Bei der angezeigten Geschichte handelt es sich um eine gekürzte Version. Um die ganze erotische Geschichte lesen zu können, musst Du Dich einloggen. Ein Altersnachweis ist nicht erforderlich. Es gelten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen und der Disclaimer von sevac.com. Sevac.com ist für den Inhalt der Geschichte nicht verantwortlich und distanziert sich von selbigem. Das Copyright liegt beim Autor. Jegliche Weiterverbreitung der Geschichte ist, wenn nicht ausdrücklich anders angegeben, untersagt.
Kommentare: 10 | Lesungen: 1282 | Bewertung: 8.61 | Kategorie: Soft Stories | veröffentlicht: 20.08.2016

Der Dämon des Rennens

von

Hört man von dunklen Mächten im Sport, denkt man an Doping, Wettmanipulation oder Korruption. Niemand verschwendet einen Gedanken an wirklich dunkle Mächte und noch weniger daran, dass sie in einem selbst schlummern könnten. Ich bildete da keine Ausnahme, als ich im März 2010 mit meinen vier Freunden einen skandinavischen Wintersportort besuchte. Normalerweise zog es uns zu dieser Jahreszeit in südlichere, meist von Wasser umspülte Partygefilde. Die Idee, diesen Zugtrieb einmal umzukehren und dem Schnee nachzureisen, stammte zwar nicht von mir, erfüllte mich aber mit Zuversicht.

Ich traf die alte Clique nur noch einmal im Jahr, da ich als Einziger nach dem Studium für den Job in eine andere Stadt gezogen war. Mit den Jahren ließ sich nicht mehr leugnen, dass ich mich nicht nur geographisch von der Gruppe entfernte. Während ich immer mit dem Wunsch, alte Zeiten aufleben zu lassen, zu den Treffen fuhr, lebten die vier einfach in ihrem Jetzt weiter. Sie trafen sich das ganze Jahr über, gingen zusammen ins Kino, zum Fußball oder auf Partys. Sie und ich entwickelten uns einfach nicht mehr auf einer Linie. In anderen Jahren hatte ich dagegen angekämpft und mir alle Mühe gegeben, mir die neuen Insidergags und Ähnliches zu merken, damit ich wieder auf dem Laufenden war, nur um im nächsten Jahr feststellen zu müssen, dass mich wieder dreihundertfünfundsechzig Tage von den Jungs trennten.

Der Trip in den Schnee zum Biathlon hatte Veränderung suggeriert und Hoffnung auf eine neue gemeinsame Erfahrung gemacht, auf die wir aufbauen konnten. Die Ernüchterung kam schnell, denn außer Schnee statt Sand und Pudelmütze statt Badehose veränderte sich nichts. Zu Anfang wurden mir die neuen Insidergags noch erklärt, aber, hey, wie lustig ist ein Witz, wenn er erklärt werden muss? Mit steigendem Alkoholpegel geriet ich mehr und mehr ins Abseits. Nach zwei Stunden überlauter Spaßmusik, umgeben von albern herumhüpfenden Menschen aus aller Herren Länder, hielt ich es nicht mehr aus.

Ich glaube, ich erzählte den Jungs etwas von einem Gang zum Klo. Es erschien mir unnötig, ihnen eine komplizierte Ausrede aufzutischen. Sie hörten mir eh nicht mehr zu, sondern tranken Wodka und hüpften herum wie die anderen Besucher.

Ich trauerte der teuren Eintrittskarte keine Sekunde nach, sondern freute mich über jeden Meter, den ich zwischen die lärmende Tribüne und mich legte. Als ich den Besuchertunnel, der unter der Strecke hindurch ins Stadion führt, hinter mir hatte, atmete ich auf. Ich wollte zuerst zurück in unser Ferienhäuschen, doch ein Blick in die verschneite, skandinavische Waldlandschaft, ließ mich diesen Gedanken verwerfen. Ich hätte kaum über die ganze Ostsee fliegen müssen, um ein Zimmer von innen zu betrachten. So verließ ich, von den Ordnern in der Nähe unbemerkt, den offiziellen Weg und stapfte aufs Geratewohl in den Wald.

