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Kommentar: 1 | Lesungen: 6602 | Bewertung: 8.13 | Kategorie: Teen | veröffentlicht: 18.09.2009

Das Leben ist (k)ein Spiel [2!] 2/2

von

— Stéphanie —

Die Wut lässt Stéphanie nicht mehr klar denken. Als die Blonde heute Morgen in die Schule gekommen ist, wäre sie am liebsten auf Lola und die anderen losgegangen. Manchmal wünscht sie sich, ein Mann zu sein, der könnte in solchen Situationen dem anderen eine Faust ins Gesicht schlagen. Als Frau gehört sich das nicht, dieser Regel unterwirft sogar sie sich, niemand will eine weibliche Ausgabe von Rambo vögeln.


Das gesamte Wochenende hat sie rumtelefoniert, aber lange hat niemand Zeit gehabt, mit ihr zu sprechen, stets haben Lola, Tina und der Rest der Bande Ausreden vorgebracht, warum sie jetzt gerade nicht reden können. Die Schule konnten aber nicht alle schwänzen.


Bis zur 10-Uhr-Pause hat sie noch warten müssen, um den anderen so richtig ihre Meinung zu sagen. Während den drei Stunden davor hat sie immer wieder gifttriefende Blicke zu ihren so genannten Kolleginnen hinüber geworfen. Lola, die neben ihr sitzt, hat einmal versucht, ihr etwas zuzuflüstern, aber Stéphanie hat sie sofort zum Schweigen gebracht. Seither schlägt sie stets die Augen nieder, doch Tina, diese dumme Kuh, hat es gewagt, Stéphanies Blicken standzuhalten. Das hat sie noch zorniger gemacht.


Auf diesen Augenblick hat sie gewartet, endlich geht es in die Pause. Kaum haben sie das Schulzimmer verlassen, platzt es aus ihr heraus. „Ihr seid die billigsten Nutten, denen ich jemals begegnet bin“, sind die ersten Worte, als sie sich zu den anderen gesellt. „Bringt jetzt keine Ausreden hervor, warum ihr mich am Freitag zurückgelassen habt.“ Sie sieht zu Tina hinüber. „Du verdammte Fotze, wer ausser dir könnte an der Scheisse letzten Freitag Schuld sein.“ Sie spuckt auf den Flurboden, steht mit dem rechten Fuss darauf und dreht ihn, als wolle sie eine Zigarette ausdrücken.


Andere Schüler haben den Streit bemerkt und sich um die Clique herum versammelt. „Was glotzt ihr so dumm?“, faucht Stéphanie sie an. „Gibt’s was Spannendes zu sehen?“ Sie streckt ihnen beide Mittelfinger entgegen und geht stampfend davon.


Plötzlich erscheint Nicole neben ihr. „Kann ich irgendwie helfen? Vielleicht benötigst du jemanden, mit dem du sprechen kannst.“


„Verschwinde bloss! Hast ja keine Ahnung und wirst auch niemals eine haben. Es gibt drei Millionen Menschen, die ich dir vorziehen würde.“ Daraufhin lässt Nicole sie in Ruhe.


Wütend ist ein viel zu schwacher Ausdruck, wie Stéphanie sich fühlt.


Lola, Felicita und Tina folgen ihr die Treppe hinunter. „Es ist einfach dumm gelaufen“, beteuert Lola immer wieder. „Ich kann es mir auch nicht richtig erklären.“ Stéphanies Lippen werden zu einem Strich. Was die Italienerin sagt, macht sie eher noch wütender, als dass es sie beruhigt hätte. Unten gesellen sich Marion und Ellen dazu.


Auf dem Pausenhof hält Stéphanie an und wendet sich als erstes an Lola. „Wie isses gelaufen? Was haste gesagt? Ach ja, es is dumm gelaufen.“ Sie stösst so etwas wie ein Lachen aus.


„Das ist es wirklich!“


„Auch wenn du es zehntausendmal sagst, glaube ich dir nicht. Fällt dir keine bessere Ausrede ein? Is ja erbärmlich. Du bist erbärmlich.“


„Es stimmt aber!“, mischt sich nun ausgerechnet Ellen ein. „Ich weiss auch nicht, wie es dazu gekommen ist.“


„Du hast ja auch nichts mehr mitbekommen, nachdem du dich hast volllaufen lassen.“ Tina schlägt ihr gegen den Hinterkopf. Ihre Worte triefen vor Verachtung. Sie wendet sich an Stéphanie. „Das ist dir nur recht geschehen, nachdem du meinen Freund vergrault hast.“ Sie lächelt breit. „Ich habe dir nur mit gleicher Münze heimgezahlt. Du kannst dich nun entscheiden, wer von uns fieser ist.“


„Was seid ihr überhaupt für Leute? Macht ihr immer, was man euch sagt?“ Damit meint sie nicht Tina, sondern die anderen der Clique und schaut dabei in die Runde. „Nur weil die grosse Tina eine Idee hat, macht ihr alle, was sie will? Is ja zum Kotzen.“ Niemand kann ihr antworten, ist ja klar. Das ist es aber nicht, was sie will. Es geht darum, dass sich die Mädchen entschuldigen sollen, vor Schuld zu Boden blicken, wenn sie in ihre Nähe kommt.


„Ich kann es mir auch nicht erklären“, sagt Felicita schliesslich. „Ich habe gar nicht weiter darüber nachgedacht, als Tina gesagt hat, wir sollen jetzt gehen.“


Könnten Blicke töten, wäre von ihr nichts als Asche übrig. „Wozu erzählst du mir Dinge, die ich schon weiss? Ich habe bemerkt, dass du nicht weiter darüber nachgedacht hast, aber vielen Dank fürs Mitteilen.“ Stéphanie spricht zwar ruhig, aber ihre Stimme hat die Schärfe eines Skalpells angenommen. „Ihr könnt mir alle gestohlen bleiben. Denkt ihr, ich komme nich ohne euch aus?“ Sie lacht voller Hohn. „Es ist eher umgekehrt. Ihr seid auf mich angewiesen. Was wärt ihr schon, wenn ihr mich nicht hättet? Weiber wie alle anderen, das sage ich euch. Genauso langweilig, genauso uncool wie der Rest der Welt.“


Marion meldet sich zu Wort. „Ich fand es keine gute Idee von Tina und wollte nicht mitmachen …“


„Hör mir auf mit diesem Schwachsinn. Du bist mitgegangen, damit biste für mich gestorben“, schneidet Stéphanie ihr das Wort ab.


„Sie hat gedroht, auch mich zurück zu lassen, aber ich musste mich um Ellen kümmern. Sie benötigte dringend ein Bett. Ich musste einfach mit.“


Stéphanie gibt ein fauchendes Geräusch von sich. „Wenn du schon eine Ausrede hervorbringst, gib dir wenigstens etwas Mühe. Was ist mit deinem ach so tollen Freund? Er ist ja gefahren. Wenn er sich gegen Tina gestellt hätte, wärt ihr nicht weggekommen.“


„Das ist ein weiterer Punkt“, sagt die Älteste von ihnen. „Ich habe Tina zwar nicht unterstützen wollen, aber auf eine Weise finde ich es gut, hat sie dir klargemacht, dass die Sache mit ihrem Freund scheisse war. Der gleichen Ansicht war auch Christian, darum ist er gefahren. Ich hoffe für dich, dass dir etwas klar geworden ist.“ Stéphanie will wütend widersprechen, aber Marion bringt sie mit einer entschiedenen Handbewegung zum Schweigen. „Für mich ist die Sache damit erledigt. Diskutiert weiter darüber, ich gehe jetzt.“ Auf dem Absatz macht sie kehrt und geht davon.


Eine Pause entsteht, in welcher sich die Girls giftige Blicke zuwerfen. Die erste, die etwas dagegen unternehmen will, ist Lola. „Wie bist du nach Hause gekommen, Schatz?“


„Musst mir jetzt nich mit dieser Nummer kommen. Geht dich nix an.“ Stéphanie funkelt ihre Kollegin bedrohlich an. Etwas steht fest: von der Nacht mit Silvan darf niemand etwas erfahren. Kein Wort darf nach draussen gelangen, nicht die kleinste Andeutung, sonst ist ihr Ruf im Arsch. Wenn nur er dicht hält. Stéphanie wird das Gefühl nicht los, dass sie sich keine Gedanken machen muss.


Jetzt, da sie wieder daran erinnert wird, macht sich dieses Gefühl wieder in ihr breit, das sie erst dazu getrieben hat, Sex mit Silvan zu haben, jenen Mann, den sie am Gymnasium am wenigsten mag. Geborgenheit. So wenig sie es wahrhaben will, so sehr stimmt es.


Der Rest der Pause verläuft in allgemeinem Schweigen. Stéphanie grollt immer noch. Am liebsten hätte sie alle geschlagen, aber sie weiss, dass sie sich an dieser Schule nicht mehr viel erlauben kann. Jemandem auf dem Pausenplatz eine Ohrfeige zu geben, ist mehr als auffällig und sie hätte davon ausgehen müssen, zum Rektor zitiert zu werden.


Ausnahmsweise ist sie nicht traurig, als die Glocke klingelt und sie wieder hineingehen müssen. Stéphanie wartet nicht, bis die anderen hinter ihr herdackeln. Natürlich wird es wieder einmal eng beim Durchgang zwischen Pausenhalle und Schulgebäude. Es wird geschubst und gestossen, aber so, wie Stéphanie drauf ist, gibt sie ordentlich zurück, rammt einem Boy den Ellbogen in die Seite und tritt einem anderen auf die Füsse. Sie werden es nicht wagen, es ihr heimzuzahlen, die wissen alle, wie sie tun kann.


Etwas besser fühlt sie sich jetzt doch. Wenn da nur Tina nicht wäre. Sie wagt es immer wieder, ihr die Stirn zu bieten. Gäbe es nur einen Weg, sie loszuwerden. Lola, Ellen und Felicita hätten zu wenig Mumm, Stéphanie zu widersprechen. Die Vorstellung gefällt ihr. Zwar gibt es noch Marion, aber die Streberin kann ihr gestohlen bleiben.


„Seit über einer Woche denke ich ununterbrochen an dich“, sagt plötzlich eine Stimme rechts von ihr. Sie gehört Simon. Stéphanie ist so in ihren Gedanken versunken gewesen, dass sie gar nicht bemerkt hat, wie er sich ihr genähert hat.


„Schön für dich.“


„Wenn ich wichse, erscheinst du immer wieder in meinen Gedanken. Ich bringe dich dort einfach nicht mehr weg.“


„Solltest du aber.“


Sie wird Simon nicht los. „Vielleicht könntest du mir dabei helfen“, sagt er und grosse Hoffnung liegt in seinen Worten


„Und wie, bei meiner Fotze, soll das bitteschön gehen?“


Er lächelt. „Indem wir wieder miteinander poppen. Was sagst du zu diesem Vorschlag? Letztes Mal in der Toilette ist doch absolut Hammer gewesen.“


Stéphanie sieht ihn abschätzig an. „Wenn ich es nötig habe, melde ich mich. Bis dahin bleibt dir nichts anderes übrig, als beim Wichsen an mich zu denken.“

— Silvan —

Enttäuscht stellt Silvan fest, als er in den Proberaum der Band kommt, dass Nico noch nicht hier ist. Gerne hätte er mit ihm über einige Riffideen gesprochen, bevor die anderen kommen. Das ist nicht mehr möglich, denn David, der Bassist, übt bereits. Als er Silvan sieht, legt er sein Instrument zur Seite und kommt Silvan entgegen. „Ein Bier?“ Er wartet die Antwort gar nicht ab, sondern geht schon zum kleinen Kühlschrank.


„Nico ist noch nicht hier?“, erkundigt sich Silvan, obwohl die Antwort auf der Hand liegt.


Die erwartete erhält er dann auch. In einem Zug trinkt er das Bier halb leer. Anschliessend setzt er sich hinter das Drumset, nimmt die Kopfhörer und spielt sich ein. Nach einigen Minuten kommt Marc dazu und schlussendlich auch Dorival. Zum Gruss streckt Silvan ihnen die Drumsticks entgegen, hört aber mit dem Spielen nicht auf. Erst als der Sänger nach hinten kommt, hält er inne.


