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Kommentare: 12 | Lesungen: 9844 | Bewertung: 8.50 | Kategorie: BDSM | veröffentlicht: 09.04.2006

Der halbe Toni 4. Teil

von

Der halbe Toni 4

Die vergangenen Nächte zeichneten Michael eine endgültige und dauerhafte Wunde. Seine Seele war im Begriff, eine glühende, ständig gewahr bleibende Narbe davonzutragen. Und niemals würde diese Narbe Ruhe geben. Niemals würde sie Michael vergessen lassen. Seine Frau hatte ihm etwas angetan, daß sich nicht mehr so einfach regeln lassen würde.

Er wälzte sich in seinem Bett von einer Seite zur anderen.


Seine Träume plagten sein Wesen - sein Ich.


Tief drinnen war er verletzt worden, in seinem tiefsten Inneren wurde er getroffen. Sein weidwundes Ich seufzte in seinen Träumen auf und versuchte sich gegen das Geschehene aufzulehnen, es ungeschehen zu machen, als ob es niemals passiert wäre.


Sein Verstand aber wusste es besser. Seine Intelligenz kam ihm in die Quere, denn das vernunftbegabte Unterbewusstsein gab die grausame Wahrheit nicht mehr her, es beschützte es, es behütete es, es verteidigte es ...


Michaels Träume wüteten in ihm.


Seine Gefühle gerieten seit Tagen außer Kontrolle ... warum schmerzte die Vergangenheit und war dennoch so süß? Warum taumelte er verloren in den Tag und hörte nicht auf, an die absurden Geschehnisse in einer Art und Weise nachzudenken, die sein Blut so unerhört ins fließen brachten?


Er musste Gewissheit haben.


Er brauchte eine Entscheidung, eine Lösung.


Plötzlich wurde er wach.


Ja, das war es. Eine Lösung musste her.


So einfach war das.

Regina lag ruhig neben ihm und atmete gleichmäßig. Wie schön sie nur war.


Michael biss die Zähne hart zusammen und schwang sich aus dem Bett. Er war mit einem Schlag hellwach und wusste endlich, was zu tun war. Unter der heißen Dusche reifte der Plan zur Vollendung und der zuckeruntersetzte Kaffee brachte den endgültige Entschluss, seiner Pein ein Ende zu bereiten.


Noch in ihrem dunklen Halbschlaf sagte er seiner Frau Bescheid, am Abend einen späten Termin wahrzunehmen. Die Lüge kam ihm locker über die Lippen, denn verschlafen nickte sie ihm wortlos zu... beinahe teilnahmslos ... und er war zufrieden damit.


Der herrliche Morgen empfing ihn mit seiner kühlen, frischen Luft, und die klare Sicht ermöglichte es ihn bis hinunter zu den endlos scheinenden Gärten der auslaufenden Stadt bis zum rötlich schimmernden Horizont zu blicken.


Die Sonne war im Begriff gegen die Nacht zu obsiegen und auch er fühlte einen Neuanfang, eine neue Kraft in ihm aufgehen, die er für den heutigen Tag mit Sicherheit nötig haben würde. Tief saugte er sich den frischen Mut in die Lungen ... tief ließ er seine neue Energie einwirken, streckte seine Arme weit von sich, und er wusste, daß ab heute auch für ihn ein neuer Lebensabschnitt beginnen sollte ...

Zunächst telefonierte er mit dem Anrufbeantworter seiner Sekretärin und sagte für heute alle Vormittagstermine ab.


„Etwas Wichtiges“ sei dazwischen gekommen, wie er betonte, und er sagte schließlich die Wahrheit, wenn auch seine Sekretärin wohl andere Umstände vermutete. Dann steuerte er seinen BMW an die bewusste kleine Sandgasse, an der alles seinen Anfang genommen hatte und hoffte, so zeitig am Morgen Jemanden in dem Gebäude anzutreffen.


Die schmale Luke öffnete sich sofort, kaum das seine Knöchel die harte Holztür berührt hatten. Das gleiche undefinierbare Gesicht wie Tage zuvor erschien und blickte ihn fragend und gleichzeitig abweisend an.


Michael wendete seinen Blick nicht ab. Entschlossen versuchte er in dem diesigen Halbdunkel das Gesicht näher zu ergründen.


„Ich suche eine geeignete Gespielin für heute Nacht ...“


Das Gesicht blieb.


Michael versuchte eine Reaktion aus der undefinierbaren Mimik des Mannes zu erkennen, scheiterte aber nachdrücklich.


