Clara IX - Der Professor
von EviAngel
Die Spannung war nur schwer zu ertragen. Entgegen seinem Versprechen, die Dissertation noch an dem Tag zu lesen und sich mit mir in Verbindung zu setzen, hatte sich der Professor, mein Doktorvater, an dem Abend nicht mehr bei mir gemeldet. Wie auf heißen Kohlen saß ich morgens im Büro und wusste nicht, was ich tun und wie ich mich verhalten sollte. Herr Müller kam herein, wie üblich, nach vorherigem, dezentem Klopfen und erst auf meinen Ruf hin: „Ja, bitte!“, als wenn ich die Chefin wäre.
An die Farce waren wir beide mittlerweile gewöhnt, sodass uns der Widersinn nicht mehr auffiel.
Er schien meine Situation zu erkennen, er bat mich:
„Würden Sie mir bitte sagen, wie wir mit der Planung der Lehrwerkstatt fortfahren?“
Er gab mir damit den Auftrag, mich darum zu kümmern. Dankbar für die versteckte Anweisung vertiefte ich mich in die Materie. Alles was getan werden musste, stand fein säuberlich aufgelistet in meiner Doktorarbeit. Mit Herrn Müllers Hilfe setzten wir nun das theoretische Projekt in die Tat um. Die Arbeit am Gesamtprojekt war dermaßen interessant und spannend, dass ich erst weit nach vierzehn Uhr wieder auf die Zeit achtete. Sowohl die Frühstücks- als auch die Mittagspause hatte ich übersehen, nun biss mich der Hunger. In der Kantine saß ich über meinem Salatteller, als der Professor überraschend anrief. Es war verpönt, in der Kantine zu telefonieren, zumindest wurde es an dem Tisch, der dem Vorstand reserviert war, nicht geduldet. Ich eilte nach draußen in die Raucherzone, dort war ich allein.
„Ja, jetzt kann ich sprechen!“, antwortete ich auf seine Frage, mehr oder weniger atemlos.
„Ihre Arbeit ist ziemlich umfangreich“, eröffnete er mir, „umfangreicher als gedacht. Ich bin erst jetzt mit der ersten Durchsicht fertig geworden. Spannender Stoff, muss ich sagen, und Sie sind dabei, ein solches Pilotprojekt in die Tat umzusetzen?“
Mit Feuereifer berichtet ich ihm von der Umsetzung der Pläne, er hörte aufmerksam zu.
„Was halten Sie davon, wenn wir uns heute Abend bei mir zusammen setzen und das weitere Vorgehen besprechen?“
Natürlich wollte ich mich mit ihm heute Abend zusammensetzen und das weitere Vorgehen besprechen und setzte bereits an, um begeistert zuzustimmen, als mir auffiel, was er gesagt hatte.
Bei ihm und heute Abend.
Auch ein Professor ist ein Mann. Ist Clara seine Beute, hatte er es darauf abgesehen, seinen Samen auch bei mir loszuwerden?
Zugegeben, er war nicht unattraktiv, obwohl er die Fünfzig sicher bereits überschritten hatte. Er war ein Umweltfreak, er fuhr die fünfundzwanzig Kilometer zwischen seinem Haus und der Uni täglich mit dem Fahrrad, bei Wind und Wetter. Das gab seinem Auftritt eine sehr dynamische Komponente. Außerdem war er schlank und wirkte drahtig, das graue Haar machte ihn für mein Dafürhalten und das meiner Kommilitoninnen eher attraktiv, als dass es uns abstieß.
Hatte er es auf mich abgesehen? Das musste er wohl, denn anderenfalls würde er mich für den Nachmittag bestellen oder für den Spätnachmittag und als Treffpunkt sein Büro in der Uni angeben. Aber nein, die Besprechung sollte heute Abend stattfinden, unsere Zusammenkunft sollte bei ihm, in seinem Haus stattfinden. Einerseits erregte mich die Vorstellung, von ihm verführt zu werden, andererseits stieß es mich ab, in ein rein auf Sexualität abzielendes Treffen einzuwilligen. Denn das sollte es ja wohl werden.
Außerdem war ich mit Fabian verabredet.
