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Kommentare: 10 | Lesungen: 1293 | Bewertung: 8.61 | Kategorie: Soft Stories | veröffentlicht: 20.08.2016

Der Dämon des Rennens

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Hört man von dunklen Mächten im Sport, denkt man an Doping, Wettmanipulation oder Korruption. Niemand verschwendet einen Gedanken an wirklich dunkle Mächte und noch weniger daran, dass sie in einem selbst schlummern könnten. Ich bildete da keine Ausnahme, als ich im März 2010 mit meinen vier Freunden einen skandinavischen Wintersportort besuchte. Normalerweise zog es uns zu dieser Jahreszeit in südlichere, meist von Wasser umspülte Partygefilde. Die Idee, diesen Zugtrieb einmal umzukehren und dem Schnee nachzureisen, stammte zwar nicht von mir, erfüllte mich aber mit Zuversicht.

Ich traf die alte Clique nur noch einmal im Jahr, da ich als Einziger nach dem Studium für den Job in eine andere Stadt gezogen war. Mit den Jahren ließ sich nicht mehr leugnen, dass ich mich nicht nur geographisch von der Gruppe entfernte. Während ich immer mit dem Wunsch, alte Zeiten aufleben zu lassen, zu den Treffen fuhr, lebten die vier einfach in ihrem Jetzt weiter. Sie trafen sich das ganze Jahr über, gingen zusammen ins Kino, zum Fußball oder auf Partys. Sie und ich entwickelten uns einfach nicht mehr auf einer Linie. In anderen Jahren hatte ich dagegen angekämpft und mir alle Mühe gegeben, mir die neuen Insidergags und Ähnliches zu merken, damit ich wieder auf dem Laufenden war, nur um im nächsten Jahr feststellen zu müssen, dass mich wieder dreihundertfünfundsechzig Tage von den Jungs trennten.

Der Trip in den Schnee zum Biathlon hatte Veränderung suggeriert und Hoffnung auf eine neue gemeinsame Erfahrung gemacht, auf die wir aufbauen konnten. Die Ernüchterung kam schnell, denn außer Schnee statt Sand und Pudelmütze statt Badehose veränderte sich nichts. Zu Anfang wurden mir die neuen Insidergags noch erklärt, aber, hey, wie lustig ist ein Witz, wenn er erklärt werden muss? Mit steigendem Alkoholpegel geriet ich mehr und mehr ins Abseits. Nach zwei Stunden überlauter Spaßmusik, umgeben von albern herumhüpfenden Menschen aus aller Herren Länder, hielt ich es nicht mehr aus.

Ich glaube, ich erzählte den Jungs etwas von einem Gang zum Klo. Es erschien mir unnötig, ihnen eine komplizierte Ausrede aufzutischen. Sie hörten mir eh nicht mehr zu, sondern tranken Wodka und hüpften herum wie die anderen Besucher.

Ich trauerte der teuren Eintrittskarte keine Sekunde nach, sondern freute mich über jeden Meter, den ich zwischen die lärmende Tribüne und mich legte. Als ich den Besuchertunnel, der unter der Strecke hindurch ins Stadion führt, hinter mir hatte, atmete ich auf. Ich wollte zuerst zurück in unser Ferienhäuschen, doch ein Blick in die verschneite, skandinavische Waldlandschaft, ließ mich diesen Gedanken verwerfen. Ich hätte kaum über die ganze Ostsee fliegen müssen, um ein Zimmer von innen zu betrachten. So verließ ich, von den Ordnern in der Nähe unbemerkt, den offiziellen Weg und stapfte aufs Geratewohl in den Wald.

Bald knarrte Schnee unter meinen Winterstiefeln. Die lärmende Geräuschkulisse verschwand und mit ihr meine melancholische Stimmung. Die Luft roch nicht mehr nach Rentierdöner und Alkohol, sondern strömte klar und frisch in meine Lungen, während ich in eine faszinierende Landschaft eintauchte.

Die Fichten ächzten unter ihren Schneelasten. An den Enden vieler Äste hingen Eiszapfen wie drohende Speere in der Zauberwelt eines Fantasyromans. Wenn der Wind hin und wieder sanft ein paar Schneeflocken von den Tannenspitzen blies, konnte ich ein leises, kristallenes Klingeln hören. Kitschig, ich weiß, aber in diesem Augenblick eine Wohltat.

Plötzlich zerrissen aufgeregte Schreie die Idylle. Männerstimmen krakelten herum. Ich dachte, in eine Treibjagd geraten zu sein. Kein falscher Gedanke. Das Rennen hatte begonnen und ich hörte die Anfeuerungsrufe der Trainer und Betreuer. Das anstrengende Stapfen durch den kniehohen Schnee hatte mir eine weit größere Entfernung suggeriert. Tatsächlich war ich noch nicht wirklich weit von der Strecke entfernt. Und dann hörte ich das Schnaufen und Stöhnen der Skijägerinnen, das Sirren der in den Schnee stechenden Skistöcker und das Schneiden der Ski durch die eisige Piste.

Nun, ich war gekommen, um mir Biathlon anzusehen. So entfachte der Wunsch, hier, wo es so viel stiller war, doch noch etwas von dem neuen Wettbewerb, der Mixed-Staffel, zu sehen. Bald konnte ich das bunte Feld der Läuferinnen, die noch eng beieinander liefen, durch die Bäume erkennen und beeilte mich, an die Strecke zu gelangen.

Ich erreichte ein flaches Stück von vielleicht vierzig oder fünfzig Metern, das hinter einer Steigung lag und an der anderen Seite in einer Kurve mit einer Abfahrt endete. Den Anstieg belagerten die Betreuer, die dort Abstände und Informationen über die Schießleistungen an ihre Athleten weitergaben. Die Abfahrt zog Zuschauer an, die spektakuläre Abfahrtseinlagen sehen wollten. Das flache Geradeausstück interessierte niemanden.

Mir gefiel es jedoch außerordentlich. So dicht an der Strecke, wo die Läuferinnen hautnah an einem vorbeiliefen, wirkte alles viel intensiver, ja authentischer. Im Stadion mit etlichen Metern zwischen sich und den Akteurinnen waren diese die umjubelten, aber entfernten Stars in einem Spektakel. Dort wo ich stand, liefen Menschen aus Fleisch und Blut, deren Atem dampfte, die keuchten, deren Anstrengung einfach spürbar war.

In den ersten Runden, die Kathrin Friedrich für Deutschland absolvierte, hatte ich mich noch ganz der Aufnahme dieser Eindrücke gewidmet, doch mit zunehmender Dauer erwachte in mir das Rennfieber. Kathrin Friedrich ergatterte den zweiten Platz und übergab an unsere Ausnahmebiathletin Anna-Lena Dreyer. Diese hatte den Abstand zur Führenden kontinuierlich aufgeholt. Hatte ich in ihrer ersten Runde nur ein bisschen geklatscht und in der zweiten ein bisschen »hopp, hopp« dazugerufen, brach es nun aus mir heraus.

