Die Erhabenen
von Why-Not
Kapitel 1 – Begegnungen
In der Stadt
Die Kutsche näherte sich allmählich der Stadt. Sie schaute zum Fenster hinaus und bedauerte, daß die Landschaft allmählich von immer mehr Häusern geprägt war. Sie mochte die Stadt nicht sonderlich. Wegen der vielen Menschen, hauptsächlich aber, weil es dort stank. Die hygienischen Zustände in den großen Städten entsprachen nicht ihrem Standard, wobei sich die meisten Menschen nicht einmal etwas unter dem Wort Hygiene vorstellen konnten. Aber manchmal ließ es sich eben nicht vermeiden, daß sie ihre komfortable Residenz verließ und in die Stadt kam. So auch dieses Mal. Ihr Händler für exotische Gewürze war mit 74 Jahren – einem stolzen Alter, in einer Zeit, in der die meisten Menschen keine 50 Jahre alt wurden – an Altersschwäche gestorben und hatte die Geschäfte seinem 22-jährigen Enkel hinterlassen. Seinen Sohn hatte vor 10 Jahren die Pest hinweggerafft. Der alte Händler hatte seinem Enkel zwar noch am Sterbebett eindringlich eingeschärft, an den Verträgen mit ihr nichts zu ändern, aber dem Enkel war natürlich der Grund dafür nicht klar gewesen. Und so versuchte er jetzt, seine Gewinnspanne deutlich zu erhöhen und die Mengen zu reduzieren. Na ja, dachte sie schmunzelnd, sie würde das morgen klären. Sie hatte so etwas schon viele Male getan und es lief immer auf die gleiche Weise, aber sie hatte trotzdem jedesmal Spaß daran.
Inzwischen fuhr die Kutsche bereits durch einen Vorort. Sie zog sich die Kapuze tiefer in ihr Gesicht, so daß es niemand sehen konnte, der von draußen in die Kutsche hineinschaute. Schließlich wollte sie keine unnötige Aufmerksamkeit erregen. In ihren Kreisen legte man keinen Wert darauf. Die Kutsche fuhr hart durch ein Schlagloch. Sie haßte dieses Fortbewegungsmittel. Ihr jüngerer Bruder hatte da eine wesentlich komfortablere Möglichkeit. Sie lächelte bei dem Gedanken, was wohl passieren würde, wenn er auf seine Weise hier erscheinen würde. Aber inzwischen war er viel zu vernünftig und ernsthaft geworden, um das zu tun. Bei dem Gedanken an die Ursache für seine Wandlung war ihre gute Laune verflogen. Traurig starrte sie aus dem Fenster, ohne wirklich hinauszusehen. Sie dachte an den Tag, als sein Jähzorn sie beide zu Waisen gemacht hatte. Ein völlig überflüssiger Streit mit dem Vater, dessen Sturheit legendär war, hatte zu diesem schrecklichen Ereignis geführt. Und Claudius verlor seine Beherrschung genau in dem Moment, als ihre Mutter schlichtend einschreiten wollte. Er war sich seiner Kräfte noch nicht wirklich bewußt gewesen und hatte sie schon gar nicht unter Kontrolle. Es dauerte keine Sekunde, bis ihre Eltern tot waren.
Als Claudius sah, was er angerichtet hatte, brach er in die Knie und schlug die Hände vor sein Gesicht. Er beachtete auch die Bediensteten nicht, die später die sterblichen Überreste ihrer Eltern heraustrugen. Drei Tage rührte er sich überhaupt nicht. Dann, als sie eine Andacht für ihre Eltern hielt, erschien er mit versteinertem Gesicht. Danach bedankte er sich höflich bei ihr für die schöne Andacht und nur seine Augen verrieten ihr die Höllenqualen, die er durchlebte. Anschließend verabschiedete er sich bei ihr und ritt mit seinem Pferd davon. Viele Jahre hörte sie nichts von ihm. Als er wieder auftauchte, hatte er sich gewaltig verändert. Aus dem jugendlichen Hitzkopf war ein verantwortungsbewußter, ernster Mann geworden. Einerseits bedauerte sie, daß er seine Unbekümmertheit und seine Fröhlichkeit verloren hatte, andererseits wäre er bei seinen Begabungen eine permanente Bedrohung seiner Umwelt gewesen, wenn er diese Wandlung nicht durchgemacht hätte. Er selbst sagte ihr einmal, daß er die Schuld zwar nie loswerden würde, er aber ohne sie wahrscheinlich noch viel mehr Unheil angerichtet hätte.
Während sie ihren Gedanken nachhing, entging ihr, daß sie und ihre Kutsche gebannt von einem Augenpaar verfolgt wurden. Henrik, dem diese Augen gehörten, verfolgte die Kutsche von einem Dach aus, auf das er sich gekauert hatte. Er wollte unbedingt wissen, wohin sie fuhr und bei welchem Haus sie halten würde. Er hatte seit drei Tagen nichts gescheites zu essen gehabt und diese Kutsche sah danach aus, als könnte sie ihn einem warmen Essen deutlich näher bringen. Zwar war die Kutsche unauffällig hergerichtet, aber sein geübter Blick erkannte, daß sie sehr aufwendig gefedert war. So etwas konnten sich nur wirklich reiche Leute leisten. Und da er ein Dieb mit Ehre war, bestahl er nur reiche Leute, die den Verlust verschmerzen konnten. Leider waren die reichen Leute dieser Stadt inzwischen sehr vorsichtig geworden. Und obwohl er zu den besten seiner Zunft gehörte, war das Leben für ihn in letzter Zeit ziemlich schwierig. Da kamen ihm reiche Besucher von außerhalb gerade recht. Er mußte noch zweimal auf ein anderes Dach wechseln, bevor er das Haus sah, an dem die Kutsche angehalten hatte. Während die Kutsche fuhr, hatte er nicht erkennen können, wer sich in ihr aufhielt. Jetzt sah er, daß eine einzelne Person in einem dunkel-violetten Umhang mit Kapuze ausstieg. Der Umhang wurde von einer goldenen Schnalle zusammengehalten. Die Person, wahrscheinlich eine Frau, war sehr groß. Mit schnellen Schritten war sie im Haus verschwunden. Und Henrik roch förmlich den Reichtum.
Das Haus war ihm schon vor ein paar Tagen aufgefallen. Normalerweise stand es leer und es gab dort nichts zu holen, wie er bereits früher herausgefunden hatte. Seit einigen Tagen waren dort allerdings Leute zugange und richteten das Haus auf Besuch ein. Die Tatsache, daß diese Dame ihre Bediensteten einige Tage im Voraus herschicken konnte, um es ihr gemütlich einzurichten, verstärkte Henriks Vermutung, daß es dort viel zu holen geben müßte. Vielleicht sogar etwas Schmuck, so daß er vom Erlös mehrere Wochen leben könnte. Er beschloß, das Haus noch eine Weile zu beobachten und in Kürze zu „besuchen“. Wer weiß, wie lange die Dame hier war. Womöglich fuhr sie schon in wenigen Tagen wieder weg. Und er wollte sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen.
Das Findelkind
„Karin“, brüllte die Wirtin, „komm sofort her und wisch hier den Dreck weg.“ Ein Gast hatte wohl etwas zuviel getrunken und ihm war schlecht geworden. Sie kam mit Eimer und Lappen und machte alles wieder sauber. Sie war es gewohnt, die unangenehmsten Arbeiten zu erledigen. Und sie hatte gelernt, es schnell und ohne Widerspruch zu tun. Sie war jetzt etwa 23 Jahre alt. Genau wußte sie es nicht, da sie als Findelkind zu der Wirtsfamilie gekommen war. Über ihre Eltern wußte sie ebenfalls nichts. Und sie hatte in der Herberge arbeiten müssen, soweit sie zurückdenken konnte. Vor der Wirtin hatten alle Angst, sogar ihr Mann, der dicke Wirt. Auch die Gäste vermieden es tunlichst, sich mit ihr anzulegen. Karin hatte einmal gesehen, wie ein schon ziemlich betrunkener Gast sie angemeckert hatte. Die Wirtin hatte ihn mit einem Knüppel grün und blau geschlagen. Karin hatte schnell gelernt, die Stimmung der Wirtin einzuschätzen und keinen Vorwand dafür zu liefern, daß sie ihre schlechten Launen an ihr ausließ. Immer half das zwar nicht, aber in letzter Zeit war sie nur noch selten verprügelt worden. Der Wirt war nicht so grausam wie seine Frau. Aber solange er nicht das Ziel ihres Zornes war, war es ihm auch gleichgültig. Als Karin sich allmählich zur Frau entwickelt hatte, wurde der Wirt immer zudringlicher. Als die Wirtin es merkte, zerrte sie Karin zum Schmied und ließ ihr dort einen Keuschheitsgürtel verpassen. Eigentlich war es nur ein Eisenreif um ihre Taille mit einem Blech zwischen ihren Beinen. Der Schmied hatte sich nicht viel Mühe damit gegeben, so daß der Gürtel sie scheuerte, wenn sie sich nicht vorsichtig bewegte. Sie konnte das Teil auch nie ausziehen, da der Schmied statt eines Schlosses einfach alle Teile vernietet hatte.