‚Clara, was willst du?‘, fragte ich mich, ‚Einen Doktortitel oder ein Abenteuer mit einem Handchirurgen?‘
Der Doktortitel gewann.
Über meine Überlegungen waren etliche Sekunden verronnen, aus dem Telefon kam:
„Clara? Sind Sie noch dran?“
Schnell antwortete ich:
„Oh, jaja, natürlich, ich musste nur gerade …“
„Also, um 20:00 Uhr bei mir, wissen Sie wo es ist?“, unterbrach er mich mit einer gewissen Ungeduld in der Stimme.
Er gab mir die Adresse, verabschiedete sich im gleichen Satz:
„Dann bis später!“ und beendete das Gespräch.
Also, das ist doch … !
Auf diese Art fremd bestimmt zu werden, weckte seit neuestem bei mir ungute Gefühle und rief eine Art Trotz hervor.
Mit einem Grummeln im Magen widmete ich mich der Arbeit. Es galt, die Räumlichkeiten für die Schulungen auszuwählen und den Sprachunterricht zu organisieren. Die Lehrwerkstatt hatte sich Herr Müller durch die Blume nach dem Mittag als Projekt erbeten, darum brauchte ich mich nicht zu kümmern. Eine Sachbearbeiterin, Amelie, interessierte sich für unser Vorhaben, sie bezog ich mit ein und übertrug ihr die Aufgabe, sich um den Sprachunterricht und seine Organisation zu kümmern. Sie machte sich gleich mit Feuereifer an die Arbeit.
Das gab mir Zeit, weiterhin zu grübeln, was ich wie mit dem Professor unternehmen sollte und wollte.
In einem Anfall von Übermut hatte ich all meine Unterwäsche in die Altkleidersammlung gegeben und nur einige sehr feste Unterhosen behalten, die mir während der drei besonderen Tage im Monat Halt gaben.
Nach Feierabend ging ich in ein Geschäft, das mich während der ‚Roland‘-Zeit … , was ich in Wirklichkeit dachte war: ‘in der Vor-Joschi-Zeit‘. Bei dem Gedanken musste ich kichern und es dauerte einige Augenblicke, bis ich in der Lage war, mich wieder auf mein Vorhaben zu konzentrieren.
Dieses Geschäft hatte mich vor der Zeit mit Joschi dazu gebracht, die Straßenseite zu wechseln, um von diesem sündigen Schaufenster verschont zu bleiben. Heute betrat ich zum ersten Mal in meinem Leben einen Dessous-Laden. Den Schaufensterpuppen innerhalb des Ladens waren etliche verführerische und zur Sünde auffordernde Kleidungsstücke übergestreift worden. Es dauerte einige Zeit, bis ich mir vorstellen konnte, wie ich darin aussehen und wie sie auf einen Mann wirken würden.
Trotz der Abgeklärtheit, die ich mir mittlerweile attestierte, bekam ich rote Wangen bei den Vorstellungen. Eine Frau, die so etwas trug, legte es sehr offensichtlich darauf an. Eine Dame nach meiner althergebrachten Vorstellung würde so etwas niemals tragen. Da ich mittlerweile sehr viel aufgeklärter war, fragte ich mich, wie viele dieser nach außen seriös auftretenden Spitzen der Gesellschaft solche Kleidungsstücke unter der betont korrekten Fassade heimlich trugen.
Ich erwarb einige Höschen, keine der durchsichtigen Sorte, sondern einige seidene, die farblich zu meiner Bekleidung passten. Zu einem oder mehreren BH‘s konnte ich mich nicht durchringen. Die Freiheit unter der Bluse war mir mittlerweile sehr wichtig. Dass ich in einigen Jahren auf solche unterstützenden Kleidungsstücke angewiesen sein würde, war mir klar, aber jetzt und heute noch nicht. Mithilfe von entsprechend blickdichten Oberteilen und passenden Jacketts war es mir möglich, sexy aufzutreten, ohne dass man den Grund dafür allzu deutlich bemerkte.
