nach Bratäpfeln an. Lecker!“, sagte ich und sie nickte.
„Gut erkannt junger Mann. Dazu brauche ich Glühwein und Rum. Es ist bei uns eine Art Tradition, gab es immer am Heiligen Abend!“
„Das kenne ich nicht!“, gab ich ehrlich zu.
„Nein, ist irgendwie entstanden, keiner weiß mehr warum genau. Es gibt Vermutungen!“
Wir fuhren weiter und ich suchte nach den entsprechenden Produkten.
„Welche sollen es denn sein?“, fragte ich Anna.
„Nicht die Teuersten. Sie haben es nicht verdient!“, antwortete Anna mir und ich hörte eine leicht verbitterte Stimme heraus.
„Sie haben es nicht verdient?“, wiederholte ich daher, war neugierig auf die Erklärung.
„Nein. Meine vier Enkel lassen sich das ganze sonstige Jahr nicht blicken, nur zum Geburtstag und zu Weihnachten. Für große Geschenke und Geld ist die Oma gut. Meine beiden Kinder und deren Ehepartner sind auch nicht anders. Manchmal telefonieren wir miteinander, aber eigentlich nur, wenn es ihnen schlecht geht. Du weißt ja, Eheprobleme und so weiter. Mein Mann ist leider vor drei Jahren gestorben. Also wie du siehst, eine wirklich tolle Verwandtschaft, die ich habe. Das Problem scheinst du nicht zu haben!“
„Nein, sofern man es ein Problem nennen soll. Keine Frau, keine Kinder, meine Eltern wenig interessiert an mir. Von daher, in dem Sinne keine Familie, die nerven kann!“
„Irgendwie habe ich das Gefühl, dass wir trotz großer Unterschiede, dasselbe Problem haben!“, sagte Anna und ich musste ihr zustimmen. Bei mir würde keiner kommen, bei ihr kam zwar die Familie, doch sie hätte auch darauf verzichten können. Was besser war, konnte ich nicht entscheiden.
„Hört sich fast so an!“, gab ich ihr Recht und packte währenddessen vier Flaschen Glühwein ein. Drei Normale, eine bessere, zumindest was den Preis anging. Anna hatte es gewollt.
„Die Drei für Heiligabend, die andere für den ersten Weihnachtstag. Mein Tag, an dem ich es mir gut gehen lasse, ohne meine Verwandtschaft. Das muss sein!“
Ich musste lachen, Anna lächelte süß über das ganze Gesicht.
Wenig später machten wir uns auf den Rückweg und ich brachte Anna bis vor die Tür, gab ihr die Tüten in die Hand.
„Kai, ich habe mich die ganze Zeit etwas gefragt!“, fing sie an und ich hörte ihr neugierig zu.
„Was?“, fragte ich und sie legte ihren Kopf leicht schräg, als wenn sie über etwas nachdachte.
„Du bist alleine, ich bin es, wir verstehen uns anscheinend gut. Hättest du nicht Lust übermorgen zu mir zu kommen, auf einen Bratapfel und eine Tasse Glühwein? Es würde mich sehr freuen!“
An diese Möglichkeit hatte ich nie gedacht, war davon überrascht.
„Sehr gerne, wenn es dir nichts ausmacht?“, versuchte ich mir zu versichern, dass sie es sich genau überlegen konnte.
„Ich hätte es dir sonst nicht angeboten!“, sagte sie und ich nahm die Einladung gerne an.
„Gerne. Wann soll ich denn da sein?“, erkundigte ich mich und Anna nannte mir die Urzeit.
„Bis übermorgen!“
Wir verabschiedeten uns herzlich voneinander und ich wartete solange, bis Anna ins Haus gegangen war, die Tür hinter ihr ins Schloss fiel. Danach drehte ich mich um und ging gedankenversunken nach Hause.
Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, mich volllaufen zu lassen, doch jetzt erschien es mir als nicht sinnvoll. Ich wollte nicht mit dickem Kopf und flauem Magen bei Anna auftauchen. Außerdem fragte ich mich, was ich ihr als keine Überraschung mitbringen könnte. Als Erstes fiel mir ein Duft ein, ein Parfüm, allerdings kannte ich ihren Geschmack in der Richtung nicht und bei meinem Glück, würde ich das falsche kaufen. Ein Hörbuch war mein nächster Gedanke, am besten selber aufgenommen, leider fehlte mir dafür das Equipment und die dazu gehörige Zeit. Es ließ sich nicht eben nebenbei machen. Als Letztes war mein Magen es, der mir die Antwort gab. Ich kramte ein paar alte Rezepte heraus und ging ein weiteres Mal einkaufen, um die Zutaten zu holen. Danach war ich die halbe Nacht damit beschäftigt, Plätzchen zu backen. Warum nicht, es musste nichts Großes oder Teures sein. Mir schien, dass Anna darauf keinen Wert legte. Ihr war es wichtiger, sich zu unterhalten, nicht alleine zu sein. Ein Anliegen, dem ich mich anschließen konnte.
