Das Casting
von Mondstern
Es ist höllenschwer, eine gute Parodie zu schreiben, und noch schwerer ist es, einen schlechten Text absichtlich so schlecht zu schreiben, dass er schon wieder gut ist.
Rainer Müll - (fiktiver) Bestsellerautor
***
Nadine, Nathalie und Natascha waren jung und wollten Spaß. Ihre Nachnamen lauteten Schmitt, Schmid und Schmidt, und folgerichtig müsste es Nadine Schmitt, Nathalie Schmid und Natascha Schmidt heißen, könnte aber auch Nadine Schmidt, Nathalie Schmitt … aber das würde nur unnötig verwirren …
„Wir sind jung und sollten Spaß haben“, sagte Nadine zu Nathalie, und Natascha stimmte ihr zu.
Die Drei sahen natürlich hervorragend aus, sangen gern und wollten berühmt werden. Sie überlegten gemeinsam, was sie in Deutschland mit ihrem Supertalent erreichen könnten. Sie googelten im Internet.
„Wir überlegen uns zusammen, was wir in Deutschland erreichen können und googeln im Internet“, sagte Nathalie zu Natascha, und Nadine stimmte ihr zu. Sie suchten im Internet und schauten beiläufig auch bei eBay vorbei, um Schuhe zu ersteigern … Sie fanden schon nach drei Stunden welche, die ihnen auf Anhieb gefielen und … sie fanden einen Eintrag zum Thema „Poppstars“.
„Wir sollten dort hingehen und Poppstars werden“, sagte Natascha zu Nadine, und Nathalie stimmte ihr zu.
***
Sie waren im Taxi unter der angegebenen Adresse gekommen und freuten sich wie Bolle. Nadine und Nathalie trugen natürlich ihre neuen, bei eBay ersteigerten Schuhe, nur Natascha nicht, weil ihre Schuhe eine Nummer zu klein ankamen, und zurückgeschickt werden mussten … das tut jetzt aber nichts zur Sache.
„Hallo! Wir sind jung und wollen Poppstars werden“, sagte Nadine zu der Empfangsdame, und Nathalie und Natascha nickten.
„Dann trage ich Sie fürs Gosee-Casting ein. Danach machen wir ein Shooting und die Set-Card. Wenn’s passt, folgt das Booking. Herr Schnipp, unser Cutting-Edge-Experte, bescheinigte der Staffel einen guten Vibe“, sagte die Empfangsdame. „Wie heißen Sie?“
„Nadine, Nathalie und Natascha“, sagten Nadine, Nathalie und Natascha.
„Ohh! Das ist aber ungünstig“, sagte die Empfangsdame. „Wir brauchen einprägsame Namen, die unsere Konsumenten besser unterscheiden können.“
„Künstlernamen? Das ist eine sehr gute Idee!“, sagten Nadine, Nathalie und Natascha. „Auch unsere neuen Schuhe haben ja Namen.“
„Ohh. Die sehen aber gut aus. Sind das Original Christian Louboutin?“, fragte die Empfangsdame.
„Ja, original Kristian Loupoutin, mit der lilablassblauen Schuhsohle“, antwortete Nadine.
„Und sie haben nur 49,95 Euro gekostet“, wusste Nathalie.
„Im Internetstore von Gudfig, einem skandinavischen Großhändler“, ergänzte Natascha.
„Ohh, das ist ja schön … tut aber jetzt nichts zur Sache“, meinte die Empfangsdame und schickte die drei jungen Frauen zum Hauptverantwortlichen, dem Popp-Gitanes.
Nadine, Nathalie und Natascha gingen zu einem Mann mit einer Baskenmütze, einem Ziegenbart und einer filterlosen Kippe im Mundwinkel.
„Und ihr Zuckerschnecken heißt wie?“
„Nadine, Nathalie und Natascha“, sagten Nadine, Nathalie und Natascha.
„Boah ey – das geht gar nicht! Ihr heißt ab sofort Mandy, Sandy und Candy“, sagte der Mann mit der Baskenmütze, dem Ziegenbart und der stinkenden französischen Zigarette.