Hier in dem Geschäft voller Artikel, die darauf abzielten, zu verführen, überfiel es mich wie ein Rausch, was für ein Glück ich hatte, eine Frau zu sein. Die damit verbundene Macht über den Mann war uns von der Natur gegeben und wurde mit Hilfe dieser Artikel verstärkt.
Beschwingt machte ich mich auf den Heimweg. Fabian hatte ich bereits informiert, dass aus unserem Date nichts würde, weil der Prof mit mir die Diss besprechen wollte. Auf seine offene Art sagte er:
„Ganz ehrlich, ich bin vom Dienst ziemlich platt. Während der letzten drei Tage habe ich zusammen genommen vielleicht sechs Stunden geschlafen. So sehr ich es bedaure dich nicht sehen zu können, so froh bin ich doch, mich mal ausschlafen zu können. Gute Nacht meine Schöne, schlaf auch du gut. Sehen wir uns morgen?“
Das sagte ich gern zu. Fabian ist ein toller Mensch, so empfand ich ihn.
Konservativ gekleidet, mit kurzer Kostümjacke und einem seriösen Rock, Größe ‚M‘ klingelte ich an der Tür des Professors.
Zu meinem Befremden hieß er mich mehr oder weniger hemdsärmelig willkommen, mit einem Rotweinglas in der Hand! Er trug weder Krawatte noch Jackett, sondern präsentierte sich mir in einem offen stehenden Polohemd. Aus dem Haus tönte leise Jazzmusik, über die sich meine Mutter mit ‚Schmusemusik‘ verächtlich ausgelassen und die Nase gerümpft hätte.
Verwirrt folgte ich seiner Aufforderung, einzutreten.
„Clara, herzlich willkommen. Hier können Sie ablegen“, empfahl er mir und betrachtete unverhohlen meine Figur. Das gesamte Ambiente und seine hemdsärmelige Art brachten in mir eine unangenehme Saite in Schwingung.
Der wollte von mir … ich sollte wohl für meine Dissertation mit ihm ins Bett … der wollte, dass ich für die Beurteilung meiner Disser …!
Die Gedanken rasten durch meinen Kopf. Joschi hatte versucht, mich zu einer Hure zu machen, das hier war nichts anderes. Auch hier sollte ich für eine Gegenleistung mit einem mir fremden Mann ins Bett gehen. Für eine Gegenleistung, die die Beurteilung meiner Dissertation betraf. Die hatte ganz gewiss keine Protektion nötig, die sprach für sich selbst.
Meine Entrüstung überwog alle anderen Gefühle, ich hörte nicht mehr was er sagte, ich nahm nicht mehr wahr, wie wir zueinander standen, nur die Empörung beherrschte mein Tun. Die Gewissheit, mich nicht auf eine solche Art erniedrigen zu lassen, verstärkte meine Ablehnung. Er sollte die Früchte meiner Arbeit bewerten und nicht meine Fähigkeiten beim Beischlaf.
Ich drehte mich auf dem Absatz herum und eilte zur Ausgangstür. Er rief etwas, was ich in der Hektik nicht verstand, sein Ruf trieb mich erst recht weiter. Durch die Tür in aller Eile, ins Auto hinein war ich innerhalb eines Augenblicks, startete den Motor und fuhr hektisch davon.
Das hatte ich nun gewiss nicht nötig, ganz bestimmt nicht. Nein, ich war nicht das Betthäschen der Mächtigen, die unterwürfige Frau, derer sie sich nach Gutdünken bedienen konnten. Ich würde bald Frau Doktor sein und CEO eines großen Betriebes. Nein, aufs Körperliche würde ich mich nicht reduzieren lassen, ganz gewiss nicht, das hatte ich nicht nötig!
Vor Wut und Enttäuschung ging ich gleich schlafen, obwohl es nicht einmal neun Uhr abends war.
Das hatte der sich so gedacht, der Schmierenprofessor! Clara ist sexy, Clara ist leicht zu haben, Clara nach Hause locken und dann gleich ab ins Bett. Bissel Rotwein, bissel Schmusemusik und ab in die Horizontale. Das hatte ich ihm ausgetrieben, jawohl! Auf so etwas lässt sich eine Dame nicht ein, nicht mit mir!