Der Wirt ließ sie danach in Ruhe und auch die wenigen jungen Männer aus dem nahegelegenen Dorf verloren das Interesse an ihr, als bekannt wurde, daß sie einen Keuschheitsgürtel trug. So war ihr Leben hart und einsam. Nachts schlief sie in dem kleinen Stall, in dem Reisende ihre Pferde unterstellen konnten. Es kamen allerdings nicht viele Reisende zu dieser Herberge. Karins einziges Vergnügen war es, sich unter dem Gürtel zu streicheln, wenn sie alleine war. Einmal hatte die Wirtin sie dabei beobachtet und ihr eine fürchterliche Tracht Prügel verabreicht und sie dabei beschimpft. Seitdem paßte sie genau auf, daß sie wirklich alleine war, wenn sie es tat. Der Gürtel störte zwar dabei, aber er war in erster Linie dazu gedacht, den Wirt – und damit auch alle anderen Männer – von ihr fernzuhalten, so daß sie mit etwas Geschick überall hinkam, wo sie es wollte. Oft träumte Karin, daß ein Reisender sie mitnahm und dieser Albtraum endete. Aber wer sollte sie schon mitnehmen wollen, so häßlich wie sie war. Sie hatte immer dasselbe Kleid an, daß die Wirtin aus einem alten Kartoffelsack genäht hatte. Und ihre Haare kämmen durfte sie auch nicht. Daß sie ohne die Möglichkeit, sich zu waschen, ziemlich streng roch, merkte sie selbst inzwischen nicht mehr. So blieben ihr nur ihre Träume und das Streicheln.
Als sie gerade den Boden wieder gesäubert hatte, betrat ein seltsamer Mann die Herberge. Karin hatte ihn noch nie zuvor hier gesehen. Er hatte eine grau-braune Kutte mit Kapuze an. Die Kapuze hatte er so tief in sein Gesicht gezogen, daß es nicht zu erkennen war. Er setzte sich an einen Tisch und wartete, bis der Wirt zu ihm kam. Sie unterhielten sich kurz und der Wirt führte ihn zu einem der Zimmer. Scheinbar wollte er nur übernachten, aber nichts essen oder trinken. Draußen war es inzwischen dunkel geworden. Da es für Karin nichts mehr zu tun gab, ließ sie sich von der Wirtin noch ein Brot und etwas Wasser geben und ging in den Stall, um etwas zu essen und zu schlafen. Am nächsten Morgen war Karin dabei, die Tische sauberzumachen, als der seltsame Mann wieder aus seinem Zimmer kam und – soweit sie es erkennen konnte – kurz in ihre Richtung schaute. Er war genauso gekleidet, wie am vorigen Abend. Dann sah sie ihn wieder mit dem Wirt sprechen und ihm zwei Silber-Münzen geben. Karin wunderte sich, da das viel mehr war, als eine Übernachtung kosten würde. Selbst ein unerfahrener Reisender würde sich nicht so ausnehmen lassen. Für soviel Geld könnte er ein Pferd kaufen. Dann kamen der Mann und der Wirt auf Karin zu. „Steh auf“, sagte der Wirt zu ihr. Sie tat es natürlich sofort. Er war zwar nicht so grausam und brutal wie seine Frau, aber bei Ungehorsam schlug auch er sofort zu.
„Ich habe Dich an diesen Herrn verkauft. Er ist jetzt Dein neuer Besitzer und kann mit Dir tun, was er will.“ Sie konnte sich zwar nicht erinnern, Eigentum des Wirtes zu sein, aber sie wußte auch nicht, was sie sonst tun sollte, als zu gehorchen. Der Mann, ihr neuer „Besitzer“, legte ihr ein Lederband um den Hals und verband es mit einem langen Lederband, daß er in der Hand hielt. Ihr fiel auf, daß er sehr seltsame Hände hatte. Die Haut sah wie braunes Leder aus. Einmal war ein Adeliger kurz in die Herberge gekommen. Auch er hatte so komische Hände. Sie erinnerte sich, daß andere Gäste später von Handschuhen gesprochen hatten, etwas aus Leder, daß über die Hände gezogen wurde, um sie zu schützen und zu wärmen. Ob ihr Besitzer auch so etwas anhatte? Wie ein Adeliger sah er jedenfalls nicht aus. Und da sie Sommer hatten, brauchte man sicher auch nichts, um die Hände zu wärmen. Sie würde es bestimmt noch erfahren. Mit dem Halsband und der ledernen Leine fühlte sie sich wie eine Kuh auf dem Wochenmarkt. „Komm mit“, sagte ihr Besitzer mit tonloser Stimme und verließ die Herberge mit ihr an der Leine. Sie trottete hinterher. So hatte sie sich das jedenfalls nicht vorgestellt, wenn sie geträumt hatte, daß ein Reisender sie mitnahm. Andererseits gab es allerdings auch nichts, was sie hier hielt.
Während sie den Weg von der Herberge in Richtung Wald gingen, fragte sie sich, warum er immer die Kapuze ins Gesicht gezogen hatte. An den Temperaturen konnte es jedenfalls nicht liegen. Vielleicht war er ja so häßlich, daß er sich nicht unter die Augen der Leute traute. Das würde dann auch erklären, warum er sich für sie interessiert hatte. Wenn seine Häßlichkeit alle normalen Frauen erschreckte, mußte er sich eine kaufen, die keine Wahl hatte. Sie. Als sie eine Weile gewandert waren, scheuerte ihr der Keuschheitsgürtel an den Beinen. Sie traute sich nicht, etwas zu sagen, wurde aber etwas langsamer und ging ein bißchen breitbeinig. Außerdem taten ihr die Füße weh. Wanderungen war sie nicht gewohnt und sie hatte auch keine richtigen Schuhe, sondern lediglich alte Lappen an den Füßen. Ihr Besitzer bemerkte, daß sie Probleme beim Laufen hatte. Er blieb stehen, drehte sich zu ihr um und fragte sie, was los war. Sie traute sich zunächst nicht zu antworten. Wenn sie es in der Herberge einmal gewagt hatte, sich über irgend etwas zu beschweren, hatte sie dafür nur eine Tracht Prügel bekommen. Aber er schien nicht eher weitergehen zu wollen, ehe sie ihm seine Frage nicht beantwortet hatte. Also sagte sie ihm schließlich, was ihr Problem war. Als er dann auf sie zukam, hob sie schützend die Hände vors Gesicht. Aber er schlug nicht zu. Er hob ihr Sackkleid an, um sich den Gürtel anzusehen. Er nickte und sie gingen deutlich langsamer weiter, so daß es für sie nicht mehr so schmerzhaft war.
Nach einiger Zeit kamen sie an einen See. Karin hatte noch nie mehr als eine große Pfütze gesehen. Sie staunte. Ihr Besitzer sagte ihr, daß sie ihr Kleid ausziehen solle. Nachdem sie es getan hatte, sagte er ihr, sie solle langsam in den See gehen, bis er ihr „Halt“ sagte. Als er ihr erlaubte stehenzubleiben, reichte ihr das Wasser bis zur Hüfte. Es war angenehm kühl, aber sie hatte Angst im Wasser. Er befahl ihr, die Augen zu schließen, sich die Nase zuzuhalten, den Mund zuzumachen und kurz unterzutauchen. Als sie kurz darauf wieder auftauchte, hielt sie immer noch die Luft an und die Nase zu. Ihre Luft wurde allmählich knapp. „Du kannst wieder atmen und auch die Augen aufmachen, Dummerchen“, sagte er. „Ich wollte nur nicht, daß Du Wasser in Mund, Nase oder Augen bekommst.“ Sie holte wieder tief Luft. Dann mußte sie sich hinknien, bis ihr das Wasser zum Hals reichte und so eine Zeitlang bleiben. Sie begann, sich im Wasser wohl zu fühlen. Das Wasser kühlte die wunden Stellen an ihren Beinen und Füßen. Er nahm unterdessen ihr Kleid auf einen Stock und schwenkte es daran durchs Wasser am Ufer. Dann holte er es wieder heraus, hängte es an einem Ast zum Trocknen auf und besprühte es mit etwas, daß er aus seiner Kutte geholt hatte.