Bald knarrte Schnee unter meinen Winterstiefeln. Die lärmende Geräuschkulisse verschwand und mit ihr meine melancholische Stimmung. Die Luft roch nicht mehr nach Rentierdöner und Alkohol, sondern strömte klar und frisch in meine Lungen, während ich in eine faszinierende Landschaft eintauchte.

Die Fichten ächzten unter ihren Schneelasten. An den Enden vieler Äste hingen Eiszapfen wie drohende Speere in der Zauberwelt eines Fantasyromans. Wenn der Wind hin und wieder sanft ein paar Schneeflocken von den Tannenspitzen blies, konnte ich ein leises, kristallenes Klingeln hören. Kitschig, ich weiß, aber in diesem Augenblick eine Wohltat.

Plötzlich zerrissen aufgeregte Schreie die Idylle. Männerstimmen krakelten herum. Ich dachte, in eine Treibjagd geraten zu sein. Kein falscher Gedanke. Das Rennen hatte begonnen und ich hörte die Anfeuerungsrufe der Trainer und Betreuer. Das anstrengende Stapfen durch den kniehohen Schnee hatte mir eine weit größere Entfernung suggeriert. Tatsächlich war ich noch nicht wirklich weit von der Strecke entfernt. Und dann hörte ich das Schnaufen und Stöhnen der Skijägerinnen, das Sirren der in den Schnee stechenden Skistöcker und das Schneiden der Ski durch die eisige Piste.

Nun, ich war gekommen, um mir Biathlon anzusehen. So entfachte der Wunsch, hier, wo es so viel stiller war, doch noch etwas von dem neuen Wettbewerb, der Mixed-Staffel, zu sehen. Bald konnte ich das bunte Feld der Läuferinnen, die noch eng beieinander liefen, durch die Bäume erkennen und beeilte mich, an die Strecke zu gelangen.

Ich erreichte ein flaches Stück von vielleicht vierzig oder fünfzig Metern, das hinter einer Steigung lag und an der anderen Seite in einer Kurve mit einer Abfahrt endete. Den Anstieg belagerten die Betreuer, die dort Abstände und Informationen über die Schießleistungen an ihre Athleten weitergaben. Die Abfahrt zog Zuschauer an, die spektakuläre Abfahrtseinlagen sehen wollten. Das flache Geradeausstück interessierte niemanden.

Mir gefiel es jedoch außerordentlich. So dicht an der Strecke, wo die Läuferinnen hautnah an einem vorbeiliefen, wirkte alles viel intensiver, ja authentischer. Im Stadion mit etlichen Metern zwischen sich und den Akteurinnen waren diese die umjubelten, aber entfernten Stars in einem Spektakel. Dort wo ich stand, liefen Menschen aus Fleisch und Blut, deren Atem dampfte, die keuchten, deren Anstrengung einfach spürbar war.

In den ersten Runden, die Kathrin Friedrich für Deutschland absolvierte, hatte ich mich noch ganz der Aufnahme dieser Eindrücke gewidmet, doch mit zunehmender Dauer erwachte in mir das Rennfieber. Kathrin Friedrich ergatterte den zweiten Platz und übergab an unsere Ausnahmebiathletin Anna-Lena Dreyer. Diese hatte den Abstand zur Führenden kontinuierlich aufgeholt. Hatte ich in ihrer ersten Runde nur ein bisschen geklatscht und in der zweiten ein bisschen »hopp, hopp« dazugerufen, brach es nun aus mir heraus.

Anna-Lena hatte ihren Rückstand kontinuierlich verkürzt. Am Anstieg hatte die Führende sich noch behaupten können, aber Anna-Lena hing ihr im Nacken. Sie brauchte einfach Unterstützung. Also ließ ich alle Zurückhaltung fallen und feuerte sie lautstark mit geballten Fäusten an: »Komm schon, Anna! Die hast du. Die kann nichts mehr. Die ist blau. Los, Anna, zieh! Hopp, hopp,. hopp!«

Ob diese Worte Kräfte in ihr freimachten, oder das Wachs unter den Skiern ihrer Konkurrentin in Schmirgelpapier verwandelten, kann ich nicht sagen. Auf einmal scherte Anna-Lena aus und flog geradezu leichtfüßig davon, legte spielend Meter um Meter zwischen sich und die eben noch Führende. Als sie hinter der Kurve zur Abfahrt verschwand, drehte ich mich um, um ihren Vorsprung abzuschätzen. In diesem Moment wurde mir eines schlagartig klar: Nicht nur ich bekam die Athletinnen hautnah mit, sondern sie auch mich.

