Crashgirl im Schatten
von Krystan
Die junge Frau fuhr mit ihrem elektrisch betriebenen Zweirad auf den Rastplatz im Spessart. Auf dem Parkplatz wartete bereits ein Auto. Die Kronen der Bäume verdunkelten den Himmel, und so konnte man nur das dezente Licht im Inneren des Wagens als Wegweiser nutzen. Fast lautlos näherte sich ihr schwarzes Gefährt der ebenfalls dunklen Limousine.
Zwei Männer saßen auf den vorderen Sitzen. Einer sprach sie in einem fiesen fränkischen Dialekt an und Crashgirl musste das Visier ihres Helms hochklappen, um ihn beim dritten Versuch verstehen zu können.
"Ja, ich habe die Cashcard. Habt ihr das Paket?"
Wieder nuschelte der Kerl etwas und die junge Frau holte eine kleine Karte aus ihrer Tasche. Ein kurzer Druck an den Kanten, dann erschien in der Mitte in blauleuchtender Schrift ein Betrag von 100.000 Euro. Die Deckungssumme dieses Stücks Plastikgelds. Ein hübsches Sümmchen, dachte sich die junge Runnerin, doch sie wusste, dass es nicht für sie bestimmt war. Wenn sie mit der Cashcard durchgebrannt wäre, hätte man wohl in einer Woche ihre Organe an irgendeine Biocash Firma verkauft.
Der Mann in der Limousine nickte und ließ sich von seinem Partner ein kleines Päckchen geben. Den Inhalt kannte Crashgirl nicht, aber wenn ihr Auftrag darin bestand, etwas aus Franken nach Groß-Frankfurt zu schmuggeln, dann tat sie es einfach, ohne sich groß über den Sinn und Zweck Gedanken zu machen. Zuviel Denken verkürzte in diesem Geschäft rasch die Lebenserwartung, und die war sowieso nicht all zu hoch. So tauchte sie mit den Männern Geld gegen Ware und klappte ihr Visier herunter, nur um dann ein paar Augenblicke später wieder auf der Autobahn zu sein.
***
Entfernt waren die Lichter von Groß-Frankfurt zu sehen, welches sich in den vergangenen Jahrzehnten bis nach Aschaffenburg ausgedehnt hatte. Die Nacht war im Jahr 2060 kaum mehr als eine zwielichtige Version des Tages. Während normale, hart arbeitende Bürger ihrem geregelten Alltag als Mitglieder der Konzerngesellschaft nachgingen, regierten Runner wie sie den Schatten.
Plötzlich sah sie hinter sich das Aufleuchten eines Blaulichts. Eine Streife der Fränkischen Regierungspolizei. Verdammte Sittenwächter, schoss es ihr durch den Kopf. Die falsche ID ihres Bikes war sicher nicht der Grund für die Bullen, sie um diese Uhrzeit anzuhalten. Edward hatte viel zu gute Arbeit abgeliefert, als dass man sie deswegen dran kriegen könnte. Nein, vielleicht hatte irgendeine verfluchte Überwachungsdrohne ihr Bike bei der Übergabe beobachtet. Die Sache stank in jedem Fall gewaltig nach Ärger, und darauf hatte die Schmugglerin keine Lust.
Der gehackte Motor der Suzuki Silberbird heulte auf und beschleunigte das Bike auf über zweihundertfünfzig Kilometer pro Stunde. Normalerweise hätte der Motor bei 130 Kilometer pro Stunde abgeriegelt, doch die illegale Fahrsoftware ermöglichte es ihr, die Maschine auf mehr als das Doppelte zu beschleunigen.
Im Display ihres Helms erkannte sie, dass das Fahrzeug der Polizei ebenfalls beschleunigte. Doch während ihre Maschine keine hundert Kilo wog, musste der gepanzerte Wagen weit mehr Kraft aufwenden, um auf ihr Tempo zu beschleunigen. Crashgirl hatte Glück. Die Autobahn war frei und so erreichte sie fast dreihundert Sachen, bevor die Polizisten in dem Wagen auch nur nach Verstärkung rufen konnten.
Es tat gut, so viel Power unter dem Hintern zu haben, und ihr Körper schmiegte sich an die Konturen ihres Bikes, um den gewaltigen Luftwiderstand zu reduzieren. Nicht jeder konnte ein Zweirad bei fast dreihundert Kilometer pro Stunde noch beherrschen, aber für die junge Frau war es ein Vergnügen, gekonnt zwischen zwei sich überholenden Gigalastzügen hindurchzuziehen, von denen einer gerade an einer durch eine Baustelle verengten Stelle ein Überholmanöver versuchte. Die Polizei würde damit wohl weit größere Schwierigkeiten haben.