„Was läuft heute Abend?“, fragt ihn dieser barsch. „gibt es wieder einige Lieder, die du nachspielen willst? Das kennen wir langsam. um ehrlich zu sein, bin ich nicht hergekommen, um mich zu langweilen.“


Silvan steht auf, damit Dorival nicht auf ihn hinunter sehen kann. Gerne hätte er etwas Scharfes erwidert, aber was die Sängerfrage angeht, will er sich zuerst mit Nico absprechen und so verkneift er sich jeglichen giftigen Kommentar. „Ich will einige Songideen ausprobieren, aber Nico ist ja noch nicht hier.“


Dorival zeigt in die Runde. „Wofür müssen wir auf ihn warten? Alle anderen sind ja hier. Er ist nicht der einzige in der Band, der Gitarre spielen kann.“


„Da hast du Recht, trotzdem will ich warten, bis er hier ist.“ Er setzt sich wieder hin und damit ist die Diskussion beendet. Die Blicke der anderen, die auf ihn gerichtet sind, entgehen ihm nicht, aber er beachtet sie so wenig wie möglich. Es läuft ihm kalt den Rücken hinunter und als nach einigen Minuten endlich Nico auftaucht, atmet er erleichtert auf.


„Können wir jetzt endlich loslegen?“, fragt Dorival und klingt nicht nur ungeduldig, sondern auch aggressiv.


„Lasst ihn doch zuerst einmal ankommen“, mischt sich Silvan ein und geht zu seinem Kollegen hinüber. „Lust auf einen Hopfentee?“


Nico schüttelt den Kopf und geht sogleich zu seiner Gitarre hinüber. „Was hast du mir zeigen wollen?“, erkundigt er sich und sieht zu Silvan hinüber.


Dieser runzelt die Stirn. Seit wann ist Nico so erpicht darauf, schnell loszulegen? Sonst setzt er sich zuerst hin und genehmigt sich ein Bier, spricht währenddessen über die Einfälle, die er gehabt hat oder die neuesten CDs in seinem Besitz. Heute macht er einen sonderbar gestressten Eindruck.


Silvan hat noch nicht hinter seinen Schlagzeug Platz genommen, da legt Nico auch schon los. Zum Einstieg gibt es einen Gitarrenriff von Metallica. Die restliche Band steigt sofort ein und sie spielen die erste Hälfte des Liedes. Nico fällt plötzlich draus und schlägt auf seine Gitarre, was einen Ton verursacht, der in den Ohren weh tut.


„Ist ja auch egal“, hört Silvan Nico murmeln, bevor sich sein Kollege an den Rest der Band wendet. „Hier etwas, das mir letzthin in den Sinn gekommen ist.“ Er blickt zu den Saiten hinunter und sieht für einen Augenblick ratlos aus, als wisse er nicht, was wir spielen wolle. Dann bringt er einen zehnsekündigen Teil, der nicht einmal so schlecht klingen würde – träfe Nico einigermassen die Töne.


„Du meinst so?“, erkundigt Marc und spielt die Stelle nach, jedoch sauber.


„Das nehmen wir doch“, schlägt Silvan vor. Die übrigen Bandmitglieder nicken. Er gibt den Takt an und sie spielen es erneut, diesmal zweistimmig, aber auch diesmal liegt Nico mit dem Ton daneben.


Dorival lacht und erhebt sich von seinem Hocker. „Ihr müsstet hören, wie das klingt. Schrecklich. Ich glaube, wir benötigen einen anderen Leadgitarristen“, witzelt er. Nur Marc lacht. Aber das ist schon jemand zu viel.


„Jetzt macht mal halblang! Habt Ihr noch nie einen schlechten Tag eingefangen?“, fragt Silvan scharf. „Jeder weiss doch, wie es klingen soll. Diese Stelle üben können wir immer noch, ich bin dafür, dass wir sie noch weiter ausarbeiten.“


„Du meinst Basslinien und wie du dazu trommeln sollst?“, fragt Dorival mit hochgezogenen Augenbrauen. „Nur das nicht! Das ödet mich total an und ich wüsste nicht, warum ich dann noch hier wäre. Habe ja nichts zu tun.“


Silvan mag es nicht, wie Dorival redet, er kommt sich erpresst vor, auch wenn der Sänger auf eine Weise sogar Recht hat. Er kann nichts tun, als Ideen beizusteuern. Sich um den Gesang zu kümmern, dafür ist es noch zu früh. „Ja, gut, machen wir etwas anderes. Ich hätte da auch noch einige Ideen.“ Silvan kommt hinter dem Schlagzeug hervor. „Zuerst benötige ich aber eine Gitarre.“ Er nimmt sich eine, die gerade niemand beansprucht und lehnt sich gegen eine Wand. Bevor er beginnt loszuspielen, summt er das Riff vor sich hin.


„Das hört sich ja schrecklich an“, ist Dorivals Kommentar, als Silvan geendet hat.


Nico meint hingegen: „Ist nicht einmal so schlecht. Man müsste noch etwas daran herumfeilen, aber es ist ein guter Anfang.“ Er blickt auf seine Hände und versucht nachzuspielen, was Silvan gezeigt hat.


„Dann lieber noch das erste“, urteilt der Sänger nun.


Ein ärgerlicher Ausdruck macht sich auf Nicos Gesicht breit. „Könntest du bitte mal ruhig sein? Herumfeilen heisst auch, dass nicht immer gleich etwas Gescheites dabei rauskommt.“ Er wendet sich wieder der Gitarre zu und versucht auf eine andere Weise, Silvans Riff zu verbessern. Besser wird es nicht.


Da meldet sich Marc, der zweite Gitarrist. „Ich hätte da einen Vorschlag.“ Er wartet nicht, bis die anderen ihm sagen, er soll ihn vorspielen. Es ist unverkennbar das, was Silvan gespielt hat, jedoch auf eine Weise, die ihn sogleich mit dem Fuss wippen lässt. Er stellt die Gitarre an die Wand und begibt sich hinter das Schlagzeug, steigt sofort ein, wie auch David am Bass.


Marc macht aber noch viel mehr, als nur Silvans Vorschlag nachzuspielen. Er erweitert ihnen, so dass sie am Schluss auf über eine Minute Musik kommen.


„Das ist doch schon einiges besser, als Nicos kaum anzuhörendes Gewichse.“ Wer anders als Dorival könnte so etwas von sich geben?


Das bringt das Fass zum Überlaufen.


„Was denkst du, wer du bist?“, fährt Nico den Sänger an. „Meinst du, dich hier wie ein König aufführen zu dürfen? Habe ich jemals über deinen mehr als nur mässigen Gesang beklagt?“ Er wirft die Gitarre mehr auf den Boden als er sie legt. „Das ist nicht deine Band. Erinnerst du dich an das Papier, das du unterschrieben hast, als du beigetreten bist?“


Dorival winkt ab. „Dieser Hobby-Vertrag? Den kann ich nicht ernst nehmen.“


„Solltest du aber“, presst Nico zwischen den Zähnen hervor. „Der existiert nicht umsonst, sondern regelt ganz genau die Befugnisse von Silvan und mir.“


Der Sänger lacht. „Du entschuldigst, das Käseblatt habe ich nie durchgelesen. Was steht denn so darin? Was dürft ihr alles?“


Nico steht jetzt mit wutverzerrtem Gesicht direkt vor ihm. Silvan weiss, was jetzt einfach kommen muss. Dennoch kann sich Dorival nicht verteidigen, zu schnell kommt ihm die Faust entgegen und trifft ihn mitten im Gesicht. Jedoch lässt er sich auch nicht zurückdrängen, sondern packt Nico am Kragen und will ihm eine verpassen.


Schon ist Silvan heran und verhindert, dass Dorival zuschlägt. Dieser will sich nun gegen ihn wenden, aber jetzt schreiten auch die anderen Bandmitglieder ein und halten den Sänger fest.


„Wir können dich schmeissen und genau das geschieht jetzt“, sagte Nico und zeigt zur Tür. „Lass dich nie wieder hier blicken.


Dorival kann nicht mehr, als ihm böse Blicke zuzuwerfen. Als Silvan, Marc und David ihn loslassen, bleibt er noch einen Moment stehen, dann dreht er sich um und stampft wütend davon.


„Das hätten wir erledigt“, sagt Silvan. „Manchmal ist es nötig, hart durchzugreifen. Der wäre uns noch auf der Nase herum getanzt, hätten wir ihn gelassen.“


„Wo kriegen wir nur einen neuen Sänger her?“, fragt David.


„Das ist eine Sache, mit der wir uns gerne beschäftigen, nicht wahr, Silvan?“ Nico blickt zu ihm hinüber.


„Kleinanzeigen in den Lokalzeitungen, dazu gibt es noch das Internet, dort erreichen wir beinahe unendlich viele Leute. In der Theorie zumindest.“ Das ist das Problem des weltweiten Netzes. Nichts ist sortiert. Es ist wie ein Warenhaus, wo sich die T-Shirts neben dem Frischkäse befinden und Joghurt oben auf dem Schachteln der Spielzeugautos steht. „Ich hoffe, die richtigen werden auf uns aufmerksam.“


„Darüber machen wir uns später Gedanken“, bestimmt Nico. Einerseits wirkt er erleichtert, aber etwas bedrückt ihn immer noch. Egal, was es ist, darüber sprechen will er anscheinend noch nicht. „Machen wir weiter“, schlägt er vor, „wir haben uns ja nicht getroffen, um zu streiten.“


Viel schaut dabei nicht daraus. Nico ist einfach nicht gut drauf und alles, was er spielt, hört sich belanglos oder einfach falsch an. Nach einer Stunde brechen sie die Übung ab. Marc und David verabschieden sich.


„Hast du wirklich nicht Lust auf ein Bier? Oder eine Pizza“, hakt Silvan nach. „Ich lade dich ein.“


Nico schmunzelt. „Du kannst es nicht lassen, was? Also gut, du hast mich überredet. Aber nicht hier, ich benötige frische Luft.“


Eine Viertelstunde später sitzen sie auf der Terrasse des nahen Restaurants, jeder mit einem Bier vor sich, die heisse Scheibe wird noch kommen. Mehrere Kastanienbäume gibt es hier, deren Kronen sich zu einem einzigen Blätterdach vereinigt haben. Selbst wenn die Sonne am höchsten steht, dringt sie nicht durch. Früher hat Silvan hier kesselweise Rosskastanien gesammelt und sie zu Hause mit Zahnstochern zu Figürchen verarbeitet.


Wie es sich für einen anständigen Sommer gehört, ist es auch um einundzwanzig Uhr noch angenehm warm. Dementsprechend Betrieb herrscht noch, es sind kaum Tische frei.


„Es ist wegen Larissa“, beginnt Nico von sich aus. Silvan hat gerade einen Schluck nehmen wollen, nun stellt er das Glas wieder hin. „Ich kann mir nicht helfen. An einigen Tagen geht es gut, dann kommt wieder so etwas wie am Samstag.“ Mit dem Daumen und Zeigefinger fährt er über seine Augen.


Silvan sagt nichts. Also ist es doch so gekommen, wie er es sich nicht gewünscht hat. Letzten Freitag vor dem Ausgang hat es noch so gut ausgesehen. Die beiden haben miteinander gescherzt und es gut gehabt. Lange hat es anscheinend nicht gehalten.


„Sie hat ja bei mir übernachtet. Wir hatten hervorragenden Sex, so guten wie seit Monaten nicht mehr und ich habe gedacht … ich war davon überzeugt, wir hätten die Probleme hinter uns gelassen.“ Während Nico spricht, hört er sich so fremd an. Seine Stimme ist flach, ändert nicht den Tonfall. „Bereits am nächsten Morgen sah alles anders aus. Wir sind früh erwacht und ich wollte mich an sie drücken, aber sie ist mir ausgewichen und schliesslich ging sie duschen. Ich stand dann auch auf. In völligem Schweigen haben wir dann gefrühstückt. Na ja, bis es aus ihr herausgebrochen ist.“ Was jetzt kommt, verlangt von Nico alles ab. Er lehnt sich nach hinten und legt den Kopf in den Nacken, fährt sich mit den Händen übers Gesicht. „Sie hat mir an den Kopf geworfen, sie bereue den letzten Abend, dass sie mit uns in den Ausgang gekommen ist und überhaupt meinte sie, in die Disco zu gehen sei Teenager-Kram, so etwas habe sie nicht mehr nötig.“


Solche Aussagen gehören zu den Dingen, die Silvan wütend machen. Pseudo-elitäres Gehabe nennt er das. Sich älter und erwachsener machen, als man ist. Man soll in der Gegenwart leben, denn in der Vergangenheit kann man nur schwierig und in der Zukunft unmöglich.