Mandy war 19 Jahre alt, eins Komma 73 Meter groß, hatte lange lockige blonde Haare, Körbchengröße 75B, grüne Augen, Schuhgröße 39 und wog 60 kg. Sandy hatte mittellange, glatte blonde Haare und war ein Jahr älter als Mandy und 6 Zentimeter kleiner als Candy, hatte 80C, eine ägyptische Fußform und brachte 55,87 Kilogramm auf die Waage. Candy hatte ihr Idealgewicht, war aber lediglich 14 cm zu klein dafür. Sie hatte mittelkurze, leicht gewellte, fast glatte, blonde Haare, blaue Augen, über denen sie aber meistens braun gefärbte Kontaktlinsen trug, und war so groß, wie die Brustmaße von Mandy und Sandy zusammengezählt, trug aber immer High Heels, die halb so hoch waren wie Mandys Alter.*
*Fußnote* Mandys Alter ist übrigens Wasserinstallateur, das tut aber jetzt nichts zu Sache.
„Wir suchen jemand, der intelligent ist“, sagte der Mann mit der Baskenmütze, dem Ziegenbart und der filterlosen Zigarette.
„Warum?“
„Weil wir mit einer intelligenten, jungen Frau das ganz große Geld in Deutschland machen können.“
Candy streckte den Finger: „Ich bin sehr intellent!“
„Nein!“
„Nicht?“
„Doch! Ähh …“ Für einen Moment fiel dem Mann mit der Baskenmütze nichts mehr ein. „Boah ey … Blond ist der Hype. Aber wir brauchen jemanden der intelligent ist, und sich als naives Blondchen vermarkten lässt. Nicht umgekehrt!“
„Aber meine Haare sind doch blond“, sagte Candy, und Mandy und Sandy nickten zustimmend.
Plötzlich sahen sich alle Anwesenden an und fragten sich, was das soll.
„Wir fragen uns, was das soll“, sagte Sandy. Mandy stimmte zu und Candy starrte mit offenem Mund ihre blonden Haarspitzen an.
„Ich verstehe die Frauen nicht!“, flüsterte der Mann mit der Baskenmütze und dem Ziegenbart der Assistentin zu.
„Ein sehr kluger Mann sagte einmal: Manche Männer bemühen sich lebenslang, das Wesen einer Frau zu verstehen. Andere befassen sich mit weniger schwierigen Dingen z.B. der Relativitätstheorie.“
„Sie verstehe ich auch nicht, Frau Assistentin, aber zum Glück bin ich der Popp-Gitanes. Alles herhören! CUT! Alle erst mal ausziehen!“
Mandy, Sandy und Candy sahen sich verwundert an. „Aber wir sind doch noch gar nicht eingezogen“, sagte Candy.
„Wir sind doch eben erst gekommen, im Taxi!“, sagte Sandy,
„Und deswegen können wir auch nirgendwo ausziehen“, sagte Mandy.
Der Mann mit der Baskenmütze und dem Ziegenbart, seines Zeichens Deutschlands erfolgreichster Poppproduzent, fragte die Empfangsdame, ihres Zeichens austauschbare Assistentin des Erzeugers, wo sie diese Vögel herhatte. „Wo haben wir diese Vögel her?“
***
Mandy, Sandy und Candy wollten die Bühne sehen, „Können wir bitte die Bühne sehen?“
Die Assistentin brachte Mandy, Sandy und Candy zum Set. Mandy, Sandy und Candy fanden, dass die Bühne komisch aussieht, und sagten: „Die Bühne sieht aber komisch aus.”
„Das ist die Nachbildung eines gewöhnlichen Hotelzimmers, einschließlich der wichtigsten Plattform - einem handelsüblichen Doppelbett“, sagte die Assistentin schulterzuckend. „Lediglich die vier Vollpfosten fehlen noch.“
„Nein, die ziehen sich grad um und kommen gleich. Enis, Immel, Ödel und Tänder. Die Jungs stehen immer ihren Mann!“, sagte der Produzent und wischte sich mit der Baskenmütze den Geifer, die Asche und Krümel der ehemals filterlosen Zigarette aus dem leicht löchrigen Ziegenbart.
„Uiii, wir bekommen sogar Background-Tänzer?“, freute sich Sandy.