D führte ihre durch tausendfaches Training eingeschliffenen Bewegungen mechanisch fort, doch ihr Kopf schien diesem Bewegungsablauf entrückt. Sie schaute mich unumwunden an. Ihre rechte Hand klappte ihre orangfarbene Rennbrille hoch. Ihre Augen fixierten mich, wie der Mafiaboss den Kronzeugen nach Verkündung des Gerichtsurteils. Ein eisiger Schauer raste über meinen Rücken, während mein Kopf vermutlich tomatenrot glühte, und ich mich in die Anonymität des Stadions zurücksehnte. Die x-beliebige Konkurrentin, das Hindernis, das Anna-Lena von der Führung abgehalten hatte, verwandelte sich auf einmal in einen Menschen, eine Frau, die sich nicht weniger anstrengte, den Sieg zu erringen.

Von einer Sekunde zur anderen schnürte Beklommenheit meine Kehle zusammen. Wie konnte ich nur so gemein sein und all meine Sympathien einer anderen schenken? Und das, wo sie so ästethisch lief. Warum es mir vorher nicht aufgefallen war, konnte ich nicht sagen, doch im Gegensatz zur eifrig, quirligen Anna-Lena wirkte Ds Laufstiel elegant, gerade zu stolz. Sie schwebte, wie die Schneekönigin aus Andersens Märchen, an mir vorbei.

Ich weiß noch, dass mein Hirn mir Dinge zufunkte wie: »Schau doch einfach weg.« Aber ich konnte nicht. Ihre türkis leuchtenden Augen hielten mich gefangen. Die geschmeidigen Bewegungen ihres Körpers faszinierten mich, wie das Muskelspiel einer Leopardin auf der Pirsch. Es war nur ein kurzer Augenblick, in dem sie an mir vorüberlief, aber mein Herz klopfte mit einem Mal wie aufgeputscht und - ich weiß auch nicht - aber da flatterte schon so etwas wie ein kleiner Schmetterling in meinem Bauch.

Plötzlich klang das Kratzen ihrer Ski durch den Schnee vorwurfsvoll. Wenn ihre Stöcke in den Schnee stachen, schien es wie ein Ächzen. Es tat mir leid, dass sie die Führung verloren hatte; meinetwegen.

D ließ mich nicht aus den Augen, auch als sie schon vorbei gelaufen war. Erst kurz vor der Kurve wandte sie ihren Blick ab und konzentrierte sich auf die Abfahrt.


Ich hatte noch Minuten später eine Gänsehaut und wusste nicht, ob ich mich auf ein Wiedersehen in der nächsten Runde freuen, oder ob ich es fürchten sollte. Doch es gab kein Wiedersehen. Die Frauen übergaben an die Männer.


Damit kamen die Norweger richtig stark auf und gewannen das Rennen schließlich vor Deutschland. Ds Staffel erreichte keinen Podestplatz.

*****

Auf dem Rückweg zur Ferienwohnung, die auf der anderen Seite der Stadt lag, stolperte ich im Zug der zurückwandernden Menge über meine Freunde, die kurz fragten, wo ich denn hin verschwunden sei. Ich sagte etwas von »verlaufen«. Es interessierte sie eh nicht. Sie waren nur froh, mich wiedergefunden zu haben, weil Martin, einer der Vier, kaum noch aufrecht gehen konnte und keiner von ihnen klar genug war, ihn gut genug stützen und leiten zu können. Ich hakte Martin also unter die Achseln und verfrachtete ihn mit den anderen in unser Ferienhaus. Während er im Bett seinen Rausch ausschlief, eiferten die anderen ihm im Alkoholkonsum nach. Die erlaubten Mengen hatten wir am Flughafen natürlich noch eingekauft. So wurde die Luft im Haus bald extrem alkoholschwanger. Die Jungs gackerten über jeden noch so dummen Spruch, währende ich in einer merkwürdig melancholischen Stimmung schweigend zwischen ihnen saß.