Anna-Lena hatte ihren Rückstand kontinuierlich verkürzt. Am Anstieg hatte die Führende sich noch behaupten können, aber Anna-Lena hing ihr im Nacken. Sie brauchte einfach Unterstützung. Also ließ ich alle Zurückhaltung fallen und feuerte sie lautstark mit geballten Fäusten an: »Komm schon, Anna! Die hast du. Die kann nichts mehr. Die ist blau. Los, Anna, zieh! Hopp, hopp,. hopp!«

Ob diese Worte Kräfte in ihr freimachten, oder das Wachs unter den Skiern ihrer Konkurrentin in Schmirgelpapier verwandelten, kann ich nicht sagen. Auf einmal scherte Anna-Lena aus und flog geradezu leichtfüßig davon, legte spielend Meter um Meter zwischen sich und die eben noch Führende. Als sie hinter der Kurve zur Abfahrt verschwand, drehte ich mich um, um ihren Vorsprung abzuschätzen. In diesem Moment wurde mir eines schlagartig klar: Nicht nur ich bekam die Athletinnen hautnah mit, sondern sie auch mich.

D führte ihre durch tausendfaches Training eingeschliffenen Bewegungen mechanisch fort, doch ihr Kopf schien diesem Bewegungsablauf entrückt. Sie schaute mich unumwunden an. Ihre rechte Hand klappte ihre orangfarbene Rennbrille hoch. Ihre Augen fixierten mich, wie der Mafiaboss den Kronzeugen nach Verkündung des Gerichtsurteils. Ein eisiger Schauer raste über meinen Rücken, während mein Kopf vermutlich tomatenrot glühte, und ich mich in die Anonymität des Stadions zurücksehnte. Die x-beliebige Konkurrentin, das Hindernis, das Anna-Lena von der Führung abgehalten hatte, verwandelte sich auf einmal in einen Menschen, eine Frau, die sich nicht weniger anstrengte, den Sieg zu erringen.

Von einer Sekunde zur anderen schnürte Beklommenheit meine Kehle zusammen. Wie konnte ich nur so gemein sein und all meine Sympathien einer anderen schenken? Und das, wo sie so ästethisch lief. Warum es mir vorher nicht aufgefallen war, konnte ich nicht sagen, doch im Gegensatz zur eifrig, quirligen Anna-Lena wirkte Ds Laufstiel elegant, gerade zu stolz. Sie schwebte, wie die Schneekönigin aus Andersens Märchen, an mir vorbei.

Ich weiß noch, dass mein Hirn mir Dinge zufunkte wie: »Schau doch einfach weg.« Aber ich konnte nicht. Ihre türkis leuchtenden Augen hielten mich gefangen. Die geschmeidigen Bewegungen ihres Körpers faszinierten mich, wie das Muskelspiel einer Leopardin auf der Pirsch. Es war nur ein kurzer Augenblick, in dem sie an mir vorüberlief, aber mein Herz klopfte mit einem Mal wie aufgeputscht und - ich weiß auch nicht - aber da flatterte schon so etwas wie ein kleiner Schmetterling in meinem Bauch.

Plötzlich klang das Kratzen ihrer Ski durch den Schnee vorwurfsvoll. Wenn ihre Stöcke in den Schnee stachen, schien es wie ein Ächzen. Es tat mir leid, dass sie die Führung verloren hatte; meinetwegen.

D ließ mich nicht aus den Augen, auch als sie schon vorbei gelaufen war. Erst kurz vor der Kurve wandte sie ihren Blick ab und konzentrierte sich auf die Abfahrt.


Ich hatte noch Minuten später eine Gänsehaut und wusste nicht, ob ich mich auf ein Wiedersehen in der nächsten Runde freuen, oder ob ich es fürchten sollte. Doch es gab kein Wiedersehen. Die Frauen übergaben an die Männer.


Damit kamen die Norweger richtig stark auf und gewannen das Rennen schließlich vor Deutschland. Ds Staffel erreichte keinen Podestplatz.

*****

Auf dem Rückweg zur Ferienwohnung, die auf der anderen Seite der Stadt lag, stolperte ich im Zug der zurückwandernden Menge über meine Freunde, die kurz fragten, wo ich denn hin verschwunden sei. Ich sagte etwas von »verlaufen«. Es interessierte sie eh nicht. Sie waren nur froh, mich wiedergefunden zu haben, weil Martin, einer der Vier, kaum noch aufrecht gehen konnte und keiner von ihnen klar genug war, ihn gut genug stützen und leiten zu können. Ich hakte Martin also unter die Achseln und verfrachtete ihn mit den anderen in unser Ferienhaus. Während er im Bett seinen Rausch ausschlief, eiferten die anderen ihm im Alkoholkonsum nach. Die erlaubten Mengen hatten wir am Flughafen natürlich noch eingekauft. So wurde die Luft im Haus bald extrem alkoholschwanger. Die Jungs gackerten über jeden noch so dummen Spruch, währende ich in einer merkwürdig melancholischen Stimmung schweigend zwischen ihnen saß.

Ich trauerte aber nicht mehr unserer gemeinsamen Vergangenheit nach, sondern hatte immer noch Ds Gesicht vor Augen. Dieses türkise Funkeln, die zornig aufeinandergepressten Lippen. Was hatte ich nur angerichtet? Die Gedanken drohten, mich in den vier Wänden des Hauses zu erdrücken. Ich hielt es nicht mehr aus. Ich musste einfach raus.

Draußen war es schon dunkel, aber die frische Luft, die in meine Lungen strömte, ließ mich befreiter atmen. Auch auf dieser Seite der Stadt schloss sich Wald an. Die dunklen Silhouetten der Fichten ragten stumm aber ehrwürdig hinter den Dächern empor und lockten mit ihrem Versprechen nach Ruhe und Frieden. Hineingehen konnte ich natürlich nicht, vielleicht gab es ja eine beleuchtete Straße, die am Waldrand entlang führte.

Ich erlebte eine Überraschung. Es gab eine beleuchtete Loipe für Freizeitsportler, die neben der Trasse für die Skater auch zwei klassische Spuren führte. Ich schlug kurzentschlossen diesen Weg ein und befand mich nach wenigen Minuten in einer wunderschönen, nächtlichen Winterwelt.

Gelegentlich überholten mich Freizeitsportler. Manche grüßten in der Landessprache. Den ersten Läufern sah ich eine Weile nach, später achtete ich nicht mehr auf sie. Um so überraschter war ich, als plötzlich eine Läuferin mit langem, blonden Pferdeschwanz, die gerade an mir vorbeigelaufen war, abbremste. Sie fuhr herum und deutete mit dem ausgestreckten Skistock auf mich.

