Die Begierde des Fauns
von Cagliostro
Zwei Stunden nach Mitternacht zog sie die Kreidestriche über die Wand ihres Studierzimmers. Die Aufzeichnungen in dem schmalen, abgegriffenen Manuskriptband war sehr penibel und gaben jedem Detail eine wichtige Bedeutung. Der unbekannte Verfasser, der die Beschwörung in seiner alten komplizierten Schrift dargelegt hatte, ließ keinen Zweifel darüber, wie schwer und folgreich diese Beschwörung war.
Zu schwer? Eila ließ ihre Hand sinken und verharrte in einem Moment des Selbstzweifels. Sie lauschte dem Klopfen ihres Herzens, doch sie wusste, dass sie nicht abbrechen würde. Eila würde ihre erste Beschwörung vollziehen, sie würde ein Tor zum grauen Reich aufstoßen. Sie wusste, dass Sie als Novizin dazu kaum bereit war. Und sie wusste auch, dass es genau dieser Umstand war, der sie weitermachen ließ. Dies war etwas Großes, weit über dem Stoff des mythagischen Lehrplans, den sie und die anderen Novizinnen für die Prüfungen und Übungen lernten. Dies war etwas für Zauberinnen, kein Lehrstoff für eine Adeptin der unteren Stufen. Würde die Oberin des Mythagischen Ordens sie jetzt sehen, Eila würde für den Rest ihres Lebens Fische verkaufen oder reichen Damen den Kelch bei Tisch vollgießen oder was immer für eine gefallene Schülerin der fernen Künste als Beschäftigung möglich war.
Eila zwang ihren Atem in einen regelmäßigen und ruhigen Rhythmus und unterdrückte den Impuls, alles noch ein weiteres Mal zu kontrollieren. Sie wusste, dass das schmale Fenster durch einen Vorhang abgeschirmt war, dass die Tür sicher verschlossen war. Eila schlief. Alle Novizinnen schliefen. Das Kloster war still. Doch Eila schlief nicht. Viele Nachtstunden hatte sie in den vergangenen Wochen über dem alten Manuskript gesessen und seinen Text übersetzt. Ihre Oberin wäre vielleicht sogar stolz auf sie. Auch darauf, wie akribisch und vorsichtig Eila verschiedene materielle Bestandteile der Beschwörung gestohlen hatte.
Sie hatte das Manuskript hinter staubverkrusteten Tonkrügen gefunden, in einer durch Regalbretter verdeckten Wandnische des alten Bücherkerkers. Der Text war alt und mochte schon viele Jahrzehnte an diesem Platz gelegen haben. Vielleicht hatte man den Band beim Umzug der Bücher in die heutigen Bibliotheksräume übersehen. Vielleicht war es von irgendjemand versteckt worden. Durch Zufall war Eila beim Putzen und Entrümpeln darauf gestoßen. Die Oberin hatte sich entschlossen, den alten Bücherkerker in ein Weinlager umzuwandeln. Der lästige Arbeitsdienst war ihr wie eine Strafe vorgekommen. Dies ist mein Lohn, hatte Eila gedacht und ihren Fund heimlich in ihr Zimmer geschmuggelt.
Als sie den letzten Kreidestrich gezogen hatte, trat sie von der Wand zurück. Ein großes Rechteck, das fast bis zum Boden reichte. Was immer geschah, würde innerhalb dieses Rechteckes geschehen.
Mit dem grauen Reich treibt man keine Späße, darin ließen ihren mythagischen Lehrerinnen keinen Zweifel. Doch Eila trieb keine Späße. Sie brach die Regeln ihres Ordens, hinterging die Oberin, versuchte sich an dunkler Magie, aber sie war nicht dumm. Mit einem Schutzbann hatte sie sich abgesichert. Die zehn Kerzen standen in genau vorgeschriebener Anordnung um sie, brachen jeden Fluch und umgaben sie mit einer Zone der Unverletzlichkeit. Zumindest hoffte dies Eila.
Langsam begann sie mit der eigentlichen Beschwörung. Ihre Hände glitten in einem präzisen Tanz durch die Luft, ihre Finger spreizten und schlossen sich und ihre Füße folgten einem genau festgelegten Muster an Schrittfolgen. Schritte, die niemals über den Rand der Schutzzone hinaus führen durften.
Während sie das komplizierte Ritual vollzog, versuchte sie sich gleichzeitig auf jede Einzelheit des Raumes und auf das Rechteck aus Kreide zu konzentrieren. Als der erste Teil der Beschwörung abgeschlossen war, hielt sie inne. Nichts geschah. Funktionierte es nicht? Langsam begann sie mit der zweiten und letzten Bewegungsfolge. Immer noch ruhte die Kammer in ihrer eigenen Stille und zu Eilas Enttäuschung deutete nichts darauf hin, dass hier eine mächtige Beschwörung vollzogen wurde.
»Nicht. Jetzt.«
Die Stimme kam aus dem Nichts. Schwer und angestrengt, wie das keuchende Atmen eines Tieres. Eila zuckte zusammen und musste alle Willenskraft aufbringen, um die Bewegungen ihrer Hände und Arme fortzusetzen. Nicht jetzt? Eila war irritiert. Was sollte das heißen? Langsam vollführte sie die letzten Bewegungen des Rituals. Unbeweglich verharrte sie in der Endposition. Ein Geräusch, als würden sich schwere Steinkugeln rollend nähern, klang durch den Raum. Die Wand innerhalb der Kreidestriche schimmerte wie ein Tuch, durch das flackerndes blaues Licht in ihre Kammer fiel. Eilas Zimmer schien zu schrumpfen, ihre Sicht verzerrte sich wie in einem schlecht gehämmerten Messingspiegel. Ein klatschendes Geräusch und stöhnende Laute. Die Öffnung zum grauen Reich bekam Tiefe. Licht, blau und golden und träge wie Sirup.
Große volle Brüste schaukelten im Rhythmus heftiger Stöße. Das lustverzerrte Gesicht einer schönen nackten Frau, ihre Haut von dunklem Blau, mit ölig schimmerndem Glanz. Auf allen vieren wurde sie von hinten heftig und in stetigem Rhythmus von einer großen dunklen Gestalt durchgestoßen. Die Frau wandte Eila ihr Gesicht zu, doch ihre Augen waren geschlossen in genussvoller Lust.
Die Gestalt umfasste mit ihren Händen den ausladenden Hintern der Frau und trieb sie ohne Unterlass dem Höhepunkt entgegen. Ein tiefes Stöhnen erfüllte den Raum und umspülte Eila wie ein heißer Strom der Lust. Wie in einem hypnotischen Sog starrte sie auf den animalisch wilden Liebesakt. Die reale Welt versank wie in einem Funkensturm.
Der Mann. Eilas Augen weiteten sich und das Blut rauschte in ihren Ohren. Seine Haut war dunkelgrün, die breite Brust war behaart und muskulös und er hatte die Arme eines Kriegers. Seine starken dicht behaarten Beinen wirkten menschlich, ohne den bekannten Linien zu folgen, und endeten in Hufen. Sein Gesicht war männlich in einer Weise, als wären alle Männer nur schwache Abbilder dieses Ausdrucks, kraftvoll und sanft, herrisch und zugleich sinnlich. Er hatte kurzes, struppiges Haar und zwei elegant gedrehte Hörner entsprangen seinen Schläfen wie der Kopfschmuck eines Widders. Mit geschlossenen Augen und leicht geöffnetem Mund war er versunken in tief empfundener Lust. Sein Rhythmus klatschte gegen den Hintern der Frau.
Eila beobachtete wie gebannt das Gesicht dieses Mannes. Plötzlich verzog sich sein Mund zu einem Lächeln. Er öffnete die Augen und blickte Eila an. Es war, als würde er ihr entgegen springen. Lustvoll nah, begehrend und gefährlich.
Keuchend trat Eila einen Schritt zurück und fast wäre sie gestolpert. Ihr Fuß trat gegen eine der Kerzen und warf sie um, verlöschte ihr Licht. Heißes Wachs berührte ihren nackten Fuß. Sie kreuzte die Arme, warf sich nach vorn und rief die Worte der Trennung. Sie taumelte gegen die Wand, fiel zu Boden und blieb schwer atmend liegen. Ihr Körper war von Schweiß bedeckt. Eilas Finger betasteten die Wand. Das Licht war verschwunden, das Tor geschlossen. Ihr Herz schlug wie ein Schmiedehammer. Ihre Beine waren unsicher, als sie sich langsam erhob, sich mit einer Hand an der Wand abstützend.