Ich trauerte aber nicht mehr unserer gemeinsamen Vergangenheit nach, sondern hatte immer noch Ds Gesicht vor Augen. Dieses türkise Funkeln, die zornig aufeinandergepressten Lippen. Was hatte ich nur angerichtet? Die Gedanken drohten, mich in den vier Wänden des Hauses zu erdrücken. Ich hielt es nicht mehr aus. Ich musste einfach raus.

Draußen war es schon dunkel, aber die frische Luft, die in meine Lungen strömte, ließ mich befreiter atmen. Auch auf dieser Seite der Stadt schloss sich Wald an. Die dunklen Silhouetten der Fichten ragten stumm aber ehrwürdig hinter den Dächern empor und lockten mit ihrem Versprechen nach Ruhe und Frieden. Hineingehen konnte ich natürlich nicht, vielleicht gab es ja eine beleuchtete Straße, die am Waldrand entlang führte.

Ich erlebte eine Überraschung. Es gab eine beleuchtete Loipe für Freizeitsportler, die neben der Trasse für die Skater auch zwei klassische Spuren führte. Ich schlug kurzentschlossen diesen Weg ein und befand mich nach wenigen Minuten in einer wunderschönen, nächtlichen Winterwelt.

Gelegentlich überholten mich Freizeitsportler. Manche grüßten in der Landessprache. Den ersten Läufern sah ich eine Weile nach, später achtete ich nicht mehr auf sie. Um so überraschter war ich, als plötzlich eine Läuferin mit langem, blonden Pferdeschwanz, die gerade an mir vorbeigelaufen war, abbremste. Sie fuhr herum und deutete mit dem ausgestreckten Skistock auf mich.

»Du!«

Sie sprach englisch, doch der dunkle, russische Akzent war auch in diesem einen Wort unüberhörbar. Sie trug eine dicke, rote Daunenjacke, und der Rennanzug darunter war schwarz und nicht wie sonst grün. Vor mir stand meine Schneekönigin. Ihr einprägsamer Blick von vorhin machte sich nun für sie bezahlt. Offensichtlich hatte sie mir nicht verziehen. Ich fühlte mich sofort wie der untreue Ehemann, der, inflagranti erwischt, von seiner Frau zur Rede gestellt wurde. Ich versuchte, es irgendwie zu überspielen.

»Oh, äh, hi«, stammelte ich auf Englisch. »Nettes Rennen.«

»Nettes Rennen«, wiederholte sie und spie hinterher: »Bullenscheiße!«

Dann fuhr sie eine enge Kurve und rutschte so dicht an mich heran, dass ich einen kleinen Rückwärtsschritt machte, damit sie mir nicht mit ihren Skiern über die Fußspitzen fuhr.

Ich fühlte mich nicht wohl in meiner Haut. Mein Köper juckte, als hätte ich seit Monaten nicht geduscht. Wieso kam ich mir so schuldig vor? Was hatte ich Schlimmes getan? Ich war Deutscher und hatte eine deutsche Athletin angefeuert. Das war nicht unfair oder verboten und irgendwie hatte ich gedacht, Sportler auf Weltniveau nähmen solche Dinge gelassener. D jedoch fixierte mich, als sei ich allein schuld an ihrem Einbruch auf dem Flachstück.

»Du bist der Dämon«, beschuldigte sie mich.

Ich hatte ihre Worte wohl gehört, aber ich traute meiner Übersetzung nicht so recht und stieß ein paar unsichere Lacher aus. Jemand der gerade von Bullenscheiße gesprochen hatte, betitelte mich nun als Dämon. Um das Gespräch irgendwie aus der peinlichen »du bist Schuld an der Niederlage«-Richtung zu bringen, versuchte ich, in ein anderes Gebiet zu flüchten, und gab mich sprachinteressiert.

»Ist Dämon im Russischen ein schlimmes Schimpfwort?«

»Du weißt nicht, was ein Dämon ist?«

Sie sah mich an, als sei ich der letzte Trottel und zog den Reißverschluss ihrer Jacke auf. Der Dunst ihres aufgeheizten Körpers stieg mir entgegen. Sie roch nach Magnolie und frischem Schweiß. Der schwarze Rennanzug schmiegte sich wie eine zweite Haut an ihren Körper. Ihre Nähe fühlte sich bedrückend und verlockend zu gleich an. Ich kam mir wie der Ziegenbock im Kräutergarten vor, der den vor ihm liegenden Köstlichkeiten nur schwer widerstehen konnte, der aber wusste, dass Naschen bestraft werden würde.