In Gedanken mit ihm und der gesamten Welt schimpfend, voll der gerechten Empörung, schlief ich ein.
Dass der Schlaf nach einem solchen Ereignis nicht tief und erholsam sein kann, wird jedem klar sein, der schon einmal solch gravierenden Vorfall zu verarbeiten hatte.
Mitten in der Nacht wachte ich mit einem Ruck auf und saß aufrecht, noch bevor ich richtig wach war.
„Ja spinnst du eigentlich?“, rief ich mir zu.
Mit Roland hatte ich über vier Jahre wirklich schlechten Sex, gemessen an dem, was ich mittlerweile erfahren hatte, mit Marco davor war es sogar noch bedeutend schlechter. Sex mit Joschis Kumpanen, die für mich Fremde waren und geblieben sind, hatte ich keineswegs abgelehnt, im Gegenteil, in manchen Momenten erinnerte ich mich der lustvollen Augenblicke, die ich mit den ‚drei Musketieren‘ erlebt hatte. Bei jedem Gedanken an diese wollüstigen Ereignisse räkelte sich die Furie in mir, brachte mich in Hitze und schürte das Verlangen.
Und jetzt, wo es wirklich wichtig war, kehrte ich das verklemmte katholische Mädchen heraus und stieß jemanden vor den Kopf, der mich und meine Leistungen zu beurteilen hatte. Wie konnte ich so dumm und so unsensibel sein?
Ich schalt mich eine dumme Gans und regte mich mehr und mehr über meine verklemmten Handlungen auf. In der Folge tauchten alle peinlichen Momente meines Lebens in der Erinnerung auf. Die Korrekte listete sie penibel auf und rieb sie mir ausführlich unter die Nase. Die Liederliche meinte mit aller Verachtung, ich würde noch alles versemmeln, nur weil ich so wenig kooperativ wäre. „Wie kann man so blöd sein?“, rief sie aufgebracht.
Wirklich Schlaf fand ich nicht, unruhig wälzte ich mich im Bett herum, schlummerte ab und zu ein paar Minuten, um noch vor Sonnenaufgang aus dem Bett zu flüchten und zu frühstücken.
Als die Sonne den Horizont erhellte und sich anschickte, den Himmel zu erklimmen, fand sie mich im Internet surfend am Frühstückstisch vor. Die Selbstzweifel nagten weiterhin an meiner Seele und brachten mir Bauchgrimmen.
Kurz entschlossen fuhr ich in den Betrieb, dort traf ich so früh ein, dass ich sogar noch dem Nachtportier meinen Ausweis zeigen musste. Die Arbeit lenkte mich ab, nach und nach trudelten die Kollegen ein, bis pünktlich um neun, zu Beginn der Kernzeit, die gesamte Belegschaft bei der Arbeit war.
Um elf Uhr rief der Prof mich an, mein Herz klopfte vor Aufregung als ich am Display sah, wer dort anrief. Was wird er sagen? Wie wird er sich verhalten? Wie hat er meine unüberlegte Flucht beurteilt?
„Koppers!“, hob er an, ansonsten war ich immer ‚Clara‘ und ‚Sie‘. Dass er die Anrede änderte, interpretierte ich als ein schlechtes Zeichen, ein kalter Klumpen machte sich in meinem Magen zu schaffen.
„Ich erwarte Sie um 16:00 Uhr in meinem Büro. Haben Sie das?“
„Ja, natürlich, ja gern, ich … !“ Er wartete mein Gestammel nicht ab, sondern beendete das Gespräch ohne ein weiteres Wort.
Was nun? Was erwartete mich?
In meinen Bürodress gekleidet, klopfte ich verzagt und pünktlich um 16:00 Uhr an seiner Bürotür in der Uni.
„Herein!“, erklang es barsch.
„Tach Koppers“, begrüßte er mich sehr kühl.
„Das, was sie mir als Dissertation präsentiert haben ist eine Frechheit!“, begann er gleich zu poltern. Er bot mir keinen Stuhl an, begrüßte mich nicht, sondern kanzelte mich ohne Vorwarnung eiskalt ab.