Nico schüttelt den Kopf und leert den Rest des Bieres in sich. „Ich habe wieder einmal keine Ahnung, wo ich bei ihr stehe. Nach diesem Disput ist sie gegangen und hat mich mit tausend Fragen zurückgelassen. Die wichtigste ist jedoch: Will sie noch mit mir zusammen sein?“


„Das solltest du dir selber beantworten“, rät Silvan. Sein Freund sieht ihn fragend an. „Du solltest nicht darauf warten, bis sie dir ein Zeichen gibt, denn so läufst du ihr nur hinterher. Ich will Larissa nichts unterstellen, aber ich meine, sie geniesst es, über jemanden die Kontrolle zu haben. Leider bist das in diesem Fall du.“ Er verzieht schmerzlich das Gesicht und wartet, bis die Gäste am Tisch nebenan gezahlt haben und gegangen sind. Er lehnt sich vor, damit er nicht so laut sprechen muss. „Entscheide dich, bevor sie es tut. Lass nicht mit dir spielen dafür musst du dir zu schade sein.“

Rahel wohnt in einer Vorortsgemeinde, die mit der Regionalbahn einfach zu erreichen ist. Da er allerdings bis jetzt noch nichts mit ihr zu tun gehabt hat, ist er noch nie bei ihr zu Hause gewesen und hat bis dahin auch keine Ahnung gehabt, wo sie wohnt.


Es ist Dienstag, auf heute haben sie abgemacht. Mit dem Zeigefinger drückt er auf die goldene Klingel des modernen, mit viel Glas ausgestatteten, Einfamilienhaus. Etwas länger als bei einer anderen Person muss er warten, bis geöffnet wird.


„Pünktlich auf die Minute“, urteilt Rahel, als sie ihn sieht. „Komm doch herein, ich beisse nicht, das weisst du ja inzwischen.“ Sie lächelt ihn an und rollt zur Seite, damit er eintreten kann.


Vor ihm breitet sich das Wohnzimmer aus, dessen Längsseite eine Fensterfront einnimmt. Die Möbel aus schwarzem Leder und dunklem Holz bilden einen scharfen Kontrast zum sonst hellen Raum. Linkerhand befinden sich die grosszügige Küche mit einer kleinen Bar und der Essbereich.


„Willst du etwas trinken?“


„Gerne. So geht das Lernen etwas einfacher.“ Er folgt Rahel in die Küche, wobei er sie mustert. In die offenen Haare hat sie einen silbernen Haarreif gesteckt. Sie trägt ein weisses Trägershirt und einen Wickelrock mit Mustern aus verschiedenen Blautönen drauf.


Sie öffnet den Kühlschrank und nimmt eine Flasche Ice-Tea heraus. „Ich hoffe, das ist recht.“


„Auf jeden Fall. Sag mir einfach, wenn ich dir etwas helfen kann.“


Sie wirft ihm ein Lächeln zu. „Werde ich machen, aber in der Regel bin ich in der Küche selbstständig. Kochen ist kein Problem. Siehst du? Der Herd ist so gestaltet, dass ich darunter fahren kann.“


„So lerne auch ich immer wieder dazu“, sagt er. Jetzt, da sie ihn darauf aufmerksam gemacht hat, fällt ihm auf, dass es sich beim Spülbecken gleich verhält und bestimmt ist es kein Zufall, dass sich der Backofen genau auf ihrer Höhe befindet.


„Gehen wir in mein Zimmer?“, fragt sie, nachdem sie den Kühlschrank geschlossen hat. Auch an Gläser hat sie gedacht. Er geht zur Seite und lässt sich von ihr nach hinten zu einer Rampe führen. „Meine Eltern haben darauf bestanden, dass ich ohne Hilfsmittel nach oben gelange, darum die Rampe. Hinten gibt es zwar noch einen Lift, aber den benütze ich kaum.“ Natürlich gelangt Rahel ohne Hilfe hinauf. „Dort drüben ist das Schlafzimmer meiner Eltern. Hier rechts ist das Büro und um die Ecke liegt mein kleines Reich. Daneben findest du das Bad.“


Silvan wirft nur einen kurzen Blick hinein, bevor er Rahel in ihr Zimmer folgt. Die gegenüberliegende Seite der Tür nehmen Fenster ein. In der Mitte steht das breite Bett, rechts davon das Nachttischchen. Ein analoger Wecker steht darauf und in einer Vase steckt ein getrockneter Strauss. Überhaupt scheint Rahel Pflanzen sehr gerne zu haben, denn auf der anderen Seite des Bettes, vor dem Fenster auf dem Sims, stehen noch weitere – Kakteen, Bonsai und kleine Blumen – dazu entdeckt Silvan noch zwei Palmen. Ganz links aussen führt eine Tür auf den Balkon. Daneben befindet sich der Schreibtisch, von draussen nicht einzusehen, weil die Tür im Weg ist. Schrank und Kommoden befinden sich rechts des Eingangs.


„Nimm ruhig Platz“, sagt Rahel und deutet auf den einzigen Stuhl im Zimmer. „Du kannst auch auf mein Bett sitzen, wenn dir das bequemer ist.“


„Lieber den Stuhl. Ich bin der Ansicht, dass man auf das Bett erst sitzen soll, wenn man jemanden gut kennt. Für mich stellt es so etwas wie die letzte Festung der Privatsphäre dar.“


„Wenn das so ist … ich will dich zu nichts zwingen, aber es wäre schön, wenn wir nächstens so weit wären, dass du dich auf mein Bett setzen willst. Wir kennen uns ja kaum.“ Sie lacht leise. „Du musst meine Worte nur symbolisch sehen. Nicht, dass noch Missverständnisse entstehen.“


„Bestimmt nicht. Aber beginnen wir doch mit den Recherchen. Je früher wir das durch haben, desto länger haben wir nach der Zeit, um noch miteinander zu reden. Vorausgesetzt, du willst das.“


Rahel stellt die Flasche Ice-Tea und die Gläser auf dem Schreibtisch und schaltet den Computer ein. „Klar, wieso auch nicht. Um ehrlich zu sein, habe ich keine Ahnung, was du so für einer bist.“ Sie grinst breit. „In einem Punkt unterscheidest du dich nicht von anderen: Auch du bist schon einmal in mich hineingelaufen.“


Dass sie das ansprechen muss! Ihm ist das noch immer unangenehm, er muss dann aber auch grinsen. „Wir Laufenden sehen nicht immer dorthin, wo wir müssten.“


Rahel macht eine wegwerfende Handbewegung. „Ist mir früher auch so gegangen, kein Grund, darüber nachzudenken. Sag mal: Hast du das Thema wirklich genommen, weil es dich interessiert?“


Silvan runzelt die Stirn. „Na klar. Du etwa nicht?“


„Doch, doch“, antwortet sie schnell. „Geschichte mag ich ohnehin. Also, los geht’s. Starten wir mit Google?“


Zwei Stunden hangeln sie sich im Internet herum, springen von einer Homepage zur anderen. In dieser Zeit reden sie kaum miteinander und wenn, dann nur über ihre Aufgabe. Zum Glück ist es kein Thema, bei dem es schwierig ist, an Informationen zu kommen. Am Schluss haben sie so viel gelesen, dass sie beinahe glauben, ein Buch schreiben können.


„Ich glaube, das genügt vorerst“, sagt Silvan mit einem Blick auf den Stapel ausgedruckter Blätter.


„Das ist einiges mehr, als wir brauchen“, lacht Rahel. „Es geht ja nicht darum, einen fünfstündigen Vortrag zu halten. Aber es stört mich auch nicht, haben wir so lange gesucht. Es ist erstaunlich, wie sie es geschafft hat, so weit zu kommen. Man darf nicht vergessen, welche Rollen die Frauen im Mittelalter hatten. Ich weiss, das lässt sich nicht unbedingt vergleichen, aber für mich ist das, was sie erreicht hat, gleich viel wert wie die gewonnenen Schlachten eines grossen Feldherrn.“


„Stellt sich nur die Frage, ob es glücklicher Zufall war oder ihr tatsächlich eine höhere Macht – Gott? – beigestanden hat.“


„Was denkst du?“ Rahel schenkte sich ein Glas nach und sah Silvan gespannt an.


„Ich tendiere zu zweitem, weil ich nicht unbedingt an Zufall, das Glück oder Pech glaube. Ich bin der Ansicht, das Schicksal oder was auch immer hat unseren Weg bereits vorgezeichnet.“


Das Mädchen denkt einen Moment nach und sagt dann: „Komisch. Ich hätte dich jetzt als jemanden eingeschätzt, der die Freiheit liebt. Da passt es nicht zusammen, dass alles, was passieren wird, bereits festgelegt sein soll.“ Sie stellt das Glas hin und wendet den Rollstuhl, damit sie geraden Blick zu Silvan hat.


„Freiheit und ein vorgegebener Weg müssen sich nicht zwingend ausschliessen“, sagt er langsam, weil er jedes Wort bedenkt. „Wir können immer noch tun, was wir wollen und uns in diese oder jene Richtung entscheiden. Es ist nur so, dass jemand oder etwas all das schon weiss.“


„Richtige Freiheit ist es allerdings nicht“, gibt Rahel zu bedenken. „Nur eine scheinbare.“


Silvan zuckt mit den Schultern. „Kommt es darauf an? Mir geht es nicht darum, ob ich wirklich oder nur anscheinend frei bin, solange ich das Gefühl habe, es zu sein.“


Sie reden noch eine ganze Weile weiter und bemerken kaum, dass es draussen immer dunkler wird. Erst als Silvan aufsteht, um das Glas auf den Tisch zu stellen, fällt es ihm auf.


„Was hältst du davon, wenn wir uns einmal ohne schulischen Grund treffen?“, fragt er.


„Dagegen hätte ich nichts einzuwenden. Dann haben wir umso mehr Zeit. Wollen wir was essen gehen? Oder ins Kino?“


„Warum nicht beides?“, grinst er. „Wann hast du Zeit?“


Rahel schlägt eine blaue Agenda auf. „Kommenden Freitag? Nein, ist dir sicher zu früh.“


„Nein, Freitag ist gut.“


„Dann schreibe ich’s ein.“ Anschliessend räumt sie die Gläser zusammen und löscht das Licht am Schreibtisch. „Willst du … zum Essen bleiben?“


Diese Frage kommt für ihn überraschend, aber er muss nicht lange überlegen für die Antwort. „Wenn es dir nicht zu viele Umstände bereitet. Wir sind ja noch nicht fertig mit dem Gespräch.“


„Ich mag ohnehin nicht die ganze Pizza. Weisst du, ich mache sie jeweils selber, aber der gekaufte Teig ist jeweils so gross, dass ich nicht alles mag. Eine Frage habe ich aber noch. Sie beschäftigt mich schon lange, aber alleine komme ich auf keine Antwort. Weisst du, ich mag diese "was-wäre-wenn-Fragen". Silvan setzt sich wieder. „Angenommen du hättest eine Freundin und sie ginge dir fremd – würdest du es erfahren wollen?“


Jetzt muss Silvan überlegen, denn Rahel hat eine auf seiner Meinung zum Schicksal aufbauende Frage gestellt, die sich nicht so einfach beantworten lässt. „Sicher wäre es besser, denn die Beziehung wäre in diesem Fall nicht das, was sie zu sein scheint. Für mich würde sich jedoch nichts ändern, solange sich meine Freundin nichts anmerken lässt.“


„Gibst du dich gerne Illusionen hin?“


„Das nicht“, gibt Silvan zu. „Natürlich wäre es nicht schön, wenn meine Freundin mit mir spielen würde und käme es doch einmal ans Licht, wäre diese Person für mich gestorben. Zur Veranschaulichung aber ein anderer Fall: Stell dir vor, du wärst schwer krank und auf deinen Freund angewiesen. Jetzt kommt er allerdings nicht mit deiner Situation klar. Was hättest du lieber: Dass er so ehrlich ist und Schluss macht oder vorgibt, weiter mit dir zusammen zu sein und die Beziehung erst auseinander geht, wenn du wieder gesund bist?“


„Das ist auch kein einfacher Fall. Ich vermute, du würdest dir wünschen, dass dein Partner so tut, als sei alles noch gut. Ich weiss nicht … jetzt gesagt wünschte ich mir die ehrliche Variante, aber wie sähe es aus, wenn ich in dieser Situation wäre? Auf jeden Fall habe ich jetzt genug Stoff, über den ich nachdenken kann. Gehen wir die Pizza machen?“


An diesem Abend wird es spät, bis Silvan nach Hause kommt. Aus jedem angeschnittenen Thema ergibt sich eine längere Diskussion. Gegen zehn Uhr kommen Rahels Eltern nach Hause und überreden ihn, mit ihnen noch ein Glas Wein zu trinken. Als er schliesslich gehen will, weil das letzte Tram fährt, bieten sie Silvan an, ihn mit dem Auto zurückzubringen. So wird es noch später als Mitternacht

— Stéphanie —

„Warum müssen wir schon wieder auf Ellen warten? Kann sie nicht vor der Pause pissen gehen?“, regt sich Tina auf und vergräbt die rechte Hand in ihrer rosaroten Handtasche. „Ich brauche nach diesem ätzenden Morgen endlich eine Zigarette.“


Stéphanie hält es nicht für nötig, auf diese Frage zu antworten, aber es wäre durchaus schön, wenn Ellen auf der Toilette vorwärts machen würde. Gedankenversunken rückt das Mädchen ihren BH zurecht. Push-Ups sind nicht immer bequem, aber ohne geht sie nicht aus dem Haus, nicht einmal für die Schule.