Doch um ihre Verfolger sorgte sich die Runnerin eigentlich nicht. Im Helmvisier wurden ihr die Telemetriedaten eingeblendet und verrieten ihr die für die Schmugglerin lebenswichtigen Informationen. Die Grenze von Groß-Frankfurt lag unmittelbar vor ihr, und damit endete auch die Zuständigkeit der fränkischen Regierung. So lange man ihr keinen Mord anhängte, war sie nun in Sicherheit. Um auf Nummer sicher zu gehen, verließ sie die Autobahn und fuhr auf den Nebenstraßen nach Fechenheim, wo man bereits auf sie wartete.
***
Das Viertel war einst eine angesagte Gegend an der Grenze zwischen Offenbach und Frankfurt. Doch nach der Finanzkrise von 2047 war es zu einem der zahlreichen Slums der Megacity verkommen. Leerstehende Bürogebäude wurden als billiger Wohnraum genutzt, und die großen Flächen eines alten Autohauses von Daimler dienten nun als ständiger Flohmarkt, auf dem neben dem Verkauf des üblichen Second Hand Krames auch Schwarzmarktgeschäfte über die Bühne liefen. Crashgirl kannte dieses Viertel gut, denn hier war sie daheim. Fast jede Fotze und jeden Schwanz auf der Straße kannte sie beim Namen. Zumindest mit dem Namen, den sie auf der Straße hatte.
Sie hielt vor einer Hinterhofbar, die sich das Happy Windows nannte. Ihr Besitzer war ein gewisser Coy, der mit allem handelte, was Geld brachte. Und irgendwie hatte er es wohl geschafft, damit schon sehr lange durchzukommen. Sie zog den Helm über ihren Kopf und entblößte damit ihr schulterlanges Haar. Im Licht eines vorbeifahrenden Lieferwagens konnte man deutlich die lila Färbung erkennen, die von einer einzigen schneeweißen Strähne verziert wurde.
Aus dem Schatten heraus beobachtete Crashgirl, wie Hammer seinen Schwanz in den Hals der jungen Rachel schob. Das Mädchen tat ihr fast leid, denn der durch Drogen und Bioware gewachsene Schwanz schien ihr fast in den Hals zu reichen. Der Blick der Runnerin fiel auf die billige Chipbuchse in Rachels Nacken. Die künstliche Haut war bereits vom vielen Stecken abgegangen und ließ unter dem roten Haar nun deutlich das Chrom im schwachen Licht der Straßenbeleuchtung aufblinken.
Viele Jugendliche ließen sich so ein Teil einbauen, um Teil der Neuen Welt, der Welt nach dem großen Crash zu sein. Am Anfang nahmen sie nur legale VR Chips, die sogar eine Prüfnummer des BPjM besaßen. VR Chips sollten den jungen Menschen helfen, die Komplexität der Gesellschaft zu verstehen. Eine günstige Alternative zu staatlichen Schulen, wie sie bis zum großen Crash von 2023 überall standen. Sie lernten so, was sie in der Welt von 2060 brauchten, um in ihr überleben zu können. Irgendwann jedoch begriffen die Kids, dass es auch VR Chips gab, die mehr Spaß machten. Und wenn ihnen das nicht mehr reichte, dann gab es immer noch SL Chips. Verbotene Ware, die jedoch in einer Megacity wie Groß-Frankfurt an jeder Straßenecke angeboten wurde. Egal, ob eine frustrierte Hausfrau und Mutter sich auf diese Weise ihren virtuellen Liebhaber erschuf oder eine unglückliche Teenagergöre ein zweites Leben mit ihrem Vampirfreund begann, sie waren eine begehre Ware. Second Life Chips konnten jeden glücklich machen, der in der grauen, realen Welt nicht das fand, was er brauchte.
Vermutlich würde sie als Bezahlung einen der Chips bekommen, die gerade frisch im Happy Windows angekommen waren. Einmal hatte Crashgirl auch einen dieser Chips ausprobiert. Der Trip hatte sie fast zwei Wochen flach gelegt, und hätte ihr Exfreund sie nicht in der Wohnung gefunden, wäre sie vermutlich an Hunger und Durst gestorben, da das LRP, welches sie mit dem Lebensnotwendigem versorgen sollte, bereits aufgehört hatte, zu arbeiten. Seitdem ließ sie die Finger von diesem Zeug, zumal es für sie keinen Grund gab. Abenteuer und Sex hatte sie genug. Und oft führte das eine zum anderen.
"Du kannst gern mitmachen", meinte Hammer, während sein mit Cyberware vollgestopfter rechter Arm regungslos nach unten hing.
"Danke, aber ich glaube, dein Schwanz hat schon genug zu tun."