„Wie immer du das nennen willst, Baby!“
„Aber sollten wir es nicht erst einmal zu dritt machen? Also, nur wir drei Frauen, miteinander singen?“
„Nein! Vertraut mir, ich bin nicht umsonst der Popp-Gitanes“, sagte der Mann mit … (usw.) „alleine 2006 erschienen in Deutschland 1000 neue Filme unseres Genres und brachten etwa 800 Millionen Euro Umsatz.“
„Das glauben wir gern. Gesungen wird ja immer …“
„Wir freuen uns besonders, dass auch immer mehr junge Mädchen eine Chance bekommen, ihr Talent zu beweisen.“
Mandy, Sandy und Candy freuten sich und wollten am liebsten gleich Probe singen. „Können wir gleich Probe singen?“
Der Produzent, immer noch mit Baskenmütze, Ziegenbart und neuer Kippe im Mundwinkel, wunderte sich, weil die jungen Mädchen normalerweise erst stundenlang überredet … überzeugt, mit teuren Geschenken und unrealistischen Versprechen überhäuft und mit Komplimenten betört werden mussten. Er sagt zu seiner Assistentin: „Ich wundere mich, weil normalerweise die jungen Mädchen …“
***
Die Vollpfosten demonstrierten ihre Standfestigkeit. Sie waren ja auch aus besonders hartem Holz geschnitzt. Dick ragten die Phallussymbole gen Himmel ... um die Szene von hinten aufzurollen. Das ’Dick’ aus dem Amerikanischen kommt, und vor allem in der Schwulenszene gern in den Mund genommen wird, tut hier allerdings nichts zur Sache.
„Wenn ihr mit Leidenschaft dabei seid, verspreche ich euch, mach' ich euch zu Deutschlands bekanntesten Poppstars. Jeder Mann wird euch in- und auswendig kennen.“
„Ohh, das wäre unser Traum. Aber Sie haben uns noch gar nicht singen gehört?“, sagte Candy.
„Oder sollen wir auch vortanzen?“, fragte Mandy.
„Ihr könnt sogar beim Tanzen singen, Hauptsache der Mund ist schön weit auf.“
„Das ist doch selbstverständlich!“, sagte Sandy. „Singen hat doch etwas mit dem Kehlkopf zu tun.“
„Glaub' mir, Baby, mit einem dehnbaren Kehlkopf wirst du es in dem Business
Um weiterlesen zu können, musst Du Dich einloggen. | ||
Passwort vergessen? |
Anmeldung und Nutzung sind kostenlos. Um die angezeigte Geschichte weiterlesen zu können, ist kein Altersnachweis notwendig, da es sich um eine erotische Geschichte handelt (nicht pornografisch!). Die Anmeldung dauert keine zwei Minuten.
Kommentare
(AutorIn)
Kommentare: 441
Mondstern
Nun ja, eigentlich hat sie der Bestsellerautor Rainer Müll geschrieben, einer meiner Protagonisten in einer wirklich sehr chaotischen Geschichte
Den Link dazu findet ihr in meiner Autorseite.
Das Lob eines Kollegen geht runter wie Öl. Hat mich sehr gefreut. Man kann über die "Handlung" geteilter Meinung sein, einfach zu schreiben ist sie nicht *zwinker*
Nachtrag: Meine letzen beiden Geschichten waren eher kleine Experimente. Ich habe mir in den Kopf gesetzt endlich mein ersten "richtigen" Roman fertig zu stellen, und einem Verlag anzudrehen ... Und der wird dann wieder in meinem Lieblingsstil sein :-)
Nachtrag 15.08.11 Das Geschichtchen soll schon "lustig" und "doof" sein, zumindest auf den ersten Blick :-) Das Ende habe ich absichtlich so geschrieben, weil es in dem "Bussiness" kein Ende gibt.
LG Mondstern«
Kommentare: 80
Kommentare: 14
Kommentare: 22
Kommentare: 12
Kommentare: 4
ein MUSS für jeden.
Wenn doch unsere Comedians nur halb so viel pep reinbringen könnten.
Meinen Geschmack hast du vollkommen getroffen und mein rheinisches HErz zum lachen gebracht.