In panischer Hast entfernte sie alle Spuren der Beschwörung, vertrieb die Gerüche der Kräuter mit einer Geste der Vernebelung, schrubbte mit schmerzenden Armen die Wand, bis nichts mehr von den Kreidestrichen zu sehen war, und kratze mir akribischer Sorgfalt auch den letzten Rest des vergossenen Kerzenwachses ab. In den wenigen verbleibenden Stunden der Nachtruhe schlief sie nicht für eine Sekunde. Die angezogenen Beine eng umschlungen, saß sie auf ihrem Bett und starrte auf die Wand.
****
In der Nacht war neuer Schnee gefallen und hatte sich über die Höfe, Dächern und Mauern des Burgklosters gelegt. Eila zog den dunkelbraunen Wollumhang enger um ihre Schultern, ihr Atem verlor sich in weißen Wölkchen in der grauen Morgendämmerung. Von den Stufen der kleinen Kapelle des oberen Westhofes konnte man hinab in die Stadt blicken. Die Dächer der Stadt unter ihr waren weiß, ihre Gassen bildeten dunkle Gräben und Rinnsale wie in einem gefrorenen Flickenteppich. Dünne Rauchfäden aus den Kaminen stiegen hinauf in die Windstille. Der kurze Wintertag würde nur vier Stunden matte Helligkeit bringen.
Die Morgenmeditation war für Eila anstrengend gewesen. Ihr Geist war erschöpft und zugleich aufs Äußerste angespannt, ihr Körper schmerzte wie nach einer harten Anstrengung. Wenn sie die Augen schloss, tauchten die Bilder der Nacht auf, als hätten sie sich eingebrannt.
Sie drehte sich nicht um, als sie hinter sich schneegedämpfte Schritte hörte.
»Hier bist du.« Paliro schlug die wärmende Kapuze zurück. Ihre Haare waren wie bei allen Novizinnen kurz geschnitten. Unten in der Stadt, bevor sie die Ausbildung begonnen hatte, hatte sie es in langen schwarze Locken getragen. Paliro stellte sich neben Eila und sah über das Meer der Dächer. »Denkst du an deinen Verlobten?«, fragte sie Eila.
»Ich weiß nicht.«
»Wenigstens hast du jemand, der auf dich wartet.« Paliro seufzte. »Fünf Jahre. Eingesperrt für die magische Weisheit. Dort unten hörte sich das nicht viel an.«
»Wenn er wartet«, flüsterte Eila. Sie suchte das kleine Eckhaus, konnte aber nicht erkennen, ob in der kleinen Schreibstube der ersten Etage Licht brannte.
Paliro sah ihre Freundin an. »Was ist mit dir, Eila?«
»Was weißt du über Faune?«
»Faune?« Paliro runzelte die Stirn. »Nicht viel. Aus dem grauen Reich. Lust und Fruchtbarkeit, ziemlich heftig, glaub’ ich.« Sie stürzte die Lippen. Dann grinste sie. »Die besten Sachen stehen ohnehin nicht in den Büchern. Perfekter Liebhaber, schlechter Mann. Das alte Lied.«
Sie drehte sich zu Eila um und musterte ihr Gesicht unter der dunklen Kapuze. »Alles klar mit dir? Was ist mit Faunen?«
Eila sah aus, als wollte sie etwas sagen, aber dann schüttelte sie kurz den Kopf. »Ach nichts.«
»Ach nichts?« Paliro trat zu ihrer Freundin und legte ihr einen Arm um die Schulter. »Hört sich nicht wie Nichts an. Du schmachtest ins Tal und redest über Faune. Erzähl mir nichts.« Sie legte ihren Kopf auf Eilas Schulter und flüsterte »Faune sollen einen ziemlich großen haben. Einen Prachtkerl. Wird niemals schlapp, trifft dich genau dorthin, wo du es am liebsten magst.«
Unwillig schüttelte Eila ihre Freundin ab. »Rede keinen Unsinn.«
»Unsinn? Komm Eila, du hast Entzug. Das ist doch normal. Fünf Jahre in Klausur und nicht einen Mann im ganzen Orden. Die Reinheit des Blutes, wenn ich das schon höre.« Paliro nickte in Richtung Stadt. »Fehlt dir wohl, deine kleiner Schreiber.« Langsam streifte sie Eila Kapuze zurück. Mit dem Rücken ihrer Hand fuhr sie über die Wange ihrer Freundin, strich ihr durch das kurze blonde Haar. »Meinst du, das geht nur dir so?«, fragte sie leise. »Da gibt es Möglichkeiten.« Sie blickte Eila lächelnd an. »Und wenn es nur der schöne Traum ist«, sie hob ihre Hand und nahm zärtlich ihren Mittelfinger in den Mund, ließ ihn langsam hinein und wieder herausgleiten, während sie Eila betrachtete. »Komm zu mir, wenn es dir nachts einsam wird.«
Eila blickte sie scheu an. Dann zog sie die Kapuze wieder über den Kopf. »Lass uns reingehen«, sagte sie.
»Du hast recht.« Paliro hakte sich bei Eila ein. »Zurück zu den alten Jungfern und der mythagischen Handarbeit.«
****
An diesem Abend rührte Eila sich Schlafkräuter in einen Becher warmen Weins, bevor sie zu Bett ging. Es war vorbei, sagte sie sich, nichts war passiert. Die Tore zum grauen Reich waren geschlossen, der Faun nicht mehr als eine Phantasmagorie. Morgen würde sie das Manuskript an den Platz legen, an dem sie es gefunden hatte. Sie verlöschte die Kerzen und vergrub sich unter ihren weichen Decken. Nur die Glut der Feuerschale, die in einer Ecke des Raumes stand, glomm in schwachem, düsterem Rot. Der Schlaf kam schnell.
Als sie wieder erwachte, wusste sie für einen Moment nicht, wo sie sich befand. Es war still. Sie blickte ins Dunkel über ihrem Bett. Warum war sie erwacht? Waren die Schlafkräuter schlecht gewesen? Was war mit ihr los? Ihr Atem ging schneller. Sie spürte, dass ihre Brustwarzen hart waren. Ihre Hand fuhr unter ihr Nachthemd und strich über die empfindlichen Spitzen. Ihre zweite Hand glitt unter den Stoff und umfasste die Rundung ihrer Brust. Sie nahm ihre Nippel zwischen Daumen und Zeigefinger und drückte sie sanft, rieb sie zwischen den Fingerkuppen. Ein Kribbeln zog sich ihren Körper hinab, sammelte sich zwischen ihren Beinen.
Sie war feucht. Sie warf die Decke zurück und spreizte die Beine. Sie schob ihr Nachthemd über die Hüften und fuhr mit dem Finger die Linie ihrer Schamlippen nach. Ihre harte Knospe reckte sich lustvoll ihren Liebkosungen entgegen. Mit einer Hand massierte sie ihre Brüste, während sie ihren Kitzler mit der Fingerspitze umkreiste und rieb.
Mit schnellen Bewegungen zog sie ihr Nachthemd über den Kopf und legte sich nackt auf ihre Decken. Mit angezogenen Knien spreizte sie ihre Beine und schob sich einen Finger langsam in ihre feuchte Spalte, während sie ihren kleinen Lustnippel zwischen zwei Fingern rieb. Sie nahm einen zweiten Finger hinzu und begann, immer schneller hinein und hinauszugleiten. Ein Zittern durchlief ihren Körper. Sie suchte den Punkt innerhalb ihrer Spalte, der ihr die höchste Lust brachte. Langsam massierte sie ihr Inneres, während sie mit den Fingern der anderen Hand ihren Kitzler streichelte. Sie dachte an den Faun, wie er seine Gespielin von hinten stieß, und erregte sich an dem Gedanken. Während sie ihre Spalte bearbeitete, fuhr sie schließlich mit der anderen Hand zwischen ihre Pobacken und ließ ihren Zeigefinger langsam in ihr enges Poloch gleiten. Sie wimmerte vor Geilheit.