»Doch«, räumte ich ein und versuchte meinen Blick irgendwo anders hinzulenken als auf die Rundung ihrer Brüste. Sie fror offensichtlich. Oder war es etwas anderes? In meiner Hose gab es zur gleichen Zeit auch eine Verhärtung, die aber nichts mit der Kälte zu tun hatte.

»Und du bist der Dämon.« Sie tippte mit dem Zeigefinger anklagend auf meine Brust.

»Entschuldigung«, entgegnete ich, »aber wenn ich ein Dämon bin, dann war doch das Stadion voll mit Dämonen. Finnischen, Norwegischen, Schwedischen, Russischen und wer weiß was noch.«

Die Verteidigungsrede sprudelte ganz automatisch aus meinem Mund. Doch so sehr ich auch versuchte, die Schuld auf möglichst viele Schultern zu verteilen, so sehr klebte sie mir wie Schrumpffolie um den Hals und je heißer mir unter der Anschuldigung wurde, um so mehr zog sie sich zusammen.

»Nein, nein«, widersprach sie. »Alle anderen sind egal. Du bist der Dämon des Rennens. In jedem Rennen gibt es einen Dämon. Er kann dir die Kraft geben zu gewinnen, oder sie dir nehmen.«

Ich hatte ja schon von einigen abergläubischen Gepflogenheiten im Sport gehört: Glücksschuhen und Glückspullovern, bestimmte Rituale in der Wettkampfvorbereitung. Aber böse Mächte, die den Wettkampf vom Seitenrand entschieden? Das war doch totaler Quatsch! Und doch klang mein erzwungenes Auflachen in meinen Ohren wie der letzte Versuch des überführten Mörders, den Kommissar von seiner Unschuld zu überzeugen.

»Also so etwas Dummes hab ich nun wirklich noch nie gehört.«

»Du hältst mich für dumm?«

Ihre türkisfarbenen Augen funkelten mich an. Wäre ich eine Biathlonscheibe gewesen, hätte ich meine weiße Klappe schon aus Angst vor mich gezogen, noch bevor der Schuss mich traf. Mein Blut gefror in den Adern.

Dann stieß sie ein verächtliches »Pah!« hervor und im selben Moment erloschen die Lichter auf der Strecke.

Ich schluckte. Kein sternenklarer Himmel mit Vollmond, kein leuchtender Schnee, kein ferner Lichtschein. Von einem Augenblick auf den anderen zappenduster. Alles einfach nur kohlrabenschwarz. Da gab es nichts, woran die Augen sich gewöhnen konnten. Ich konnte nicht mal mehr die Frau vor mir sehen. Ich hörte nur ihr Atmen, spürte ihre warme Aura und roch diese intime Mischung aus Magnolie und Schweiß.

»Was ist denn nun?«, fragte ich verunsichert.

»Du wusstest nicht, dass die Lichter an der Strecke um 22 Uhr abgeschaltet werden?«

»Ich bin zum ersten Mal hier.«

Sie lachte und es klang wie das überlegene, höhnische Lachen einer Hexe im Märchenfilm, das zwischen den Bäumen gespenstisch widerhallte.

»Da hast du wohl Pech!«, bedauerte sie mich ironietriefend. Dann klickte es und eine Stirnlampe strahlte mir schmerzhaft in die Augen. Ich musste sie mit den Händen abschirmen und den Kopf zur Seite drehen. D lachte weiter, während sie ihre Skistöcke in den Schnee drückte und sich abstieß. Als sie sie wieder herauszog, streifte ihre Faust meine Vorderseite knapp unterhalb der Gürtellinie. Ich spürte ihre Fingerknöchel sanft über den Stoff meiner Hose streichen und erzitterte.

Zufall oder Absicht? Ich war mir zumindest nicht mehr ganz so sicher, wer von uns der Dämon sein sollte. Ich starrte ihr nur nach. Sie fuhr einen eleganten Bogen und setzte ihren Weg fort. Erst dann machte es Klick.