»Du!«

Sie sprach englisch, doch der dunkle, russische Akzent war auch in diesem einen Wort unüberhörbar. Sie trug eine dicke, rote Daunenjacke, und der Rennanzug darunter war schwarz und nicht wie sonst grün. Vor mir stand meine Schneekönigin. Ihr einprägsamer Blick von vorhin machte sich nun für sie bezahlt. Offensichtlich hatte sie mir nicht verziehen. Ich fühlte mich sofort wie der untreue Ehemann, der, inflagranti erwischt, von seiner Frau zur Rede gestellt wurde. Ich versuchte, es irgendwie zu überspielen.

»Oh, äh, hi«, stammelte ich auf Englisch. »Nettes Rennen.«

»Nettes Rennen«, wiederholte sie und spie hinterher: »Bullenscheiße!«

Dann fuhr sie eine enge Kurve und rutschte so dicht an mich heran, dass ich einen kleinen Rückwärtsschritt machte, damit sie mir nicht mit ihren Skiern über die Fußspitzen fuhr.

Ich fühlte mich nicht wohl in meiner Haut. Mein Köper juckte, als hätte ich seit Monaten nicht geduscht. Wieso kam ich mir so schuldig vor? Was hatte ich Schlimmes getan? Ich war Deutscher und hatte eine deutsche Athletin angefeuert. Das war nicht unfair oder verboten und irgendwie hatte ich gedacht, Sportler auf Weltniveau nähmen solche Dinge gelassener. D jedoch fixierte mich, als sei ich allein schuld an ihrem Einbruch auf dem Flachstück.

»Du bist der Dämon«, beschuldigte sie mich.

Ich hatte ihre Worte wohl gehört, aber ich traute meiner Übersetzung nicht so recht und stieß ein paar unsichere Lacher aus. Jemand der gerade von Bullenscheiße gesprochen hatte, betitelte mich nun als Dämon. Um das Gespräch irgendwie aus der peinlichen »du bist Schuld an der Niederlage«-Richtung zu bringen, versuchte ich, in ein anderes Gebiet zu flüchten, und gab mich sprachinteressiert.

»Ist Dämon im Russischen ein schlimmes Schimpfwort?«

»Du weißt nicht, was ein Dämon ist?«

Sie sah mich an, als sei ich der letzte Trottel und zog den Reißverschluss ihrer Jacke auf. Der Dunst ihres aufgeheizten Körpers stieg mir entgegen. Sie roch nach Magnolie und frischem Schweiß. Der schwarze Rennanzug schmiegte sich wie eine zweite Haut an ihren Körper. Ihre Nähe fühlte sich bedrückend und verlockend zu gleich an. Ich kam mir wie der Ziegenbock im Kräutergarten vor, der den vor ihm liegenden Köstlichkeiten nur schwer widerstehen konnte, der aber wusste, dass Naschen bestraft werden würde.

»Doch«, räumte ich ein und versuchte meinen Blick irgendwo anders hinzulenken als auf die Rundung ihrer Brüste. Sie fror offensichtlich. Oder war es etwas anderes? In meiner Hose gab es zur gleichen Zeit auch eine Verhärtung, die aber nichts mit der Kälte zu tun hatte.

»Und du bist der Dämon.« Sie tippte mit dem Zeigefinger anklagend auf meine Brust.

»Entschuldigung«, entgegnete ich, »aber wenn ich ein Dämon bin, dann war doch das Stadion voll mit Dämonen. Finnischen, Norwegischen, Schwedischen, Russischen und wer weiß was noch.«

Die Verteidigungsrede sprudelte ganz automatisch aus meinem Mund. Doch so sehr ich auch versuchte, die Schuld auf möglichst viele Schultern zu verteilen, so sehr klebte sie mir wie Schrumpffolie um den Hals und je heißer mir unter der Anschuldigung wurde, um so mehr zog sie sich zusammen.

»Nein, nein«, widersprach sie. »Alle anderen sind egal. Du bist der Dämon des Rennens. In jedem Rennen gibt es einen Dämon. Er kann dir die Kraft geben zu gewinnen, oder sie dir nehmen.«

Ich hatte ja schon von einigen abergläubischen Gepflogenheiten im Sport gehört: Glücksschuhen und Glückspullovern, bestimmte Rituale in der Wettkampfvorbereitung. Aber böse Mächte, die den Wettkampf vom Seitenrand entschieden? Das war doch totaler Quatsch! Und doch klang mein erzwungenes Auflachen in meinen Ohren wie der letzte Versuch des überführten Mörders, den Kommissar von seiner Unschuld zu überzeugen.

»Also so etwas Dummes hab ich nun wirklich noch nie gehört.«

»Du hältst mich für dumm?«

Ihre türkisfarbenen Augen funkelten mich an. Wäre ich eine Biathlonscheibe gewesen, hätte ich meine weiße Klappe schon aus Angst vor mich gezogen, noch bevor der Schuss mich traf. Mein Blut gefror in den Adern.

Dann stieß sie ein verächtliches »Pah!« hervor und im selben Moment erloschen die Lichter auf der Strecke.

Ich schluckte. Kein sternenklarer Himmel mit Vollmond, kein leuchtender Schnee, kein ferner Lichtschein. Von einem Augenblick auf den anderen zappenduster. Alles einfach nur kohlrabenschwarz. Da gab es nichts, woran die Augen sich gewöhnen konnten. Ich konnte nicht mal mehr die Frau vor mir sehen. Ich hörte nur ihr Atmen, spürte ihre warme Aura und roch diese intime Mischung aus Magnolie und Schweiß.

»Was ist denn nun?«, fragte ich verunsichert.

»Du wusstest nicht, dass die Lichter an der Strecke um 22 Uhr abgeschaltet werden?«

»Ich bin zum ersten Mal hier.«

Sie lachte und es klang wie das überlegene, höhnische Lachen einer Hexe im Märchenfilm, das zwischen den Bäumen gespenstisch widerhallte.

»Da hast du wohl Pech!«, bedauerte sie mich ironietriefend. Dann klickte es und eine Stirnlampe strahlte mir schmerzhaft in die Augen. Ich musste sie mit den Händen abschirmen und den Kopf zur Seite drehen. D lachte weiter, während sie ihre Skistöcke in den Schnee drückte und sich abstieß. Als sie sie wieder herauszog, streifte ihre Faust meine Vorderseite knapp unterhalb der Gürtellinie. Ich spürte ihre Fingerknöchel sanft über den Stoff meiner Hose streichen und erzitterte.

Zufall oder Absicht? Ich war mir zumindest nicht mehr ganz so sicher, wer von uns der Dämon sein sollte. Ich starrte ihr nur nach. Sie fuhr einen eleganten Bogen und setzte ihren Weg fort. Erst dann machte es Klick.


Sie konnte mich hier doch nicht einfach stehen lassen. Ohne Licht würde ich in dieser Dunkelheit kaum nach Hause finden. Sollte das die Rache für meine Untreue sein? Sie überließ mich den eisigen Fingern des Kältetods. Was für eine Hexe.