„Weil wir eine Gruppe sind und zusammen halten“, antwortet Felicita und steckt sich die Hände in die Gesässtaschen der Jeans, wodurch diese ein Stück runter rutschen und den obersten Zentimeter des Spalts entblössen.


Stéphanie sieht an sich runter. Heute trägt sie weisse Jeans und ein weisses Oberteil, das leicht durchschimmernd ist, man kann erkennen, dass sie einen pinkfarbenen BH trägt und bei genauem Hinsehen sieht man auch den schwarzen String unter der Jeans.


„Sorry, dass ihr auf mich habt warten müssen“, sagt Ellen, als sie endlich ankommt.


„Dann können wir ja endlich gehen“, mault Tina und geht voraus, das Ziel ist das gleiche wie fast jeden Morgen: Die Hecke hinter der Rennbahn. Auch Stéphanie sehnt sich nach einer Zigarette. Zu dumm, dass man auf dem Areal nicht rauchen darf. Warum eigentlich, der Rauch ist eh gleich weg. Dass man im Schulhaus nicht darf, ist ja noch verständlich.


Sie freut sich, das Gymnasium endlich für einige Wochen hinter sich zu lassen – anschliessend kommen aber noch zwei Jahre.


Richtig auf die Sommerferien kann sie sich aber auch nicht freuen, denn ihre Mutter lässt sie nicht wegfahren. Als einzige weit und breit muss Stéphanie zurückbleiben. Je länger sie darüber nachdenkt, desto wütender wird sie und verflucht ihre Mutter. Ihr Verhalten ist wieder mal typisch. Spass scheint in ihrem Leben nicht zu existieren, zumindest sieht ihn Stéphanie nicht, aber sie weiss ja auch nicht, von wem sich ihre Alte alles ficken lässt. Wenn es stimmt, was sie erzählt, hat sie genügend Kontakte, um sich jeden Abend von einem anderen durchvögeln zu lassen. Das kann nicht sein, denn wäre es so, würde sie nicht die ganze Zeit so übelst gelaunt nach Hause kommen.


„Darf ich eine Zigi von dir, Stéphanie?“, fragt Lola. Die Blonde seufzt innerlich, gibt ihrer Kollegin aber eine. Das bedeutet Kontrolle. Nicht gerade wegen einer Zigarette, aber alles zusammen, um was Lola bittet. „Was läuft heute Nachmittag?“, erkundigt sie sich weiter. Sie ist heute wieder einmal ganz Miss Sixty: Hosen und ein knallenges Jäckchen von dieser Marke.


„Was ihr macht, is mir egal, ich geh zum Coiffeur, muss die Haare neu färben“, sagt Stéphanie und fährt sich mit der linken Hand durch ebendiese. „Und die Spitzen schneiden. Wenn ich schon dabei bin, lass ich mir eine Frisur machen.“ Das war einer der Gründe, warum sie Coiffeuse hat werden wollen, aber das Gehalt ist scheisse. „Wird wieder einmal ein teurer Nachmittag.“


„Du hast doch erst vor drei Wochen deine Haare machen lassen oder täusche ich mich da?“ Lola blickt zu ihrer Kollegin.


„Ja und? Haste was dagegen? Am Haaransatz sind sie schon nicht mehr blond, verdammte Kacke.“


„Du gehst doch zum «Hair-Style»?“, fragt Marion. „Dort machen sie auch Mani- und Pedicure und sogar Intimrasuren.“


„Das stimmt“, bestätigt Stéphanie. „Hab mir dort auch schon ein Brazilian Waxing machen lassen.“ Ellen, Lola und Felicita verziehen ihre Gesichter. Weicheier. „Kommt viel besser, als dieses scheiss rasieren, bleibt länger glatt. Ich kenne beim «Hair-Style» einen, der mir einen Spezialpreis macht.“


„Ich würde mir gerne die Mösenhaare mit Wachs entfernen lassen“, meldet sich Ellen.


Stéphanie und Tina lachen. „Ich glaube nicht, dass du das tun willst, ist nichts für kleine Mädchen“, spottet Tina über sie. „Warum denkst du überhaupt, das zu wollen? Hast doch ohnehin noch keine Haare dort und einen Mann lässt du auch nicht ran. Oh, tschuldige, lecken lässt du dich ja, wahrscheinlich auch fingern, nur willst du keinen Schwanz vorne rein.“


„Das ist so“, sagt Ellen trotzig. „Dir kann’s ja egal sein.“


„Oh, das ist es mir auch, aber lustig finde ich es dennoch.“


„Wir könnten alle zusammen dorthin gehen“, schlägt Marion vor. „Einen richtigen Beauty-Nachmittag einlegen. Mein Freund wird’s freuen, meine Haare haben es nämlich wirklich nötig.


Damit sind alle einverstanden und Stéphanie überlegt sich bereits, was sie anziehen könnte, um den Spezialpreis aushandeln zu können. Sie hat da eine Idee.


„Du wirst schon sehen, ich werde es wagen“, sagt Ellen in aufmüpfigem Ton zu Tina.


Stéphanie zweifelt, dass die Kleine es schafft, die Wachserei durchzuziehen, es tut nämlich höllisch weh und wenn sie es schon beinahe nicht aushält, dann Ellen bestimmt auch nicht.


Inzwischen haben sie die Rennbahn hinter sich gelassen und begeben sich hinter die Hecke, im nächsten Augenblicke nehmen sie die Zigarettenpäckchen hervor, bald schon steigt blauer Dunst in die Höhe.


„Und heute Abend?“, erkundigt sich Lola. „Nach einem freien Nachmittag können wir nicht einfach zu Hause sitzen und schon gar nicht, wenn wir gestylt sind.


„Die Jungs spielen doch Unihockey, gehen wir dort zuschauen“, schlägt Lola vor. Auf einige kann ich zwar verzichten, aber mein Bruder spielt auch mit.“


„Willste ihn etwa anmachen?“, lacht Stéphanie. „Nein, ich weiss etwas Besseres: Wir machen bei mir zu Hause eine kleine Party, mit oder ohne Typen, das is ja egal.“ Hauptsache, sie stehen auf mich, ich habe nämlich keine Lust, den anderen beim Flirten zuzusehen. Den ersten Boy weiss ich bereits: Alejandro. Ist er mit seiner Freundin noch zusammen? Mir kann es egal sein. Sogleich schreibt sie ihm. „Is viel besser als Unihockey schauen gehen. Is doch total langweilig.“


„Nicht, wenn wir nachher noch in den Treff gehen“, trumpft Felicita auf.


Stéphanie weiss nichts anderes als zu seufzen. Der Treff ist so ziemlich das Langweiligste, was sie sich vorstellen kann, ein von der Stadt eingerichtetes Jugendzentrum. Sie geht nur selten hin, weil sich dort keine geilen Leute treffen. „Habt ihr dort jemals rumgemacht?“


„Ja, ich“, meldet sich Ellen.


„Das war bestimmt ein Zufall und ausserdem kann es bei dir so heftig nich gewesen sein“, kichert Stéphanie. „Ich habe dort nämlich noch nie jemanden kennengelernt, mit dem es sich lohnen würde zu flirten.“


„Schon klar bei den Typen, die du bevorzugst“, höhnt Tina. „Ich bin dafür, dass wir Unihockey schauen und anschliessend zum Treff gehen. Es gibt dort bestimmt den einen oder anderen, der sich lohnen würde. Auf jeden Fall ist es besser loszugehen, als bei dir daheim zu hocken und bestimmt niemanden zu haben, mit dem man rummachen kann. Wer ist auch dieser Meinung?“


Lola und Felicita gehen zu Tina hinüber, Marion und Ellen bleiben bei Stéphanie.


„Jetzt ist es unentschieden, was machen wir?“, fragt die Jüngste in der Runde.


„Ihr könnt noch zehnmal zu Stéphanie nach Hause gehen, ich werde nicht mitkommen“, macht Tina gleich klar."


Stéphanies Blick ist auf Lola gerichtet. Die kleine Verräterin hat es tatsächlich gewagt, sich auf die Seite Tinas zu stellen. Aber nicht lange, schon schlägt die Italienerin die Augen nieder. Stéphanie kneift die Augen zusammen und lässt sie böse aufblitzen. „Willste wirklich bei der bleiben?“, sagt die Blonde in abschätzigem Tonfall. „Du vergisst, was ich alles für dich mache, du undankbare Kuh.“


Lola druckst ein wenig. „Irgendwie möchte ich schon Unihockey schauen, aber … bei dir zu Hause wäre es schon auch geil.“


„Sicher ist’s geil! Bei mir kriegste wenigstens was Anständiges zu trinken und im Partyraum lassen wir ordentlichen Sound laufen.“


„Ach, geht doch, ist mir doch so etwas von egal, ob du mit uns kommst oder nicht. Felicita und ich gehen auf jeden Fall zum Treff.“ Tina bestimmt und die Brasilianerin nickt.


Stéphanie ist zufrieden, als Lola zu ihr hinüber kommt. Sie weiss nicht, wie ihre Kollegin auf die Idee gekommen ist, zuerst Tinas Vorschlag zu bevorzugen, zu dieser Tussi geht man doch einfach nicht. Aber jetzt ist gut, sie hat mehr Leute um sich scharen können als Tina, die nur Felicita auf ihre Seite gezogen hat.


Vom Schulhaus schallt die Pausenglocke herüber. „Ach nein, warum müssen wir schon wieder zurück?“, nervt sich Ellen und sie verwirft die Hände. „Ich hab so was von keinen Bock auf Schule.“


„Hättest eben schneller pissen müssen“, meint Lola und schlägt ihrer Schwester gegen den Hinterkopf.


Tina grinst. „Dabei bist du erst am Ende des ersten Jahres angekommen. Warte nur, bis du so weit wie wir jetzt bist, Küken.“ Sie wendet sich zum Gehen, da treffen sich ihr und Stéphanies Blick und das Lächeln auf ihren Lippen erstirbt.

Seit einer halben Stunde schon blickt Stéphanie immer wieder auf die Uhr an ihrem rechten Handgelenk, aber der Minutenzeiger scheint sich nicht zu bewegen. Heute Morgen hat sie bei Herrn Schneiter Unterricht, zum Glück der einzige Tag in der Woche, sonst würde sie noch vollends durchdrehen. Herr Häberli ist zwar blöd, aber immerhin lässt sich in seinen Stunden Scheiss machen. Anders lassen sie sich nicht überstehen. Beim Schneiter ist das nicht möglich, der merkt alles, nicht einmal ein SMS lässt sich bei dem schreiben, Stéphanie hat sogar schon das Natel abgeben müssen, weil sie es dreimal am selben Morgen versucht hat.


Das Läuten der Glocke ist mehr als eine Erlösung. Natürlich lässt sich beim Schneiter nicht schon früher zusammenpacken, damit sie sogleich das Schulzimmer verlassen kann, erst jetzt darf sie die Bücher in die Tasche stopfen. Der Lehrer wirft ihr einige Blicke zu, wahrscheinlich, weil sie mit dem Schulzeugs nicht gerade sorgfältig umgeht. Kann ihm doch egal sein, wie ich meine Bücher behandle, denkt sie grimmig und erwidert seine Blicke. Bestimmt geht der mit seinen Schinken noch ins Bett und holt sich einen runter, anschliessend spritzt er auf sie. Allein schon der Gedanke bringt sie beinahe zum Kotzen.