„Und? Was haben wir damit zu tun ...?“


Michael überraschte die Reaktion, schließlich sprach der merkwürdige Barkeeper vor ein paar Tagen von perversen Nutten, aber er konnte seine innere Unruhe - seine aufkeimende Aufregung - geschickt verbergen. Vermutlich befand man sich nicht auf legalem Terrain, so daß eine gewisse Vorsicht vonnöten war.


Michael verstand sehr schnell und disponierte geschickt um.


„Toni vermietet doch noch bestimmte „Objekte“, oder habe ich mich in der Türnummer geirrt?“


Der Türsteher blieb ausdruckslos.


„Schön gesagt.“


Michael wartete. Ein entscheidender Punkt war erreicht.


„Du kennst Toni?“ Seine Stimme schien noch immer misstrauisch.


„Ich kenne den „halben“ Toni von früher ... jetzt bin ich wieder in der Stadt und habe mir gedacht, seine Dienste abermals in Anspruch zu nehmen,“ log Michael und betonte auffallend den Spitznamen des Zwerges.


„Ich nehme an, Treffpunkt ist noch immer die Kneipe an der alten Kammgarnfabrik?“


Michael spielte alle seine Trümpfe aus. Nun hieß es darauf zu hoffen, ob sie auch stachen.


Das hohle Klicken und das schabende Geräusch der öffnenden Tür beantwortete die Frage.


Michael presste seine Lippen zusammen und tauchte in eine fremde Welt ein.

Im Inneren blieb es relativ düster und eine angenehme Wärme begleitete die beiden Männer auf ihrem wortlosen Weg entlang eines kahlen, schlauchartigen Verbindungsganges, der von zahlreichen Aluminiumtüren unterbrochen wurde. An einer dieser Türen hielt der Mann, klopfte leise und wartete auf eine Reaktion.


Danach durfte Michael eintreten.


Er nickte dem Türsteher zu und fand sich in einem mittelgroßen Zimmer wieder, in dem inmitten ein riesiger Holztisch thronte, hinter dem eine hagere Frau saß und in einen Flachbildschirm konzentriert und ohne weitere Notiz von ihm zu nehmen hineinblickte. Sie steckte in einem knallengen Lederkleid, schwarz und matt glänzend, und sie wirkte streng und kalt. Auch ihr hageres, milchweißes Gesicht strömte eine gewisse Kühle und Distanziertheit aus, so dass Michael wie ein Schulbub zunächst stehen blieb und wartete.


Es zahlte sich aus.


„Nehmen sie doch Platz,“ sprach die Hagere nach einer kurzen Weile und blickte mit geschäftsmäßigem lächeln zu ihm hoch.


Test bestanden, dachte sich Michael und ließ sich auf den mit hartem Leder überzogenen Stuhl nieder.


„Sie wünschen?“ Die Frau konnte trotz ihrer nasal-kühlen Stimme freundlich sein.


„Ich suche eine Frau für heute abend oder für länger. Ich bin wieder für eine Zeit in der Stadt und ich möchte meine Gewohnheiten nicht aufgeben.“ Ungeniert brachte sich Michael in die Position die er sich überlegt hatte. Und er konnte überzeugend sein, daß gehörte zu seinem Beruf.


„Welche Art von Frau?“


„Sie wird tun was von ihr verlangt wird.“


Die Augen der Hageren brannten auf Michaels Gesicht. Sein Blick blieb standhaft, seine Fingernägel aber drückten sich verbissen in die Lehne hinter seinem Rücken. Er ahnte, daß er nur dann eine Chance bekäme, wenn er den smarten, dominanten Herrn mimen konnte, der sich darauf verstand mit derartigen Frauen umgehen zu können.


„Sie besitzen Erfahrung, Herr ...?“


Verdammt, auf einen erfundenen Namen hatte er vergessen.


„Ja ...“ erwiderte er bestimmt und hoffte Zeit zu gewinnen.


„Herr ...“ Ihre Augen begannen ungeduldig zu leuchten.


„Michael, wenn’s recht ist.“ Warum lügen? Auf den Nachnamen kam es schließlich an, und auf den würde sie wohl verzichten.


„Sie soll von mir erzogen werden und neu in die Szene eingeführt werden. Ich will keine haben, die sich umgewöhnen muss.“


Diesen Satz hatte er geübt. Er wollte unbedingt den Eindruck erwecken, ein alter Hase zu sein. Ohne zu wissen, ob er dies damit erreichen konnte, probierte er einfach aus, was er sich selbst zusammen gereimt hatte und mischte es mit dem bereits erlebten. Die Auftritte des Zwerges hatten sich in sein Gehirn gebrannt, jedes seiner Gesten, jedes seiner Worte könnte er ohne zu zögern auswendig und unter jeder Bedingung aufsagen oder wiederholen.