Als ihre Haut langsam schrumpelig wurde, durfte sie wieder ans Ufer. Sie schämte sich etwas, so nackt vor ihrem Besitzer zu stehen. Aber er meinte, sie müsse erst warten, bis ihr Kleid getrocknet sei, bevor sie es wieder anziehen dürfe. Auch sie sollte erst wieder in der Sonne trocknen. Ihre Fußlappen hatte er achtlos weggeworfen. Statt dessen lagen jetzt zwei Lederlappen auf der Wiese vor dem See. Er sagte ihr, wie sie sie anzuziehen hatte. Sie waren bequemer als ihre alten Lappen und waren an der Sohle auch etwas stabiler. Damit sollte sie besser laufen können. Dann mußte sie sich – immer noch nackt – mit leicht gespreizten Beinen vor ihn hinstellen. Sie schaute verschämt auf den Boden. Er strich eine Salbe auf die wunden Stellen an ihren Innenschenkeln und gab ihr noch einen weichen Lederstreifen, den sie um die scharfen Kanten des Gürtels wickeln sollte. „Wenn Du pinkeln mußt, nimm das Leder vorher erst ab“, sagte er ihr dazu. Schließlich war auch ihr Kleid trocken und sie zog es an. Es roch irgendwie angenehm. Dann gingen sie weiter. Jetzt war es wesentlich leichter für Karin und sie kamen flott voran. Karin überlegte, daß sich noch nie jemand so um sie gekümmert hatte. Und sie nahm sich vor, nicht erschreckt zu reagieren, wenn sie später sein Gesicht zum ersten Mal sah. Auch wenn es sehr häßlich wäre, wollte sie sich nichts anmerken lassen. Er wäre bestimmt enttäuscht, wenn sie bei seinem Anblick zusammenzucken würde.
Der Einbruch
Agrippa – oder Agi, wie ihr Bruder Claudius sie nannte – stand an einem der Fenster ihres Stadthauses. Sie würde heute Abend zu dem Erben ihres Gewürzhändlers gehen und ihm klarmachen, daß die Vereinbarung, die sie mit seinem Großvater hatte, unkündbar und unveränderbar war. Sie schmunzelte bei dem Gedanken an das Gesicht, daß er machen würde, wenn er den ganzen Zusammenhang verstand. Plötzlich fiel ihr auf, daß ihr Haus vom gegenüberliegenden Dach aus beobachtet wurde. Der Mann auf dem Dach war sehr geschickt und wäre normalerweise niemandem aufgefallen. Aber Agrippa hatte ausgesprochen scharfe Augen und – vor allem – sie konnte seine Anwesenheit und sein Interesse an ihrem Haus spüren. War da nur jemand neugierig? Oder wollte er sie bestehlen? Sie würde Vorkehrungen treffen lassen, um das zu verhindern. Und sie wußte auch schon wie. Nachdem sie ihren Bediensteten einige Anweisungen gegeben hatte, kehrte sie mit ihren Gedanken wieder an den jungen Händler zurück, den sie gleich besuchen würde.
Henrik sah vom Dach aus, wie die Kutsche der Dame vorfuhr. Sie stieg ein und die Kutsche verschwand aus seinem Sichtfeld. Jetzt oder nie, dachte er und begann, sich vorsichtig über die Dächer dem Haus zu nähern. Dort angekommen öffnete er geschickt ein eigentlich verschlossenes Dachfenster und stieg ins Haus ein. Er verließ die Dachkammer, in der es nichts stehlenswertes gab und begann, das Haus zu erkunden. Die Bediensteten waren offenbar alle in der Küche, um gemeinsam zu Abend zu essen. Nach einigen weiteren Zimmern, die keine nennenswerten Wertgegenstände enthielten, kam er in das Schlafzimmer der Dame. Es war prächtig dekoriert und roch sehr angenehm. Zu seinem Erstaunen war das Fenster vergittert. So etwas mochte er gar nicht. Das verbaute ihm einen möglichen Fluchtweg. Er nahm sich vor, das Zimmer zu durchsuchen und dann schnell wieder zu verlassen. Als er etwas weiter ins Zimmer gegangen war, sah er eine kleine Truhe auf dem Nachttisch stehen. Elektrisiert huschte er hin und öffnete sie. Sie war voll wertvoller und schöner Schmuckstücke. Er grinste breit und begann, sie in seine Taschen zu stopfen, als plötzlich die Zimmertür, die er nur angelehnt hatte, zugezogen wurde. Er hörte, wie ein schwerer Riegel vorgelegt wurde und wußte, daß er in der Falle saß. Offenbar hatte man ihn erwartet. Er verstand allerdings nicht, wer ihn verraten haben könnte. Er hatte mit niemandem über sein Vorhaben geredet. Schließlich war er ja kein Anfänger. Aber trotzdem war dies eine Falle gewesen.
Er schaute sich genau im Zimmer um, in der Hoffnung, doch noch einen Fluchtweg zu finden. Aber er hatte keine Chance. Die Wände, Türen und Fenstergitter waren zu stabil für sein leichtes Einbruchswerkzeug. Und es fand sich auch nichts im Zimmer, das sich als grobes Werkzeug eignen würde. Er kämpfte gegen die aufsteigende Panik an. Wenn er jetzt die Nerven verlieren würde, wäre er verloren. Für einen einfachen Diebstahl wurde einem hier die Hand abgehackt. Die Strafe für einen Einbruch in das Haus reicher Leute wäre mit Sicherheit der Tod. Und er hätte Glück, wenn es ein leichter Tod werden würde. Wenn die reiche Dame rechtzeitig zurückkäme, könnte er vielleicht versuchen, ihr Mitleid zu wecken. Vielleicht ließe sie ihn dann ja laufen. Würden ihn die Büttel vorher abholen, hätte er auch diese Chance nicht mehr. Je länger er nachdachte, desto aussichtsloser schien ihm seine Lage.
Agrippa kehrte mit der Kutsche von ihrer geschäftlichen Besprechung zurück und war bester Laune. Ihr neuer Gewürzhändler würde sich auch weiterhin an die alte Vereinbarung halten. Der entsetzte Gesichtsausdruck, als er erkannte, mit wem er eigentlich Geschäfte machte, ließ sie immer noch schmunzeln. Und die Aussicht auf den Zusatzbonus, den auch schon sein Großvater bekommen hatte, ließ ihn erkennen, daß er tatsächlich ein gutes Geschäft machte. Das Elixier, daß sie seinem Großvater in regelmäßigen Abständen hatte zukommen lassen, hatte diesem ein außergewöhnlich langes Leben beschert, auf das jetzt auch sein Enkel Aussicht hatte. Dafür nahm er die relativ geringe Gewinnmarge für die Gewürze gerne in Kauf. Angst alleine ist eine schlechte Geschäftsgrundlage. Aber Angst gepaart mit Gier – hier auf ein langes Leben – hatte sich schon immer bewährt. Das mit dem langen Leben war natürlich relativ. Sie würde auch mit seinen Urenkeln noch Geschäfte machen. Im Haus wurde sie von ihren Bediensteten informiert, daß der Einbrecher wie erwartet in ihre Falle gegangen war. Sie stieg die Treppe hinauf zu ihrem Schlafzimmer.
Henrik hatte noch immer keinen Ausweg gefunden. Und er dachte gerade, daß er ziemlich tief in der Scheiße saß. „Ich würde es zwar etwas weniger blumig ausdrücken, aber die Einschätzung ist ziemlich zutreffend“, sagte eine melodische Stimme von der Tür. Henrik drehte sich erschrocken um. Er hatte doch gar nichts gesagt. In der lautlos geöffneten Tür stand die Dame. Er nahm es wenigstens an, denn er konnte nur ihre Silhouette erkennen. Konnte sie seine Gedanken lesen? Dann hätte er wohl auch keine Chance, ihr Mitleid zu erwecken. Denn dann wüßte sie ja, daß er ein Profi war. „Mir wäre es lieber, wenn Du mir Lügen über Dich ersparen könntest. Die Mitleidstour zieht bei mir ohnehin nicht“, setzte sie wieder seine Gedanken fort. Henriks Magen zog sich allmählich zusammen. Nicht nur, weil er nun nicht einmal mehr den Hauch einer Chance sah, sein Schicksal abzuwenden. Diese Dame war ihm unheimlich. Er versuchte, sie im Zwielicht des Türrahmens genauer zu betrachten. Sie war sehr groß und hatte offenbar lange, bis auf die Hüfte reichende Haare. Ihr Gesicht lag im Dunkeln. Dann trat sie vor und er konnte sie genau erkennen. Entsetzen breitete sich schlagartig in ihm aus, als er erkannte, mit wem er es zutun hatte. Wenn auch nur ein Bruchteil der Geschichten über sie und ihresgleichen stimmte, dann wäre er mit einer schmerzhaften Hinrichtung wesentlich besser bedient gewesen.