Sie ließ von ihrer Spalte ab und tastete neben das Bett, bis sie den Kerzenhalter fand. Sie zog die Kerze heraus und schob das untere Ende in ihre feuchte Höhle. Mit immer schnelleren Bewegungen begann sie, sich mit der dicken Kerze zu vögeln, während sie mit dem Zeigefinger der anderen Hand in ihren Po glitt. Als sie spürte, dass sie sich dem Höhepunkt näherte, zog sie die Kerze heraus. Weit spreizte sie die Beine und liebkoste ihre Pflaume mit beiden Händen. Der Orgasmus strömte durch ihren Körper wie eine Hitzewelle. Sie stöhnte vor Lust. Als die Welle verebbt war, lag sie mit geschlossenen Augen da und lauschte ihren tiefen, erschöpften Atemzügen.
Sie öffnete die Augen. Der Faun stand dicht an ihrem Bett und blickte auf sie herab, türmte sich über ihr auf als mächtiger Schatten. Seine Augen glommen schwach in grünem Licht.
Sie wollte schreien. Sie öffnete die Augen.
Dort war keine Gestalt. Sie atmete in abgehackten Stößen. Kalter Schweiß bedeckte ihren Körper. Mit der linken Hand tastete sie nach der Funkenzange. Ihre Hände zitterten so sehr, dass sie mehrere Versuche brauchte, bis das Licht flackernd den Raum erhellte. Er war leer und unberührt, sie war allein. Zögernd, als müsste sie über eine Eisfläche gehen, ging sie zu Wand und berührte die Stelle, an die sie gestern das Tor gemalt hatte. Sie fühlte nur kalten, glatten Stein.
Nackt und zitternd setzte sie sich auf den Boden. Sie schloss die Augen und umfasste ihre Knie. Die Stille des nächtlichen Klosters umgab sie wie ein kalter See und doch spürte sie einen Rest der Erregung, schlummerte eine Hitze zwischen ihren Schenkeln.
Das Buch. Taumelnd kam sie auf die Beine und legte sich ihre Bettdecke um die kalten Schultern. Dann rückte sie vorsichtig ihre Kleidertruhe von der Wand und tastete nach dem Manuskript, dass sie dort versteckt hatte, bis sich eine Gelegenheit ergab, es wieder an seinen Fundort zu legen. Sie zog es hervor und setzte sich auf die Bettkante, blätterte darin uns starrte auf die alten Seiten. Hatte sie etwas übersehen?
In diesem Augenblick klopfte es an ihrer Tür und ohne abzuwarten, wurde sie geöffnet. Elia zuckte zusammen und ließ das Manuskript hektisch unter der Bettdecke verschwinden. Die Frau, die den Raum betrat, war Majero Serpentin, Oberin des mythagischen Ordens, Hüterin letzten Wissens.
Majero Serpentin ließ ihren Blick schweigend und ernst durch Eilas Zimmer wandern als suchte sie nach Anhaltspunkten. Eila war zu erschüttert von diesem unerwarteten und beispiellosen Besuch, um das Wort zu ergreifen. Die suchenden Augen der Oberin glitten über das zerwühlte Bett, blieben kurz an der Kerze hängen, mit der sich Eila befriedigt hatte, bemerkten die abgerückte Kleidertruhe, studierten den Schreibtisch, die Vorhänge und verharrte dann auf Eila, die notdürftig von der Decke umhüllt am Bettrand saß.
»Novizin Eila«, sagte Majero Serpentin mit ihrer dunklen rauen Stimme, »ist hier etwas Besonderes vorgefallen?« Ihre grauen Augen blickten Eila an als wäre sie ein krankes Tier, über dessen unglückliches Schicksal sie zu entscheiden habe. Ein Blick voller sachlicher Kälte, mit der sie ebenso gut eine Spur im Schnee oder einen ungewöhnlichen Schmutzfleck hätte studieren können.
Eila versuchte, ihrer Stimme einen ruhigen Klang zu geben. »Nein Oberin«, antwortete sie und in ihren eigenen Ohren klang es wie ein schuldvolles Krächzen. Die oberste Hüterin des mythagischen Ordens war im Schlafgewand erschienen, als habe sie eine wichtige Sache eilig aus dem Bett geholt. Ihr langes Haar, von grauen Strähnen durchzogen, fiel offen über ihre Schultern. Auch in diesem Aufzug strahlte die mythagischen Meistern nicht die geringste Spur von Güte und Verständnis aus.
»Ich habe etwas …«, Majero Serpentin zögerte, als würde sie bewusst eine Kunstpause machen, »Beunruhigendes gespürt.« Sie schloss die Tür hinter sich und trat näher. »Es schien als würde es von hier kommen. Aber nun«, sagte sie, während sie sich nochmals umblickte, »ist es fort.«
»Ich weiß nicht«, antwortete Eila spärlich.
»Du weißt nicht, ob es fort ist?« Majero Serpentins zuckte herum und studierte Eilas Gesicht mit frostigen Augen.
»Nein«, Eila musste gegen ihren Willen schmerzhaft schlucken, »Ich weiß nicht, was sie meinen. Hier ist nichts.«
»Vielleicht.« Irgendwo hinter dem Gesicht der Oberin schien sich eine harte Anspannung zu lockern. Für einen Moment erschien ein schmales Lächeln auf ihren Lippen und ein wehmütiger Blick zog so schnell vorbei wie der Schatten eines Vogels. Diese Regung war so ungewöhnlich und flüchtig, dass Eila nicht sicher war, ob sie diese Gefühlsschwankung überhaupt gesehen hatte.
Mit einem schnellen Schritt trat Majero Serpentin vor und riss Eila die Decke von den nackten Schultern. Das schmale Manuskript fiel zu Boden. Schneller als Eila reagieren konnte, ging die Oberin in die Knie und hob das ledergebundene Bändchen auf. Sie zog eine Augenbraue hoch und bedachte Eila mit einem Blick, der deutlicher als Worte zum Ausdruck brachte: Siehst du? Ich habe es gewusst.
Nun geschah es zum zweiten Mal, dass ein ganz und gar ungewöhnlicher Gefühlsausdruck über das Gesicht von Majero Serpentin flackerte. Nur einen Augenblick, als durchbreche er aus großer Tiefe eine Oberfläche aus Überlegenheit und Zurückweisung. Diesmal war Eila sicher, dass sie sich nicht täuschte. Was war es gewesen? Ein Ausdruck von Angst? Oder Schrecken und Erregung? Eines konnte Eila mit Sicherheit sagen: Die Oberin kannte dieses Buch. Dort war ein Moment des Wiedererkennens gewesen. Majero Serpentin blätterte in dem Buch und studierte seine Seiten. Eila wurde klar, dass die Oberin den alten Text, den sie selbst mühsam über Stunden übersetzt hatte, lesen konnte wie einen Einkaufszettel für den Wochenmarkt.
Als sie Eila wieder ansprach, hatte ihre Stimme endgültig jegliche Restwärme verloren. »Novizin Eila, hast du in diesem Buch gelesen? Hast du irgendwelche Praktiken vollzogen, die hier beschrieben sind?« Ihr Blick bohrte sich in Eilas Augen wie ein Seziermesser.
Eila war unfähig wegzusehen oder zu zwinkern. Sie hörte ihre eigene Stimme antworten wie aus großer Ferne: »Nein, Oberin Serpentin. Ich habe das Buch beim Aufräumen im Bücherkerker gefunden.«
»Du hast es nicht gelesen?«
»Nein, Oberin Serpentin.«
Majero Serpentin blickte an Eila vorbei auf das zerwühlte Bett. Als sie weitersprach, schien sie für einen Moment ihres Zorns müde zu werden. »Es gibt Tore, die sind geschlossen. Doch die Tore unserer Klosterburg sind Tag und Nacht unverschlossen und dennoch durchschreiten wir sie nicht. Und wenn die Novizinnen vor ihrer Zeit das Kloster verlassen, können sie niemals zurückkehren. Sie werden, was sie waren, Bauern und Leibeigene. Das hier«, sie hielt das schmale Manuskript fest in der Hand, »ist keine Lösung. Es ist gefährlich. Vor allem für Novizinnen.«
Eila wagte nicht zu antworten.