Er hoffte, daß dies für eine überzeugende Darstellung reichen würde.


Die Hagere nahm ihren Blick endlich von ihm und nickte.


Er schien fürs erste ihr Wohlwollen zu haben.


„Ich hoffe das der halbe Toni sein Reservoir an Damen noch immer so umfassend wie früher in Bestand hält?“


„Sie kennen ihn?“


„Nicht persönlich.“


„Er scheut die Öffentlichkeit – wie die meisten von uns ...“


Glück gehabt. Michael wurde ruhiger. Er hatte bereits viel erreicht.


„Ja, wir haben eine ansehnliche Auswahl an ausgebildeten, aber auch an zukünftigen Damen und Herren, die sich ihren Neigungen nicht verschließen wollen.“


Michael nickte zufrieden. „Ich habe mir auch nichts anderes erwartet.“


„Bitte geben sie mir das Profil, wonach sie suchen.“


Michael stutzte. Profil?


Nur ja jetzt keine Fehler machen.


„Stellen sie ihre Fragen, was sie wissen müssen. Das ist einfacher.“


Die Hagere nickte.


Wieder Glück gehabt.


„Ich bin übrigens Vera. Sie haben einen hübschen Arsch auf dem sie da sitzen." Sie zeigte kurz Zähne und ihre Augen leuchteten wieder auf. Dann tippte sie etwas in die vor ihr liegende Tastatur und setzte wieder ihre Vorzeigemiene auf.


Jetzt konnte sich Michael endlich entspannen.


„Alter?“


„35 bis 50.“


„Figur?“


„Groß, perfekter fester Po, genug Busen zum Anfassen, große Warzenhöfe, zarte Haut, rasiert ...“


„Langsam, langsam Michael,“ ich komme nicht mit.


„Haarfarbe?“


„Sehr helles blond.“


„Herkunft, Ausbildung?“


„Je höher die Stellung, oder die Herkunft, desto besser, unbedingt Akademikerin, erfolgreich muss sie sein, hohe Intelligenz besitzen ...“


Sie tippte ... und Michael kam in Fahrt ...


Ohne es zu ahnen, beschrieb er haarklein das Profil der Bürgermeisterin, das sich seit geraumer Zeit bei Toni auf der Warteliste befand und unter strengster Geheimhaltung im Computer von Vera aufschien. Die 48-jährige Stadtvorsteherin wurde bislang noch nie getestet und sie wurde von Toni als „Möglichkeit“ eingestuft, da er sie noch nie einer Probe unterzogen hatte. Der halbe Toni hatte sie im Rathaus mehrere Male gesehen und mit ihr gesprochen, und er war der Meister im Erkennen von Neigungen, die ihm nützlich sein konnten.


Michael hatte auf Vera durch seine pronounzierte Art Eindruck hinterlassen, und durch die beinahe idente Profilgenauigkeit, würde sie Toni vorschlagen, Michael die Bürgermeisterin zu überlassen.


„Ich glaube ich kann dir eine Dame anbieten ...“


Michael nickte.


„Wie du weißt, werde ich bei Toni um Genehmigung nachsuchen. Der Preis für die Information wird dir bei der Übergabe der Akte mitgeteilt werden.“


Michael schluckte, die Beschreibung seiner Wünsche, die Gedanken daran und die Selbstverständlichkeit, in der Vera seine Worte aufnahm und in ihren Computer tippte, verursachte in ihm die Art von Erregung, von der er sich Gewissheit verschaffen wollte, ob sie echt waren.


Sie verabschiedeten sich mit einem knappen Handshake, verabredeten eine E-Mail-Adresse unter der sie Kontakt halten würden und danach befand er sich auch schon wieder in seinem BMW, der zuverlässig wie immer auf ihn gewartet hatte.


Kühl war es im Auto. Rasch startete er den Motor und schnell brauste er davon und wäre beinahe an dem Stoppschild vorbeigefahren.


Nur weg von dem Gebäude.


Weg von den Gedanken.


Flucht vor sich selbst?

Am späten Nachmittag, der frühe Ausflug schien unwirklich und in weite Ferne gerückt zu sein, fuhr Michael aus seinen Gedanken hoch. Er leistete die letzte Unterschrift unter einem Geschäftsscheck und übergab die Mappe seinem Buchhalter, den er seit Jahren beschäftigte. Sein biederes und solides Aussehen erinnerte ihn mit einem Schlag an sein morgendliches Abenteuer.


Grotesk.


Sofort überprüfte er, nachdem sich der Buchhalter dezent verdrückt hatte, die verabredete E-Mail-Adresse und fand prompt eine Nachricht vor, die vor einer knappen Stunde an ihn adressiert war.