Der weiße Turm
Gegen Abend kamen Karin und ihr Besitzer in einer anderen Herberge an. Karin wurde in den Stall geführt und dort mit ihrer Leine angebunden. Der Knoten war zu kompliziert, als daß sie ihn hätte öffnen können. Aber sie hätte sowieso nicht gewußt, wohin sie fliehen sollte. Sie legte sich ins Stroh, wie sie es gewohnt war. Kurze Zeit später kam ihr Besitzer noch einmal vorbei und brachte ihr etwas zu essen und zu trinken. Danach schlief sie ein. Am nächsten Morgen führte sie ihr Besitzer zu einem Schmied in der Nähe der Herberge, in der sie übernachtet hatten. Während der Schmied damit beschäftigt war, sie aus dem Keuschheitsgürtel zu befreien, trug die Frau des Schmieds einige Kübel mit heißem Wasser in einen Nebenraum. Nachdem der Gürtel endlich entfernt war, führte ihr Herr – Besitzer klang für Karin irgendwie komisch – sie in den Nebenraum. Dort stand ein großer Badebottich, der mit dampfendem Wasser gefüllt war. „Steig langsam hinein. Nicht zu schnell, damit Du Dich an das heiße Wasser gewöhnen kannst.“ Sie tat es und nach einem Moment war es sehr angenehm. Er holte ein kleines Fläschchen aus seiner Kutte und schüttete den Inhalt in den Bottich. Es roch gut und ein leichter Ölfilm bildete sich auf der Oberfläche. Dann drückte er ihren Kopf so in das Wasser, daß ihre Haare naß wurden, während ihr Gesicht an der Luft blieb. Sie mußte einen Moment so bleiben. Dann durfte sie es sich wieder etwas bequemer machen. Als sie schließlich aus dem Wasser stieg, hatte sie das erste Mal seit Jahren das Gefühl, richtig sauber zu sein. Er gab ihr ein einfaches, graues Leinenkleid, daß wesentlich angenehmer zu tragen war, als ihr Kartoffelsack-Kleid. Sie kam sich vor wie eine Prinzessin.
Ihr Herr bezahlte den Schmied und sie verließen den kleinen Ort. Sie hatte ihr Halsband nicht mehr um, sondern folgte ihrem Herrn einfach so. Sie wußte nicht, wie es weitergehen würde. Und sie hatte ihren Herrn noch nie außerhalb seiner grau-braunen Kutte gesehen. Aber sie war noch nie in ihrem Leben so fürsorglich behandelt worden. Sie nahm sich fest vor, ihrem Herrn keinen Grund zu geben, zu bedauern, daß er sie gekauft hatte. Sie machten mittags eine kleine Rast, gingen dann aber wieder zügig weiter. Karin fragte sich, wie lange sie wohl noch auf Wanderschaft wären. Gegen Abend, als es bereits zu dämmern begann, sprangen in einem Waldstück plötzlich drei Gestalten vor ihnen auf den Weg. Ihr Herr wies sie an, etwas zurückzubleiben. Die Männer waren offensichtlich Räuber. Sie hatten Knüppel und Messer in der Hand und gingen auf ihren Herrn zu. Dieser warf die Kapuze seiner Kutte in den Nacken, so daß die Räuber sein Gesicht sehen konnten. Karin sah von hinten nur, daß er schulterlanges, schneeweißes Haar hatte. Die Räuber dagegen erstarrten vor Entsetzen und traten sofort den Rückzug an. Zunächst langsam, rückwärts gehend, die Knüppel verkrampft festhaltend. Dann drehten sie sich um und rannten, als wäre der Teufel hinter ihnen her. Der Herr setzte seine Kapuze wieder auf. Karin hatte jetzt gesehen, warum sie nie das Gesicht ihres Herrn erkennen konnte. Er hatte noch so etwas wie einen Schleier in der Kapuze vor dem Gesicht. Sie fragte sich, was die Räuber wohl in seinem Gesicht gesehen hatten. Sah er wirklich so furchterregend aus? Hoffentlich konnte sie sich beherrschen, wenn er sich ihr das erste Mal zeigte. Er war ihr gegenüber freundlicher gewesen als je ein Mensch zuvor. Sie wollte ihn nicht verletzen.
Eine Stunde später, die Dämmerung war schon fast in die Nacht übergegangen und der Vollmond schien hell, erreichten sie eine Lichtung und blieben stehen. Er zog seine Kutte aus und legte sie zusammen. Da sie hinter ihm stand, konnte sie sein Gesicht noch immer nicht sehen. Aber sie konnte sehen, daß er fast vollständig in schwarzes Leder gekleidet war, verziert mit silbernen Schnallen. An seiner Hüfte hing ein langer, dünner Dolch. Er zog auch seine braunen Handschuhe aus. Sie sah, daß er lange, feingliedrige Hände hatte. Es sah nicht so aus, als müßte er mit ihnen schwer arbeiten. Schließlich drehte er sich zu ihr um. Und ihr stockte der Atem. Er war nicht häßlich, im Gegenteil, er war schön – auf eine besondere Weise. Sein Gesicht war so gleichmäßig, daß es wie eine Maske wirkte. Der Mund war etwas voller, sinnlicher, als es eigentlich zu dem Gesicht paßte. Aber dadurch wirkte er sympathischer. Seine Augenbrauen waren so weiß wie sein Haar. Und sein Teint war etwas dunkler und sah – zumindest im Mondlicht – bronzefarben aus. Seine Augen schienen leuchtend blau zu sein. Und sie waren – nicht menschlich. Jedenfalls hatte Karin noch nie einen Menschen gesehen, dessen Augen nicht gerade waren sondern schräg nach oben gingen. Karin fragte sich, warum die Räuber bei seinem Anblick so in Panik geraten waren. Er sah sehr ungewöhnlich aus, aber sie fand nicht, daß er einen furchterregenden Eindruck machte.
„Erschrecke nicht bei dem, was gleich kommt. Dir passiert nichts“, sagte er ihr. Zum ersten Mal hatte er nicht tonlos geflüstert. Er hatte eine angenehme, melodische Stimme, auch wenn sie etwas ungewöhnlich klang. Dann drehte er sich wieder zur Lichtung und stieß ein schrilles Geräusch aus, daß irgendwo zwischen Schrei und Pfiff lag. Einen Moment lang passierte nichts. Dann hörte Karin ein Rauschen über den Bäumen und etwas sehr Großes landete auf der Lichtung. Es sah wie eine riesige Eidechse mit Flügeln aus. Oder so, wie sie sich einen Drachen immer vorgestellt hatte, wurde ihr bewußt. Der Drache war mindestens so lang wie fünf Pferde. Der Herr ging auf den Drachen zu und Karin folgte ihm mit einem etwas mulmigen Gefühl. Dann faltete der Drache einen Flügel so, daß er wie eine Rampe aussah. Ihr Herr lief einfach diese Rampe hinauf und sie folgte ihm auch hier. Er setzte sich auf den Rücken des Drachen und ließ sie vor sich Platz nehmen. Die Haut des Drachen war schuppig aber nicht glitschig, wie sie zuerst befürchtet hatte. Sie fühlte sich sogar irgendwie angenehm an. Ihr Herr legte Karin einen Arm um die Taille und der Drache entfaltete seine Flügel wieder und hob schwungvoll ab. Im Flug machte er keinen Lärm. Nur der Wind kam ihnen schnell und laut entgegen. Karin schaute nach unten und war ängstlich und fasziniert zugleich. Sie waren so hoch, daß Kühe, die sie gelegentlich überflogen, wie Ameisen aussahen. Und sie kamen sehr schnell voran.