Majero Serpentin trat näher und nahm das Kinn der Novizin in die Hand. Langsam drehte sie Eilas Kopf zur Seite und betrachtete sie. »Du bist so jung«, sagte sie als würde sie über eine schöne, seelenlose Blume reden. Dann strich sie mit dem Handrücken über Eilas Wange und sah auf ihre volle und schöne Brüste. Die kleinen Brustwarzen waren fest und spitz durch die kühle Luft auf Eilas Haut. »Möchtest du durch die Tore des Klosters gehen? Zurück zu den Schreibstuben und Schweineställen?«
Auch jetzt brachte Eila nicht den Mut auf, eine Antwort zu geben. Sie schloss die Augen und nach einem Moment spürte sie, wie die Oberin ihre Hand von Eilas Gesicht löste. »Dass du dieses Manuskript bei dir versteckt hast, kann nicht ohne Konsequenzen bleiben«, fuhr sie in einem geschäftsmäßigen Ton fort. »Ich werde darüber nachdenken.«
Eila öffnete die Augen und sah, dass die Oberin zur Tür getreten war. »Natürlich verbiete ich dir, darüber zu reden«, sagte sie zum Abschied, als würde sie für ein Kind eine Selbstverständlichkeit sicherheitshalber wiederholen.
Als Majero Serpentin die Tür von außen geschlossen hatte, sank Eila zurück auf ihr Bett. Sie atmete tief und spürte, wie sich ihr Herzschlag langsam normalisierte. Erschöpft rollte sie sich in ihre Decke und fiel in einen unruhigen Schlaf, der seine seltsamen Träume für sich behielt.
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Der Wohntrack der Oberin des mythagischen Ordens lag oberhalb der Schlaf- und Essräume der Novizinnen. Die schmalen Fenster waren geschlossen und dunkle Samtvorhänge sperrten das spärliche Sternenlicht aus. Das einzige Licht kam von den Kerzen, die kunstvoll auf dem Boden des Raumes angeordneten waren. Majero Serpentin starrte auf das Tor aus Kreidestrichen, das sie an die Steinwand gezeichnet hatte, nachdem sie einen kostbaren Webzauber abgehängt und sorgfältig eingerollt hatte. Sie saß an ihrem Studiertisch und blickte für lange Zeit nachdenklich auf die mythagische Anordnung. Aufgeschlagen auf dem Tisch lag das alte Manuskript. Schon während des Rückwegs von dieser dummen und unreifen Novizin hatte sie innerlich mit sich gerungen. Sie spürte eine feurige, fast wütende Erregung und zugleich Furcht. Es war die Angst des Süchtigen vor dem Rückfall. Doch jenseits ihres inneren Ringens wusste sie längst, dass dies nur ein Schaukampf war. Die Entscheidung hatte bereits festgestanden, als sie das Manuskript auf dem Fußboden vor dieser jungen Närrin gesehen hatte. Vielleicht, so überlegte Majero, sogar schon, als sie den alten lustvollen Sog in den mythagischen Fäden der Klostermauern gespürt hatte. Die Novizinnen, die erst am Beginn eines jahrzehntelangen Lernens waren, konnten diese Fäden nicht spüren. Doch Majero hatten sie in die Kammer von Eila geführt.
Majero erhob sich und trat in die Mitte zwischen den Kerzen. Sie öffnete die Knöpfe ihres Gewandes und lies ihr Nachthemd über die Schultern zu Boden sinken. Nackt stand sie im flackernden Licht vor der Steinwand. Trotz ihrer Reife war ihr Körper fest und wohlgeformt, auch wenn er nicht mehr die flüchtige Glätte der Jugend besaß. Die dunklen Höfe der großen Brustwarzen und das schwarze Haar zwischen ihren Beinen bildeten einen Kontrast zur hellen Haut ihrer schweren Brüste und Schenkel.
Majero Serpentin schloss die Augen und öffnete leicht ihre Lippen. Ihr Atem ging schneller. Langsam begann sie mit den rituellen Bewegungen der Arme und spürte, wie sich um sie die mythagischen Fäden in einem komplexen Wirbel neu ordneten.
Wie ein aufbäumender Schatten trat lautlos eine große Gestalt hinter sie. Sie spürte die animalische Hitze eines kraftstrotzenden Körpers, der sie an sich presste. Eine kräftige Hand umfasste ihre Brust und von hinten glitt eine zweite Hand zwischen ihre Schenkel und schob einen Finger leicht und tief in ihre feuchte Spalte.
Majero stöhnte lustvoll auf, als sie mit nur wenigen Bewegungen des Fingers dicht vor einen Orgasmus getrieben wurde. »Du … du bist ja schon da …«, keuchte Majero und ließ ihren Kopf nach hinten sinken.
Der Faun beugte sein schönes, herrisches Gesicht herab und glitt mit seiner Zunge über Majeros Ohr. Die Oberin spürte die Rundung eines Horns, das sich leicht gegen ihr Haar drückte.
»Ich kenne dich«, sagte der Faun mit seiner dunklen Stimme, die klang als würde sie durch die Blätter eines unwegsamen und uralten Waldes rauschen. Mit seinem Finger brachte er die Oberin leicht und zielsicher zu einem heftigen Orgasmus, bei dem er sie fest umschlossen hielt, damit sie nicht zu Boden sank.
»Ja«, flüsterte Majero Serpentin rau, »aber es ist lang her.«
»Nicht für mich, du sterblicher Falter.« Er schob ihr einen zweiten Finger in die nasse Spalte und drückte mit einem Daumen sanft die Pobacken auseinander um ihr Poloch zu massieren. »Ihr seid wie Motten am Feuer. Flüchtig und trunken.«
»Eila, diese Närrin …«, stöhnte Majero, während sich ihre Geilheit aufs Neue steigerte. Der Faun hatte seine andere Hand nach unten über ihren Bauch und Schamhügel gleiten lassen und massierte ihren geschwollenen Kitzler, während sich seine Finger in Spalte und Po bewegten.
»Sie hat gelogen«, flüsterte Majero mühsam. »Und sie hat einen Fehler gemacht.«
Die Oberin spürte ein mächtiges halbsteifes Glied, das immer schwerer gegen ihren Rücken drückte, während sie von einem zweiten Orgasmus überschwemmt wurde. Der Faun drehte sie um und blickte die Oberin mit dunkelgrünen Augen an, zwei tiefe Brunnen voller verlorener Wünsche. Die Hände des Fauns legten sich auf die Schultern der Oberin und drückte sie sanft nach unten. Bereitwillig kniete sich Majero vor dem Faun auf den Boden. Ein großes dunkles Glied reckte sich ihr entgegen. Die Oberin starrte auf den wohlgeformten Schwanz und seine große Eichel. Mit ihren Fingerspitzen fuhr sie langsam den Schaft entlang und umschloss ihn zögernd. Als sie das warme feste Fleisch in ihrer Hand spürte, begannen ihre Augen vor Erregung zu schimmern. Langsam bewegte sie ihre Hand vor und zurück, während der Faun ein tierhaftes Brummen der Zufriedenheit erklingen lies. Majero massierte den großen Schwanz mit immer festeren Bewegungen und fuhr mit der anderen Hand zwischen die muskulösen Schenkel des Fauns und umfasste den großen Hodensack.
Sie beugte sich vor und liebkoste mit der Zungenspitze das kleine Loch der Eichel. Sie öffnete die Lippen und lies die Eichel des Fauns in ihre Mundhöhle gleiten, groß und fest und mit einem erregend würzigen Geschmack. Tief lies sie ihn eindringen, weit in ihren Rachen hinein. Langsam zog sie ihren Kopf wieder zurück und umspielte die Eichel mit ihrer Zunge. Der Faun gab einen weiteren kehligen Laut von sich. Ihre Kopfbewegungen wurden schneller, begleitet von den Bewegungen ihrer Hand. Sie hatte die Augen geschlossen und gab sich dem Genuss dieses enormen Schwanzes hin. Plötzlich spürte sie eine große Hand auf ihrem Kopf, die mit festem Griff in ihre Haare fasste und ihre Bewegungen fordernd begleitete. Mit einer Hand strich Majero über die unglaublich muskulösen Schenkel. Sie waren von einem kurzen weichen Haarkleid bedeckt, das so natürlich und selbstverständlich wirkte, dass die menschliche Nacktheit dagegen wie ein Makel erschien.