Natürlich konnte ich ihr Nachrufen, aber diese herablassende Art, mit der sie über mich gelacht hatte. Nein, den Ruf nach Hilfe ließ mein Stolz nicht zu. Sollte die abergläubische Zicke doch verduften. Ich schaute ihr trotzig nach. Doch je weiter sich der Lichtkegel entfernte, desto mehr schmolz mein Stolz dahin und wuchs meine Angst. Die Kälte kroch meine Beine hinauf und ich begann zu zittern.

In der Ferne sah ich nur noch einen winzigen Schein, wie das Glimmen eines Glühwürmchens. Gleich würde er ganz verschwunden sein. Ich wartete darauf, in völliger Dunkelheit zu versinken, aber es geschah nicht. Welch gemeines Spiel. Wie lange sollte mich dieser Anblick noch quälen? Doch dann hörte ich etwas.


»Komm schon!«, verstand ich und selbst auf die Entfernung, war der russische Akzent unverkennbar.

Ich atmete auf und fühlte mich schon wieder schuldig. Wie konnte ich nur so schlecht von ihr denken? Sie würde doch niemals einen Menschen der Kälte überlassen. Ja, ich verteidigte sie in Gedanken und mein Irrtum über ihren Charakter bescherte mir ein erleichtertes Lächeln.

»Dawaj, dawaj«, rief sie plötzlich in ihrer Muttersprache.

Ich ging gehorsam in einen leichten Trab über, aber auf der Schneepiste lief es sich nicht so einfach. Mit dem größeren Schwung meiner Schritte sackte ich auch tiefer ein. Es fühlte sich an, wie laufen in Taucherflossen, wenn ich meine Füße aus den tiefen Stapfen zog. Und es strengte an. Meine Kondition war nicht die beste, muss ich zugeben. Ich schnaufte heftig, als ich D erreichte, stützte mich mit den Händen auf den Knien ab und keuchte.

Sie schaute in die Richtung, aus der ich kam, und tadelte mich: »Sieh, was du angerichtet hast! Du hast die Strecke zerstört.«

Ich drehte mich um und folgte mit dem Blick dem Schein ihrer Lampe. Meine tiefen Fußabdrücke zogen sich wie ein Graben durch die Piste. Ja, schön sah es nicht aus. Auf der anderen Seite hatte sie mich doch zur Eile getrieben. Im Laufen sank man halt tiefer ein. Sie blickte mich jedoch vorwurfsvoll an, als gäbe es ein ungeschriebenes Gesetz, das alle Langläuferinnen und Langläufer zum Schutz der Loipen verpflichtete. Leider war ich noch zu sehr mit atmen beschäftigt, um antworten zu können. Ich konnte nur halb entschuldigen, halb fragend, die Schultern hochziehen.

D schüttelte den Kopf. »Lauf neben der Piste!«

Sie nahm ihren Skistock und pikste mir mit der Metallspitze in die Seite.

»Ah«, rief ich vorwurfsvoll und versuchte, die nächste Attacke abzuwehren, aber sie führte ihren Stock wie ein Florett. Die Spitze war immer da, wo meine Hände gerade nicht waren. Ich wich aus Angst um die Unversehrtheit meiner Winterjacke zurück, bis ich in den weichen und tiefen Schnee neben der präparierten Loipe trat. Dann hörte sie auf, nickte zufrieden und befahl: »Und jetzt geh los!«

Zu meiner Überraschung bekam ich einen Klaps mit dem Stock auf meinen Allerwertesten.

»Hey!«, protestierte ich, setzte mich aber gehorsam in Bewegung.

Das Laufen im weichen Schnee neben der Piste fiel noch schwerer. Ich sank bis zu den Knien ein; gerade zu aussichtslos, die Füße bei jedem Schritt darüber zu heben. Ich pflügte mühsam wie ein Ackergaul durch die weiße Pracht und schielte neidisch zu der scheinbar mühelos Dahingleitenden.

Ihre langen Beine waren ein echter Hingucker, und wenn ich an die Kurven ihres Körpers dachte, die die Jacke nun wieder vor meinen Blicken verbarg, wurde mir nicht nur durch die Anstrengung heiß. Ich fühlte mich ein bisschen wie ein Schuljunge, der zum ersten Mal neben seinem Schwarm gehen durfte. Dabei durfte ich natürlich keine Schwäche offenbaren und versuchte all meine Kräfte zu mobilisieren, damit ich mithalten konnte.

Sie bemerkte meinen Blick, glaubte wohl, etwas sagen zu müssen. Gegen ein Gespräch hätte ich auch nichts gehabt, doch sie sagte: »Dawaj, dawaj.«

Und wieder verlieh sie ihrer Forderung mit ihrem Stock Nachdruck. Diesmal war es aber nicht nur ein Klaps. Diesmal zog der Schlag auf meinem Hintern richtig.

Ich funkelte sie wütend an. Sie hielt meinem Blick mühelos stand und erwiderte hart: »Ich darf nicht auskühlen, sonst erkälte ich mich und kann morgen nicht mitlaufen. Also: Dawaj, dawaj.«

Ihr Argument konnte ich durchaus nachvollziehen, aber wenn sie mich von der Strecke in den Tiefschnee stieß, konnte sie kaum Wunder erwarten. Ich gab mein Bestes, aber mit jedem Schritt brannte mehr Milchsäure in meinen Oberschenkeln, mit jedem Ausatmen stieß ich mehr Luft aus, als ich mit dem nächsten Atemzug einsog. Ich bekam Seitenstechen.

Immer wieder schickte ich ihr flehende Seitenblicke, mich auf die Strecke zurückzulassen, doch sie blieb unnachgiebig und immer wieder schlug sie zu und wiederholt ihr: »Dawaj, dawaj.« Bald klang es jedoch nicht mehr fordernd, sondern belustigt.

Ich konnte mir vorstellen, welchen Anblick ich bot. Ein rotglühender Schädel wackelte auf einem verzweifelt durch den Schnee ackernden Körper. Vom Kinn tropften Speichelfäden, die ich zwischen den Atemzügen herauskeuchte.


Bei einem meiner Seitenblicke erwischte ich einen der ihren. Sie grinste. Verdammt, sie schien dieses Spiel geradezu zu genießen.

»Dawaj, dawaj.« Und immer wieder Schläge auf meinen Hintern, der sicher schon Striemen hatte. Es tat verdammt weh und meine Kräfte schwanden. Ich wollte mir natürlich keine Blöße geben und kämpfte um Haltung, so lange ich konnte. Aber schließlich passierte, was passieren musste.

Ob es eine Baumwurzel, ein festgefrorener Ast oder nur eine Unebenheit im Boden war? Ich weiß es nicht, aber ich stolperte und machte eine Bauchlandung. Ich glaube, in dem Moment, da ich das Gleichgewicht verlor, stieß ich einen winzigen Fluch aus, doch als ich kopfüber in den Schnee eintauchte, dachte ich nur, so komisch es klingen mag: welche Wohltat.