Eigentlich war Karin vom Wandern müde, aber sie war viel zu aufgeregt, um es zu merken. Schließlich fiel ihr auf, daß es bereits wieder dämmerte und der Morgen anbrach. Sie überflogen gerade einen großen Wald und sie sah eine aus der Entfernung klein wirkende, runde Lichtung. Während sie näher kamen, wurde die Lichtung immer riesiger. Genau in der Mitte stand ein weißer, schlanker Turm auf den sie zuflogen. Auf der Lichtung erkannte sie jetzt auch eine kleine Ansiedlung von Hütten und am Rand der Lichtung eine ganze Kolonie von Drachen. Schließlich landete der Drache etwa 10 Meter vor dem Turm. Der Turm war bestimmt 20 Meter breit und 100 Meter hoch. Sie hatte noch nie von so einem großen Bauwerk gehört. Gesehen hatte sie ja ohnehin noch nicht viel in ihrem Leben. Was für eine Macht mußte jemand haben, der solche Bauwerke errichten lassen kann und der über Drachen befehligte. Sie begann zu begreifen, daß die Angst der Räuber nicht seiner Erscheinung galt, sondern dem was er war. Sie hatte allerdings noch nie von ihm gehört. Aber wenn sie es sich richtig überlegte, hatte sie bisher sowieso kaum etwas gehört oder gesehen.
Sie gingen auf den Turm zu. „Mein bescheidenes Zuhause“, sagte er lächelnd, während sie den Turm betraten. Sie sah keine Treppe, die den Turm hinaufführte. In der Mitte war der Turm hohl, während um den Hohlraum herum je Stockwerk eine Art Balkon mit Geländer führte. Der Hohlraum erstreckte sich nicht nur nach oben, sondern ging auch in die Tiefe. Er faßte ihr wieder mit dem Arm um die Hüfte und sie begannen nach oben zu schweben. Zuerst hatte sie Angst herunterzufallen, aber er hielt sie sicher und fest. Sie schaute nach unten, konnte aber nicht erkennen, wie tief der Schacht war. Schließlich landeten sie auf einem der Balkone. „In dieser Etage darfst Du Dich frei bewegen. Aber versuche nicht, alleine in dem Schacht zu schweben. Du würdest abstürzen. Schau Dich in Ruhe um. Ich habe noch etwas zu tun, komme aber nachher wieder zu Dir.“ Dann schwebte er tief nach unten in den Schacht.
Vergnügungen
„Argowit“, stammelte Henrik. Er hatte immer geglaubt, daß die Geschichten über diese Wesen die Erfindungen überdrehter menschlicher Phantasie waren. Um ungezogene Kinder zu erschrecken. Oder um sich am Kaminfeuer zu gruseln. Daß es die Argowit wirklich geben könnte, war ihm nie in den Sinn gekommen. Aber vor ihm stand eine Argowit in Lebensgröße. Sie hatte die typischen, schneeweißen Haare, die schrägen Augen, und die bronzefarbene Haut, die in jeder Erzählung über sie vorkamen. Sie sah auf ihre Weise sehr schön aus, aber auch das war Bestandteil fast jeder Geschichte über sie. Und vor allen eins gehörte immer dazu. Sie waren unvorstellbar grausam. Manche von ihnen hielten sich – wenn die Geschichten stimmten – menschliche Sklaven, die sie nach dem Tonfall ihrer Schmerzensschreie aussuchten, um so einen „Chor“ oder ein „Orchester“ zusammenzustellen, mit dem sie „musikalische“ Aufführungen zelebrierten.
Agrippa lächelte ihn auf eine Weise an, die ihm den Angstschweiß ausbrechen ließ. Ja, sie war eine Argowit, oder – wie sie sich nannten – eine Erhabene. Ihre eigene Bezeichnung drückte vor allem eins aus, nämlich ihre Einschätzung gegenüber den Menschen. Diese waren für ihresgleichen eine niedere Spezies, etwa wie Affen, Rinder oder Pferde. Wobei die meisten Erhabenen ihre Pferde deutlich besser behandelten als ihre menschlichen Sklaven. Vor allem die Lustsklaven hatten ein ziemlich grausames Schicksal, da die Erhabenen vor allem bei einem Lust empfanden: Beim Quälen und Foltern von Menschen. So gesehen war die Bezeichnung „Argowit“ aus menschlicher Sicht sehr zutreffend. Ursprünglich hießen sie in einer längst vergessenen Sprache der Menschen „weiße Bringer fürchterlicher Qualen“. Das „Weiß“ bezog sich natürlich auf ihre Haarfarbe. Später war dann aus den „fürchterlichen Qualen“ das kürzere Wort „Agonie“, also Todeskampf, geworden. Und schließlich, als niemand mehr die ursprüngliche Bedeutung kannte „Argowit“. Agrippa wußte von dieser Entwicklung auch nur, weil sich ihr Vater sehr für historische Dokumente und Begebenheiten interessiert hatte. Die Bibliothek in ihrer Residenz – ursprünglich die ihrer Eltern – war voll von solchen Berichten und Legenden. Auch ihr Name und der ihres Bruders Claudius stammten aus solchen uralten Aufzeichnungen.
„Ich glaube zwar nicht, daß es Dich beruhigt, aber die Geschichten über uns sind allesamt untertrieben“, heizte sie seine Angst noch weiter an. Sie galt zwar unter den Erhabenen als geradezu sanft und weichherzig, aber ganz konnte auch sie sich der Grausamkeit ihrer Rasse nicht entziehen. „Leg jetzt erst einmal den Schmuck wieder in die Schatulle.“ Zitternd wie Espenlaub legte Henrik den Schmuck vorsichtig in die kleine Truhe zurück. Als er damit fertig war, sprach sie ihn erneut an. „Sehr brav. Und jetzt werden wir uns ein wenig amüsieren.“ Henrik hatte keine Zweifel, wer sich hier auf wessen Kosten amüsieren würde. Sie befahl ihm, das Zimmer zu verlassen und die Treppe bis in den Keller hinunterzugehen. Henrik wollte die Gelegenheit nutzen um zu fliehen, aber es war ihm unmöglich, seinen Willen in Taten umzusetzen. Agrippa schmunzelte über seinen Versuch, sich gegen ihren Willen zu wehren, während sie ihm die Treppe hinunter folgte. Sie konnte nicht nur Gedanken und Gefühle der Menschen lesen, sie konnte ihnen auch ihren Willen aufzwingen oder in ihren Gedanken mit ihnen sprechen. Als sie im Keller angekommen waren, dröhnte plötzlich ihre Stimme in seinem Kopf. „Und jetzt zieh Dich ganz aus.“ Er hatte die Worte nicht gehört, sie waren einfach in seinem Kopf. Wenn es bis zu diesem Moment noch etwas in Henrik gab, daß sich gegen die Panik gewehrt hatte, war es mit dieser Stimme vertrieben worden. Er gehorchte augenblicklich.
Dann führte sie ihn in einen Raum, in dessen Mitte ein Becken eingelassen war. Die Wände des Beckens waren ca. 3 Meter hoch und ganz glatt. Henrik mußte sich an einem Seil herablassen, daß sie danach entfernte. Dann setzte sie sich auf einen Stuhl am Rand des Beckens und gab einem Bediensteten ein Handzeichen. Wasser wurde in das Becken gelassen. Er beobachtete angstvoll den Wasserstand, der unaufhörlich kletterte. Erst bei 2 Metern hörte das Wasser auf zu steigen. Da Henrik nicht schwimmen konnte, stieß er sich immer vom Beckenboden ab, um mit dem Kopf über die Wasseroberfläche zu kommen und zu atmen. Aufgrund seiner Panik war er dabei sehr kurzatmig, so daß es für ihn schnell sehr anstrengend wurde, was seiner Panik wiederum neue Nahrung gab. Agrippa beobachtete amüsiert vom Beckenrand seinen verzweifelten Kampf mit dem Wasser. Auf ein weiteres Handzeichen von ihr wurde ein öliger Zusatz ins Wasser geschüttet. Der Zusatz und Henriks verzweifeltes Strampeln sorgten dafür, daß er bei seinem Überlebenskampf gründlich gesäubert wurde. Als Henrik allmählich die Kräfte verließen, gab Agrippa enttäuscht ein weiteres Handzeichen, woraufhin das Wasser sehr schnell aus dem Becken abfloß. Zwei Bedienstete ließen sich an Seilen ins Becken und holten den völlig erschöpften Henrik nach oben. Ihm wurde ein sehr massiv aussehendes Halseisen umgelegt, daß aber erstaunlich leicht war. Es erlaubte seinem Kopf allerdings nur sehr sparsame Bewegungen. Seine Hände wurden ihm auf dem Rücken festgekettet. Dann wurde er in eine Zelle geführt und mit dem Halseisen an der Wand befestigt.