Die Akte zeigte eine bildschöne, etwas ältere Frau, äußerst gepflegt und sehr elegant wirkend ... mit kühlen, wasserblauen Augen, fein frisiertes und hoch düpiertes, helles Haar ... schlank, weibliche Rundungen, hoch gewachsen und eine aufrechte, beinahe arrogante Haltung zeichneten die beigefügten Bilder weiter aus ... gestochen scharf geschossen, von allen Blickwinkel gemacht ... gut Arbeit von einem Schnüffler, dachte sich Michael.


Der genannte Preis war horrend.


Unmöglich.


Die Gelegenheit aber war für heute abend bestätigt worden.


Ein Empfang mit anschließendem Dinner im Rathaus.


Jetzt verstand er erst.


Die Bürgermeisterin. Irgendwie war ihm das Gesicht bekannt vorgekommen.


Blass lehnte er sich zurück.


Die Bürgermeisterin, dachte er. Ihr Gesicht leuchtete ihm aus dem Bildschirm entgegen, ihr Äußeres war so wie er es von einer Dame erwartete, ihre Listung bei Toni hingegen überraschte ihn ...

Nach einer halben Stunde machte er den Deal perfekt. Er bekam eine Einladung mit dem Aufdruck „Gast“ zugesandt - woher auch immer Vera diese Möglichkeit herhatte, blieb ein Rätsel – sowie eine detaillierte Anweisung, wie man sich der Dame nähern und „bemächtigen“ könnte. Eine Garantie wurde selbstverständlich nicht gegeben, er musste sich auf Toni verlassen.


Im Gegenzug bestätigte seine Bank die unwiderrufliche Banküberweisung des gewünschten Betrages, daß ein gewaltiges Loch in die Finanzen riss – aber das Geschäft galt damit als abgewickelt.


Michael starrte auf seinen Bankauszug.


Sein stimmiges Gefühl aber blieb, und dies ließ seine Bedenken verschwinden, ja, er freute sich plötzlich auf den Abend ... er würde heute Abend endlich erfahren, wer er wirklich ist ...

Er zog sich im Büro um, eine Garnitur seiner Geschäftsanzüge hielt er sich stets in Reserve, und fuhr zu dem Empfang, der sich nicht so lange hinzog, wie er es befürchtet hatte. Viele geladene Gäste verschwanden wieder so schnell, wie sie gekommen waren, und einige von ihnen blieben zum Dinner, das einem wohltätigen Zweck gewidmet war. Michael verstand nun, warum der Kaufpreis erstens so hoch war, und zweitens wie es gelingen konnte, an einem Dinner der Bürgermeisterin so rasch teilnehmen zu können.


Die Spende hatte eine Reservierung für eine Person möglich gemacht, und er durfte nicht daran denken, dass dieser Betrag von seinem Bankkonto heute abgebucht worden war.


Sein Blick verfing sich stattdessen an der Gastgeberin, die eine kurze Tischrede abhielt und jedem einzelnen freundlich zuprostete. Bei seinem Anblick regte sich nichts in ihrem Gesicht, sie schien es gewöhnt zu sein, Menschen die sie persönlich noch nie gesehen hat, freundlich zuzulächeln.


Michael fühlte sein Blut durch seinen Körper strömen.


Er fühlte sich, als ob er Unmengen an Alkohol getrunken hätte.


Seine Stunde war gekommen.


Der Zeitpunkt seiner Erkennung der eigenen Identität war angebrochen und würde die endgültige Gewissheit bringen. Er stand auf, fühlte die vorbereitete Nachricht in seiner Hosentasche und schritt betont gelassen, und mehr zur eigenen Beruhigung, an das Kopfende der Tafel.


Plötzlicher Augenkontakt.


Die Augen der Bürgermeisterin nahmen einen kurz unsicheren, danach fragenden Blick an. An Gelegenheiten wie diesen war es nicht opportun an die Gastgeberin heranzutreten und etwaige Ansuchen zu stellen.


Michael hielt sich an den Vorschlag des halben Toni. Mit eiserner Miene steckte er ihr das gefaltete Papier zu, zuckte mit keiner Wimper, nickte innerlich über die aus der nähe noch schöneren Frau, schlenderte wieder zu seinem Platz und ließ eine verdutzt dreinblickende Bürgermeisterin zurück. Sein Herz raste.


Nicht das er es noch nie mit Bürgermeistern oder sogar einmal mit einem Minister zu tun gehabt hätte, nicht das die Eleganz und Schönheit der Frau ihn den Atem geraubt hätte, nein, es war ganz einfach die verwegene Nachricht an sich, die sein Blut in jetzt noch unheimlicher Geschwindigkeit durch seinen Körper schießen ließ.