Als sich der Faun mit einem tiefen Grollen in ihren Mund entlud, glaubte sie für einen Moment ersticken zu müssen. Vor ihren geschlossenen Augen öffnete sich ein hypnotischer Wirbel aus grünen Farben, der wie eine Wolkenwand zerriss und einen Blick in eine fremde Welt öffnete. Weite fruchtbare Ebenen, unsagbar alte Wälder, bevölkert von tierhaften Wesen und bizarren, engelsgleichen Geschöpfen unter einem Himmel, der wie ein wildes Meer aus dunklen Farben drohend schäumte. Ein lustvoller Sog schien sie in diese menschenfeindliche Welt hinabzuziehen, um sie dann schmerzhaft und mit der Wut eines ungeduldigen Tieres zurückzustoßen.
Keuchend und nach Luft schnappend fuhr Majero Serpentin zurück. Sie musste sich mit einer Hand abstützen, rang nach Atem. »Was…«, krächzte sie mit schmerzender Kehle. »Was war das?«
Sie bekam keine Antwort, und als sie ihren Kopf hob und ihr Blick sich klärte, sah sie, dass sie allein war. Die Kerzen flackerten still in ihrem Raum. Nur ihr eigenes, hartes Atmen war zu hören.
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Goldene Blätter an dunkelbraunen Ranken bildeten ein kunstvolles Muster, das die bleichen Stämme hoher, schlanker Laubbäume wie Efeu umgab. Wind fuhr durch sie hindurch und lies sie schimmernd erzittern. Das Innere des lichten Waldes, dessen Boden von Streifen aus Sonnenlicht erhellt war, verlor sich in der Ferne wie eine unermessliche Halle aus Bäumen. Im Vordergrund lag ein klarer See, auf dem herabgefallenes Laub einen harmonischen Kontrast zu den großen roten Fischen bildete, die mit ruhigen Bewegungen durch das kühle klare Wasser schwammen.
Paliro hörte das Rauschen der Blätter und das vereinzelte Schlagen eines Fisches dicht unter der Oberfläche, wenn er neugierig nach einem Zweig oder Blatt schnappte. Der Wind war süß und warm, roch nach Moosen und Wildblumen. Die Welt war nach unvollkommen und sie wuchs an ihren Rändern und in ihrem Inneren. Paliro lies das Schiffchen durch die Fäden des Webstuhls gleiten und bediente das Trittbrett. Sie sammelte und sortierte die Fäden, folgten ihren unsichtbaren und sichtbaren Mustern. Ihr Geist musste nicht auf der hölzernen Sitzbank verbleiben, denn dieser Webzauber war bereits groß genug, um den mythagischen Fäden in seine Welt folgen. Dies war auch notwendig, denn nur so konnte er vollendet werden. Paliro kniete am Ufer des Waldsees, hielt eine Hand ins Wasser und lächelte, als einer der würdevollen Fische sanft an ihren Fingern knabberte. Sie hatte Sonnenlicht in diese Welt gewoben, das auf den Wellen schimmerte, wann immer sich das Wasser bewegte. Barfuß lief sie das Ufer entlang, spürte das Moos unter ihren Fußsohlen. Gleichzeitig sah sie die unfertigen Stellen und Ränder, wo diese Welt noch in ihrem selbstvergessenen Schlummer lag. Faden für Faden holte Paliro diese Welt empor, wie es ihr gefiel und wie es die Fäden ihr anboten.
Sie runzelte die Stirn, als das Rauschen der Blätter einen drängenden Ton annahm, als hätte sich ein fordernder Herbstwind hinzugesellt. Regenluft strömte über den Teich und kräuselte seine Oberfläche, machte sie matt und undurchsichtig. Paliro blickte sich ängstlich um, als sie glaubte eine Bewegung wahrgenommen zu haben, tief im Wald. Zögernd verließ sie das Seeufer und begann, in den Wald hinein zu gehen. Der Wald hatte sich kaum spürbar verändert, oder bildete sie es sich ein? Erdige Gerüche erfüllten die Luft und ein schwerer Duft wie von Nachtschattenblumen. Was geschah hier, welche unbekannten Dinge wurden plötzlich in ihrem Webzauber spürbar? Etwas Ähnliches hatte Paliro niemals zuvor erlebt. Sie sah eine Gestalt, undeutlich und fern zwischen den Bäumen. Der Eindringling lief mit großen Schritten auf sie zu und trotzdem schien seine Annäherung eher wie die Verzerrung der Perspektive.
Paliro fühlte Angst aufsteigen, trat einen Schritt zurück und wollte den Webzauber verlassen. Ihre Angst steigerte sich zu Panik, als sie merkte, dass sie nicht zurück konnte. Etwas hielt sie in dieser Welt fest. Unvermittelt stand die Gestalt vor ihr. Paliro hörte das Knurren von Tieren, Vogelschreie und in der Ferne das lustvolle Röhren eines Hirsches. Sie stürzte in diese grünen Augen und mit einer fließenden Bewegung trat der Faun in sie ein. Wie eine Ertrinkende versank ihr Geist, wurde mit Leichtigkeit in die Tiefe gedrängt, als die wilde Lust einer fremden Seele von ihrem Körper Besitz ergriff.
Paliro hob den Kopf und blickte über die Reihen der Webstühle. Kerzenbesetzte Leuchter hingen vom Fassgewölbe des großen Saales und tauchten die Reihen der Webstühle in ein warmes Licht. Hier lag das wahre Zentrum des mythagischen Ordens. Hier schufen die Novizinnen die Webzauber und lernten die mythagischen Fäden zu beherrschen. Paliro hörte das gleitende Geräusch der Schiffchen, dass Knarren der Spannseile und das hölzerne Klacken, wenn die Novizinnen ihre Trittbretter bedienten. Die Webzauber dieses Jahrgangs waren schon fortgeschritten und so blieben die Gesichter der meisten Novizinnen ausdruckslos. Ihr Blick ging ins Leere, während die Hände mit unfehlbarer Sicherheit ihre komplizierten Griffe ausführten. Ihr Bewusstsein weilte in den von ihnen geschaffenen Welten. Webzauber waren Nischen des Daseins, sie waren Fiktion und doch Wirklichkeit, Bilder mit einer tieferen Realität.
Paliro blickte auf ihre Hände und bewegte die Finger, als würde sie auf einer unsichtbaren Flöte spielen. Sie lächelte und für einen flüchtigen Augenblick hatte dieses Lächeln einen männlichen ironischen Zug. Sie fasste sich langsam an die Brust und spürte durch den Leinenstoff, wie sich die kleinen Knospen ihrer schmalen Brüste aufrichteten.
Paliros Augen glitten über die Reihen, bis sie Eila gefunden hatte. Ihr Kopf mit den kurzen blonden Haaren war leicht gesenkt, die Kapuze des Gewandtes war zurückgeschlagen und gab die schöne Linie ihres Nackens frei. Eilas Geist war nicht in ihrem Webzauber. Sie steckte eine neue Fadenrolle in eine Halterung und korrigierte die Spannfäden. Trotz ihrer routinierten Bewegungen spürte Paliro mit ihren gesteigerten Sinnen, dass Eila nicht bei der Sache war. Sie strahlte Müdigkeit und Verlorenheit aus.
Paliro rutschte von ihrer Sitzbank und schritt langsam zwischen den Webstühlen hindurch.
»Paliro«, Eila blickte überrascht auf, dann lächelte sie.
Paliro beugte sich zu Eilas Ohr. »Ich muss in die Garnkammer«, flüsterte sie. »Kommst du mit?«
»In die Garnkammer? Jetzt?« Eila blickte sich um, aber keine der Lehrschwestern war zu sehen. Am Ende des ersten Jahrgangs wurden die Schülerinnen kaum noch beaufsichtigt.
»Ich will ein Wesen in meinen Teppich weben«, flüsterte Eila und blickte sich ebenfalls verstohlen um. »Ich brauche einen Seelenfaden.«
»Ein Wesen? Bist du verrückt?« Eila schaute ihre Freundin irritiert an. »Das kommt erst im dritten Jahrgang.«
»Nur ein ganz kleines, das findet die Oberin nie«, kicherte Paliro. »Komm schon. Wir können es längst.« Sie funkelte Eila an. »Erzähl mir nicht, dass du noch nie einen verbotenen Faden gewebt hast oder ein heimliches Ritual vollzogen.«
Eila senkte die Augen.»Na gut«, sagte sie schnell. »Ich kann mich heute sowieso nicht konzentrieren.«
Die beiden jungen Frauen verließen leise den Webraum. Niemand schöpfte Verdacht, die meisten Novizinnen waren in ihrem Zauber versunken.