„Sie sollen Forschung betreiben und nicht theoretisieren. Es ist eine Frechheit sondergleichen! Sie haben sich die Arbeit gespart und anderen überlassen. Anstatt selbst etwas zu leisten, haben Sie einfach die Ergebnisse fremder Studien zusammen gefasst und daraus einen Experimentier-Plan erstellt. Das ist keine Dissertation, sondern der Plan für ein Experiment. Es ist eine beispiellose Unverfrorenheit, mir das als Doktorarbeit vorzulegen.
Haben Sie das verstanden? Frau Doktor, dass ich nicht lache!“
Er schaute mich aggressiv an. Ich rutschte wieder in die Rolle des gemaßregelten Mädchens hinein. So wurde ich in meiner Kindheit abgestraft für Dinge, die für mich nicht schlimm erschienen als ich sie ausführte, jedoch heftigen und für mich nicht nachvollziehbar hitzigen Widerspruch meiner Mutter hervorriefen.
Ich stand dort wie ein begossener Pudel, aber der Professor war noch nicht fertig.
„Das wollte ich Ihnen gestern in freundschaftlicher Atmosphäre mitteilen und Ihnen Lösungsmöglichkeiten vorschlagen. Aber nein, Sie mussten sich in Ihren Vorurteilen suhlen und mich nicht zu Wort kommen lassen. Die Suppe, die Sie sich eingebrockt haben, löffeln Sie jetzt sehr schön alleine aus.“
Er warf einen Packen gedruckten Papiers vor mich auf den Schreibtisch. Es sah so aus, als wäre das meine Dissertation, fertig ausgedruckt.
„Den Mist hier können Sie sich in die Haare schmieren. Wenn Sie das Experiment durchgeführt haben und beweisen können, dass es herkömmlichen Methoden überlegen ist, dann dürfen Sie es nochmal einreichen.
Das hier, das ist nichts, ein Konzept. Führen Sie es durch und wir sehen weiter.“
Ich stand da wie angewurzelt, zu sagen vermochte ich nichts.
„Ist noch was?“, fragte er nach ein paar Augenblicken und sah mich aggressiv an.
Es gab nichts was mir zu sagen einfiel. Ich war erschüttert, wusste nicht ein und nicht aus.
„Sie dürfen gehen!“, ätzte er und widmete sich einer Unterlage die vor ihm lag.
Draußen angekommen, lehnte ich mich an die Wand. Die Tränen flossen, die Knie waren weich und zitterten. Was ich gerade erlebt hatte, durfte nicht geschehen sein, das konnte einfach nicht sein.
Erst nach einigen Minuten war ich in der Lage, mich aufzuraffen und die Uni zu verlassen. Die Tränen wollten nicht aufhören zu fließen, hinzu kam ein Schluchzen, wie ich es aus meiner Kindheit kannte. So hatte ich gefühlt, wenn mir Unrecht getan worden war, Unrecht zumindest aus meiner Sicht. Wie war es jetzt? Hatte der Prof Recht? Es ist tief in meiner Person verankert, dass ich nur zu gern bereit bin, die Schuld auf mich zu nehmen. Das war der Normalfall, immer hatte ich etwas falsch gemacht, war mir ein Fehler unterlaufen, hatte ich eine falsche Entscheidung getroffen, zumindest in den Augen der für mich maßgeblichen Menschen. So war es immer, bisher.
Ich zog mich in mein Büro zurück und bat darum, nicht gestört zu werden.
Fabian rief an, endlich ein Lichtblick, dachte ich.
„Hi, Süße, geht es dir gut?“, begrüßte er mich auf seine wundervoll lockere Art. Meine Laune besserte sich gleich um mehrere Grade, um dann noch weiter abzustürzen.