Wer weiss, vielleicht blickt er auf deine Brüste, wenn du gerade nicht hinsiehst, flüstert ihr eine leise Stimme zu und im nächsten Moment zieht sich ihr Magen zusammen, so sehr ekelt sie sich bei dieser Vorstellung.


Ohnehin kann sie nur selten das Schulzimmer schnell genug verlassen, heute hat sie es aber noch eiliger. Während sie beinahe zur Tür rennt, spürt sie immer noch Schneiters Blicke, aber jetzt auf ihrem Arsch.


Vor den Schulzimmer wartet sie auf Lola und Felicita, doch leider kommt zuerst Tina heraus. Stéphanie wirft ihr einige giftige Blicke zu, aber die andere lässt sich davon nicht einschüchtern. Sie sprechen nicht miteinander, bis endlich auch die Italienerin und die Brasilianerin draussen sind. Anschliessend geht es die Treppe ins Erdgeschoss hinunter und von dort durch die Pausenhalle an die frische Luft. Auch heute ist es wieder heiss, Tina entledigt sich des Oberteils, ein Top, das bis zum Bund der engen Hosen reicht. Darunter zeigt sie ein schwarzes Spaghettiträgershirt, das um einige Zentimeter kürzer geschnitten ist, aber das genügt hier noch nicht, sie schiebt es ein wenig hinauf und entblösst noch etwas mehr von ihrem Bauch und natürlich das Piercing.


„Warten wir auf Marion?“, fragte Ellen.


„Wozu?“, entgegnet Stéphanie und geht schon einmal voraus. „Die Besserwisserin lässt sich ohnehin etwas Zeit und wir müssen in völlig verschiedene Richtungen gehen.“ Ellen zuckt mit den Schultern, will aber nicht zurückbleiben.


Die Schülermassen ergiessen sich in die Trams, bis es weniger als keinen Platz hat. Da lobt es sich Stéphanie, stets mit dem Auto zu kommen, wann immer es ihre Mutter erlaubt, auch wenn sie noch einige Meter bis zum Parkplatz gehen muss.


„Seht mal, wen wir da haben. Täusche ich mich oder sind das die Plastik-Engelchen?“ Die Stimme kommt von der anderen Strassenseite her. Ohne hinzusehen weiss Stéphanie, um welche Typen es sich handelt: die Punks. Sie lungern ständig in der Gegend herum, obwohl sie hier nichts verloren haben, denn das ist eine noble Gegend. Die Kerle gehören in Slums, wo sie in Kartonhäusern leben müssen.


„Fickt euch doch ins Knie, wir geben uns mit Leuten wie euch nicht ab“, ruft Stéphanie zurück und beschleunigt ihre Schritte. Die Punks gehen mehr als nur auf die Nerven.


„Das wollen wir doch hoffen, sonst hätten wir etwas falsch gemacht“, kommt es zurück. „Von uns aus könnt ihr dort verrecken, wo ihr gerade seid, wir würden nicht helfen kommen, Leute wie euch hat die Welt nicht verdient.“


Nach den ätzenden Stunden am Morgen hat Stéphanie keine Nerven mehr. Sie kann sich nur mit Mühe beherrschen. „Wisst ihr was? Ich würde eher Hundescheisse fressen, als euch die Hand zu schütteln“, ruft sie zu den vier Punks hinüber und zeigt ihnen beide Mittelfinger. „Ihr seid eine Schande für die Stadt.“


„Mit euch können wir natürlich schon nicht mithalten, wir tragen schliesslich kein Rosa und Pink.“


„Und ihr stinkt! Zwei Kilometer gegen den Wind. Haben eure Mütter euch nicht beigebracht, wie man eine Dusche benutzt?“


„Das ist gewollt, damit uns Leute wie ihr fernbleiben. Es funktioniert jedenfalls. Aber ich kann verstehen, dass eure Parfum-Näschen auf alles allergisch reagieren, was nach Mensch riecht.“


Wie froh ist Stéphanie, als sie endlich den Parkplatz erreichen. Sie hält geradewegs auf ihre Karre zu, achtet kaum darauf, was die anderen machen. Die Punks geben allerdings nicht auf. Als sie einen Blick über die Schulter wirft, stellt sie fest, dass sie die Strasse überquert haben und ihnen folgen. Stéphanie geht noch etwas schneller, kramt schon einmal den Schlüssel aus der Handtasche. Am liebsten hätte sie aber umgedreht und hätte ihren Verfolgern so richtig die Meinung gesagt, aber sie weiss nicht, ob die Punks Waffen bei sich haben, denn verletzen lassen will sie sich nicht. Ein Schnitt von einem Messer gäbe bestimmt eine unschöne Narbe.


„Schlampen, ihr seid alles Schlampen“, johlen die Punks. Einer von ihnen hat alle Haare, ausser einem kleinen Büschel, den er violett gefärbt hat, auf seinem Kopf abrasiert. Ein anderer trägt die Haare auf der einen Seite lang, auf der anderen kurz. „Seid doch immer nur auf der Suche nach dem Einen und habt sonst keine Ahnung."


„Wir bekommen es immerhin!“ Stéphanie ist inzwischen bei ihrem Wagen angekommen und öffnet die Fahrertür, nicht zu früh, denn die Punks sind ziemlich nahe rangekommen. „So hässlich, wie ihr ausseht und so furchtbar, wie ihr stinkt, möchte bestimmt keine hübsche Frau mit euch ins Bett gehen.“ Was bilden sich die überhaupt ein? Ich habe von mehr eine Ahnung als die!, ärgert sich Stéphanie.


Sie steigt in ihren Wagen und reisst die Tür zu. Der Motor heult auf und als sie von der Bremse tritt, schiesst das Auto nach vorne, einer der Punks muss zur Seite hechten, will er nicht drunter kommen.


Auch ihre Kolleginnen sind jetzt in Sicherheit, sie haben ihre Fahrzeuge erreicht. Ellen fährt mit ihrer Schwester, Tina ist wie Stéphanie alleine.


Sie überlegt sich, ob sie kehren soll, damit sie den Punks noch etwas zurufen kann, entscheidet sich aber dagegen.

Bereits als Stéphanie den Kleiderschrank öffnet, weiss sie, was sie anziehen will. Das ist etwas, das nur selten vorkommt. Sie geht heute nicht bloss zum Coiffeur. Lorenzo, der ihr jeweils die Haare schneidet, ist ein ganz heisser Typ, dem sie in der Vergangenheit kaum hat widerstehen können, aber heute, vor ihren Kolleginnen, wird sie sich ihn angeln.


Sie muss nicht lange suchen, um die Kleidungsstücke zu finden. Oben wird es ein weisser Bustier sein, der ihre Tittys schön zur Geltung bringt und unten enge Stoffhosen, durch die der String schimmert wie eine Kerze hinter Seidenpapier, umso mehr, weil sie einen roten anzieht. Sie grinst. Lorenzo wird ihr gehören.


Sie zieht sich aus und wirft die Kleider in den Wäschekorb. Wieder etwas mehr zu waschen. Wenn sie doch nur eine Haushälterin hätten, aber nein, das wäre ja zu teuer. Nackt geht sie ins Badzimmer und gönnt sich eine Dusche, bei der Gelegenheit rasiert sie sich gleich noch unter den Armen und zwischen den Beinen. Zufrieden fährt sie mit den Fingerspitzen über die glatte Haut, an der unteren Stelle etwas länger als an der oberen. In dem geräumigen, hellen Badezimmer stellt sie sich vor den hohen Spiegel und betrachtet sich von Kopf bis Fuss. Zufrieden nickt sie, sie liebt es, ihren makellosen Körper anzusehen. Sie spreizt die Beine, um das zu sehen, was dazwischen liegt. Auch mit ihrer Pussy ist sie zufrieden, würde keine andere nehmen, wenn sie die Wahl hätte. Besonders die kaum entwickelten Schamlippen gefallen ihr, damit sieht sie richtig jung aus.


Sie setzt sich breitbeinig hin und spreizt die beiden Läppchen noch zusätzlich, bringt das darunter liegende rosa Fleisch zu Tage. Eine leichte Erregung macht sich bemerkbar und Stéphanie kann es nicht lassen, sich einen Finger zu schieben. Sie schliesst die Augen und keucht leicht.


Bevor sie aber ganz versinkt, beherrscht sie sich. Wenn sie jetzt nämlich nicht aufhört, kann sie die Finger nicht mehr von sich nehmen. Nach einem letzten Blick wendet sie sich dem Lavabo und damit dem Schminken zu.


Die Augen betont sie mit silbernem Lidschatten, der in der Sonne glänzt. Mit einem Mascara verlängert sie die Wimpern. Zur Perfektion fehlt nur noch Lipgloss. Mit dem Zuwerfen einer Kusshand verabschiedet sie sich von ihrem Spiegelbild.


Der String, den sie gewählt hat, ist keiner, mit nur ganz wenig Stoff, sie will, dass er sich richtig gut abzeichnet. Anschliessend zieht sie sich die weisse Hose hoch, aber nur so weit, wie es gerade nötig ist, also knapp über den Ansatz der wegrasierten Schambehaarung. Der hervorstehende Beckenknochen ist gut zu sehen und natürlich auch der Bauchnabel mit dem Piercing. Auch darauf hat sie bei der Wahl des Oberteils geachtet. Ein letztes Mal stellt sie sich vor den hohen Spiegel neben der Tür und dreht sich. Sehr gut, was sie darunter trägt, sticht einem regelrecht ins Auge und wenn sie sich bückt, blitzt der String ziemlich deutlich hervor. Lorenzo ist fällig.

„Ich bin aber immer bei Lorenzo“, blafft Stéphanie die Fotze hinter dem Tresen an.


„Tut mir leid, er bedient gerade eine andere Kundin, vielleicht wäre es möglich …“


„Is es nich! Was is daran so schwer zu begreifen? Bei meiner Fotze, es sollte doch möglich sein, dass sich sonst jemand um sie kümmert und Lorenzo zu mir kommt.“ Für was habe ich mich hergerichtet, wenn er mich nicht bedient?, grollt Stéphanie und sieht die Frau ihr gegenüber vernichtend an. „Von mir aus zahle ich auch das Doppelte, aber ich will Lorenzo.“


„Ich sehe, was ich tun kann“, sagt die Frau und verschwindet rückwärts um die Ecke.


Das hoffe ich für dich, denkt Stefanie und seufzt. Sie dreht sich um und lehnt gegen den Tresen. Lola, Felicita, Marion und Tina stehen da. Auf Letztere haben sie am längsten warten müssen, bereits das hat Stéphanie genervt und jetzt noch die Sache mit Lorenzo. Kann denn niemand auf der Welt einfach das tun, für was er da ist?


„Ciao Bella“, sagt jemand hinter ihr und mit ihrem verführerischsten Lächeln dreht sie sich um, sie weiss, zu wem diese Stimme gehört. Die dumme Kuh hat es also doch noch geschafft, vielleicht werde ich wirklich den doppelten Betrag bezahlen. Mal sehen. „Du siehst einfach wieder einmal wunderbar aus“, sagt der Italo und breitet die Arme aus. Leute wie er übertreiben gerne einmal, aber sie sieht ihm an, dass es in diesem Moment nicht der Fall ist. Einerseits liest sie es aus seinem Blick, zum anderen weiss sie, was sie anhat. Ihre Kolleginnen beachtet er gar nicht.


Aber auch er sieht nicht schlecht aus. Er trägt helle siebenachtel-Hosen und ein schwarzes Hemd, das aber bis weit unten aufgeknüpft ist und einiges von der Brust des gut aussehenden Mannes zeigt. Stephanie darf gar nicht daran denken, wie es wäre, ihn zu vernaschen.