****
Die Garnkammer war weitaus mehr als eine Kammer, obwohl sie schon immer so genannt wurde. In diesem großen Gewölbe tief im Felsen des Klosterberges lagerte das mythagische Rohmaterial und unzählige kostbare fertiggestellte Webzauber in allen erdenklichen Größen. Im Licht der Öllampen, die Eila und Paliro entzündet hatten, gingen sie zwischen den Stapeln der Teppiche und Tücherballen. Auf hohen Regalen lagerten Garnrollen und Fäden in allen erdenklichen Farben und Kombinationen, an den Wänden hingen dunkle Webzauber, die vergessene Landschaften, historische Szenen, Märchengestalten und rätselhafte Traumbilder zeigten. Einige dieser mythagischen Webzauber mussten Hunderte von Jahren alt sein.
Fasziniert blickte Paliro sich um. »Ein beachtliches Wissen ist hier versammelt. Für Sterbliche.«
Eila blickte ihre Freundin skeptisch an. Lächelnd schüttelte sie den Kopf und hielt die Öllampe in die Höhe, um die verblichenen Messingschilder an den Regalen besser lesen zu können. »Wonach suchst du eigentlich genau?«, fragte sie.
Paliro hatte sich auf einem Teppichstapel niedergelassen und lies die Beine über die Kante baumeln. Sie hatte die Öllampe abgesetzt und strich mit einer Hand über die kunstvoll gewebte Oberfläche. Sie zeigte eine Wüstenlandschaft. Die Klosterburg des mythagischen Ordens war weit von der nächsten Wüste entfernt und doch hatte eine unbekannte Novizin das lebendige Bild einer Oase in sternenklarer Nacht geschaffen. Die Fäden schimmerten im Licht der Öllampe, doch der Webzauber blieb stumpf, seine Welt schlief einen unbekannten Traum.
»Setz dich doch einmal zu mir.« Paliro lächelte, ohne aufzublicken.
Eila stellte ihre Lampe ab und setzte sich neben die junge Frau, zog sich auf den Stapel und lies ebenfalls die Beine über die Kante hängen. »Was ist mit dir?«, fragte sie, doch ganz ohne Sorge in ihrer Stimme.
Paliro blickte sie mit einem schnippischen Gesichtsausdruck von der Seite an. »Jetzt sag bloß nicht ‚Du bist heute so ganz anders.‘«
»Naja«, Eila zuckte mit den Schultern. »Was willst du denn wirklich hier?«
Paliro rutschte vom Stapel und stellte sich vor ihre Freundin. Die Andeutung eines Lächelns lag in ihren Mundwinkeln, als sie Paliro über die kurzen Haare strich. Mit ihrem Zeigefinger fuhr sie Eilas Nasenrücken hinunter, berührte ihre Lippen und das Grübchen über ihrem Kinn. Dann strich sie mit beiden Händen über Eilas Schultern. Sie beugte sich vor, bis sich ihre Lippen berührten. Sanft küsste sie Elia.
Zögernd, fast gegen ihren Willen begann Elia den Kuss zu erwidern. »Ich weiß nicht«, sagte sie stockend, als wäre sie durch ihr eigenes Verhalten eingeschüchtert.
Paliro lächelte sie an. »Wenn es dir nicht gefällt, höre ich sofort auf.«
Diesmal wurde ihr Kuss durch geöffnete Lippen empfangen. Paliro Hände umfassten zärtlich Eilas Kopf und Nacken. Eila hatte die Augen geschlossen. Paliro drückte Eila einen Kuss auf das Kinn und liebkoste sanft ihren Hals. Ihre Finger öffneten geschickt die obersten Knöpfe von Eilas Novizinnengewand. Sie schob den Stoff nach hinten und Eila half ihr, indem sie ihre Arme aus den weiten Ärmeln zog. Während sie ihre Freundin weiter mit Küssen bedeckte, strich sie mit ihren Händen über die Brüste unter Eilas dünner Leinenbluse. Nun begann auch Eila, ihre Freundin zu berühren, umfasste ihre Seiten und strich über die Hüften.
»Na komm«, grinste Paliro und zupfte an der Bluse.
Eila lächelte und zog sich das dünne Kleidungsstück über den Kopf, warf es achtlos fort. Paliro beugte sich vor und küsste abwechselnd die hübschen Brustwarzen, die sich schnell hart aufrichteten. Sie nahm die Nippel abwechselnd in den Mund und saugte daran, umspielte sie mit der Zunge und streichelte dabei Eilas Arme. Eila keuchte überrascht auf und schloss die Augen, genoss Paliros Liebkosungen. Dann fuhren Paliros Hände tiefer und zogen Eila sanft vom Teppichstapel. Das Gewand sank vollends zu Boden und Elia lies es geschehen, dass die andere Frau die Schleife ihres Beinkleides löste und nach unten zog.
Elia stieg aus der Leinenhose und stand nun nackt vor dem Teppichstapel. Paliro bedeutete Eila, sich wieder auf den Rand zu setzen. Eilas Atem ging schneller und ein erregter, erwartungsvoller Ausdruck lag auf ihrem Gesicht.
Sie küssten sich und Paliro schob die nackten Schenkel ihrer Freundin auseinander. Sie ging in die Knie und küsste die Innenseiten, wanderte über die warme Haut höher und erreichte die Wölbung des Schamhügels. Mit der Zungenspitze fuhr sie die feuchten Lippen entlang und tauchte ein, um den Kitzler zu berühren. Elia stöhnte leise auf, als Paliro Erfolg hatte. Eilas Knospe war klein, doch wie Paliro zu ihrem lustvollen Vergnügen feststellte, sehr empfänglich für die Bewegungen ihrer Zunge. Paliro nahm ihre Hand hinzu und spreizte die Schamlippen, lies die vorgewölbte Perle zwischen die Finger gleiten. Dann schob sie zwei Finger in die Spalte, während sie mit ihrem Mund an Elias Kitzler saugte. Elias Schenkelmuskeln zuckten und ihr Atem ging keuchend mit einem kaum hörbaren Wimmern.
»Na, soll ich aufhören?«, fragte Paliro liebevoll.
»Nein, bitte«, flüsterte Elia, »mach weiter.«
Paliro öffnete die Schamlippen mit ihren Fingern noch etwas weiter und steigerte die Lust ihrer Freundin mit geschickten Zungenschlägen. Dazwischen massierte sie den Kitzler immer wieder mit schnellen Bewegungen ihrer Finger. Als sie spürte, dass sich Elias Lust dem ersten Höhepunkt näherte, legte sie zusätzlich eine Hand flach oberhalb des Schamhügels und übte einen leichten Druck aus.
Als sie zum Orgasmus kam, musste Elia Lachen.
»Das findest du also komisch«, spottete Paliro zwischen ihren Beinen.
Statt zu antworten, zog Eila die andere Frau zwischen ihren Schenkeln empor und küsste sie leidenschaftlich, lies ihre Zunge tief in Paliros Mund gleiten. »Das ist bei mir immer so«, keuchte Elia und löste sich grinsend von Paliro. Schnell half sie ihrer Freundin dabei, sich ebenfalls auszuziehen, dann legten sich die beiden auf den Stapel der Webzauber. Paliros Brüste waren im Gegensatz zu Elia knabenhaft flach. Eila küsste sie und umspielte ihre festen Spitzen mit der Zunge, während sie ihre Finger zwischen die erstaunlich großen Schamlippen gleiten lies, um den hervorstehenden Kitzler zu massieren.
Paliro streichelte Eilas Brüste, während Eila zwei Finger in die Spalte schob und mit dem Daumen am harten Lustzapfen spielte. Eng umschlungen und küssend lagen sie auf den Teppichen, als Paliro ihren Höhepunkt erreichte, am ganzen Körper zitternd, doch ohne einen Ton von sich zu geben.
»Jetzt ich wieder«, sagte Paliro und legte ihre Hand auf Elias Spalte, lies ebenfalls zwei Finger hineingleiten. Sie rutschte tiefer und begann wieder, Eilas Kitzler zu lecken, während sie auch den dritten Finger tief in die feuchte Höhle schob und fickende Bewegungen machte.