Kapitel 2
Der Heilige Abend kam und ging, nichts passierte. Statt mich zu betrinken, sah ich in die Röhre, suchte nach einem Programm, das mir gefiel. Viel gab es nicht, ein paar alte Schinken, die jeden Weihnachten über den Bildschirm liefen, man kannte sie fast auswendig. Das Einzige was mich interessierte waren zwei Dokumentationen aus aller Welt, die Bräuche um das heilige Fest zeigten, teilweise aus längst vergangener Zeit und manches Mal huschte ein Grinsen über mein Gesicht. Was dort gezeigt wurde, hätte man heute nicht mehr tun können, besonders in Hinsicht auf die Kinder. Knecht Ruprecht zu Nikolaus war wirklich kein netter Mann und das mit der Rute, war durchaus ernst gemeint. Manche Tränen wurden vergossen, Geschrei und Geheul angestimmt. Ich fand, auch die Kinder heutzutage, hätten es manchmal verdient. Andere Zeiten, andere Sitten. Man konnte es einfach nicht mehr vergleichen und schon gar nicht entscheiden, was wirklich besser war oder ist.
Gerade die Pädagogen der vergangenen Jahrzehnte und Jahrhunderte hatten oft vollkommen verdrehte Vorstellungen von Erziehung.
Im Prinzip war es mir auch egal, ich hatte keine Kinder, musste mir darüber keine Gedanken machen, und solange mich die Blagen von anderen Menschen in Ruhe ließen, war alles in Ordnung.
Ruhig verlief der Tag, ich knabberte ein paar selber gemachte Kekse, musste eine ausgiebige Qualitätskontrolle durchführen. Dazu gab es einen Grog, wirklich einen einzigen, der mich ins Bett begleitete. Dort blieb ich lange wach liegen, dachte zuerst über die Feste der Vergangenheit nach, besonders die meiner Kindheit. Danach kam mir Anna in den Sinn, und ich fragte mich, wie der morgige Tag sein würde. Irgendwie hatte ich ein seltsames, zugleich gespanntes Gefühl im Bauch.
Endlich war es soweit. Ich schlief lange, blieb bis zum Mittag im Bett liegen. Anderes hatte ich nicht vor und wartete drauf, dass der Termin langsam näher kam. Die Zeit bis dahin überbrückte ich mit Fernsehen, danach damit, mich zu pflegen. Haare machen, Dreitagebart stutzen, gut anziehen. Auch wenn Anna mich nicht sehen konnte, wollte ich trotzdem gepflegt sein. Auch suchte ich einen besonderen Duft aus, den ich selten auflegte, eigentlich nur, bei besonderen Anlässen. Ich mochte ihn gerne, wollte aber, dass er etwas Besonderes blieb. Tief atmete ich den Duft ein und freute mich auf den Abend.
Irgendwann war es soweit und ich machte mich auf den Weg, kannte das Ziel gut, hatte ein kleines Päckchen mit Keksen dabei, schön eingepackt mit einer großen Schleife versehen. Anna würde es spüren, es sich in ihrer Fantasie ausmalen können, wie es aussah. Ob sie überhaupt eine Vorstellung von Farbe hatte, konnte ich nicht sagen.
Vor ihrem Heim, einem kleinen Häuschen, blieb ich kurz vor der Tür stehen, atmete tief durch und drückte danach die Klingel. Es dauerte ein Weilchen, bis sie öffnete und mich anlächelte, nachdem ich ihr sagte, wer ich bin.
„Oh, schön, dass du gekommen bist. Komm doch rein!“, meinte sie und ich trat ein, ging an ihr vorbei in den Flur, wo mir der bekannte Duft von Bratapfel entgegen stieg. Besonders die Zimtnote mochte ich gerne.
„Leg doch ab!“, forderte sie mich auf und ich hängte meine Jacke an einen Haken, folgte ihr in ihr Wohnzimmer, in das sie traumwandlerisch sicher finden konnte. Sie kannte ihre Umgebung auswendig, jeden Schritt, alles, was ihr im Wege sein könnte. Währenddessen betrachtete ich sie genauer, konnte mehr erkennen als vor zwei Tagen. Sie war wie vermutete schlank, hatte eine gute Figur. Doch was mich am meisten faszinierte, waren ihre Haare. Jetzt ohne Mütze fiel mir die Pracht auf, die mich in entferntesten an einen Afro erinnerte. Etwas weniger, eher wie Pumuckel, in anderer Farbe. Es gab ihrem Äußeren ein lustiges Aussehen. Dazu die unvermeidliche dunkle Brille, dieses Mal in einem schmaleren Design.