Wie es in Toni’s Vorschlag stand, blickte er unentwegt zu der Frau hin, und versuchte, nachdem sie die Nachricht gelesen hatte, mit ihr Augenkontakt aufzunehmen. Danach würde es sich entscheiden, ob er eine Gelegenheit bekam.


„Ich habe Informationen die Sie nicht in der Öffentlichkeit haben wollen. Treffpunkt in einer Stunde in ihrem Büro. Ich denke sie wollen wiedergewählt werden.“


Ihre durchdringenden, glasklaren Augen suchten und fanden die Seinen.


Sofort wusste er, daß sie zustimmen würde. Angst leuchtete ihm entgegen.


Das unmerkliche Nicken von ihr wurde beinahe überflüssig. Wie sie noch schöner und sinnlicher wurde, wenn sie es ein wenig mit der Angst zu tun bekam, verursachte bei Michael einen trockenen Hals.


Hastig stürzte er das Glas mit stillem Wasser hinunter und wartete auf das offizielle Ende der Tafel.


Als die ersten Gäste aufbrachen und die Bürgermeisterin sich nochmals für die zahlreichen und ergiebigen Spenden bedankt hatte, folgte Michael der ihm ein knappes Signal gebenden Frau. Es mussten einige Stufen bewältigt werden, einige Stockwerke genommen werden, aber danach stand er in einem ruhigen Trakt des Rathauses und harrte der Dinge, die da kommen sollten.


Die hochgewachsene Bürgermeisterin blickte suchend durch den Spalt einer großen Flügeltüre und deutete ihn zu sich. Danach führte sie ihn mit federndem Schritt in ihr Büro, daß zwar sehr geräumig und einigermaßen groß war, aber nicht mit der Festlichkeit der noch zuvor genossenen Tafel konkurrieren konnte.


Sie nahmen an der linken Seite ihres Schreibtisches an einer bequemen, mit weichem Stoff gepolsterten Sitzgarnitur Platz. Die Bürgermeisterin lehnte sich zurück, schlug ihr langes Bein über das Andere und blickte Michael aus einer Mischung aus Neugier und Kampfeslust an.


„Hier sind wir also ...“ bedeutete sie ihrem Gegenüber, der sich ebenfalls gesetzt hatte, und konnte es nicht erwarten zu erfahren, was ein ihr fremder Mann für bedeutende Informationen hatte.


„Ich bin hier um ihnen mitzuteilen, daß ich sie kenne.“


Stille.


Dann ein arrogantes Lächeln der Bürgermeisterin. Sie verstand nicht das Geringste.


Michael ließ sich Zeit. Alles gemäß Vorschlag des Verkäufers. Und er begann seine Vorstellung zu genießen.


„Die Nächte können lang werden, nicht wahr?“


Die Bürgermeisterin bewegte sich nicht, rührte sich nicht ... sie starrte Michael wie einen Geistesgestörten an und sie wusste nicht recht, wie sie reagieren sollte. Irre waren bekanntlich unberechenbar, und sie war alleine hier mit ihm.


Sie hatte einen Fehler gemacht, ohne Begleitung mit ihm hoch zu kommen. Meine dumme Neugier, schalt sie sich, sie hatte sich weiß Gott nichts zu schulden kommen lassen, obwohl die Politik ein schmutziges Geschäft war.


„Ich schlage vor, daß wir uns jetzt voneinander verabschieden und ...“


„Und ich sie mit ihren nächtlichen Gedanken alleine lasse?“


Ihr Gesicht zeigte eine gewisse Irritation.


Sie wechselte das Bein und schlug es wieder übereinander.


Treffer, dachte Michael.


„Ich weiß beim besten Willen nicht, was sie damit bezwecken und ich ...“


„Versaute Gedanken sind das, nicht wahr?“


Stirnrunzeln.


„Ich meine Gedanken, die nicht mit den Gedanken normaler Menschen vergleichbar sind, wenn sie sich heimlich in ihrem kalten Bett unter der Decke befriedigen. Ich spreche von Phantasien die viel weiter über das Normale hinaus gehen, als sie sich selbst eingestehen wollen, die Bizarr sind, ungewöhnlich sind, unaussprechlich sind ...“


„Ich glaube ich habe genug gehört,“ die elegante Frau zeigte ein sowohl verstörtes als auch entnervtes Gesicht. „Ich möchte sie jetzt bitten, da nichts von dem was sie vorgegeben haben zutreffend ...“


„Sie haben gar nichts zu bitten,“ seine Stimme klang mit einem Mal messerscharf und schnitt in die Atmosphäre des Raumes wie heißes Feuer hinein.