Eila keuchte und war überrascht, wie intensiv diese Bewegungen waren. Fast, als wäre ein richtiger Schwanz in ihr. »Mach weiter damit«, bat sie ihre Freundin. »Das ist wunderbar.«
Ohne mit den Bewegungen ihrer Finger innezuhalten, kam Paliro wieder höher und legte einen Arm um Eilas Schultern. Halb über sie gebeugt blickte sie ihr in die Augen, während sie Eila mit ihren Fingern liebte. Ihre Bewegungen wurden schneller, stoßender.
Ein Schauer ging durch Elias Körper. »Meine Güte, was …«
Ein warmer würziger Windhauch berührte sie im Gesicht, ein raschelndes Geräusch lies sie an die Blätter großer Farne denken, die sich im Wind rieben. Hinter Paliros Kopf öffnete sich ein Sternenhimmel, so voll und prächtig, wie Elia ihn noch niemals gesehen hatte. Schlanke Umrisse großer Palmen bewegten ihre ausladenden Blätter im Wind. Eila hörte leises Plätschern, wie von einer kleinen Wasserquelle. Paliros Finger stießen fest und tief in ihre Spalte und Eila wimmerte vor Lust. Der Boden unter dem dünnen Seidentuch, auf dem sie lagen, war weich und nachgiebig wie feiner Wüstensand. Die Luft war warm und sie roch, als wäre sie mit exotischen Gewürzen angereichert.
Sie waren im Webzauber. Wie konnte das passieren? Keine von ihnen hätte sich im Liebesspiel auf den Übergang konzentrieren können. Oder doch? Sie blickte in Paliros Gesicht. Ihre Augen schimmerten grün.
Dort wo Paliros Finger gewesen waren spürte Elia die harte Eichel eines großen männlichen Glieds zwischen ihren Schamlippen, das mit einer gleitenden Bewegung tief in sie fuhr. Eila stöhnte auf. Dieser Schwanz weitete ihre Spalte und füllte sie bis in den letzten Winkel, aber er fühlte sich fantastisch an. Ein großer, kraftvoller Körper bewegte sich zwischen ihren Beinen, drückte ihre Schenkel auseinander und vögelte sie in einem wunderbaren, schwungvollen Rhythmus.
Paliro war verschwunden. Das gehörnte Gesicht des Faun blickte auf sie herab. Er lächelte Elia mit seinen vollen Lippen an und tief in seinen Augen glomm grünes Feuer. Der Faun erhob seinen muskulösen Oberkörper und stützte sich mit seinen Armen neben Elia. Der Schwung seiner Hüfte trieb seine harte Männlichkeit wieder und wieder in Eilas nasse Lusthöhle.
»Nein«, keuchte Eila und hob ihre Hände an die dunkle Brust des Fauns, doch der Versuch, ihn fortzudrücken, war so vergeblich wie der Kampf eines Tierkindes gegen die Kraft eines Bären. Und mit jedem Stoß des Fauns verlor sich Elia mehr im Gefühl ihrer Lust und ihr Widerstand versiegte. Dieser herrliche Pfahl rieb an den empfindlichsten Stellen und der Faun schien in die tiefsten Geheimnisse ihrer Lust zu blicken. Jede Rhythmusänderung, jede Beschleunigung und jede Bewegung dieses Körpers war in perfektem Einklang mit ihren geheimsten Sehnsüchten. Eila spreizte ihre Beine noch weiter und umfasste mit beiden Händen die Hüfte ihres Liebhabers.
Die Stimme des Faun war tief und melodisch. »Du hast mich gerufen, Menschenkind.« Mit einer fließenden Bewegung glitt er auf die Seite und drehte sich, ohne sein Glied aus ihrer Spalte zu ziehen, auf den Rücken, setzte sie auf sich. Eila richtete sich auf und umfasste ihre schweißbedeckten Brüste, während sie den Schwanz des Fauns ritt. Sie lagen auf einer kunstvoll bestickten Decke neben dem sternenbeschienenen Teich einer einsamen Oase. Eine kleine Quelle speiste den Teich über sprudelnde Steine.
Dieser Anblick löste Eila für einen Moment aus ihrer Ekstase. »Die Kerze«, keuchte sie. »Ich habe sie umgetreten.«
Der Faun lachte mit einem tiefen, kehligen Grollen. Er umfasste Eilas Hüfte und bewegte sie wie eine Spielzeugpuppe auf und ab. Sein Schwanz erfüllte Eilas Unterleib mit einer glühenden Wärme. Die Hitze floss durch ihren ganzen Körper mit einem Lustgefühl, das so mächtig war, dass Eila schrie. Es war zu viel.
Der Faun stand ohne die geringste Mühe auf und hielt Eila auf seiner Hüfte fest. Im Stehen vögelte er sie wild, während sie sich an seine Schultern krallte und seine Hüften mit ihren Beinen umschlossen hielt. Ihre Nerven brannten in einer niemals zuvor empfundenen Ekstase.
»Das ist zu viel!«, stöhnte Eila. »Bitte nicht.« Sie schrie ihre Lust in die menschenleere Nacht. »Höre niemals auf!«, schrie sie. »Niemals! Fick mich für alle Ewigkeiten!«
»Das, Menschenkind!«, rief der Faun mit einer Stimme lauter als ein tobender Sturm, »Ist Lust!«
Ein gewaltiger Orgasmus zerriss die Nacht, zog Eila, wie über die Kante eines tosenden Wasserfalls, hinab in die Dunkelheit.
Nach Luft ringend und nass vor Schweiß lag Elia auf den Teppichen, starrte mit weit geöffneten Augen ins Leere. Ihre Schulter schmerzte, wo Paliro sie festgehalten hatte. Ihre Freundin zog die Finger aus Eilas feuchter Höhle.
»Ach du meine Güte«, sagte Paliro und blickte Eila mit einer Mischung aus liebevoller Verwirrung und Furcht an, »du gehst ja ab.«
Eila griff nach Paliros Kopf und zog ihn zu sich. Sie blickte ihr in die Augen. Sie waren klar und ohne jede Spur von Grün.
»Bis du noch da?«, rief sie.
»Du tust mit weh!«
»Mach das nie wieder! Niemals! Wieder!«
»Lass mich los, Elia!« Angst war in Paliros Stimme. Sie versuchte, Eilas verkrampfte Hände zu lösen. »Was machst du, bist du verrückt?«
Als würde sie erwachen, lies Elia ihre Freundin los. »Es tut mir leid«, flüsterte sie. »Es tut mir leid.«
Schnell sammelte sie ihre Kleidung ein und stolperte durch die Gänge in Richtung Ausgang.
»Hey!«, rief Paliro hinter ihr her. »Warum sind wir überhaupt hier? Eila! Was ist hier eigentlich los!«
Die einzige Antwort, die sie bekam, war das Geräusch einer schlagenden Tür.
****
Am nächsten Tag erschien Elia nicht zur Morgenmeditation und auch nicht zum gemeinsamen Frühstück im Speisesaal. Als die anderen Frauen mit der ersten Webstunde des Tages begannen, blieb Elias Webstuhl leer. Paliro überlegte, ob sie nach ihrer Freundin sehen sollte, doch etwas hielt sie zurück. Sie kämpfte innerlich darum, eine Erklärung für die Vorgänge des vorigen Abends zu finden. Paliro hatte keine Ahnung, wie sie beide in die Garnkammer gekommen waren und wie ihr Liebesspiel begonnen hatte. Eila war ihr fremd und bedrohlich erschienen.
Die junge Novizin, die Majero Serpentin zu ihr schickte, fand Eila sitzend am schmalen Fenster ihres Zimmer. Sie hatte sich eine Decke um die Schultern gelegt und blickte hinaus in einen matten schneegrauen Tag. Hofmauern und Gebäude verdeckten den Blick hinab auf die Stadt und doch schien Elias in die Ferne zu sehen, zur Welt jenseits des Klosters, jenseits der steilen Pfade und Treppen, auf denen die Händler und Bauern wöchentlich hinaufkamen, um Waren und Vorräte vor die Tore zu legen. Dieselben steilen und beschwerlichen Pfade, auf denen einmal in jedem Jahr die ausgewählten neuen Novizinnen kamen, zu gleichen Teilen von Furcht und Stolz erfüllt, erwartungsvoll und ängstlich.