„Wie kann ich dir behilflich sein, Ragazza?“


„Die Haare. Neu bleichen und die Spitzen schneiden. Aber das is nich alles: Ich und meine Kolleginnen möchten heute das ganze Programm mit Hand- und Fusspflege und ein Brazilian Waxing für die Kleine. Und sag nich, dass niemand Zeit hat.“


Zum ersten Mal wirft er auch den anderen einen Blick zu. Auf Ellen bleibt er haften. „Ich melde euch sogleich an, warte kurz eine Minute.“ Er verschwindet hinter der Theke und gibt etwas in den Computer ein. „Heute ist eigentlich nichts mehr frei“, meldet er sich, fügt aber schnell hinzu: „Es ist allerdings möglich, etwas zu verschieben.“


Gut, er hat anscheinend mitbekommen, was ich will. „Sehr schön, trag uns gleich ein.“


Wenig später sitzt sie auf einem der bequemen Stühle und sieht in den Spiegel. Lorenzo steht direkt hinter ihr, der perfekte Zeitpunkt. Sie lehnt sich vor und greift sich eines der Magazine, die auf der Ablage vor dem Spiegel liegen. Das ist aber nur zweitrangig, viel wichtiger ist, dass Lorenzo dorthin blickt, wo sie seine Aufmerksamkeit hat lenken wollen: auf ihren Arsch. Sie weiss, dass der String sichtbar wird, wenn sie sich nach vorne beugt. Aus diesem Zweck lässt sie das Heftchen fallen und muss sich noch weiter bücken.


„Können wir endlich anfangen?“, fragt sie, als sie sich wieder aufgerichtet hat.


Zuerst wäscht er ihr die Haare, anschliessend trägt er das Bleichemittel auf, sieht bei jeder Strähne nach, ob es auch wirklich so kommt, wie es soll. Währenddessen liest sie die Vogue und redet mit ihrer Clique. „Je länger ich mich rasiere, desto weniger kann ich Haare zwischen den Beinen ausstehen“, sagt Stéphanie und blättert eine Seite weiter. „Ich kann mir gar nich vorstellen, dass es Frauen gibt, die dort unten alles stehen lassen. Ohne Haare sieht man doch viel jünger aus.“


„Na ja, ganz rasiert habe ich sie bis jetzt noch nie, immer nur die Bikini-Zone“, sagt Ellen leise und sieht sich um, ob jemand sie gehört hat.


„Das ist doch totaler Scheissdreck, ganz weg muss das Zeugs, alles, bis auf einen Strich, das ist erst richtig geil“, meldet sich Tina. Sie trägt einen Rock, aber einen viel zu langen, um Stéphanie gefährlich werden zu können und nur ein unspektakuläres Oberteil, das zwar einen ziemlichen Ausschnitt hat, aber sonst kein besonderer Hingucker ist.


„Aber heute geht alles weg“, verkündet Ellen, „ganz so, wie es Stéphanie hat, das finde ich am geilsten.“ Für diese Bemerkung erhält sie einen bösen Blick von Tina.


Ein weiteres Mal kommt Lorenzo vorbei und besieht sich Stéphanies Haare. „Ein ganz klein bisschen noch. Es kommt gut, ich freue mich schon, das Ergebnis zu sehen.“


Und ich mich erst, denkt Stéphanie und sieht ihm hinterher, als er in einen der hinteren Räume des Salons verschwindet. Was für ein Knackarsch! Den würde sie gerne einmal ohne Kleider sehen und nicht nur das, auch den Schwanz, wenn er so richtig hart ist. Obwohl, sehen wäre ein bisschen wenig, vielmehr will sie ihn spüren.


Zum Schluss wäscht er ihr noch einmal die Haare und streckt sie auch. Stéphanie setzt sich im Sessel vor, damit sie mehr Details sieht. Aber nicht nur deswegen. Im Spiegel sieht sie, wohin Lorenzo blickt. „Ist gut so, hast du hervorragend gemacht. Ich komme gerne wieder.“ Sie will schon in den Raum für die Hand- und Fusspflege gehen, da dreht sie sich noch einmal um. „Ach, haste Lust, heute Abend vorbeizukommen? Bei mir zu Hause is was los.“ Mit dem Zeigfinger fährt sie ihm vom Hals nach unten, über die Brust bis zum ersten geschlossenen Knopf. Dann wieder nach oben zu den Brustwarzen. Sie schmiegt sich an seinen Körper. „Kommste? Ich werde mich speziell um dich kümmern.“


„O Bella, ich werde dort sein. Schreib mir einfach.“


„Werde ich tun.“ Zum Abschied küsst sie ihn saftig – und bezahlt nicht. Sie macht das lieber in Naturalien. An einer gewissen Stelle kribbelt es bereits, wenn sie daran denkt, was heute Abend passieren wird.


Jetzt kommen sie zu dem Teil des Nachmittags, der allen zusagt. Stéphanie lehnt sich zurück, während sie sich zuerst die Zehennägel schneiden und anschliessend lackieren lässt. Sie geniesst es, sich verwöhnen zu lassen, dazu den Geruch von Lack zu riechen und das Wissen, als ein anderer Mensch den Salon zu verlassen.


Die Fingernägel dürfen nicht zu kurz geschnitten werden, das hasst sie, sieht so unfeminin aus. Sie lässt sich einen Glitzer auftragen, der vordere Teil wird weiss gefärbt.


„Sind Sie zufrieden?“, fragt die Frau, die Stéphanie behandelt hat, und steht auf, entfernt sich aber noch nicht, um zuerst zu hören, was die Kundin sagt.


Diese ist immer sehr kritisch und fast nie zufrieden, wenn jemand etwas an ihr macht, aber heute ist sie glücklich. Nach einer gründlichen Inspektion ihrer Hände sagt Stéphanie: „Sehr schön, das haben Sie gut gemacht.“ Sie ist als Erste bei der Theke und bezahlt, einen Ohrhörer des iPods schon eingesteckt. Sie bezahlt mit Kreditkarte. Macht sie meist so, wenn man das Geld nicht eigenhändig übergibt, ist es, als habe man keines ausgegeben.


Lola sieht sich immer noch auf die Finger, als die Clique bereits draussen steht. „Jemand von uns hat noch etwas zu erledigen“, sagt Tina und es ist klar, wer damit gemeint ist.


Stéphanie zeigt auf die Tür neben dem Eingang zur Hand- und Fusspflege. „Dort innen machen sie dir das Waxing“, sagt sie und sieht Ellen dabei an, die etwas unsicher wirkt. „Du willst doch nicht etwa kneifen?“


„Nein, sicher nicht“, beeilt sich Ellen zu sagen. „Ich habe ja gesagt, dass ich es tun werde.“ Auf dem Absatz macht sie kehrt und verschwindet in die gezeigte Richtung.


Stéphanie fährt sich mit der rechten Hand zwischen den Beinen hindurch und überlegt, dass es schade ist, hat sie sich rasiert. Ein Waxing wäre es jetzt gewesen. Dann ein anderes Mal. Oder sie wird es zu Hause tun, Lola wird ihr schon wieder einmal helfen.


„Ich will ein Eis!“, verkündete Tina. „Das macht die Warterei bis zur Blamage Ellens etwas süsser.“

— Silvan —

„Eigentlich habe ich keine Lust, noch zum Treff zu gehen“, gibt Silvan zu, als sie aus der Turnhalle kommen. Das Unihockeytraining ist zu Ende, er hat frisch geduscht und ist wie immer nach diesen drei Stunden und dem ganzen Tag in der Schule erschöpft


Neben der Tür stehen Rebecca und Lilly. Sie gehören zu den regelmässigen Zuschauerinnen, heute ist aber auch ein Teil der Tussi-Clique gekommen, was bei Silvan und Ben für ein gemeinsames Aufstöhnen gesorgt hat. Die Red-Bull-Ninjas mögen sie etwa so gerne wie Senf in einer Schwarzwälder Torte. Sie haben sich gar nicht darüber gestört, dass die blonden Mädchen mehr untereinander getuschelt haben, als sich auf das Spiel zu konzentrieren.


„Hört euch nur Silvan an, er hat keine Lust, noch kurz zum Treff zu kommen“, sagte Ben zu den beiden Frauen mit der Absicht, dass sie ihn unterstützen werden, Silvan zu überreden.


Rebecca zuckt mit den Schultern. „Das muss er wissen. Ich kann schon begreifen, dass man nach einem ganzen Schultag und dem Training etwas erschöpft ist.“ Ben seufzt, weil er nicht die Hilfe bekommt, die er sich erhofft hat. Rebecca wendet sich an Silvan. „Es wäre aber schon schade, wenn du nicht kommen würdest. Es ist nicht gerade der Ort, wo es lauter Leute gibt, die mir zusagen.“


„Du bist doch sicher durstig“, vermutet Ben. „Ich lade dich zu einem Bier ein, was hältst du davon? Da kannst du bestimmt nicht nein sagen.“


Bier hat er auch zu Hause, das ist es nicht, was ihn letztendlich umstimmt. Vielleicht findet er es einfach schade, nach dem Training mir nichts, dir nichts nach Hause zu gehen. Wenn er es sich recht überlegt, wird er ohnehin noch nicht einschlafen können. „Also gut, ihr habt es wieder einmal geschafft. Ein Bierchen nach dem Training hat noch niemandem geschadet, zumindest weiss ich nichts davon und der Abend ist noch so schön, zu schade, um nach drinnen zu gehen.“


Weit ist es vom Schulhaus bis zum Treff nicht. Einfach der Strasse folgen und dann nach links in Richtung Kirche abbiegen. Noch bevor sie um die Ecke kommen, hören sie die Musik. Zwar nicht gerade jene, die sie am meisten mögen, aber man kann nicht alles haben. Immerhin gibt es hier was Anständiges zu trinken. Ben bietet sich an, Bier zu holen, die anderen setzen sich auf den Rand des Brunnens. Lilly taucht die Hand ins Wasser, während Silvan gedankenverloren in Richtung des Häuschens hinüber blickt, von wo Ben mit den Flaschen zurückkehrt.


Noch bevor sie zu Ende trinken können, kommt jemand zu ihnen, einer, der auch das Gymnasium besucht. „Du spielst doch Schlagzeug, nicht wahr?“, sagt er und zeigt auf Silvan. „Wie wäre es, wenn du etwas Musik machen würdest?“


Inzwischen hat es sich etwas herumgesprochen, dass er in einer Band spielt und von Zeit zu Zeit kommt es vor, dass jemand ihn darauf anspricht. Ob sie denn schon einige Lieder geschrieben haben und ob es nächstens eine CD gebe? Je nachdem, wer fragt, gibt Silvan eine knappe oder etwas ausführlichere Antwort. Das hängt davon ab, ob sich der Fragesteller dafür interessiert oder nicht. Jemand, von dem Silvan genau weiss, dass er nur aus Höflichkeit fragt, erhält auf die erste Frage ein einfaches „Ja“ und auf die zweite ein ebenso kurzes „Nein“. Wenn Silvan jedoch merkt, dass gefragt wird, weil wirkliches Interesse besteht, verliert er gerne ein paar Worte mehr. Sie hätten bereits genug Lieder geschrieben, um eine ganze CD daraus zu machen und in dieser Hinsicht würden sie sich auch bemühen, aber es sei nicht das oberste Ziel. Vorerst sei man zufrieden, hier und dort ein Konzert spielen zu können.


Noch nie sind sie jedoch gefragt worden, ob sie spontan etwas spielen könnten.


Auf die neue Art Frage, die der Bursche vor ihm gerade gestellt hat, hat Silvan gerade keine Antwort parat, er muss einen kurzen Moment überlegen und sagt dann: „Vielleicht … wenn die anderen Bandmitglieder hier wären.“ Das Argument, keine Instrumente zu haben, zieht nicht, denn im Treff gibt es einen Musikraum. In der Band benötigen sie zwar zwei Gitarren, aber einige Songs liessen sich auch mit einer spielen und im Notfall könnten sie immer noch einen Song einer anderen Gruppe zum Besten geben. Auch das Schlagzeug im Treff wäre für die Band nicht ganz ausreichend, es ist zu klein, aber mit etwas Fantasie würde Silvan durchaus einige ihrer Songs spielen können.


Der Schüler, der an Silvan herangetreten ist, lässt sich aber nicht so einfach abschütteln. „David habe ich auf jeden Fall gesehen. Er spielt doch mit dir?“


„Ja, da hast du Recht, er ist unser Bassist. Seltsam, dass er hier ist.“


„Ich bin übrigens Erik“, stellt sich der Typ vor. „Ich kann dir verraten, warum David hier ist. Er hat eine neue Freundin, sie hatte ihn gebeten, heute zum Treff zu kommen. Marc habe ich auch noch gesehen, ihn habe ich zuerst gefragt, ob er bereit wäre, einige Lieder zu spielen. Was ist jetzt, bist du dabei?“


Silvan nimmt einen Schluck aus der Flasche. „Was haben die anderen gesagt?“


In diesem Moment mischt sich Rebecca ein. „Wenn du es nicht für Erik tun willst, dann für mich, ich würde mich freuen, einige Stücke von euch zu hören.“ Um das zu verstärken, was sie gerade gesagt hat, nimmt sie Silvans Arm und klammert sich daran.