Sie konnte mich hier doch nicht einfach stehen lassen. Ohne Licht würde ich in dieser Dunkelheit kaum nach Hause finden. Sollte das die Rache für meine Untreue sein? Sie überließ mich den eisigen Fingern des Kältetods. Was für eine Hexe.

Natürlich konnte ich ihr Nachrufen, aber diese herablassende Art, mit der sie über mich gelacht hatte. Nein, den Ruf nach Hilfe ließ mein Stolz nicht zu. Sollte die abergläubische Zicke doch verduften. Ich schaute ihr trotzig nach. Doch je weiter sich der Lichtkegel entfernte, desto mehr schmolz mein Stolz dahin und wuchs meine Angst. Die Kälte kroch meine Beine hinauf und ich begann zu zittern.

In der Ferne sah ich nur noch einen winzigen Schein, wie das Glimmen eines Glühwürmchens. Gleich würde er ganz verschwunden sein. Ich wartete darauf, in völliger Dunkelheit zu versinken, aber es geschah nicht. Welch gemeines Spiel. Wie lange sollte mich dieser Anblick noch quälen? Doch dann hörte ich etwas.


»Komm schon!«, verstand ich und selbst auf die Entfernung, war der russische Akzent unverkennbar.

Ich atmete auf und fühlte mich schon wieder schuldig. Wie konnte ich nur so schlecht von ihr denken? Sie würde doch niemals einen Menschen der Kälte überlassen. Ja, ich verteidigte sie in Gedanken und mein Irrtum über ihren Charakter bescherte mir ein erleichtertes Lächeln.

»Dawaj, dawaj«, rief sie plötzlich in ihrer Muttersprache.

Ich ging gehorsam in einen leichten Trab über, aber auf der Schneepiste lief es sich nicht so einfach. Mit dem größeren Schwung meiner Schritte sackte ich auch tiefer ein. Es fühlte sich an, wie laufen in Taucherflossen, wenn ich meine Füße aus den tiefen Stapfen zog. Und es strengte an. Meine Kondition war nicht die beste, muss ich zugeben. Ich schnaufte heftig, als ich D erreichte, stützte mich mit den Händen auf den Knien ab und keuchte.

Sie schaute in die Richtung, aus der ich kam, und tadelte mich: »Sieh, was du angerichtet hast! Du hast die Strecke zerstört.«

Ich drehte mich um und folgte mit dem Blick dem Schein ihrer Lampe. Meine tiefen Fußabdrücke zogen sich wie ein Graben durch die Piste. Ja, schön sah es nicht aus. Auf der anderen Seite hatte sie mich doch zur Eile getrieben. Im Laufen sank man halt tiefer ein. Sie blickte mich jedoch vorwurfsvoll an, als gäbe es ein ungeschriebenes Gesetz, das alle Langläuferinnen und Langläufer zum Schutz der Loipen verpflichtete. Leider war ich noch zu sehr mit atmen beschäftigt, um antworten zu können. Ich konnte nur halb entschuldigen, halb fragend, die Schultern hochziehen.

D schüttelte den Kopf. »Lauf neben der Piste!«

Sie nahm ihren Skistock und pikste mir mit der Metallspitze in die Seite.

»Ah«, rief ich vorwurfsvoll und versuchte, die nächste Attacke abzuwehren, aber sie führte ihren Stock wie ein Florett. Die Spitze war immer da, wo meine Hände gerade nicht waren. Ich wich aus Angst um die Unversehrtheit meiner Winterjacke zurück, bis ich in den weichen und tiefen Schnee neben der präparierten Loipe trat. Dann hörte sie auf, nickte zufrieden und befahl: »Und jetzt geh los!«

Zu meiner Überraschung bekam ich einen Klaps mit dem Stock auf meinen Allerwertesten.

»Hey!«, protestierte ich, setzte mich aber gehorsam in Bewegung.

Das Laufen im weichen Schnee neben der Piste fiel noch schwerer. Ich sank bis zu den Knien ein; gerade zu aussichtslos, die Füße bei jedem Schritt darüber zu heben. Ich pflügte mühsam wie ein Ackergaul durch die weiße Pracht und schielte neidisch zu der scheinbar mühelos Dahingleitenden.