Der kühle Schnee, den ich ins Gesicht bekam, tat einfach nur gut. Mein Körper wurde von totaler Erleichterung durchströmt. Endlich nicht mehr laufen. Ich versuchte gar nicht, so schnell wie möglich auf die Beine zu kommen, sondern drehte mich auf den Rücken, streckte die Arme wie ein Schneeengel von mir und gönnte meinem Körper die Erholung, nach der er sich sehnte. Es blieb mir nicht verborgen, dass auch mein geschundener Hintern die Schneekühlung dankbar annahm.

Was sie machte, war mir egal. Sollte sie doch weiter laufen. Ich wollte nur noch hier liegen.

D lief jedoch nicht weiter. Ich hörte, wie ihre Ski einen Bogen fuhren und zu mir zurückkehrten. Das Geräusch klang - ich weiß nicht warum - unheilvoll und trieb Unbehagen in meinen Bauch. Der Lichtkegel ihrer Stirnlampe erschien mir wie der Suchscheinwerfer eines sibirischen Gefangenenlagers. Ich wollte nicht, dass er mich erfasste, aber ich war zu erschöpft, um zu flüchten. So fand sie mich.

Ihre Skispitzen schoben sich wie die Köpfe schwimmender Schlangen durch das gefrorene Meer, schwenkten nach links und rechts und flankierten mich, wie ein Wachbataillon. D schwebte breitbeinig über mich. - Wobei »schweben« nicht ganz korrekt ist. Sie wog sicher kaum mehr als sechzig Kilogramm, aber als die Skispitzen über meine Oberarme fuhren, spürte ich sie mehr als deutlich. Meine Arme wurden in den Schnee gedrückt. Ich versuchte, sie herauszudrehen. Vergebens. So ähnlich musste sich ein festgepinnter Schmetterling im Schaukasten des Sammlers fühlen.

D stand über mir. Der Schein der Lampe brannte in meinen Augen, doch ein ungutes Gefühl zwang mich, dagegen anzublinzeln. Ihre Haltung wirkte triumphierend. Hatte die ganze Aktion nur das eine Ziel gehabt, mich in den Schnee zu werfen?

Sie zog den Reißverschluss ihrer Jacke aufreizend langsam auf und ließ sie neben uns in den Schnee fallen. Hatte sie vor kurzem nicht etwas von, sie dürfe nicht auskühlen, erzählt?

Ich hatte bei dem Anblick, der sich über mir bot, keine Probleme mit der Kälte. Ihre vom grellen Lichtschein umgebene Silhouette war eine Sensation. Ihre Beine schienen endlos. Die schlanke Taille fuhr eine Kurve, die mir den Atem raubte; nicht besonders hilfreich, wenn man ohnehin noch in Sauerstoffschuld zu seinem Körper steht. Und dann gab es diese kleinen, seitlichen Wölbungen, links und rechts ihres Oberkörpers. Kein noch so scharfer Anblick praller Brüste hatte mir je einen solchen Seufzer entlockt, wie diese Ahnung, was sich dort befinden mochte.

Mein Herz hämmerte. In mir tobten verrückte Gefühle. Wie sehr ihr Anblick mich erregte. Gleichzeitig flackerte Angst umher. Sie hatte mit ihrem Skistock ordentlich zugeschlagen und es schien ihr Spaß gemacht zu haben. Wollte sie mehr Spaß dieser Art? Ich lag unter ihren Skiern festgeklemmt. Was immer sie vorhatte, ich konnte nichts dagegen tun. Doch in dieser berechtigten Angst schwang ein unbestimmtes Maß an Hoffnung mit. Mir war nur nicht klar, ob ich mir mehr Erregung oder mehr Angst wünschte. Verwirrung rührte in meinen Eingeweiden.

»Na, ist der Dämon erschöpft?«, fragte sie in ironietriefendem Mitleid.

Ich glaube nicht, dass sie eine Antwort erwartete, aber ich hätte auch keinen Ton herausgebracht, denn nun sank sie langsam auf mich herunter und setzte sich über meine Hüften. Dabei stellten sich die Ski auf die Kanten und gruben sich noch unangenehmer in meine Oberarmmuskulatur. Ich stöhnte vor Schmerz und versuchte noch einmal, sie herauszuwinden, erstarrte aber, als sie vollends auf mir saß.

Ihr schwarzer Rennanzug konnte nicht mehr als ein Hauch von Stoff sein und ich war mir nicht sicher, ob sie einen Slip trug. Wenn ja, war dieser Stoff noch weniger als nichts, denn als sie sich auf meine, durch zwei Hosen verpackte, steife Rute niederließ, spürte ich alles.

Noch nie kam mir ein Körper so warm, so lebendig vor, wie ihrer. Jede Faser schien ein durchtrainierter Muskel zu sein, der wie bei einer Katze stets zum Sprung, zum entscheidenden Schlag gegen das ahnungslose Opfer bereit war. Ich fühlte mich auch wie die dazugehörige Maus: winzig und auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.

Sie nahm einen ihrer Skistöcke, legte ihn mir quer über die Brust und stützte sich mit den Händen darauf ab. Dann spannte sie ihre rechte Pobacke an, der Zug wanderte in die Oberschenkelmuskeln, ging von dort auf den linken Oberschenkel über und wanderte zurück in den Po. Ihr Becken kreiste genussvoll auf meinem besten Stück und sie schnurrte siegessicher.

Ich kochte. Ihre Unterleibsmassage wechselte nach einiger Zeit in ein vor und zurück. Sie ritt mich und ich spürte, wie sich das kochende Gefühl langsam dem Überkochen nährte.

Sie warf den Stock zur Seite und ihre behandschuhten Finger griffen nach meinem Jackenreißverschluss. Ich hoffte auf Kühlung. Das Gegenteil war der Fall. Ihre Hände fuhren gierig über meine Brust. Ihre Daumen und Zeigefinger fanden meine Brustwarzen durch die Pulloverschichten, kniffen zu.

Bereitete mir der Schmerz Lust oder hatte ich Lust auf den Schmerz? Alle Gefühle verschwammen ineinander. D hingegen schien genau zu wissen, was sie tat. Kein Muskel bewegte sich zufällig. Sie sank langsam nach vorne, bis mich ihr Oberkörper zudeckte. Ihre Brüste pressten sich auf meine Brust. Ich konnte ihre harten Nippel durch meinen Pullover spüren. Ihr Gesicht schwebte nur Millimeter über meinem. Der heiße Dunst ihres Atems strich über meine Haut. Ihre Lippen kamen auf meine zu und flüsterten: »Gehört der Dämon jetzt mir?«

Ich weiß nicht, ob mein Röcheln ein verständliches »Ja« abgab.

»Und wird er morgen für mich sein?«

»Ja, ja«, hechelte ich, und starrte wie gebannt auf ihre rosa Lippen, denn ich hoffte, dass mich nur noch diese eine Antwort von einem Kuss zurückhielt. Ihr Unterleib ritt immer noch fordernd wie ein Jockey im Sattel auf meinem und das Gefühl, sie küssen zu müssen wurde übermächtig. Ich konnte nicht mehr an mich halten und schnellte vor. Sie reagierte blitzschnell, zog ihren Kopf zurück und ich bekam eine Handvoll Schnee ins Gesicht gedrückt.