Er fühlt sich hin und her gerissen. Eigentlich hat er überhaupt keine Lust, sich noch anzustrengen und hat das Gefühl, keinen einzigen Takt zu treffen. Aber es wäre eine gute Gelegenheit, die Musik der Band vorzustellen, jetzt, da sich so viele Schüler hier versammelt haben und Silvan auch noch darum gebeten worden ist, etwas zu spielen.


Er nimmt den letzten Schluck aus der Flasche und steht auf. „Also gut, du hast mich überredet“, sagt er mit einem Grinsen auf den Lippen in Richtung Erik, meint aber Rebecca. „Wenn du die beiden anderen suchst.“ Silvan hat kaum zu Ende gesprochen, da flitzt Erik auch schon davon.


Rebecca geht neben ihm, als er in Richtung des Häuschens des Treffs hält, Lilly und Ben folgen mit kleinem Abstand. Silvan überlegt sich, welche Stücke geeignet wären, hier zu präsentieren. Er kommt zum ernüchternden Schluss, dass es keines der ihren sein kann, dafür benötigt es mehr als drei Mitglieder der Band. Da kommt ihm die Idee, «Run To The Hills» von «Iron Maiden» hervorzukramen. Zwar nicht einfach, nur mit einer Gitarre, aber möglich. Ausserdem wird die Stimme fehlen, einen Sänger haben sie ja nicht mehr. Dorival hätte sich ohnehin geweigert, vor einem solchen Publikum zu spielen. Silvan macht zwar auch nicht gerade Luftsprünge, aber manchmal lässt sich nicht auswählen, wer einem zuschaut, wenn man bekannter werden will.


Als er in den Musikraum kommt, sind die anderen schon bereit. Silvan setzt sich ans Schlagzeug und greift sich die Sticks. Bevor es losgeht, gewöhnt er sich an die leicht andere Position der verschiedenen Trommeln. Bassdrum gibt es nur eine, da ist es von Vorteil, hat er ein Lied von «Iron Maiden» gewählt, dafür sind nicht zwei vonnöten. „Es kann losgehen“, ruft er Marc und David zu und spielt die ersten Takte. Eine wohlige Gänsehaut zieht sich über seinen Körper. Es ist immer wieder ein herrliches Gefühl, Musik zu machen, auch hier, mit dem nicht ganz geeigneten Equipment. Mit nur einer Gitarre hört sich das Lied zwar seltsam an und spätestens beim Solo ist zu hören, dass etwas fehlt, aber das tut dem Spass nur einen kleinen Abbruch.


Als Silvan zu Rebecca hinüberblickt, sieht er ein breites Lächeln auf ihren Lippen. Sie kennt das Lied und weiss, wie gerne er es mag. Einen Moment später ist er aber bereits wieder in der Musik versunken, nimmt nichts anderes mehr wahr und so ist es nicht verwunderlich, ist nach diesem Lied noch nicht Schluss. Es folgt «Enter Sandman» von «Metallica», das einige Schüler dazu bringt, mit den Knien zu wippen. Plötzlich fragt sich Silvan, was er dabei gedacht hat, zuerst nicht spielen zu wollen. Jetzt, da er erst einmal dabei ist, will er nicht mehr aufhören und die Sache mit dem Halten des Takts ist kein Problem. Eine kurze Version von «Painkiller» spielen sie noch, um genau zu sein nur den Anfang mit dem treibenden Schlagzeug. Silvan bringt es fertig, diesen Teil mit nur einer Bassdrum zu spielen, anschliessend wenden sie sich «Hearts On Fire» zu, ein Mitgröhllied sondergleichen. Zu Ende können sie es jedoch nicht spielen, weil plötzlich jemand hereinplatzt, und laut ruft: „Draussen ist eine Schlägerei in Gange, Karl prügelt sich mit Ramon!“


In Windeseile ist der kleine Musikraum leer, es wäre nicht schneller gegangen, wenn jemand gerufen hätte, im H&M gebe es alles gratis. Sogar Rebecca hat sich den Schaulustigen angeschlossen, Silvan bleibt als einziger zurück, jedoch holt er sich eine Flasche Bier und setzt sich auf den Sofa gegenüber des Eingangs. Draussen scheint mächtig etwas in Gange zu sein, umso besser für ihn, so kann er das Bier in Ruhe geniessen.


Lange dauert es nicht, bis die ersten zurückkehren, unter ihnen Rebecca. Sie setzt sich neben ihm hin. „Ich weiss gar nicht, warum ich nach draussen gegangen bin, es gibt wirklich Interessanteres, als zwei angehenden Männern zuzusehen, wie sie sich eins auf die Mütze geben. Du bist gar nicht nach draussen gegangen, oder?“


Silvan schüttelt den Kopf. „Ich sehe keinen Grund dazu. Wenn die sich prügeln wollen, soll man sie lassen, es ist das Beste, wenn sie ihre Wut rauslassen, es staut sich sonst nur und bricht zu einem anderen Zeitpunkt aus.“ Inzwischen hat sich der Lärm, der hereingeschallt ist, etwas gelegt, aber an Musik scheint niemand mehr interessiert zu sein. „Viele Leute meinen heutzutage, sich in alle möglichen Dinge einmischen zu müssen. In neunundneunzig Prozent der Fälle ist es absolut nicht nötig.“


„Und was ist mit dem letzten Prozent?“, fragt Rebecca


„Da ist es tatsächlich ratsam, genauer nachzusehen. Weisst du, ich unterscheide "nicht einmischen" und "die Augen verschliessen", etwas, das viele Leute nicht können. Nur weil ich nicht überall meine Nase reinstecke, heisst das nicht, dass ich mit geschlossenen Augen durchs Leben gehe. Wichtig ist es, auf das aufmerksam zu werden, was wirklich wichtig ist. Damit es nie wieder vorkommt, dass Kinder zwanzig Jahre im Keller irgendeines Perversen verbringen müssen und dadurch nie ein Leben haben. Auf solche Sachen ist es wichtig, aufmerksam zu werden, alles andere ist nebensächlich.“

Nicht viel später ist er auf dem Heimweg. Inzwischen hat die Nacht Einzug gehalten und der morgige Tag wird nicht auf sich warten lassen, auch da heisst es wieder aufstehen. Ben und Rebecca haben noch nicht nach Hause gehen wollen. Weit ist es nicht vom Treff bis zum Haus der Stauffers, deshalb hat Silvan darauf verzichtet, das Tram zu nehmen. Er greift in die Tasche seiner dünnen Jacke und holt den MP3-Player hervor. Für einmal wählt er keinen Metal, sondern die Filmmusik des Herrn der Ringe. Es dauert nicht lange und er ist mit dem Gedanken in Mittelerde, sieht die Pelennor-Felder vor sich und die anstürmenden Rohirrim.


Etwas reisst ihn aber in die reale Welt zurück. Rechts von sich gewahrt er eine Bewegung. Er schaltet die Musik aus und sieht sich um. Links begrenzt eine Mauer den Friedhof und das Gelände um die Kirche, rechterhand liegt die Strasse, die ihn nach Hause führt. Silvans Aufmerksamkeit ziehen allerdings zwei Gestalten auf sich, die auf der anderen Seite stehen. Sie haben die Kapuzen ihrer weiten Jacken über die Köpfe gezogen, so kann er nicht sagen, um wen es sich handelt.


Sie scheinen an ihm interessiert zu sein, zielstrebig kommen sie herüber. Silvan bekommt ein ungutes Gefühl im Magen, er hat noch nie gehört, dass einem Vermummte spät abends zu einem Kindergeburtstag einladen. Das Portemonnaie macht er schon einmal bereit, um es rasch aushändigen zu können, er ist nicht darauf aus, den Helden zu spielen, schon gar nicht, wenn zwei auf ihn zu kommen. Auch den MP3-Player wird er ihnen geben, wenn sie den alten Knochen wollen. Er hat noch keinen neuen gekauft, weil dieser immer noch am besten klingt.


Jetzt haben die Gestalten sein Trottoir erreicht. Auch wenn sich Silvan nicht wehren wird, hat er nicht vor, den Angsthasen rauszuhängen. Es ist wie bei den Hunden: Wenn sie merken, dass man Angst hat, können sie alles machen, aber Silvan hofft darauf, dass ein gefasster Blick die beiden Vermummten etwas abschrecken wird.


„Na, wen haben wir denn da?“, fragt die rechte Gestalt und es ist klar, dass sie es rhetorisch meint, sie weiss sehr genau, wen sie vor sich hat. Schon bevor die beiden Kerle die Kapuzen von den Köpfen nehmen, weiss Silvan, wer daruntersteckt: Bashkim und Dragoslav. Es ist klar, dass sie nicht nur darauf aus sind, Silvan auszurauben.


„Hast du etwa Angst?“, höhnt Bashkim und schlägt mit der Faust in seine Richtung, verfehlt ihn jedoch absichtlich. Silvan blinzelt, weicht aber nicht zurück.


Ein falsches Wort und die Situation wird eskalieren. Unauffällig sieht er sich nach einem Fluchtweg um, aber es gibt keinen. Hinter sich hat er die Mauer und vor sich die beiden Kerle, die ihn nicht entkommen lassen werden, bis sie das haben, was sie wollen. Nachdenken, um was es sich dabei handeln könnte, muss er nicht. Drago will sich für die Schmach in der Turnhalle beim Pokern rächen. Silvan würde viel dafür geben, dass das hier ein einfacher Überfall wäre.


„Ich bin sicher, du weisst sehr genau, warum wir dich abgepasst haben“, stösst Drago zwischen den Zähnen hervor.


Silvan nickt. Er hat Angst, dass ihn die Stimme im Stich lassen würde, wenn er versuchte, etwas zu sagen. Das Herz pocht heftig in seiner Brust, hoffentlich wird es ihn nicht verraten.


Es ist wieder Drago, der spricht. „Du hast mich wie das grösste Arschloch aussehen lassen, der absolute Versager.“ Er macht einen weiteren Schritt auf Silvan zu, die beiden stehen sich jetzt direkt gegenüber. „So etwas macht niemand mit mir, der keinen Streit will. Du hast richtig darum gebettelt, von mir verprügelt zu werden.“


Wenn nur du hier wärst, denkt Silvan verzweifelt und versucht, sich nichts anmerken zu lassen. Mit dir könnte ich vielleicht noch fertig werden, aber da ist immer noch Bashkim. Beiden kann ich nicht entkommen, unmöglich.


Nur eine Hoffnung bleibt ihm noch: dass Ben und Rebecca nächstens vom Treff zurückkehren. Sie müssen auch dieser Strasse entlanggehen. Sollten sie allerdings erst später vorbeikommen, werden sie ihn am Boden liegend entdecken, blutig geschlagen.


Drago stösst ihm gegen die Brust, was ihn einen Schritt nach hinten machen lässt. „Es ist niemand hier, der dir helfen kann. Autos kommen hier keine mehr durch, du bist ganz alleine und dennoch senkst du nicht deinen Blick. Zu stolz für so etwas? Damit bist du an den Falschen geraten. Entweder entschuldigst du dich oder du wirst meine Faust küssen, auf jeden Fall werde ich meine Ehre zurückbekommen. Entschuldigst du dich?“


Es wäre ganz einfach, nur einige wenige Worte will Drago hören, aber Silvan spricht sie nicht aus. Sich geschlagen zu geben, geht ihm derart gegen den Strich, dass er es herausfordert, zusammengeschlagen zu werden. Er sagt nichts und hält Dragos Blick weiter stand.


„Du verdammter Hund, willst dich nicht entschuldigen, was? Das kommt dich noch teuer zu stehen. Wenn du erst keine Zähne mehr im Mund hast, wirst du dir wünschen, nie etwas mit mir zu tun gehabt zu haben.“ Er packt ihn am Kragen und stösst ihn gegen die Mauer des Friedhofs. „Muss ich erst erzählen, was dir alles bevorsteht, damit du endlich dein Maul aufmachst?“ Sein Atem riecht nicht gerade wenig nach Alkohol.


