Der Schlampenwerdung meiner Tochter erster Teil
von Tilmann Ströbele
Gestresst drückte Hartmut Blütenlieb die Tür zu seinem Einfamilienhaus auf. In der Hand einen Stapel unkorrigierter Aufsätze des Deutschkurses, in der anderen eine Einkaufstüte mit Instantnudeln und zwei Dosen Bier. Der gutmütige Grundschullehrer musste sich dieser Tage selbst versorgen, denn seine Frau weilte mit den beiden Töchtern in einem Thermalhotel in der Ostschweiz.
Katharina, die ältere seiner beiden Kinder studierte Psychologie in Tübingen und hatte gerade Semesterferien. Und Svenja, die jüngere, ihr Abitur frisch in der Tasche. Das musste natürlich gefeiert werden und so spannten seine drei Frauen aus, während er sich um das Haus, den Garten und den Familienhund Baldo zu kümmern hatte. Eigentlich war Hartmut gegen die Reise der Drei gewesen, schließlich war Svenja gerade erst aus einer zweiwöchigen Abschlussfahrt nach Italien zurückgekehrt, die sich direkt an die Abiturfeierlichkeiten angeschlossen hatte. Gerne hätte er seine Tochter, zu der er sich immer eine engere Beziehung gewünscht hatte, mehr als eine paar Stunden hintereinander gesehen, ihre Sachen von einen in den anderen Koffer packend.
Drinnen stellte er die Einkäufe in die Küche und hängte seinen Mantel auf. Gerade als er seine Hauspantoffeln anziehen wollte, sprang ihn von hinten Baldo an, der sein Herrchen schon sehnsüchtig und mit knurrendem Magen erwartet hatte.
"Brav, brav mein Guter!", flüsterte Herr Blütenlieb mit leiser Stimme und machte sich daran eine große Dose Fleisch für seinen vierbeinigen Freund zu öffnen. Als Baldo schließlich schmatzend unter dem Küchentisch kauerte, setzte auch er seine Nudeln auf und packte die unkorrigierten Arbeiten auf den Küchentisch.
Zischend öffnete er das erste Bier und trank hastig einige Schlücke. Gleich ging es ihm viel besser, er fühlte sich zum ersten Mal an diesem Tag entspannt. Fast schon vergnügt griff er zu einem Fineliner aus seinem Federmäppchen und setzte den ersten Strich. Doch es war wie verhext. Offenbar war das Farbreservoir leer, den außer einem kaum wahrnehmbaren blassrosa Abdruck war nichts von seiner schwungvollen Signatur zu sehen. Ächzend erhob er sich und durchwühlte seine Tasche nach Ersatz. Es war zum Mäusemelken! Anscheinend hatte er genau den letzten Stift verbraucht.
Er überlegte fieberhaft, wo er in diesem Haus Ersatz aufbringen konnte. Eigentlich blieb bei genauerem Überlegen nur eine Möglichkeit. Seine Frau besaß keine Stifte, sondern mopste sich stets welche aus seinem Büro. Dort gab es aber sicher keine Fineliner, denn die hatte er ja immer in seinem Tornister. Katharina war samt Schreibtisch und Stiften bereits vor drei Jahren ausgezogen, doch bei Svenja konnte sich unter all dem Krimskrams auch ein Fineliner finden.
Beherzt ging er die Treppe hinauf und öffnete die plakatierte Zimmertür seiner Tochter. Drinnen herrschte absolute Finsternis und Hartmut hatte Mühe den Lichtschalter zu finden. Als er endlich fündig geworden war erstrahlte der kleine Raum in warmen Licht. Er erschrak. Ein Chaos unbeschreiblichen Ausmaßes hatte hier Einzug erhalten, überall lag eine undurchsichtige Melange aus Klamotten, Papier, Müll und Schminkzeug. Hartmut steuerte auf den Schreibtisch zu (oder das was er dafür hielt) und sah sich um.
Dabei fiel ihm nach kurzer Zeit ein dickes, kompaktes Büchlein auf, welches halb aufgeschlagen an einer uneinsichtigen Stelle unter dem Kasten einer Schublade lag. Augenscheinlich hatte es Svenja bei all dem Eifer liegen lassen. Obwohl Hartmut Blütenlieb eigentlich ein sehr diskreter Mensch war, und es sich nie verziehen hätte, sollte solch ein Vertrauensbruch einen Schatten auf die Beziehung zu seiner Tochter werfen, juckte es ihn doch in seinen Fingern. Vielleicht war es ja nur ein Terminkalender, mit unzweideutigen Eintragungen oder ein altes Poesiealbum mit kindlichen Sprüchlein darin, aber wenn es doch mehr war? Ein Tagebuch möglicherweise, die Chance sein sonst so beschäftigtes und manchmal abweisendes Kind völlig neu kennenzulernen?
Er konnte einfach nicht widerstehen und griff mit zitternden Händen nach dem mit Goldpapier verzierten Einband. Der Tag an dem das Buch wie durch Zufall aufgeschlagen war, markierte Svenjas Aufbruch nach Italien, dass konnte Hartmut anhand des notierten Datums zweifelsfrei feststellen. Gierig setzte er sich auf eine frei Stelle von Svenjas Bett und begann die sorgfältige Schrift seiner Tochter Zeile für Zeile zu lesen.
Samstag, 7. Juni
Um 6 losgefahren. Excited! Valcina Mare wir kommen! Mussten allerdings auf Hannah und Marco warten. Passt zu denen, wahrscheinlich mussten sie noch schnell miteinander vögeln! Ist sowieso schon krass extrem wie die zwei ständig miteinander rumschlecken und an der Stelle machen sie natürlich die gesamte Busfahrt weiter! Bin gottseidank weit weg vorne bei Luis, Helen und Maja gesessen. Guten Blick durch die Frontscheibe gehabt. Leider auch auf den Fahrer. Hieß Ingo und sah auch so aus. Voll der Gesichtskrapfen, so mit fettigen Haaren und Opa-Klamotten. Hat die ersten zwei Stunden natürlich immer gaaanz unauffällig durch den Rückspiegel zu uns gesehen. Wahrscheinlich wie der Garten Eden
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Bitte weiter!!!!«
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Die Bitte um baldmöglichste Fortsetzung muss unterstützt werden. Die Kritik an der Wirklichkeitsnähe im Bus ist zwar berechtigt, aber insgesamt kleinlich. Handelt es sich doch wohl eindeutig zunächst um Autorenphantasie und die darf das. Recht gelungen erscheint mir (Ich bin weit über 70) der Versuch eine jugendgerechte Wortwahl zu implizieren.«
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Exhasi
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