Nach einer Weile hatte er sich wieder halbwegs von den körperlichen Strapazen erholt. Seine Angst war aber eher noch schlimmer geworden. Agrippa kam vor seine Zelle. „Es macht Spaß, Dir beim Baden zuzusehen“, verspottete sie ihn. „Möchtest Du noch ein weiteres Mal baden?“ „Bitte nicht“, keuchte er. „Also ich wäre schon dafür“, sagte Agrippa weiter, „aber wir haben noch eine lange Fahrt vor uns. Bis zu Deinem nächsten Bad werden wir uns also noch etwas gedulden müssen.“ Henrik war sich nicht sicher, ob das jetzt ein Grund zur Erleichterung war. Sie würde ihn also mitnehmen. So wie es aussah, hatten seine Qualen gerade erst begonnen. „Keine Angst wegen der langen Fahrt. Wir werden uns unterwegs sicher gut unterhalten.“ Er nahm nicht an, daß sie von Konversation redete. Sie trat an ihn heran. „Mach den Mund auf.“ Er gehorchte nur widerwillig und bekam eine Ohrfeige, deren Heftigkeit ihn sehr überraschte. Sie hatte eine sehr deutliche Handschrift. Und er öffnete jetzt sofort den Mund. Sie schob einen Knebel hinein und erklärte ihm lächelnd, daß sie lautes Geschrei und Gejammer während der Kutschfahrt nicht schätzen würde. Henriks Angst ließ sich jetzt nicht mehr steigern.
Er wurde durch Bedienstete von der Zellenwand losgekettet und nackt wie er war – abgesehen von Halseisen, Handfessel und Knebel – zu der Kutsche geführt. In der Kutsche wurde er mit dem Rücken zur Fahrtrichtung so angekettet, daß er breitbeinig auf der vorderen Sitzbank kniete und sich nicht bewegen konnte. Agrippa nahm auf der hinteren Sitzbank in Fahrtrichtung schauend platz. Sie brauchte nur die Hand auszustrecken, um ihn überall berühren zu können. Da sie beim Einsteigen eine Reitgerte in der Hand hatte, bezweifelte Henrik allerdings, daß sie vorhatte, ihn zärtlich anzufassen. Die Kutsche fuhr los und Agrippa schlug ihn wie in Gedanken mit der Reitgerte. Henrik stöhnte in seinen Knebel. Schließlich wurde es ihr langweilig und sie lehnte sich zurück und schaute aus dem Kutschenfenster. Henrik versuchte sich zu entspannen. Nach einer Weile schaute sie ihn wieder an und lächelte. Er bekam sofort wieder große Angst. Und sie fing an, ihn mit der Reitgerte zu streicheln. Widerwillig spürte Henrik, daß er eine Erektion bekam. Sehen konnte er das nicht, weil das Halseisen ihm nur sehr knappe Bewegungen des Kopfes erlaubte. Sie grinste ihn an und steigerte seine Erregung weiter. Es waren nicht nur die Berührungen, die ihn erregten. Auch der Gedanke daran, daß er ihr völlig ausgeliefert war, bescherte ihm ein verwirrendes aber nicht unangenehmes Gefühl. Für einen Moment vergaß er völlig die Angst, die ihn die ganze Zeit geplagt hatte.
Nach einer Weile tat sie überrascht. „Wer hat Dir denn erlaubt, so vorwitzig herumzustehen?“, fragte sie ihn, während sie mit der Gerte sein Glied berührte. Er sehnte sich nach mehr. Und da sie die ganze Zeit seinen Gedanken lauschte, konnte sie problemlos seine Erregung immer weiter steigern, ohne ihn je in die Nähe eines Orgasmus kommen zu lassen. Wenn seine Erregung zu groß war, legte sie eine kleine Pause ein. Schließlich lehnte sie sich entspannt zurück und genoß sein unerfülltes, sexuelles Verlangen. Als seine Erregung wieder erkennbar abgeklungen war, holte sie ein stark gekrümmtes Rohr aus einer Kiste unter ihrer Sitzbank. Sie schob es ihm über sein inzwischen erschlafftes Glied und band es mit einem dünnen Lederband um seine Hüfte, damit es nicht herunterrutschte. Da er nicht heruntersehen konnte, wußte er nicht genau, was sie da tat. Dann fing sie wieder an, ihn mit der Gerte zu streicheln. Als seine Erregung erneut zunahm, merkte er, daß seine Erektion von dem gekrümmten Rohr verhindert wurde. Es tat nicht weh, aber es war demütigend und frustrierend für ihn. Zu allem Überfluß fing sie jetzt noch an, sich während der Fahrt auszuziehen. Sie hatte einen makellosen, schönen Körper. Dieser Anblick heizte ihm zusätzlich ein. Sie begann, ihn mit ihren Händen zu streicheln und mit ihren Fingernägeln leicht auf dem Rücken und dem Hintern zu kratzen. Dann rieb sie ihren nackten Körper an seinem gefesselten. Er spürte das gekrümmte Rohr, das seine Erektion verhinderte, deutlich. Es steigerte seine Erregung auf eine Weise, die ihn schier wahnsinnig machte. Seine Qualen lösten bei ihr einen Orgasmus aus. Während sie sich allmählich wieder entspannte und anzog, wußte er nicht wohin mit seiner Frustration. Sie schaute glücklich auf ihn. „Mit Dir werde ich noch viel Spaß haben. Es war wirklich nett von Dir, in meine Dienste zu treten.“
Kapitel 2 – Eingewöhnung
Die eigene Etage
Karin öffnete eine der Türen, die von dem Innen-Balkon abgingen. Sie kam in ein Zimmer mit einer Wanne, einem Waschbecken und anderen Dingen, die sie nicht verstand. Dann sah sie plötzlich, daß sie nicht alleine in dem Zimmer war. Eine gut aussehende Frau schaute durch eine Art großes Fenster an. Sie war genauso gekleidet wie sie selbst. Karin entschuldigte sich, sie gestört zu haben und wollte das Zimmer schon wieder verlassen, als sie bemerkte, daß die andere Frau gleichzeitig die Lippen bewegte, obwohl Karin nichts hörte. Irritiert schaute sie noch mal hin. Diese Frau führte jede Bewegung aus, die auch Karin machte. Sie näherte sich dem „Fenster“. Auch die andere Frau tat es. Karin begriff allmählich. Sie sah ihr Spiegelbild. Aber sah sie wirklich so schön aus? Oder war das ein Zauber, der jeden so darstellte, wie er gerne aussehen wollte? Sie hatte sich früher schon in einer Pfütze spiegeln gesehen. Damals allerdings dreckig und mit verfilzten Haaren und die Spiegelung war nicht so perfekt wie jetzt. Sie schaute an sich herab. Alles, was sie ohne den Spiegel sehen konnte, war genauso, wie es der Spiegel auch darstellte. Glücklich und selbstvergessen betrachtete sie ihr Spiegelbild.
Nach einer Weile riß sie sich davon los und betrat einen angrenzenden Raum. Sie stellte fest, daß die Räume auch außerhalb des Balkons direkt miteinander verbunden waren. Jetzt befand sie sich scheinbar in dem Schlafzimmer einer Prinzessin. Es gab ein großes Bett, daß sehr bequem und weich aussah. Sie faßte es an und drückte ein wenig auf die Matratze, traute sich aber nicht, sich darauf zu legen. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie es sich anfühlen könnte, in so einem Bett zu schlafen. Im Zimmer der Wirtsleute hatte sie schon mal ein Bett gesehen, daß allerdings sehr viel einfacher und härter war als dieses. Es standen auch einige schön gearbeitete und mit Intarsien verzierte Schränke und Kommoden in dem Zimmer. Der Boden war mit einem großen, weichen Teppich ausgelegt und die Wände mit schönen Stoffen bespannt. Im Gegensatz zum ersten Raum gab es hier ein Fenster. Sie trat heran und schaute aus etwa 30 Metern Höhe vom Turm aus auf die Lichtung und den Wald. Von hier aus konnte sie die Hütten und die Drachen nicht sehen. Sie schaute in eine andere Richtung und sah einen Bach, der aus dem Wald kam und in einen großen See mündete. Es war eine sehr schöne Aussicht. Karin wunderte sich, warum es hier in dieser Höhe nicht windig war. Als sie versuchte, die Hand zum Fenster herauszuhalten, stieß sie auf Höhe des Fensters auf einen Widerstand. Da sie noch nie in ihrem Leben Glas gesehen hatte, verstand sie es nicht. Aber sie akzeptierte, daß sie wohl von einem Zauber gehindert wurde, nach draußen zu fassen. Allmählich spürte sie einen Druck auf der Blase, wußte aber nicht, wie sie sich helfen sollte. Sie wollte sich nicht in den schönen Zimmern erleichtern und sie war sich auch nicht sicher, ob sie es einfach vom Balkon aus tun sollte. Vielleicht würde sie in einem anderen Zimmer ja noch einen Nachttopf finden. Später könnte sie ihren Herrn fragen, wo sie ihn ausleeren durfte.