Diese plötzliche Verachtung schüttelte mich. Ich fühlte mich, als würde sie mich noch einmal in den Schnee stoßen. Meine Hilflosigkeit, ihre Macht. Es war ein Gefühl, das ich nicht kannte. Das Pulverfass in mir explodierte. Ich zuckte unter ihr, wie ein wehrloses Tier im Todeskampf.

Ich weiß nicht genau, wie lange diese Szene dauerte. Vermutlich nicht zu lange, denn sie lachte: »Na, wenn ich morgen so schnell schieße wie du, werde ich bestimmt gewinnen.«

Hitze schoss in meinen Kopf und ich schämte mich, so versagt zu haben. Bei ihr schien es, als hätte ich meine Zauberkraft als angeblicher Dämon von einem Augenblick auf den anderen verloren. Als sie sich von mir erhob, wirkte sie, als habe das alles gerade nicht stattgefunden. Sie bückte sich nach ihrer Jacke und den Skistöckern, schob sich mit ihrer Hilfe zurück, bis die Skier nicht mehr auf meinen Armen lasteten, und machte sich zur Weiterfahrt bereit. Als ich nicht aufstand, drehte sie sich noch einmal zu mir und brummte: »Na los, weiter.«

Enttäuschung, dass sie dieses Erlebnis offenbar nach drei Sekunden wieder vergessen hatte, machte sich in mir breit. Doch es war nicht der einzige Grund, der mich am Boden hielt. Meine Arme waren hoffnungslos eingeschlafen, komplett taub. Ich zappelte mit den Beinen und wand meinen Oberkörper, doch ich lag weiter hilflos herum, wie der Käfer auf dem Rücken.

Sie beobachtete meine Aufstehversuche eine Weile, schmunzelte darüber, dann verstand sie mein Problem und fuhr um mich herum.

Sie verfügte über eine erstaunliche Kraft, mit der sie mich unter den Achseln packte und sich meinem Gewicht entgegenstemmte, während ich die Beine in den Schnee drückte, um hochzukommen. Als ich sicher stand, nahm sie einen meiner Arme, hob ihn an und ließ ihn los. Er fiel ohne jede Kontrolle von mir herunter. Ich verzog jedoch schmerzhaft das Gesicht, denn nun kehrte das Gefühl mit diesem unerträglichen Kribbeln und Krabbeln in meine Gliedmaßen zurück.

Ds Augen funkelten plötzlich noch einmal auf. Sie fuhr vor mich und rutschte so lange an mich heran, bis ihr Po fast wieder meinen Schritt berührte. Sie grinste mich frech über die Schulter an, nahm meine Hände in ihre und streichelte damit genüsslich über ihren Körper.


Ich hätte mir die Arme abhacken können. Sie fuhr mit meinen Händen über ihren Po, ihren Bauch bis hinauf zu ihren Brüsten. Und ich spürte nur ein wahnsinnigmachendes Kitzeln. Mit Freuden hätte ich tausend Stockschläge auf mich genommen, um einmal wirklich ihre Brüste in meinen Händen spüren zu dürfen. Sie wusste jedoch genau, was sie mir antat, denn bevor das Gefühl zurückkehrte, ließ sie meine Hände los und rutschte auf einen sicheren Abstand davon. Ich seufzte laut. Sie kämpfte gegen ihr eigenes Lächeln und schaffte es, eine stolze, überlegene Mine beizubehalten, doch ihre Augen funkelten mir ein Versprechen zu.

Später fielen mir noch tausend Dinge ein, die ich ihr hätte sagen wollen, doch in diesem Moment gähnte in meinem Kopf eine große Leere. Ich war mit der Situation einfach überfordert.

Sie geleitete mich mit ihrem Licht zurück zur Stadt, wo wir fast direkt an unserem Ferienhaus vorbei kamen. Ich nickte in die Richtung und bekam nur noch ein Wort heraus: »Danke.«

Ich hoffte, sie wisse für was alles.

Sie antwortete nicht, sondern fuhr davon.

*****

Schon als die Tür des Ferienhauses hinter mir ins Schloss fiel, war ich mir nicht mehr sicher, ob all das wirklich passiert war. Doch da kitzelte dieses flaue Gefühl im Bauch, dieses Kribbeln, diese unsichtbare Treppe aus Watte, die man immer höher und höher zu steigen schien. Es hatte keinen Zweck zu leugnen. Ich hatte mich gerade Hals über Kopf verknallt. Und zwar in eine Frau, die mir mit einem Grinsen den Hintern versohlte und mir eine Handvoll Schnee ins Gesicht drückte, wenn ich sie küssen wollte. Keine Ahnung, welche Schraube sich in meinem Hirn gelockert hatte, doch so gemein all dies war, wenn ich an ihre Augen, ihre rosa Lippen, die von der Kälte leicht geröteten Wangen und diesen bis in die kleinste Muskelfaser beweglichen Körper dachte, und ihr akzentbeladenes Englisch vor meinem geistigen Ohr hörte, wurde mir schwindelig vor Glück.

Als ich am nächsten Morgen erwachte, war ich mir sicher: Das konnte nur ein Traum gewesen sein. Aber dieser Zustand dauerte nur wenige Sekunden, denn mich hatten Stimmen geweckt. Die eine gehörte dem in Katerstimmung befindlichen Martin, der irgendjemanden missmutig anraunte: »Nee, nix hier. Hast dich in der Tür geirrt.«

Die andere männliche Stimme sprach ihre Brocken Englisch mit unverkennbar russischem Akzent.

»Sicher, sicher! Herr Dämon. Hier!«

Ich sprang wie von der Tarantel - nein, eher wie von einem Skistock in die Seite gestochen - aus dem Bett und riss die Tür auf.

Meine Freunde standen alle im kleinen Flur vor der Haustür versammelt und drehten sich überrascht zu mir um. Der draußenstehende Mann trug dieselbe rote Jacke, wie D, nur in der XXL-Ausführung, damit sie seinen kugelrunden Körper umschließen konnte. Auf seinem Kopf thronte eine Uschanka, die typische russische Pelzmütze. Als er mich erblickte, hellte sich sein rotfleckiges Gesicht auf und er fragte: »Herr Dämon?«

Ich nickte.

Er trat einen Schritt ins Haus und streckte mir eine an einem rotgrünen Schlüsselband hängende, laminierte Ausweiskarte entgegen. Ich nahm sie, und noch während ich sie betrachtete, verschwand er wieder. Die Karte entpuppte sich als VIP-Pass für das heutige Sprintrennen der Frauen. Viel entscheidender für mich waren jedoch zwei Worte, die eine weibliche Hand mit rotem Folienfineliner auf die Rückseite unten rechts in die Ecke geschrieben hatte: »Gleicher Platz«

Kaminfeuerwärme des Glücks breitete sich in mir aus und diesmal war es mehr als nur ein Schmetterling, der durch meinen Bauch flatterte. Ich hatte nicht geträumt. Die aufregenden und verwirrenden Gefühle kehrten in meinen Körper zurück. Mein Hintern erinnerte sich an ihre Stockschläge, meine Brustwarzen an ihre Kniffe und meine Lippen an den Kuss, den sie nicht bekommen hatten. Ja, sogar meine Arme begannen wieder zu kribbeln und sehnten sich danach, all das wirklich zu spüren, was sie gestern schon berühren durften.