Das tat merkwürdiger Weise gut. Eine seltsame Erleichterung machte sich bei Michael breit, eine angenehme Spannung berührte ihn.


Er wusste um die aufkommende und erwartete Gegenwehr, die sich unweigerlich inzwischen aufgebaut hatte und deutlich wie eine Mauer zwischen ihnen stand. Selbstschutz einer Frau, die das Ungewöhnliche in den heimlichen Phantasien begehrte, aber niemals in der Realität auskosten konnte. Das wusste und akzeptierte sie und so hatte sie ihr Leben eingerichtet. Und nun kam jemand und deutete das Versteckte an, unscharf, ja, undeutlich, ja, aber ... der Unbekannte legte seine Finger an genau die Stelle, wo es schmerzte, wo sie so unendlich viel ... genug.


Die Bürgermeisterin hatte wie immer Courage und erhob sich unwirsch: „Bitte verlassen sie auf der Stelle ...“


„Setzen sie sich wieder hin,“ Michael war unglaublich gefasst, denn er war gut vorbereitet. Seine Vorstellung lief bislang sehr gut, und er erkannte im Laufe der andauernden inneren Spannung, daß es das sein könnte, was er wollte, und das nur angestoßen werden musste. Und er vertraute dem Toni, vertraute darauf, dass er mit dieser Schönheit Recht hatte ... er musste einfach Recht haben ...


„Sofort.“


Seine Worte waren harsch und eindringlich. Sie waren sehr einfach, präzise, selbstsicher ... und noch mit einem fremden Wissen ausgestattet, daß es ihm ermöglichte, seinen Plan in aller Ruhe und mit allen notwendigen Schritten zu verfolgen.


Die Frau stand unschlüssig und peinlich berührt in ihrer vollen Sinnlichkeit vor ihm und brauchte eine Sekunde zu lange um sich zu fassen.


„Ich sagte sie sollen sich hinsetzen ...“ Seine Augenbrauen hoben sich kurz und alles an ihm signalisierte ihr, das er es war, der hier die Fäden in der Hand hielt.


Merkwürdigerweise hatte Michael nie das Gefühl, daß sich die Frau nicht nach seinem Plan richten könnte. Er war in seinem Element, er war dort, wo er hinwollte, wo er hingehörte ... und er hatte das niemals und zu keiner Zeit geahnt, wie sehr es ihn erregte ...


Aufgrund Toni’s gefälliger und offensichtlich richtiger Einschätzung über die Bürgermeisterin überraschte es ihn keineswegs, als sie sich missmutig, aber doch zunächst geschlagen, wieder hinsetzte. Die Kampfeslust spritzte aus all ihren Poren und dennoch, was war das nur für eine tolle Frau.


„Ich werde dich brechen und dir die zugedachte Rolle geben, die ich für dich auserkoren habe!“ entschied er sich endgültig, und er spürte wie er diese Frau immer mehr begehrte.


„Ich habe etwas von Informationen geschrieben ... und diese Informationen betreffen ihre wachen Nächte, ihre Gedankenspielereien, ihre Phantasien, die sich in ihrem Kopf abspielen und so schmutzig sind, daß sie es niemals ertragen könnten, daß man sie auch nur ausspricht ...“


Ihr Gesicht erstarrte zu einer Maske.


Die Bürgermeisterin hörte genau hin, was er sagte. Michael spürte wie sie sich verspannte und wie sich die Mauer weiter und höher aufbaute und stärker und stärker wurde.


„Ich habe sie heute Abend beobachtet, wie sie wie eine Diva die Leute behandelt haben. Eine Diva, die sich in Gedanken flüchtet, die noch nicht mal ihr eigener Ehemann kennen darf ... denn eine Diva denkt diese Dinge nicht, sie darf es nicht, sie hat es sich selbst verboten ...“


Michael geriet in Fahrt und er verstand, daß Worte mächtig werden können.


Die Bürgermeisterin unterbrach ihn zögerlicher, eine Spur unsicherer, wie er fand. Ihre Stimme bekam einen nervös untersetzten Unterton:


„Ich höre mir das nicht länger an, sie sind verrückt, irre, was glauben ...“


„Wir beiden wissen es ...“ Zischend spuckte er ihr die Wahrheit hin.


Der hektische Blick der Bürgermeisterin flatterte im Zimmer umher und hing sich an der Tür fest, als ob sie von dort Hilfe zu erwarten hätte.


Ihre Lebenseinstellung, ihren Selbstschutz würde niemand in wenigen Minuten zu Fall bringen können. Lächerlich.