"Für deine Fotze hat er immer Zeit, Crashi", schnaubte der Hüne von einem Mann, während seine noch vorhandenen fleischlichen Finger sich um Rachels rechte Brust legten.
"Das glaube ich dir sogar. Aber ich muss den Boss sprechen."
"Hey, Schlampe!", fauchte er das vor ihm kniende Mädchen an. "Pass gefälligst mit deinen Zähnen auf, oder ich entferne sie dir mit meiner Faust!"
Auch ein mit Drogen, Cyber- und Bioware verstärkter Fleischklops bleibt eben an gewissen Stellen sehr empfindsam, dachte Crashgirl und ließ den Türsteher des Happy Windows hinter sich. Ihr Mitgefühl für Rachel hielt sich allerdings in Grenzen. Das Mädchen war inzwischen erwachsen, und im Gegensatz zu Crashgirls Eltern lebten ihre noch. Dieses verwöhnte Gör hätte jederzeit zu dem großen Tower des DBW Centers gehen können, und die Konzerneltern würden ihre verlorene Tochter mit Freunden aufnehmen. Vielleicht würde Rachel irgendwann wirklich auf diese Weise verschwinden. Die Runnerin hoffte auf diesen Ausweg, auch wenn sie genug junge Frauen und Männer erlebt hatte, die der Schatten von Groß-Frankfurt einfach für immer verschlungen hatte. Ein Schatten, der auch nach ihr griff.
***
"Ah, Crashgirl, da bist du ja", empfing sie Coy mit einem Lächeln auf den Lippen. Auch wenn der alte Gauner an die Hundert war, so wirkte er immer noch recht fit und dynamisch. Es war schon ein Wunder, was die moderne Medizin und ein volles Konto alles anstellen konnten.
Von zwei weiblichen Leibwächterinnen geschützt, saß der Boss des Happy Windows auf einem geräumigen Sofa, welches leicht Platz für zwei weitere Personen bot. Oft genug ließ er auch eine der Tänzerinnen des Klubs hierher kommen, um den freien Platz zu füllen. Im Moment waren sie jedoch die einzigen freien Mädchen auf der Tanzfläche und rekelten zu Kuschel Metal Klängen an der Stange. Die anderen waren mit ein paar Kunden beschäftigt, denn schließlich sollten sie auch Gewinne erwirtschaften.
"Hast du meine Ware?" Coy war ein Genießer, aber er war auch ganz und gar Geschäftsmann. Auf dem Tisch vor ihm stand ein Glas mit dem Logo des Happy Windows. Ein verzogenes Fenster mit vier Segmenten, in denen je zwei Silhouetten von tanzenden Frauen und zwei Herzen zu sehen waren. Crashgirl hatte sich schon öfter gefragt, wie der alte Mann auf so ein komisches Logo kam, doch bis jetzt hatte sich noch nie die Gelegenheit geboten, ihn danach zu fragen. Offenbar hatten diese Fenster irgendeine Bedeutung in seiner Jugend.
"Sicher." Die junge Frau öffnete den Reißverschluss ihrer Jacke und holte das Paket hervor, welches sie dort sicher neben ihrer HK USP2 verstaut hatte. Sie merkte, wie die Leibwächterinnen des alten Kojoten sehr aufmerksam auf ihre Bewegungen achteten. Die sensorisch verstärkten Sinne der Frauen hatten wohl genau registriert, dass die Runnerin unter ihrer kevlarverstärkten Ledermontur eine Pistole trug.
"Hier, Coy. Alles so, wie du es willst."
Der Mann warf einen Blick in ihren offen gelegten Ausschnitt und sah dabei auf das rote Top, welches sich an ihren gutgebauten Busen schmiegte. Das Alter hatte wirklich nichts von seinen Begierden geraubt, denn die junge Frau konnte förmlich die Geilheit spüren, als seine knochigen Finger nach dem Paket griffen.
"Braves Mädchen. Alles, was ich will?", fragte der Gangsterboss und reichte die Ware an eine der Leibwächterinnen weiter, die den Inhalt prüfte. Seine nun freie Hand fasste ihr unter die geöffnete Jacke, und für einen Moment musste Crashgirl der Versuchung widerstehen, den Reißverschluss einfach zu schließen. Keine
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Kommentare
(AutorIn)
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Krystan
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Leichtgewicht
Ein frecher Hund bist Du aber schon. :-)
Grüße vom Leichtgewicht (grinst sich einen)«
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Egal, ich hoffe auf mehr!«
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bolle
das war große unterhaltung und schöne erotik.«
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MarcLelky
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Michael
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WOW!!!!!«
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Und super geschrieben, liest sich echt top :)«
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