Absolut herrlich :-)
DANKE«
Kommentare: 47
Absolut klasse :-)
DANKE«
Kommentare: 279
Leichtgewicht
Chapeau, dass du den Irrsinn so konsequent durchgehalten hast, ohne dass weder ein Langeweileloch, noch ein Bruch auf der Gag-Ebene auftrat.
Ich könnte das nicht.
Auch wenn es nicht mein Genre ist, bewundere ich die Vielzahl der kleinen Ideen.
Gratulation und gemeint wie geschrieben«
Kommentare: 1
Paßt vor allen Dingen in unsere Zeit ;)«
Kommentare: 9
Super geile Story«
Kommentare: 136
Der XXX-Zine
Ein kleiner Wink an den Einleser ;-):
"... Humor vom Feinsten eben. Und absolut gekonnt dargeboten, ein Leckerbissen in dieser Rubrik."
Dreimal "Superlative" und dann nur vier Sternchen?«
Kommentare: 10
Kommentare: 67
Kommentare: 48
da hast Du ja ein echtes Kleinod geschrieben! Schnell, witzig und sehr - ungewöhnlich. Klasse Stil, klasse Dialoge.
Wirklich beneidenswert, wie sehr Du Deinen Stil über die verschiedenen Geschichten, die Du geschrieben hast, verändern konntest. Glückwunsch!
Liebe Grüße
Hank«
Kommentare: 32
Steppenwolf
Ich drück Dir die Daumen bei der Suche nach einem Verlag.«
Kommentare: 24
Laurent Chevalier
Kommentare: 102
Faith
es gibt ein paar Szenen die wirklich lustig sind, als Geschichte funktioniert der Text aber nicht, zumal das Ende offen ist. Ich hätte einen Abschlussknaller erwartet.
Dennoch bewundere ich Deinen Mut sowas durchzuziehen. :-)«
Kommentare: 21
silberadler
wirklich richtig witzig geschrieben... lach... du schaffst es wieder mal auf ganz tolle Weise, einem den Alltags Wahnsinn zu versüssen... :-)
LG silberadler«
Kommentare: 7
Kommentare: 32
ich hab mich schlapp gelacht beim Lesen. Wirklich sehr gelungen.
Liebe Grüsse
Georg«
Kommentare: 94
andreashava
Es war eine gute Idee, diese Szene aus unserem Mammutwerk "Der Abspritzcontest" als eigenständige Episode zu bringen - es passt - selten ist die Dummheit so schön bildhaft in Worte gefasst worden. Ich muss nicht mal das Nachmittags-Idiotenfernsehen anschalten, um den wahlweise zum reinschlagen oder abschalten motivierenden Gesichtsausdruck deiner Prots vor Augen zu haben.
Doch deine Geschichte ist um ein Vielfaches unterhaltsamer. Da steck ich mir doch gleich ne filterlose Fluppe rein, zum Glück hab ich keinen Bart ...
LG Andrea«
Kommentare: 258
am besten haben mir die dinge gefallen, die nichts zu sache tun, gefolgt von dem aberwitzigen orthographie-monolog - in direkter rede!
hmm: man muss schon in stimmung sein, das lesen und lustig finden wollen. und dafür tummelt sich hier natürlich nur eine eingeschränkte zielgruppe - ist ja kein comedy-portal - das rote fädchen findet sich ja - genau - gewöhnlich woanders.
aber das tut alles eigentlich überhaupt nichts zur sache! weiter so - freu' mich noch auf viele andere kleine und große geschichten!«
Kommentare: 106
tyami takez
Kommentare: 17
Kommentare: 76
Solche Texte müssten die Titelseiten aller großen Tageszeitungen zieren!
Wunschdenken! Schon in der Dreigroschenoper steht ja:"de Verhältnisse, se sind nicht so!"«
Kommentare: 404
Helios53
So kann ich die Abschlussfrage wie folgt beantworten: Super-blöd und das ist gut so!«
Kommentare: 57
das ist mal eine ganz andere Geschichte von Dir , aber trotzdem wie immer erotisch und spannend geschrieben.
LG Stef«
Kommentare: 214
aweiawa
LG
Elmar«
Kommentare: 79
Kommentare: 7
Jedem das seine.«
Kommentare: 21
Kommentare: 31
geniale geschichte hat spaß gemacht sie zu lesen :-) weiter so«
Kommentare: 18