Er bekommt keine andere Antwort als Schweigen. Obwohl Silvan bewusst ist, dass er etwas sagen sollte, tut er das nicht, auf keinen Fall sollen die beiden bekommen, was sie wollen und selbst wenn er dafür im Spital landen wird. Er versucht, sich die Schmerzen, die ihm Drago und Bashkim zufügen werden, nicht vorzustellen, sonst kommt er vielleicht noch auf die Idee zu flüchten, so sinnlos das auch wäre.


Der zweite Kerl tritt aus dem Hintergrund. „Ihm gefällt wohl der Gedanke zu erfahren, was wir mit unseren Händen anrichten können“, sagt er und hält Silvan die Faust unter das Kinn. „Riechst du das? Das ist dein Tod.“


„Halt ihn fest, ich will ihn verprügeln“, meldet sich Dragoslav. „Er hat mich fertig gemacht, er gehört mir.“


„Dann mach es aber richtig, hör nicht auf, bis er um Gnade wimmert und selbst dann wird noch nicht Schluss sein, wir verpassen ihm eine Lektion fürs Leben.“ Bashkim packt Silvan an den Schultern und zieht ihn von der Mauer weg, damit er ihn von hinten umklammern kann. Auch er riecht nach Alkohol, bestimmt wären sie nicht ganz so mutig, wenn sie nicht einige Biere intus hätten. Aber das ist nun mal der Fall.


Bashkim hat Silvan noch nicht ganz im Griff, als es hinter der Mauer raschelt. Nicht nur das Opfer hört es, auch die beiden Schläger blicken hinüber und plötzlich geht es ganz schnell. Mehrere schwarze Gestalten springen hervor, Silvan wird freigegeben und beinahe fällt er hin, kann sich aber an der Friedhofsmauer abstützen. Er weiss nicht, wie ihm geschieht und schützt mit den Armen sein Gesicht, aber offensichtlich gehören die Unbekannten nicht zu den Kerlen, die ihn haben verprügeln wollen. Ein Kampf entsteht zwischen den beiden Parteien und bereits nach kurzer Zeit müssen Drago und Bashkim das Weite suchen, wollen sie ihrerseits nicht völlig unter die Räder kommen. Jene, die hinter der Mauer hervor gekommen sind, scheinen kein Pardon zu kennen.


Silvan lehnt immer noch gegen die Mauer, fassungslos über das, was gerade passiert ist. Seine Angreifer haben inzwischen die Strasse überquert, die Unbekannten setzen ihnen nicht nach. Bereits gehen die ersten wieder über die Mauer. Zwei nähern sich jedoch Silvan. Vom Regen in die Traufe? Er kann sich allerdings nicht denken, was diese noch von ihm wollen, bis er ihre Gesichter erkennt: Letzten Freitag an der Party hat er sie kennen gelernt, es sind zwei Mitglieder der Punks. So überraschend, wie sie gekommen sind, so blitzschnell verschwinden sie auch. Erst als Silvan beinahe vor der Haustüre steht, kommen ihm die Namen wieder in den Sinn: Tobias und André.

— Stéphanie—

Pünktlich um sieben Uhr läutet es an der Tür. Stéphanie fährt hoch, streicht kurz ihr schwarzes Minikleid glatt und macht sich auf, Lorenzo die Tür zu öffnen. Im Grunde genommen hat sie damit gerechnet, dass er wirklich kommt, aber irgendwie ist sie doch unsicher gewesen, ob es doch nicht genug gewesen sein könnte, was sie heute Nachmittag gemacht hat. Bestimmt gibt es noch andere, die auf ihn stehen. Stéphanie hat sich jedoch immer gesagt, niemand könne es mit ihr aufnehmen und jetzt, da er hier ist, hat sie die Bestätigung.


Speziell für ihn hat sie sich sogar umgezogen: Sie trägt jetzt ein heisses, schwarzes Kleid. Es reicht ihr längst nicht bis zu den Knien, um genau zu sein bedeckt es ganz knapp den Arsch und der Ausschnitt geht bis zum Bauchnabel, natürlich trägt Stéphanie keinen BH, das wäre ja eine Schande. Unter dem Kleid bedeckt nur ein String ihre Pussy. Nachdem sie an diesem Nachmittag einen mit etwas mehr Stoff als üblich getragen hat, ist es jetzt genau das Gegenteil: Nur ein dünner Faden geht durch den Pospalt.


Als sie die Tür öffnet, streckt ihr jemand eine Rose entgegen. „Das ist für Euch, schöne Frau“, sagt Lorenzo, der die Blume in der rechten Hand hält. Stéphanie nimmt sie entgegen, daraufhin kniet der Italo nieder und küsst die Hand des Mädchens. „Ich habe nur selten etwas Schöneres als Euch gesehen.“


Das vermute ich, denkt sie und lächelt. Solche und ähnliche Komplimente bekommt sie immer wieder, aber es macht ihr nichts aus, sie mag es, wenn sie an ihre Schönheit erinnert wird, zudem ist Lorenzo noch einfallsreich, eine Rose hat ihr bis jetzt niemand geschenkt.


Viel wichtiger ist aber etwas anderes.


Gerade will er hereinkommen, da drückt sie ihn gegen den Türrahmen und stellt sich auf die Zehenspitzen, damit sie seine Lippen kosten kann. Wenn er auch nur halb so gut küsst, wie er aussieht, muss es sich göttlich anfühlen.


Sie wird nicht enttäuscht.


Der Kuss ist so intensiv, dass sie meint, in eine andere Welt abzutauchen. Es bestätigt sich immer wieder, dass die Südländer solche Dinge einfach drauf haben. Nach nur einem kurzen Augenblick öffnet sie den Mund, damit sich ihre Zungen berühren können. Sie drängt zwischen seine Lippen, will Lorenzos ganzen Künste kennen lernen, schiebt ihren Körper noch näher an seinen.


Zu Stéphanies Verärgerung werden sie unterbrochen. „Da seid ihr ja, wir haben euch schon gesucht“, sagt Lola und wirft Lorenzo einen vielsagenden Blick zu. „Alejandro ist nicht gekommen?“


„Dieser Idiot interessiert mich nicht.“ Und Lorenzo kriegste nich, denkt Stephanie. Den kriegste nich, der is mein, schliesslich habe ich ihn erobert, ausserdem steht er auf mich. Um ganz sicher zu gehen, dass er sich nicht umentscheidet, wendet sie sich ihm noch einmal zu und küsst ihn, gleichzeitig legt sie ihm die rechte Hand in den Nacken, so kann er nicht entkommen. Sie lässt erst los, als Lola weg ist. Für einen Moment steigt Wut in ihr hoch, weil sie es nichts mehr hasst, als wenn jemand ihr den Typen wegzunehmen versucht, den sie gerade erst rum gekriegt hat. Der Sturm kommt aber nicht zum Ausbruch.


„Gehen wir nach unten in den Partyraum, dort können wir anständige Musik hören und etwas trinken. Du hast doch nix gegen Alkohol?“ Stéphanie wartet nicht auf die Antwort, sie geht schon einmal voraus und zieht Lorenzo hinter sich her. Als sie zurückblickt, stellt sie grinsend fest, dass er ihr auf den Arsch schaut, bestimmt in der Hoffnung, einen Blick unter das kurze Kleid erhaschen zu können. Sie hätte absolut nichts dagegen, weil sie ohnehin im Sinn hat, ihm heute Abend noch viel mehr zu zeigen.


„Ellen, bring mal einige Smirnoff rüber“, befiehlt Stéphanie, und lässt sich auf einen der bequemen Sessel sinken, schlägt die Beine übereinander und bietet Lorenzo auf diese Weise die Gelegenheit, unter das Kleid zu sehen. Nur kurz und bei dem schlechten Licht hier unten wird er auch nicht viel sehen, aber es genügt, um seinen Appetit so richtig zu wecken.


„Warum wieder ich?“


„Das is der Preis für deine grosse Klappe. Ich hab’ von Anfang an gesagt, dassde das Waxing nich durchhältst. Jetzt mach endlich.“ Stéphanie kann es kaum erwarten, den Alkohol zu spüren, seit letztem Freitag hat sie nämlich nichts mehr gehabt.


Die nächsten Minuten ist sie damit beschäftigt, die Flasche leer zu trinken und Lorenzo mit Blicken anzumachen. Sie fährt sich mit der rechten Hand vom Hals nach dem Körper hinunter, über die Brüste bis zum Bauchnabelpiercing und deutet an, dass sie gerne noch weiter hinunter gehen würde, gibt aber auch zu verstehen, dass nicht sie dafür zuständig ist. Lorenzo soll doch eingreifen.


Ein Satz, den Ellen sagt, zerstört alles. „Was Tina jetzt wohl macht?“


Stéphanie wirft ihr einen bösen Blick zu, aber die kleine Italienerin bemerkt ihn nicht. „Was interessiert uns, was diese Schlampe im Moment gerade macht? Von mir aus kann sie verrecken, das geht mir so weit irgendwo vorbei, das kannste dir gar nich vorstellen. Aber auch euch soll es so gehen. Wir sind hier und die dumme Kuh nich, wir hier sind die stylishen Girls, nich Tina.“


Anscheinend hat sie genug laut geredet, denn alle, auch Lorenzo, blicken sie mit grossen Augen an und für einen Moment herrscht absolute Stille, bis Ellen sagt: „Entschuldigung, ich wollte nur …“


Stéphanie fällt ihr ins Wort. „Is mir doch egal, wasde gewollt hast. Es ging dabei um Tina, das interessiert uns nich. Soll sie doch machen, was sie will, wir ziehen unser eigenes Ding durch und ich sage, was läuft, nich die Nutte, die meint, sie sei was Besseres. Dabei ist genau das Gegenteil der Fall. Bei meiner Fotze!“


Von da an wagt niemand mehr Tinas Namen zu sagen. Immer wieder schickt Stéphanie Ellen Smirnoff holen und bei der Gelegenheit stellt sie jeweils die Musik lauter.


Flasche um Flasche trinken die Girls leer und allmählich macht sich Stéphanies Blase bemerkbar. Die Blonde steht auf und verlässt den Partyraum. Als sie die Treppe ins Erdgeschoss hinaufgeht, überkommt sie eine Übelkeitsattacke und sie kann nicht mehr gerade gehen. Obwohl sie rasch vorübergeht, ist es ein Zeichen, dass Stéphanie schon etwas mehr als leicht angetrunken ist. Ein geiles Gefühl. Wenn sie nur noch geradeaus gehen könnte. Eine weitere Treppe wird sie nicht hoch kommen und so sucht sie die Toilette im Erdgeschoss auf.


Würgend lehnt sie sich über das Lavabo, klammert sich am Hahn fest, aber sie muss dann doch nicht kotzen. Sie nimmt einige Schlucke Wasser und richtet sich wieder auf. Ihr Blick fällt in den Spiegel oberhalb des Beckens. Was sie erblickt, gefällt ihr: eine herausgeputzte Frau, der niemand widerstehen kann. Bereits fühlt sie sich einiges besser, sie glaubt sogar, wieder gerade gehen zu können.


Erst jetzt spürt sie, dass sie nicht mehr ganz trocken ist zwischen den Beinen. Sie lupft den Rock und schiebt den String zur Seite. Sie hätte sich in letzter Zeit nicht mehr rasieren sollen, damit sie sich heute ein Brazilian Waxing hätte genehmigen können. Es ist ein schönes Gefühl, dort unten nicht einmal Stoppeln zu haben, sondern glatt zu sein, als gäbe es diese verdammten Schamhaare nicht.


Die Lippen sind mit einem feuchten Film überzogen und leicht geschwollen. Stéphanie zuckt zusammen, als sie sich dort unten berührt; es ist ein wunderschönes Gefühl, genau das, was sie jetzt braucht. Noch besser wäre nur Lorenzo, der sie betastet, aber dafür ist es noch etwas zu früh, allerdings zweifelt sie nicht daran, dass es heute noch dazu kommen wird. Es i

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Kommentare


ngsakul
dabei seit: Feb '05
Kommentare: 27
schrieb am 24.09.2009:
»Bevor ich es wieder vergesse zu kommentieren:

Dies ist eine SUPER Fortsetzung der Geschichte! Wie für den Autor typisch kann man eine Fortsetzung kaum erwarten - da bleibt nur zu hoffen, dass die Einleser hier schnell genug sind um die Erwartungen der Leser zu erfüllen ;)

(Nein, ich will damit keinen Druck erzeugen - das ist lediglich ein großes Lob für HG1)

Ich bin jedenfalls gespannt wie das um *Stefanie* rum weitergeht...«



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