Während sie ins nächste Zimmer ging, fragte sie sich, ob die Kammer, in der sie schlafen würde, auch so angenehm warm und ohne die Zugluft sein würde. Jetzt befand sie sich in einem gemütlichen Raum mit mehreren Sofas. So etwas hatte sie auch noch nicht gesehen. Sie setzte sich vorsichtig auf eins und war erstaunt, wie bequem sie waren. Auch dieses Zimmer war mit einem weichen Teppich ausgelegt. An den Wänden hingen Wandteppiche in heraldischen Farben und mit verschiedenen, aber ähnlichen Motiven. Es waren in verschiedenen Ornamenten diverse Tiere – auch Fabeltiere wie Einhörner – und stilisierte Pflanzen zu sehen. Gelegentlich waren auch Damen in schönen Kleidern abgebildet, die auf Musikinstrumenten spielten oder die Tiere – meistens die Einhörner – streichelten. Es gab auch ein großes Regal, in dem viele – ja was eigentlich? – standen. Sie zog eins der lederbezogenen Gegenstände aus dem Regal. Es ließ sich aufklappen und hatte viele Blätter, auf denen seltsame Zeichen und Bilder zu sehen waren. Karin hatte noch nie in ihrem Leben ein Buch gesehen, geschweige denn, eins in der Hand gehabt. Sie blätterte ganz vorsichtig darin. Mit den Zeichen, die den meisten Raum einnahmen, konnte sie nichts anfangen. Die Illustrationen fand sie aber faszinierend. Ob alle diese Gegenstände im Regal so interessant waren?
Während sie in dem Buch blätterte, ging die Tür vom Balkon auf und ihr Herr trat ein. Sie hatte Angst, daß sie das Buch vielleicht nicht hätte anfassen dürfen. Aber er hatte doch gesagt, sie solle sich umschauen. „Na, hast Du Dich schon etwas umgesehen?“, fragte er sie freundlich. „Weißt Du, was Du da in der Hand hast?“ Sie schüttelte den Kopf. „Es ist ein Buch. Darin sind Geschichten aufgeschrieben. Wenn Du lesen gelernt hast, wirst Du sie alle kennenlernen.“ Sie schaute ihn verständnislos an. „Gib mir mal das Buch und setz Dich auf eine Couch“, sagte er und deutete auf das Sofa, das sie vorhin schon ausprobiert hatte. Er nahm ihr das Buch ab, setzte sich neben sie und begann, ihr daraus vorzulesen. Sie schaute ihm fasziniert zu und lauschte der Geschichte. Nach dem ersten Kapitel schlug er das Buch wieder zu. Sie hätte gerne gewußt, wie die Geschichte weiterging. „Bald wirst Du das selbst können“, sagte er ihr. Dann nahm er zwei Beutel wieder auf, die er beim Eintreten ins Zimmer abgestellt hatte und sagte ihr, daß sie ihm ins Bad folgen solle. Als er ihr erklärte, was eine Toilette ist und wie sie sie benutzen sollte, wurde sie an ihr dringendes Bedürfnis erinnert. Sie fragte, ob sie es gleich ausprobieren dürfe. Er nickte und sie erleichterte sich. Ihr fiel auf, daß es dabei nicht unangenehm roch. Es zog zwar nicht in diesem Raum, aber es kam dauernd frische Luft hinein.
Als sie fertig war und sich gemäß seiner Erklärung gesäubert hatte, sagte er ihr, sie solle ihr Kleid ausziehen. Ihre Scheu, vor ihm nackt zu sein, hatte sie inzwischen abgelegt. „Stelle Dich etwas breitbeinig hin und nimm die Hände ins Genick.“ Sie tat es und fragte sich, was jetzt wohl kommen würde. Aus einem der beiden Beutel nahm er eine Art aufklappbare Hose und legte sie ihr an. Sie fühlte sich kühl an und schien innen ihre Formen anzunehmen. Dann holte er aus dem anderen Beutel zwei verbundene Halbschalen, legte sie ihr über die Brüste und befestigte sie auf ihrem Rücken mit einem Lederbändchen. Dann mußte sie die Arme wieder herunternehmen und einfach hängen lassen. „Bleib jetzt ruhig stehen“, sagte er ihr. Während sie es tat, fragte sie ihn, ob es auch eine Kammer für sie gäbe oder ob sie auf dem Balkon schlafen sollte. Er schmunzelte. „In welchen Räumen warst Du denn bereits?“ Sie erzählte es ihm. „Dann hast Du Dein Bett ja schon gesehen“, meinte er. Sie schaute ihn mit großen Augen an. Machte er sich einen Scherz mit ihr? Oder würde sie wirklich in dem weichen Bett schlafen dürfen? Um die Wartezeit zu überbrücken, erklärte er ihr, wie sie die anderen Teile des Bades nutzen könnte. An Wanne und Wachbecken waren Wasserhähne für warmes und kaltes Wasser angebracht. Besonders interessant fand sie die Dusche. Sie verstand zwar nicht, wie das alles funktionierte, aber was sie nicht begriff war halt einfach Zauberei.
Schließlich nahm er ihr die beiden Teile wieder ab, in denen sie ruhig hatte stehen müssen. „Du kannst jetzt Dein Kleid wieder anziehen“, sagte er, während er die Teile in die Beutel verstaute. „Hast Du eigentlich Hunger oder Durst?“ „Ja, Herr“, antwortete sie. „Gut, dann hole ich Dich gleich wieder zum Essen ab.“ Er verließ das Bad durch die Balkontür und schwebte im Innenschacht des Turms mit den Beuteln nach unten. Die Abdrücke, die er eben von ihr genommen hatte, würden noch etwas aushärten müssen. Ihre Naivität und Hilflosigkeit löste bei ihm einen Beschützerinstinkt aus. Eine ziemlich ungewöhnliche Empfindung für einen Erhabenen. Aber er und seine Schwester waren ohnehin keine typischen Vertreter ihrer Art. Und sie waren auch auf eine sehr untypische Weise aufgewachsen. Normalerweise lebten Erhabene alleine und hatten nur alle paar tausend Jahre Kontakt zu ihresgleichen. In dieser Zeit wurden auch Kinder gezeugt, die zuerst 5 Jahre bei der Mutter aufwuchsen. Ab dann wuchsen männliche Kinder beim Vater auf, die Mädchen bei ihren Müttern. Die meisten Erhabenen waren viel zu egozentrisch, um andere Erwachsene um sich zu dulden. Und Erwachsene waren viel zu gefährlich für einander. Als erwachsen galt man bei ihnen mit 500 Jahren. Die körperliche Entwicklung dauerte zwar nicht länger als bei den Menschen, ihre besonderen Fähigkeiten reiften aber deutlich langsamer. Und erst mit etwa 500 Jahren hatten die jungen Erhabenen sie völlig unter Kontrolle. Das war dann meistens die Zeit, in der die sie begannen, auf eigenen Beinen stehen zu wollen. Häufig versuchten sie, einen Elternteil oder einen anderen Erhabenen zu ermorden, um seine Besitztümer und sein Einflußgebiet zu übernehmen. Da die älteren aber meist besser mit ihren Kräften umgehen konnten, starben die meisten Erhabenen zwischen dem 500. und 600. Geburtstag, also lange vor ihrer natürlichen Lebenserwartung von mindestens 10.000 Jahren. Deshalb gab es auch nur sehr wenige Erhabene.