Erst jetzt bemerkte ich die bohrenden Blicke meiner Freunde. Martin brachte es auf den Punkt: »Herr Dämon?«

Ich winkte ab. »Zu kompliziert. Ich muss los.«

»Und was ist mit finnischer Sauna?«

»Geht einfach ohne mich. - Dürfte keine allzu große Umstellung für euch sein.«

Damit verschwand ich in mein Zimmer, zog mich an und ging. Auf der Straße überkam mich das melancholische Gefühl, etwas hinter mir gelassen zu haben. Doch was war das im Vergleich zu dem, was vor mir lag?

Ich frühstückte in einem Hotel und schob mich später in die Traube, die sich vor dem Eingang zur Rennstrecke gebildet hatte. Ein aufmerksamer Ordner zog mich wieder heraus und zeigte mir den Eingang für Vips. Nur wenige Schritte später lächelte mich eine dunkelhaarige Schönheit an und reichte mir eine Papiertüte der Firma Lenser. Es befanden sich Prospekte über Taschenlampen darin, ein größerer Pappbogen mit Faltanleitung, wie man aus ihm ein Mitklatschinstrument machen konnte und eine Stirnlampe; nichts Hochwertiges, ein Werbegeschenk halt.

Nach dem ich mich über Ds Startnummer informiert hatte, machte ich mich auf. Die Sehnsucht, sie wieder zu sehen, pochte in meinem Herzen, doch es schwang mit jedem Schritt mehr Angst mit, denn ich fühlte mich kein bisschen dämonisch. So groß die Schuldgefühle nach ihrem Schwächeanfall auch waren, ich konnte mich an kein Körpergefühl davor erinnern. Sie wünschte sich den Sieg von mir, doch mit einem Mal wurde mir bewusst, dass ich keinen Schimmer hatte, wie ich ihn ihr schenken sollte. Ich hatte keine besonderen Kräfte in mir gespürt, als ich Anna-Lena anfeuerte. Ich war nichts weiter, als ein einacher Fan aus Fleisch und Blut. War ich ein Betrüger, der sich Zärtlichkeiten für ein Versprechen erschlichen hatte, das er nicht halten konnte?

Ich fand die Stelle an der Strecke besser wieder, als ich gedacht hatte und ich erinnere mich genau an dieses Leichtigkeitsgefühl, das wie pures Helium in meinen Körper strömte, als ich ihren blonden Schopf mit dem weißen Stirnband zum ersten Mal hinter der Steigung auftauchen sah. Von einer Sekunde auf die andere verschwanden alle Zweifel. Ich spürte nur, wie mein Herz für sie schlug.

Englische Anfeuerungsrufe hatte ich nicht so drauf. Deshalb klatschte ich nur und rief immer wieder: »Komm schon, komm schon.«

Ihr Gesicht hellte sich auf, wie das eines Kindes, das unter dem Weihnachtsbaum die Erfüllung seines größten Wunsches entdeckt. Ihre Augen sprühten vor Glück und es schien, als würde ihr mein Anblick tatsächlich neue Kräfte verleihen. Jedes Mal, wenn sie an mir vorbei fuhr, schwebte ich einer noch höheren Wolke entgegen und sie lief noch etwas schneller. Mein Großhirn glaubte zwar nicht wirklich an diesen Dämonenhokuspokus, doch irgendeine Magie musste schon gewirkt haben, denn D gewann an diesem Tag ihr erstes Weltcuprennen.

Die unbändige Freude darüber wich bald der ernüchternden Erkenntnis, dass so ein Sieg auch viele Pflichten mit sich brachte und ich leider nicht der Einzige war, der mit ihr die Freude über ihren Sieg teilen wollte.

Umarmungen hier, Umarmungen dort, Interviews, Siegerehrung. So sehr ich auch drängelte und ihren Namen rief. Hier wirkte keine Zauberkraft, die mir einen Weg zu ihr bahnte. Ich musste zur Kenntnis nehmen, dass ich ein Normalsterblicher war, der von den Massen herumgeschoben wurde. Ich kam einfach nicht mehr zu ihr durch.

In den Läufer- und Pressebereich ließ man mich auch mit einer VIP-Karte nicht ein. So konnte ich nur zuschauen, wie sie von einem Reporter zur nächsten Reporterin eilte und zur Dopingprobe abgeholt wurde. Der Umstand, dass ich mit meinem Ausweis in ein Zelt zu einem Kaviaressen gelangte und dem finnischen Innen-, sowie dem deutschen Wirtschaftsminister vorgestellt wurde, trösteten mich nur wenig. Was interessierten mich demokratisch gewählte Volksvertreter? Ich sehnte mich nach meiner Königin. Mehr und mehr machte sich das Gefühl breit, der Mohr hätte seine Schuldigkeit getan und könne gehen.

Ich verließ das Gelände mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern. Versuche, mich zu trösten, dass meine Anfeuerung sie wenigstens zu einem Sieg geführt hatten oder dass ich doch für diesen wunderbaren Moment dankbar sein sollte, den sie mir gestern Nacht schenkte, fruchteten nicht.

Die Jungs feierten schon wieder und beachteten mich nicht, als ich nach Hause kam. Ich verkroch mich in mein Schlafzimmer, warf mich aufs Bett, und hing Gedanken nach, was sie jetzt wohl machte. Vielleicht saß sie irgendwo hier in einem improvisierten Fernsehstudio und erklärte ihren Landsleuten ihren Sieg. - Sie hatte bestimmt lange dafür trainiert und sich diesen Sieg, den ich ihr von Herzen gönnte, mehr als verdient. Natürlich würde sich ihr Trainer in ihrem Glanz Sonnen und beweihräuchern lassen, was für ausgezeichnete Arbeit er geleistet hatte. Kein Wort würde über einen Dämon fallen, der ihr vom Rand der Strecke seine Gunst geschenkt hatte.

Die Stunden verstrichen und ich nickte ein. Ein unangenehmes Gefühl unter meinem Hintern, als ich mich im Halbschlaf in eine andere Position drehte, weckte mich. Papier knisterte. Ich zerrte es hervor. Es war die Promotiontüte.

Ich fischte die Stirnlampe heraus und streichelte mit einem Daumen die schwarze Plastikfassung, als wäre es ihre Wange. Der Finger wanderte zum Einschaltknopf, während ich mein Spiegelbild im Glas der Leuchte sah. Wäre es doch das Türkis ihrer Augen, in dem ich mich spiegeln könnte. Ich drückte. Der Schein war taghell. Der Schmerz, der durch meine Sehnerven in den Kopf zog, fühlte sich genauso an, wie gestern Abend, - nur einsamer. Wie gerne hätte ich sie noch einmal so nah vor mir gesehen.