Unschlüssig stand die Novizin in Eilas Zimmer, nachdem sie ihre Nachricht überbracht hatte, ohne dass sich Elia vom Fenster abgewandt hatte. Schließlich drehte sich Elia um und blickte die junge Frau an. Sie musste eine der Neuen sein, die erst seit dem Ende des Herbstes im Kloster waren. Noch ohne jede Erfahrung an den Webstühlen. Fast noch ein Kind. »Sage der Oberin, dass ich komme. Ich will mir nur noch schnell etwas anderes anziehen.«
****
Als Elia das große Turmzimmer der Oberin betrat, erhob sich Majero Serpentin aus dem Stuhl, auf dem sie hinter ihrem Arbeitstisch gesessen hatte und deutete auf zwei bequeme Lehnstühle, die auf einem kunstvoll gearbeiteten Teppich vor einem offenen Kamin standen.
»Lass uns setzen, Eila«, sagte die Oberin. Ein kleines Feuer füllte den Raum mit einer wohligen Wärme und lies jeden Gedanken an den Winter hinter den Mauern vergessen.
Elia war überrascht über die Begrüßung, doch sie ließ sich ihre Verwirrung nicht anmerken. Ohne sich anzulehnen, setze sie sich.
»Entspann dich, Elia«, sagte Majero Serpentin freundlich, als sie sich gegenüber niederließ. »Du hast keinen Grund, dich vor mir zu fürchten.« Sie legte die Fingerspitzen zusammen und lächelte Eila offen an. »Die Wahrheit ist, wir beide teilen eine ungewöhnliche Erfahrung. Eine wunderbare Erfahrung.«
Eilas Augen verengten sich und sie blickte Majero misstrauisch an.
»Wenn du jetzt glaubst, dass ich dich bestrafen werde, weil du mich belogen hast, so irrst du dich. Tatsächlich hast du mir sogar einen Gefallen getan.« Die Oberin blickte versonnen in die Flammen des Kaminfeuers. »Was du erlebt hast, ist in vielen Jahrhunderten nur Wenigen zu Teil geworden. Wie das Manuskript an den Ort kam, an dem du es gefunden hast, ist mir ein Rätsel. Das letzte Mal, als ich es sah, war ich nur wenig älter als du jetzt. Doch eines Tages war das Manuskript fort«, Majero machte eine unbestimmte Geste mit der Hand, »einfach so. Vielleicht hatte es jemand gestohlen und versteckt. Ich weiß es nicht.« Sie zuckte mit den Schultern. »Aber das ist jetzt auch egal.«
Sie blickte sich um, als suche sie etwas, dabei war sich Elia sicher, dass die Oberin den Ort jedes Gegenstandes in diesem Zimmer sogar mit geschlossenen Augen bestimmen konnte. Mit gespieltem Lächeln fiel ihr Blick auf eine verzierte Flasche und zwei Kristallgläser, die auf einem niedrigen Tisch standen. Sie stand auf und füllte die Gläser mit einem roten Wein.
»Du sagst nichts, Elia?«, fragte sie, während sie die Flasche mit einem gläsernen Korken verschloss und beide Gläser hochnahm. »Fürchtest du dich immer noch vor mir?« Sie reichte Elia ein Glas. »Wir beide sind jetzt etwas Besonderes.«
Elia nippte an dem Wein und überlegte, was die Oberin mit diesem seltsamen Schauspiel bezweckte. »Ist das so?«, fragte sie und blickte nachdenklich in die alkoholische Flüssigkeit.
»Ja, Elia. Das ist so.« Majero Serpentin trank den starken Wein wie ein Glas Wasser aus. »Wir sind die Geliebten eines Faun.«
Elias Unterlippe zitterte leicht, als sie an letzte Nacht dachte.»Darum habe ich nie gebeten.« Sie war überrascht, wie bestimmt und zornig ihre Stimme klang.
»Tatsächlich nicht?« Majero zog spöttisch die Augenbrauen hoch und stellte ihr Glas ab. Sie griff mit den Händen an ihren Kragen und öffnete den obersten Kopf ihres Gewandes. »Du hast das Beschwörungsritual ausgeführt.«
Während sie sprach, öffnete sie langsam einen Knopf nach dem anderen. Sie löste das Gewand und Elia sah, dass die Oberin darunter nackt war. Sie streifte den Stoff von ihren Schultern und entblößte ihre großen Brüste. »Ich kann dich Dinge fühlen lassen, von denen du nicht zu träumen wagst. Das ist das Mindeste, was ich als Dank für dich tun kann.«
Elias Mund wurde trocken und ihr Herz hämmerte in ihrer Brust. Sie spürte das Prickeln drohender Gefahr auf ihrer Kopfhaut. »Danken? Wofür?«
Majero Serpetin trat einen Schritt näher. Sie umfasste ihre Brüste und hob sie an, leckte mit ihrer Zunge genüsslich über die aufgerichteten Brustwarzen.
»Dieses Kloster, Eila, gehört nun mir.« Die Oberin blickte Elia an und in ihren Augen flackerte der grüne Schimmer eines tief verborgenen Feuers.
»Nein!«, Eila sprang auf. Das Glas fiel zu Boden und der Wein versickerte im Teppich.
Majero Serpentin lachte mit einer fremden Stimme und spreizte die Arme, als wolle sie Elia und das Kloster umarmen. »Eure Sehnsucht, durch Lust der Sterblichkeit zu entkommen, ist, als würdet ihr Salzwasser gegen den Durst trinken.«
Elia stieß den Stuhl um und floh aus dem Zimmer, rannte die Treppe hinab und hörte das dröhnende Lachen des Faun weit über die Treppen und Gänge des Klosters. Sie rannte und weinte und hörte das Trommeln ihrer Schritte und das ewige Lachen des grauen Reichs.
****
Schnee lag auf den Dächern der Unterstadt. Der Frost bildete Eisblumen auf dem niedrigen, bleigefassten Fenster. Eine halb heruntergebrannte Kerze, die mit stiller Flamme innen auf dem Fensterbrett stand, ließ die Frostnadeln schmelzen und in silbrigem Tau herabrinnen. Das einzige Geräusch in der niedrigen Kammer war das regelmäßige Kratzen einer Schreibfeder, unterbrochen vom Eintauchen im Tintenfass und dem bedächtigen Abstreifen der Spitze. Eine zweite Kerze, die neben dem Papierbogen auf dem Schreibtisch stand, zitterte, und warf flackernde Schatten über die fein gezogene Schrift.
Es war später Abend und die meisten Händler und Handwerker, Beamten und Bürger schliefen einem neuen, kurzen Tag entgegen. Einem Tag voll mit den Mühen des Winters, mit knappen Vorräten und zugigen Fenstern, mit der Furcht vor Krankheit und Kälte. Dieser Brief musste morgen fertig sein. Die Beschwerde eines Händlers an den Magistrat über eine vermeintliche Benachteiligung bei der Zuweisung der wenigen Standplätze in der überdachten Markthalle. Eine Auftragsarbeit für den sparsamen Lohn eines Lohnschreibers.
Es klopfte an der niedrigen Holztür und die Schreibfeder hielt unschlüssig inne. Der junge Mann mit dem blassen, schmalen Gesicht hob stirnrunzelnd den Kopf und blickte zur Tür. Hatte der Händler den Brief etwa schon heute erwartet?
»Herein«, sagte er schließlich nach kurzem Zögern.
Elias Augen sahen aus, als hätte sie geweint. Die von der Kälte geröteten Lippen ließen ihr Gesicht bleich erscheinen. Die Haut ihrer Wangen war fleckig, wie nach einer körperlichen Anstrengung in der kalten Winternacht. Unter dem Arm trug sie ein großes zusammengeschnürtes Bündel. Ihr langes Gewand war nass und ihre Schuhe mit Schlammspritzern bedeckt.
»Elia«, sagte der junge Schreiber überrascht. Dann lächelte er.
»Bin ich zu Hause?«, fragte Elia und blickte ihm in die Augen.
Der Mann erwiderte ihren Blick für einige Sekunden. Dann vertiefte sich sein Lächeln. »Ja, Elia«, sagte er. »Du bist zu Hause.«
Sie lies das Bündel zu Boden sinken.
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