„Aus unserem Date heute wird leider nichts. Ich muss sofort nach Nürnberg zu einem Kongress und dort die Rede halten, für die eigentlich Professor Wichtig vorgesehen war. Aber er meinte, die Hand-OP vor ein paar Tagen, die sei supergut angekommen und man habe mich als Referenten angefordert. Da er überhaupt wenig Zeit habe und er die Franken sowieso nicht leiden könne und deren Küche schon mal überhaupt nicht, solle ich doch bitteschön darüber referieren. Ich sei sowieso der Star und solle mir die Lorbeeren gefälligst selbst abholen. So hat er sich ausgelassen und mich zur Reise verdonnert.“
Der kalte Kloß in meinem Magen meldete sich zurück. Auch der Mann hatte keine Lust mehr auf mich, er vertröstete mich auf leicht zu durchschauende Art. Als katholisch erzogenes Mädchen bekommt man früh eingebläut, sich nichts anmerken zu lassen. Man muss schnell etwas sagen, um zu dokumentieren, dass man nicht verletzt war, weil man sowieso mit sich selbst genug hatte. Daher fragte ich das, was mir als erstes einfiel:
„Wieso weiß man in Nürnberg von deiner OP hier in Bochum?“
„Ja, nee“, erklärte er mir auf die wundervoll herzliche Ruhrgebietsart. Er wirkte ein wenig aufgekratzt, obwohl er mir die Absage mitteilte. Er war also nicht wirklich betrübt, er tat nur so. Er wollte mich loswerden!
„Ich arbeite in Essen und hab natürlich da auch operiert, logisch. Die OP‘s werden aufgezeichnet und mein Prof fand die dermaßen wichtig, dass er eine Zusammenfassung ins Internet gestellt und alle darauf aufmerksam gemacht hat. Außerdem befindet sich eine Aufzeichnung der gesamten OP, fast zwölf Stunden Länge, auf dem Server der Uni, auch für jeden sichtbar. Du glaubst nicht, wie viele sich das runtergeladen haben.
Die sind alle verrückt, wenn du mich fragst, echt jetzt. Nachher wählen sie mich noch zum Papst. Also, heute und morgen wird das nichts mit uns. Mal sehen, wann ich wieder hier bin. Vielleicht bleib ich auch ganz da, denn für den Prof ist die Präsidentensuite reserviert, die hat er ebenfalls an mich abgetreten.“
Ein Vakuum entstand in meinem Magen, ein eiskaltes Vakuum. Heute kam alles auf einmal, knüppeldick. Ich wünschte ihm eine gute Reise und beendete das Gespräch so schnell wie möglich, um zu verhindern, dass er noch hörte, wie ich schluchzte.
Ein furchtbarer Tag!
Zuhause überfiel mich das heulende Elend. Zu essen verspürte ich keine Lust, ich erging mich in Selbstmitleid. Was für eine furchtbare Situation. Die Arbeit an der Dissertation war für die Katz bzw auf unbestimmte Zeit verlängert, zumindest so lange, bis ich Resultate vorzuweisen hatte. Und dann war ich auch noch ganz allein mit dem Elend, Fabian war weg, an Joschi würde ich mich nicht wenden, wie würde das aussehen? Ich zerfloss regelrecht.
Gerade als ich auf dem Weg war, um mir eine Tafel Schokolade zu holen und damit meinen Frust zu bekämpfen, läutete es an der Tür. Noch versunken in all dem Elend, das sich unübersteigbar um mich aufgetürmt hatte und ohne zu ahnen, wer das sein könnte öffnete ich. Mit seinem üblichen Schwung kam Joschi herein gestürmt. Einerseits war ich froh, dass er da war, andererseits wollte ich von ihm nichts mehr wissen. Einerseits war ich nicht allein wenn er da war, andererseits hatte er versucht, mich in die Gosse zu stoßen.
Vor Erstaunen und Erschrecken wich ich ein paar Schritte zurück. Schließlich war ich darauf konzentriert, mich im Selbstmitleid zu ertränken, meine Sinne waren nur nach innen gerichtet, aus dem Grund das Erstaunen. Ich erschreckte, weil sich seine beiden Vasallen nach ihm ebenfalls durch die Tür in meinen Wohnungsflur drängten. Was folgen würde, war mir sofort klar, sobald ich meinen Verstand wieder eingeschaltet hatte. Das was nun folgen würde, kam unabänderlich auf mich zu.