Plötzlich durchzuckte mich ein Gedanke. Ich suchte das Bett hektisch nach der VIP-Karte ab. Als ich sie fand, drehte ich sie und betrachtete ungläubig die beiden Worte.

»Gleicher Platz«

Ich Vollidiot! Diese Worte konnte man nicht nur auf die Position an der Rennpiste beziehen, an der wir uns gestern zum ersten Mal sahen, sondern natürlich auch...

Ich sprang vom Bett auf, hechtete zu meinen Stiefeln, zwängte mich ungeduldig hinein, griff meine Jacke und rannte, noch während ich sie anzog, aus dem Haus.

Natürlich! Dass sie mir im Lager der Fahrerinnen küssend in die Arme fallen würde, war auch eine reichlich naive Vorstellung. Natürlich hatte sie nach dem Rennen noch Termine. Das wusste sie vorher. Aber Sieg hin oder her, eines musste sie auch heute: Auslaufen.

Draußen war es schon dunkel geworden. Wie lange hatte ich geschlafen? Die Vorstellung, dass sie im Schnee vergeblich auf mich gewartet hatte, während ich in meinem Bett lag und Krokodilstränen geweint hatte, machte mich verrückt. Ich spurtete zur Loipe, rutschte dreimal aus, schlug hin und rappelte mich wieder auf.

Die Stelle, an der sie mich von der Loipe in den Tiefschnee getrieben hatte, fand ich zielsicher wieder. Meine tiefe Furche war noch gut zu erkennen. Doch wartete dort niemand. Ich verfluchte mich. Sie konnte schlecht in der Kälte warten. Sie musste sich bewegen. Nicht umsonst hieß es »auslaufen«. Hatte ich sie verpasst?

Ich betete inständig, dass es nicht so war, doch die Stunden verstrichen. Immer wieder, wenn ein Läufer oder eine Läuferin auftauchte, begann mein Herz zu pochen, weil ich hoffte, sie sei es und immer wieder, wurde ich enttäuscht. Die Anzahl der Läufer verebbte, bis keiner mehr kam. Dann wurde das Licht ausgeschaltet.

Meine Enttäuschung fühlte sich noch schwärzer an, als die mich umgebende Dunkelheit. Der Gedanke, dass sie mich in der Stunde ihres Erfolges vergessen hatte, war beinahe tröstlich; besser als das Eingeständnis, sie durch eigene Blödheit verpasst zu haben. In meiner rechten Hand drehten meine Finger das Stirnband der Lampe, die ich die ganze Zeit nicht mehr aus den Händen gelegt hatte. Ich hob es an und strich über das Glas der Leuchte. Sollte dies das Erinnerungsstück an eine unvergessliche Nacht sein? Oder meiner unvergleichlichen Dummheit?

Meine Finger ertasteten den Einschaltknopf, damit mich der Lichtschein nach Hause führen konnte.

»Du!«

Das Wort knallte wie ein Schuss aus dem Hinterhalt und hätte mich auch fast vor Schreck getötet. Doch eine Sekunde später hämmerte mein Herz los. Die weltweite Schmetterlingspopulation startete in meinem Bauch zu Höhenflügen.

Ich hatte sie nicht gehört und ihre Stirnlampe hatte sie nicht eingeschaltet. Sie lief diesmal in der klassischen Loipe. So konnte sie auch im Dunkeln kaum vom Weg abkommen.

Ihr Gesicht strahlte, als sei sie gerade erst über die Ziellinie gelaufen. Sie rutschte ohne ein Zögern ganz nah an mich heran und ich musste mein Glück einfach festhalten. Sie hatte ihre Jacke geöffnet. So legte ich meine Hände um ihre Taille und diese bekamen die erste Vorstellung, was ihnen gestern entgangen war. Dieser zierliche, weiche und doch so muskulöse Körper faszinierte mich. Ihre Wärme und ihr Duft wirkten vertraut und gaben auch mir das erhebende Gefühl, als hätte ich gerade als Sieger das Ziel erreicht.

»So?«, fragte ich. »Hat der Dämon seine Sache gut gemacht?«

»Da!«, antwortete sie russisch.

»Und was bekommt er nun dafür?«

Ihr Gesicht nährte sich meinem. Ich schaute in ihre Augen, die leuchteten wie eine tropische Meereslagune. Ich konnte ihre Lippen fast schon auf meinen spüren und sie flüsterte voller Begehrlichkeit: »Wenn der Dämon für dich war, musst du ihm geben, was er braucht. Nur so behält man seine Gunst.«

Ich lächelte glücklich, schloss meine Augen, und spitzte erwartungsvoll die Lippen. Was ich als Nächstes spürte, war ein harter Stockschlag auf meinen Hintern. Sie warf ihren Kopf zurück, lachte hell, schlug wieder zu und rief: »Dawaj, dawaj!«

Kommentare


lydia14
dabei seit: Jul '13
Kommentare: 31
schrieb am 20.08.2016:
»Ich kann mir eine Fortsetzung gut vorstellen. Bitte weiter.«

z-maus
dabei seit: Jan '02
Kommentare: 9
schrieb am 21.08.2016:
»schöne Geschichte«

absenden
dabei seit: Dez '00
Kommentare: 3
schrieb am 21.08.2016:
»Eine wunderschöne Geschichte! Weiter so!!!«

Rubenso
dabei seit: Feb '02
Kommentare: 6
schrieb am 23.08.2016:
»sehr gut geschrieben. Klasse Geschichte«

Malgretout
dabei seit: Jun '07
Kommentare: 109
schrieb am 23.08.2016:
»Gratulation, selten ist es mir leichter gefallen, dreimal 10 zu geben. Knisternde Erotik, die unbedingt eine entsprechende Fortsetzung erfahren muss. "Dawaj!"«

direstraits
dabei seit: Aug '14
Kommentare: 20
schrieb am 03.09.2016:
»nur weiter so, eine tolle Geschichte!!!«

Kojo75
dabei seit: Mär '14
Kommentare: 10
schrieb am 13.09.2016:
»Ja eine Fortsetzung wäre super schön«

michl57
dabei seit: Dez '15
Kommentare: 6
schrieb am 29.06.2017:
»ob sie sich wohl nochmals sehen?«

alterwitwer
dabei seit: Dez '21
Kommentare: 3
schrieb am 10.12.2021:
»realistisches Märchen«

nomaam
dabei seit: Mai '01
Kommentare: 3
nomaam
schrieb am 21.09.2022:
»Herrlich geschrieben, vielen Dank!
Endlich durfte ich mal ein korrekt verwendetes Semikolon genießen, aber auch die Story riss mich mit.

Immersion, Details, Spannungsaufbau; hier stimmt alles, wenngleich ich noch auf ein abschließendes Liebesspiel gehofft hätte. ;-)«


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