Tief atmete sie durch und versuchte eine neue Strategie.


„Was wollen sie?“


Michael stieg darauf ein.


„Ihre Gedanken!“


Sie zuckte zusammen. Damit hatte sie nicht gerechnet.


„Meine Gedanken?“


„Ja, ich möchte sie studieren.“


Ihre Blicke trafen sich und verschmolzen für eine winzige Sekunde ineinander. Michael blieb seiner Linie treu und bemühte sich ruhig, sachlich und konzentriert zu sein.


Es gelang.


„Was genau meinen sie damit?“


„Das weißt du verdammt gut,“ er wechselte in das vertraute Du und versuchte durch seine Coolness Eindruck zu schinden.


Die Gesichtsfarbe wechselte etwas und die Beine wurden wieder übereinander geschlagen.


„Was versprechen sie sich davon?“


Er lächelte überlegen.


Unsicher bewegten sich ihre Hände über den weichen Stoff der Garnitur, als ob sie etwas suchen wollten. Das Gespräch erzielte Wirkung.


„Warum sollte ich ihnen irgendetwas erzählen.“


„Weil ich dir helfen werde, Frieden zu finden ...“


Die Bürgermeisterin blickte ihn unumwunden mit offenen Mund an. Woher ist dieser Mann nur so plötzlich aufgetaucht?


„Sprechen wir über deine letzte Phantasie.“ Michael wurde immer selbstsicherer. Er liebte seine neue Rolle und er spürte die schleichende Oberhand, die er Stück für Stück gewann.


„Wie meinen sie das? Jetzt? Hier?“ Ihre Stimme klang jetzt ein wenig schrill.


„Wann sonst?“


„Das, das ... das ist unmöglich ...“ nervös tastete sie nach ihren Haaren. Sie saßen perfekt, doch sie musste etwas tun und sie musste rasch einen Ausweg finden, denn dieser Mann berührte sie auf eine Art und Weise, das sofort gestoppt werden musste.


„Ich möchte das du mir von deinem letzten Abenteuer berichtest.“


„Abenteuer?“ Noch immer wusste sie keinen Rat, die Stimme brach.


„Du weißt wie ich das meine.“


Ihre Blicke trafen sich wieder ... diesmal länger. Intensiver.


Sie schluckte verlegen. Ihr Atem schien beschleunigt ...


Endlich.


Michael registrierte die Anzeichen, auf die er gewartet hatte. Toni wusste nun mal auf was es ankam und auf was genau zu achten war.


Ihr Kopf neigte sich zur Seite. Michael fühlte ihren Atem, der sich endlich erregter zeigte, der aufgewühlter war und der das Signal gab, die kompromisslose Tat fortzusetzen.


„Du träumst von Männern die dich verachten. Männer, die sich einen Dreck um deine Gefühle oder deinen Stolz scheren. Es ist das niveaulose Gesindel aus der Gosse das dich erregt, das aus der Gesellschaft ausgestoßen wurde und im Untergrund ihr schmutziges Dasein fristet. Die Gestalten in deinen Träumen nehmen keine Rücksicht auf Konventionen, auf Gesetze oder auf dich, nein, schon gar nicht auf dich, und jede Nacht, an vielen dunklen, verschwiegenen Orten, kommen sie alleine, zu Zweit, zu Dritt, und immer wieder aufs Neue, sie verletzen deinen unbändigen Stolz, deine Würde, nehmen sich was sie begehren, schlagen zu, zerren dich aus dem Wagen, öffnen deinen Mantel und ...“


„Genug ... genug,“ die Pupillen der Bürgermeisterin hatten sich nach jedem Wort geweitet und leuchteten nun Michael an. Die Worte wurden aus einem verzerrten, verzweifelten Gesicht herausgepresst, daß sich zu einer gequälten Maske verzogen hatte und plötzlich sehr hart wirkte.


Sie wurde aus der Fassung gebracht.


„Was reden sie da,“ ihre Lippen bewegten sich schnell. „Was für einen Unsinn erzählen sie mir hier. Ich muss sie dringend ersuchen ...“ weiter kam sie nicht, ihr Gast durfte keine Zeit verlieren.


„Sie zerren dich auf die Knie, schmutzige Finger graben sich in deine sorgfältig frisierten Haare und lösen Unordnung aus, sie zwingen dich den Kopf in den Nacken zu nehmen. Dunkle, verschlagene Gesichter, denen das Leben hart mitgespielt hat, blicken auf dich und sehen dich angewidert an. Eine Lady, eine Dame, eine wohlhabende Unbekannte die tagtäglich mit ihrer Limousine an ihnen vorbeifährt und keine Notiz von ihnen nimmt. Sie zerren dich in die düstere Hauseinfahrt, wo der Uringeruch heftig und abstoßend ist.