„Nein!“, sagte ich laut und wehrte sie mit wilden Bewegungen der Hände ab. Joschi kümmerte das nicht, was mich nicht wirklich verwunderte. Er hob das Hemdchen an, das ich trug, entdeckte die seidene Shorts darunter. Er herrschte mich an:
„Unterwäsche habe ich dir verboten, erinnerst du dich? Dafür ziehe ich dir etwas ab. Hier sind sechshundert. Los, weg damit!“
Das war genau der Ton, mit dem mich meine Mutter bereits als Kind gemaßregelt hat. Er war der zweite Mann am heutigen Tag, der diesen Mechanismus bei mir in Gang setzte. Es war, als hätte er auf einen Knopf gedrückt, sofort und ganz ohne Gegenwehr nahm ich die schuldbewusste Haltung ein, die dieser vorwurfsvollen Art unbedingt zu folgen hatte. Ein Widerspruch kam für mich nicht infrage.
Mit den Worten zog er mir kurzerhand das Höschen bis unter die Knie hinunter und erwartete von mir, dass ich daraus herausstieg. Um mich zu stützen, hielt er mich an der Hand. Eingeschüchtert und folgsam wie ich war, stieg ich heraus.
„Hatte ich nicht die Bitte geäußert, immer Schuhe mit hohen Absätzen zu tragen? Was ist los mit dir? Was soll die Schlamperei? Wenn man dich nur ein Paar Tage aus der Kontrolle entlässt, dann nutzt du es gleich aus. Jetzt geh voran, ins Wohnzimmer. Jungs, seid ihr bereit?“
Es war mir unmöglich, gegen die Maßregelung anzukommen, mein Herz klopfte bis in den Hals hinauf. Was mit mir geschehen würde, machte er mir unmissverständlich klar, noch auf dem Weg zum Sofa zog er mir das Hemdchen über den Kopf.
„Kerl, hast du einen geilen Körper, allein die Rückseite machte einen schon geil. Los Jungs, macht euch bereit!“
Er drängte mich auf die Recamiere. Ich belege diese Liegestatt im Wohnzimmer immer mit einem farblich dazu passenden Laken, da ich gern darauf ruhe um zu lesen oder fern zu sehen. Da ich auch ganz gerne darauf liegend etwas knabbere oder trinke, schützt dieses Laken vor Krümeln und Flecken. Das war mir bei der letzten Session mit den drei Musketieren bereits zum Vorteil gereicht und würde es nun wieder tun.
Solche Gedanken rasten mir durch den Kopf. Ich stellte nicht sein Recht infrage, mich unangemeldet einfach aufzusuchen und sich zu nehmen, wonach es ihn gelüstete. Um ihm zu widersprechen fehlte mir einerseits die Kraft, denn gegen diesen vorwurfsvollen Ton war ich machtlos, der lähmte alle meine Widerspruchsgeister.
Andererseits lechzte meine liederliche Seite und die Furie Lust danach, von den drei Gesellen auf die Art verwöhnt zu werden, wie es deren Art war und wie ich es zu meinem Entsetzen zu genießen gelernt hatte. Ohne weiter nachzudenken und ohne meinen Vorbehalten Raum zu geben, gab ich mich in all das hinein, was von mir verlangt wurde. Insgeheim war ich voll der Hoffnung, dass mir das widerfahren werde, was ich zu genießen bereit war. Die Hitze, die mir in den Unterleib schoss, meine Wangen rötete und mein Herz höher schlagen ließ, wurde durch das Heer von Schmetterlingen ausgelöst, die unvermittelt in meinem Magen herum flatterten. Alles war vergessen, mein heulendes Elend, die Einsamkeit, die mich zu ersticken gedroht hatte, die miese Zukunftsperspektive, alles war nebensächlich, denn jetzt regierte der Trieb, die Furie.
Die drei Männer hantierten unverzüglich sehr zielgerichtet und gekonnt an mir herum. Die Leidenschaft erwachte, ich gab mich mit Wonne in das hinein, was sie vorhatten, mit mir zu tun. Innerhalb allerkürzester Zeit hatten sie mich derartig heiß gemacht, dass ich keinerlei Einwände mehr vorzubringen gewusst hätte.