Woran ich nicht gedacht hatte, war, dass es kaum Weihnachtsdeko gab. Eine Logik, die mir erst jetzt auffiel. Trotzdem war Anna gut und gemütlich eingerichtet, sodass ich mich sofort wohlfühlte.
„Sehr schön hast du es hier!“, lobte ich sie.
„Ja, sagt man. Hat eine frühere Freundin von mir ausgesucht. Leider vor einem Jahr verstorben. Sie hatte einen guten Geschmack!“
Das konnte ich bestätigen. Es passte zusammen, sowohl vom Stil als auch von der Farbgebung.
„Setz dich doch. Es gibt gleich den versprochenen Apfel!“
Bevor sie gehen konnte, hielt ich sie auf.
„Warte einen Moment, ich habe dir eine Kleinigkeit mitgebracht!“
Sie drehte sich zu mir um und ich gab ihr das kleine Paket in die Hand.
„Es ist nichts Besonderes, dafür kenne ich dich nicht gut genug. Einfach eine kleine Aufmerksamkeit für dich!“
„Oh danke, das ist sehr liebenswert von dir!“
Anna hob das Paket hoch, hielt es ich an die Nase und schüttelte es vorsichtig.
„Der Duft und Klang von etwas Leckerem. Selber gemacht?“, wollte sie wissen.
„Ja, nach alten Rezepten meiner Großmutter!“, bestätigte ich.
„Das ist schön. Ich werde nachher davon probieren. Sicher eine Sünde!“
Das konnte ich bestätigen. Zucker und viel Butter waren die Hauptzutaten gewesen.
„Kann ich dir wobei helfen?“, wollte ich wissen doch Anna hielt mich davon ab.
„Nein danke, ich komme zurecht. Um ehrlich zu sein, lasse ich nicht gerne Fremde in meine Küche. Ich weiß genau, wo was ist, andere Menschen bringen es mir durcheinander!“
Damit hatte sie recht. Wer nichts sah, musste sich darauf verlassen, dass es dort war, wohin es gelegt worden war. Als Sehender kein großes Problem, etwas zu finden. Für einen Blinden eine gruselige Geschichte. Also setzte ich mich ein einen der Sessel und sah mich interessiert um.
Auch wenn es gemütlich aussah, war es hauptsächlich der Funktion geschuldet. Wenige Bilder hingen an den Wänden, vielleicht aus der Zeit, als Anna verheiratete gewesen war. Genauso wie die kleine Sammlung von Familienfotos die in einer Ecke standen. Ich betrachtete sie aus der Entfernung, konnte trotzdem gut erkennen, dass es sich um Verwandte handelte. Zwei Pärchen mit jeweils zwei Kindern. Die Frauen sahen Anna recht ähnlich, daher ging ich davon aus, dass es ihre Töchter waren.
Ich brauchte nicht lange darauf warten, bis Anna zurückkam, zwei Teller vor sich her trug, die ich ihr abnahm. Darauf jeweils ein großer, gut riechender und dampfender Apfel, gefüllt mit Marzipan und Rosinen. Die Vanillesoße fehlte. Als ich Anna darauf ansprach, lächelte sie mich an.
Die Kinderversion oder die für Erwachsene?“, wollte sie von mir wissen und ich entschied mich für das Zweite.
„Gut, da hintern in der Bar steht eine gute Flasche italienischer Eierlikör. Schmeckt doch viel besser!“
Damit hatte sie natürlich recht. Ich stand auf, fand das Gewünschte sofort und kam an den Tisch zurück. Anna hatte sich inzwischen gesetzt und lauschte, als ich die Flasche öffnete, unsere Bratäpfel damit reichlich übergoss.
„Riecht lecker!“, sagte ich und sog hörbar die Luft durch die Nase e
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Diese Geschichte steht für seine Art zu schreiben, immer ein bißchen anders, aber immer wunderbar zu lesen!«
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Mit etwas Korrekturlesen wäre es richtig top.
Freue mich auch schon auf die Fortsetzung!«
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Hat mir gut gefallen.«
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Rechtschreibfehler habe ich ausser seinem Standardproblem, Ihr/Sie in der Anrede nicht groß zu schreiben, keine gefunden, die nicht auch Tippfehler sein können, aber es scheint bei ihm normal zu sein, dass er dafür übermässig kritisiert wird.«
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