Die Knie schmerzen, der harte, raue Asphalt scheuert an deinen Strümpfen, bis du an der vergilbten Matratze des Nachtlagers angekommen bist und du ein wenig Rast finden kannst. Die drei Gestalten grunzen zufrieden. Sie öffnen ihren stinkenden Mund und atmen die kalte Luft und dein zu süßes Parfüm ein.


„Geld her“, flüstern sie hekt

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Kommentare


rubberboy
dabei seit: Jul '03
Kommentare: 25
schrieb am 10.04.2006:
»Das darf nicht das Ende der Geschichte sein, BITTE schreib weiter. Die letzte Folge schreit geradezu nach einer Fortsetzung.

Danke!

LG rubberboy«

playman
dabei seit: Apr '05
Kommentare: 68
schrieb am 11.04.2006:
»Hallo, der halbe Toni kann doch kein halber toni bleiben, der muss noch wachsen, zb. im teil 5 der geschichte, auch wenn der halbe toni nicht mehr wächst aber die geschichte "muss" wachsen. lg Playman«

apollo15
dabei seit: Dez '00
Kommentare: 53
schrieb am 16.04.2006:
»Bitte weiter schreiben, tolle Story.«

Kai155
dabei seit: Mai '04
Kommentare: 166
schrieb am 26.04.2006:
»Was hier "zu Ende" ist, ist die Geschichte vom halben Toni, der hat hier nichts mehr verloren.

Was aber noch nicht zu Ende ist, ist die Geschichte eines Ehemannes, dem "alle Türen" offen stehen, eine geile "Menage a trois" zu erleben.

Er hat die Bürgermeisterin so weit seine Sklavin zu werden und er hat auch seine Frau in der Hand.

Ein Ende eines Abschnitts der Story....was fehlt ist der Rest, Reaktion der Gattin und Unterwerfung der beiden.

Muß nicht 10 Seiten lang sein, aber ein "richtiges" Ende würde ich mir wünschen. Ansonsten bleibt es der Phantasie des Lesers überlassen was passiert.«

Saladine
dabei seit: Sep '04
Kommentare: 9
schrieb am 28.04.2006:
»Eine weite Fortsetzung würde ich wirklich gern lesen. Nun wird es doch gerade richtig spannend.
Gehe doch auf die Wünsche deiner Leser ein.
«

schwarzertiger
dabei seit: Nov '04
Kommentare: 13
schrieb am 30.04.2006:
»Tolle Story muss unbedingt weiter gehen. Die Geschichte hat noch Fortsetzungspotenial. Wir hoffen Du arbeitest schon dran und erhörst unser rufen nach mehr.«

Schlummertrine
dabei seit: Jan '05
Kommentare: 2
schrieb am 01.05.2006:
»Da stimme ich rubberboy vollkommen zu. Schnell her mit Teil 5, ich will wissen, wie es weiter geht bzw. endet.

Gruß vom Trinchen«

Pitoe
dabei seit: Feb '05
Kommentare: 211
schrieb am 18.08.2010:
»Sehr cool. Ich muss da aber noch ein wenig nachdenken. Insbeondere über dsa Ende. Nun reicht es aber auch - für heute- mitDark Angel.

Dark Angel ein Klasse Autor,der diese "Machterfahrung" sehr sicher in sich trägt.«

Lunedi
dabei seit: Feb '12
Kommentare: 27
schrieb am 10.02.2012:
»Die Geschichte super weiterentwickelt.Weiter so!«

lulu007
dabei seit: Sep '12
Kommentare: 25
schrieb am 18.09.2012:
»Oh man was für eine Geschichte!
Ich habe schon einige SM Geschichten gelesen, doch keine hat mich so in ihren Bann gezogen wie diese. Und damit meine ich nicht nur diesen einen Teil, sondern das Gesamtwerk.
Dark Angel du hast eine Gabe, eine besondere Gabe! Du kannst mit Deinen Worten beim Leser unglaubliche Gefühle erzeugen. Ich weiß, Dein Werk its schon langer hier, doch vielleicht liest Du meine Worte trotzdem? Danke danke danke!«

big1lilly
dabei seit: Dez '03
Kommentare: 33
schrieb am 17.06.2018:
»Schade dass da nix mehr kam ..... mitten in der story ab zubrechen ist mist«

rombo
dabei seit: Aug '21
Kommentare: 23
schrieb am 06.09.2021:
»Eine sehr gute Geschichte hat mir sehr gefallen weiter so«



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