Unter den sechs Händen und drei Mündern ergab ich mich der Furie Lust. Jemand leckte mir sehr gekonnt durch die Schamlippen und reizte gleichzeitig meinen Glückspunkt, das heiße Knötchen. All das so intensiv und für mich nach wie vor überraschend, dass ich mich völlig ohne mein Zutun und bar jeder Kontrolle in immer höhere Regionen der Lust aufschwang, beziehungsweise hinauf geschwungen wurde, denn ich war ohne Möglichkeit einzugreifen und demzufolge vollständig passiv. Die sexuelle Spannung stieg in rasanten Schritten, hervorgerufen durch meine völlige Hilflosigkeit und diese intensiven Reize, nicht nur in meiner Schamgegend. Die Entladung der Spannung wurde rasend schnell sichtbar, gelangte unvermittelt in greifbare Nähe wie eine haushohe rote Welle, die sich vor mir auftürmte und mich in den nächsten Sekunden überrollen würde. Mein Atem ging heftig und lautstark, etwas zu kontrollieren fiel mir nicht ein und war auch außerhalb meiner Möglichkeiten.
Ich hörte ganz verschwommen wie Daniel sagte:
„Boh geht die ab, die geile Alte! Da hat jemand seine Passion zum Beruf gemacht. Eh, sowas Geiles aber auch!“
Es war mir nicht mehr möglich, irgendeine Funktion zu steuern, weder besaß ich Macht über meine Bewegungen, noch über meine Äußerungen.
„Allein wie die Alte stöhnt, wie die sich gehen lässt, absolut geil!“, sagte derjenige, der meine unteren Lippen leckte. Ich wünschte mir, dass er nicht sprach, sondern weiter meine Scham, meine Schamlippen und die Klitoris in dem Maße reizte, wie er es sofort wieder fortsetzte. Meine Hingabe, die bereitwillig akzeptierte Machtübernahme durch die Furie der Lust löste mich vollends aus dem angeblich anständigen Leben heraus. Die Welle erreichte mich, die Entladung der Spannung überrannte mich. Die Furie ergriff vollständig die Macht über mich, ich war nur noch Gefühl, nur noch heißeste Lust, die reine, höchst unanständige Wollust.
Bedingungslos und vollständig gab ich mich hinein, daraufhin kam es über mich mit aller Macht, es riss mich in einen Strudel, der mich in die Lust hineinsog und mich vollständig verschlang. Ich existierte nicht mehr als denkender Mensch, sondern wurde von dem Roten hinweggeschwemmt wie willenloses Treibgut im Malstrom der Gefühle. Ich stieg ins Lustnirwana hinauf, mit einem Antrieb, der zwischen meinen Schenkeln brannte und mir einen Rückstoß versetzte, der mich mit Überlichtgeschwindigkeit in den Rachen der Furie schleuderte. Dort verbrannte ich in einem hellen Lichtbogen, brüllte aus voller Lunge den Urschrei des begatteten Weibes heraus.
Schwer atmend lag ich da, die erlebte Lust ließ mich schaudern, die Welle aus Glück und sexueller Erfüllung, die wie ein rotes Leuchten mein Inneres beleuchtete und wärmte, glühte noch nach, sie verebbte nur sehr langsam. Mein Herz pochte bis in den Hals hinein, meine Mitte glühte vor Erregung und sexueller Erfüllung.
Joschi kam über mich, kaum, dass ich nach diesem fulminanten Orgasmus wieder zu Sinnen gekommen war, und führte mir den schönsten Lustbringer des gesamten Universums in die vor Lust zuckende Scheide ein. Ich wurde verrückt, unmittelbar und ohne die Möglichkeit zur Einflussnahme. Mit unwiderstehlicher Wucht stieg ich auf in den Lusthimmel um dort auf dem Altar der Wollust geopfert zu werden. Ich umschlang seinen Nacken, wölbte ihm meinen Leib entgegen, stellte mich ihm zur freien Verfügung.
Die Spannung, hervorgerufen durch die nun folgenden, heftigen Bewegungen des Mannes auf und in mir, sammelte sich in mir wie in der Feder eines Uhrwerkes. Die Spannung stieg und stieg, im Quadrat zu jeder Bewegung, zu jedem Stoß, zu jedem Hinein- und Hinausgleiten de
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