Ihre langen Beine waren ein echter Hingucker, und wenn ich an die Kurven ihres Körpers dachte, die die Jacke nun wieder vor meinen Blicken verbarg, wurde mir nicht nur durch die Anstrengung heiß. Ich fühlte mich ein bisschen wie ein Schuljunge, der zum ersten Mal neben seinem Schwarm gehen durfte. Dabei durfte ich natürlich keine Schwäche offenbaren und versuchte all meine Kräfte zu mobilisieren, damit ich mithalten konnte.

Sie bemerkte meinen Blick, glaubte wohl, etwas sagen zu müssen. Gegen ein Gespräch hätte ich auch nichts gehabt, doch sie sagte: »Dawaj, dawaj.«

Und wieder verlieh sie ihrer Forderung mit ihrem Stock Nachdruck. Diesmal war es aber nicht nur ein Klaps. Diesmal zog der Schlag auf meinem Hintern richtig.

Ich funkelte sie wütend an. Sie hielt meinem Blick mühelos stand und erwiderte hart: »Ich darf nicht auskühlen, sonst erkälte ich mich und kann morgen nicht mitlaufen. Also: Dawaj, dawaj.«

Ihr Argument konnte ich durchaus nachvollziehen, aber wenn sie mich von der Strecke in den Tiefschnee stieß, konnte sie kaum Wunder erwarten. Ich gab mein Bestes, aber mit jedem Schritt brannte mehr Milchsäure in meinen Oberschenkeln, mit jedem Ausatmen stieß ich mehr Luft aus, als ich mit dem nächsten Atemzug einsog. Ich bekam Seitenstechen.

Immer wieder schickte ich ihr flehende Seitenblicke, mich auf die Strecke zurückzulassen, doch sie blieb unnachgiebig und immer wieder schlug sie zu und wiederholt ihr: »Dawaj, dawaj.« Bald klang es jedoch

Login erforderlich!
Um weiterlesen zu können, musst Du Dich einloggen.
Passwort vergessen?
Du hast noch keinen Zugang zu sevac.com? Hier geht's zur Anmeldung.

Anmeldung und Nutzung sind kostenlos. Um die angezeigte Geschichte weiterlesen zu können, ist kein Altersnachweis notwendig, da es sich um eine erotische Geschichte handelt (nicht pornografisch!). Die Anmeldung dauert keine zwei Minuten.

Kommentare


lydia14
dabei seit: Jul '13
Kommentare: 31
schrieb am 20.08.2016:
»Ich kann mir eine Fortsetzung gut vorstellen. Bitte weiter.«

z-maus
dabei seit: Jan '02
Kommentare: 9
schrieb am 21.08.2016:
»schöne Geschichte«

absenden
dabei seit: Dez '00
Kommentare: 3
schrieb am 21.08.2016:
»Eine wunderschöne Geschichte! Weiter so!!!«

Rubenso
dabei seit: Feb '02
Kommentare: 6
schrieb am 23.08.2016:
»sehr gut geschrieben. Klasse Geschichte«

Malgretout
dabei seit: Jun '07
Kommentare: 109
schrieb am 23.08.2016:
»Gratulation, selten ist es mir leichter gefallen, dreimal 10 zu geben. Knisternde Erotik, die unbedingt eine entsprechende Fortsetzung erfahren muss. "Dawaj!"«

direstraits
dabei seit: Aug '14
Kommentare: 20
schrieb am 03.09.2016:
»nur weiter so, eine tolle Geschichte!!!«

Kojo75
dabei seit: Mär '14
Kommentare: 10
schrieb am 13.09.2016:
»Ja eine Fortsetzung wäre super schön«

michl57
dabei seit: Dez '15
Kommentare: 6
schrieb am 29.06.2017:
»ob sie sich wohl nochmals sehen?«

alterwitwer
dabei seit: Dez '21
Kommentare: 3
schrieb am 10.12.2021:
»realistisches Märchen«

nomaam
dabei seit: Mai '01
Kommentare: 3
nomaam
schrieb am 21.09.2022:
»Herrlich geschrieben, vielen Dank!
Endlich durfte ich mal ein korrekt verwendetes Semikolon genießen, aber auch die Story riss mich mit.

Immersion, Details, Spannungsaufbau; hier stimmt alles, wenngleich ich noch auf ein abschließendes Liebesspiel gehofft hätte. ;-)«



Autorinformationen Autorinfos
 Geschichte melden
Anzeige