Die Eltern von Agrippa und Claudius hatten völlig untypisch zusammengelebt und gemeinsam ihre Kinder liebevoll großgezogen. Claudius hätte ihnen nie vorsätzlich geschadet. Daß er sie trotzdem im „zarten“ Alter von 300 Jahren tötete, lag an seiner außergewöhnlich starken Begabung, die er in diesem Alter leider noch nicht unter Kontrolle hatte. In den vergangenen 220 Jahren hatte er diese Kontrolle perfektioniert. Seine Kräfte würden sich nie wieder unabsichtlich selbständig machen. Bewußt eingesetzt, könnte er es jetzt aber mit jedem Erhabenen aufnehmen, falls es nötig wäre. Allerdings waren die Begabungen der Erhabenen sehr unterschiedlich und der Ausgang einer Auseinandersetzung schwer vorherzusagen. Deshalb gingen sich die Erwachsenen lieber aus dem Weg, abgesehen von ihrem alle paar tausend Jahre einsetzenden Fortpflanzungsinstinkt, der sie zusammenführte. Es war schon komisch, dachte Claudius, daß sie darüber weniger Kontrolle hatten und stärker von ihren Instinkten beherrscht wurden, als die Menschen, auf die sie normalerweise herabblickten. Erhabene und Menschen hatten zwar ähnliche Körper und konnten sich miteinander vergnügen, gemeinsame Kinder waren zwischen ihren Rassen aber nicht möglich. Ihr Fortpflanzungsinstinkt ließ ihnen daher in den „wilden Zeiten“ keine andere Wahl als sich mit anderen Erhabenen zu paaren. In dieser Zeit waren sie allerdings auch etwas umgänglicher, so daß es bei diesen Begegnungen selten Zwischenfälle gab. Claudius hatte das mit seinen 520 Jahren allerdings noch nicht selbst erlebt.
Die schwarze Burg
Sie betrachtete lächelnd ihren neuen Lustsklaven und lauschte seinen Gefühlen und Gedanken. Da diese Gabe bei ihr sehr ausgeprägt war, hatte sie es nicht nötig, ihre Sklaven vor Schmerz schreien zu lassen, um erregt zu werden. Sie fand das Wechselspiel der Gefühle zwischen Angst, Verlangen, hilfloser Wut, Verzweiflung, Hoffnung und bewußter Unterwerfung bei ihren Sklaven viel erregender. Wahrscheinlich war das der Grund für ihre vermeintliche Sanftmütigkeit. Sie holte sich ihre Befriedigung nur indirekter als die anderen. Sie kannte eigentlich nur einen Erhabenen, der wirklich willens und in der Lage war, seine Grausamkeit zu beherrschen: Claudius. Bei allen anderen, sie eingeschlossen, mangelte es bereits am Willen dazu. Sie hatte allerdings mit ihren 753 Jahren gelernt, daß es für das Wechselspiel der Gefühle bei ihren Sklaven notwendig war, ihnen gelegentlich auch zu geben, wonach sie sich verzweifelt sehnten. Sonst stumpften sie gefühlsmäßig ab und damit auch die Lust, die Agrippa dabei empfand, sie zu quälen. Sie konnte sich auch nicht ständig neue Lustsklaven besorgen, da sie damit zuviel Aufmerksamkeit auf sich lenken würde. Und sie wollte den Leidensdruck auf die Menschen in ihrem Einflußgebiet nicht soweit steigern, daß sie sich zusammenschlossen und gegen sie vorgingen. Einer jahrelangen Belagerung mit tausenden aufgebrachter Soldaten würde auch ihre gut befestigte Residenz nicht standhalten. Sie hätte zwar immer die Möglichkeit sich zu retten, aber dann müßte sie woanders von vorne anfangen, ein Einflußgebiet zu erschließen und eine komfortable Residenz aufzubauen. Es war ihr lieber, wenn die meisten sie nur aus Geschichten kannten, deren Glaubwürdigkeit sie bezweifelten. So konnte sie einzelnen Menschen mächtig Angst einjagen, wenn sie sich zu erkennen gab, war für alle anderen aber weiterhin nur eine Legende, die niemand angreifen wollte oder konnte.
Ein Gefühl ihrer Lustsklaven, das ihr jahrelang heftig zu schaffen gemacht hatte, war Geborgenheit. Einerseits brauchten die Sklaven es, um langfristig gesund zu bleiben, anderseits war es dann um so schwieriger, ihnen Angst und Verzweiflung einzujagen. Inzwischen hatte sie aber auch dieses Problem für sich gelöst. Sie führte ihre Sklaven, vor allem die Lustsklaven, immer mal wieder deutlich über die Grenze dessen hinaus, was sie ertragen konnten, so daß sie davor viel Angst hatten und verzweifelt waren, wenn sie es tat. Dann blieb sie wieder für längere Zeit in Bereichen, die die Sklaven verkraften konnten, wodurch sie sich an die vermeintliche Sicherheit gewöhnten. Und sie hatte genug Sklaven, um selbst nichts zu entbehren, wenn die Mehrzahl von ihnen sich geborgen fühlte.
Henriks Erregung und Frustration waren inzwischen abgeklungen. Dafür machte sich allmählich Verzweiflung in ihm breit. Er würde wohl den Rest seines Lebens von ihr zu ihrem Vergnügen gequält werden. Erst hatte sie ihn fast ertrinken lassen, dann jetzt mit unerfülltem, sexuellen Verlangen gefoltert. Und er war sich sicher, daß sie noch weit mehr auf Lager haben würde. Seine Beine schmerzten allmählich von der unbequemen Haltung. Einerseits hoffte er, daß die Fahrt bald zuende wäre, andererseits hätte er, wenn er erst einmal in ihrem Folterkeller wäre, überhaupt keine Chance mehr, diesem Schicksal zu entfliehen. Er hatte deshalb gemischte Gefühle, als die Kutsche langsamer wurde und schließlich anhielt. Durch das Fenster der Kutsche sah er, daß die Pferde ausgespannt wurden. Allerdings war es wohl nur eine Zwischenstation, da er sah, wie neue Pferde herangeführt wurden. Zumindest dachte er zuerst, daß es Pferde wären. Sie hatten auch so einen ähnlichen Körperbau, waren aber deutlich größer und kräftiger. Außerdem hatten sie Reißzähne. Solche Tiere hatte er noch nie gesehen. Sie waren auch ziemlich aggressiv, wie ihm auffiel.
Das lenkte seine Aufmerksamkeit auf diejenigen, die die Tiere heranführten. Denn sie schienen mit der Aggressivität der Tiere gut umgehen zu können. Es waren schwarze Männer, nicht dunkelhäutige Menschen, wie sie angeblich in südlichen Regionen leben sollten. Diese waren nachtschwarz, so daß Henrik ihre Konturen kaum erkennen konnte. Sie hatten das gleiche weiße Haar wie die Argowit und alle hatten violette Augen, die wie schmale Schlitze aussahen. Allerdings war bei ihren Augen nicht nur die Iris farbig, das ganze Auge hatte jeweils diese Farbe. So fiel es schwer zu erkennen, wohin sie eigentlich sahen. „Sie sehen überhaupt nicht mit diesen Augen“, mischte sich Agrippa in seine Gedanken. Ihm wurde wieder bewußt, daß sie seine Gedanken einfach mithören konnte. „Sie wissen einfach, was um sie herum los ist. Das macht sie auch zu exzellenten Kriegern, da man ihnen nicht in den Rücken fallen kann. Sie beherrschen auch die Schwerter und den Bogen virtuos. Wenn es mehr von ihnen gäbe, könnte man die ganze Welt mit ihnen erobern.“ Henrik versuchte sie zu zählen. Da sie für ihn aber alle gleich aussahen, gelang es ihm nicht. „Es sind 5 Schattenkrieger dort draußen“, half sie ihm. „Sie könnten es gut mit 100 ausgebildeten Kämpfern aufnehmen. Sie sind übrigens auch hervorragende Spurenleser. Solltest Du mir wirklich einmal entwischen können, schicke ich ein oder zwei hinter Dir her.“ Sie lächelte ihn an und er bekam eine Gänsehaut.
Sie war froh, diese Schattenkrieger gefunden zu haben, da sie eine hervorragende Leibwache bildeten. Sie waren allerdings auch für sie ein Rätsel. Agrippa konnte zwar ihre Präsenz und ihre Intentionen spüren, ihre Gedanken waren ihr allerdings verschlossen. Ob sie sie mit ihren Gedanken manipulieren könnte, wußte sie nicht. Sie dienten ihr aus freiem Willen und würden sofort damit aufhören, wenn sie es versuchte. Agrippa wußte nicht, wie viele insgesamt bei ihr im Dienst standen, sie hatten nur vereinbart, daß es mindestens immer 10 sind. Häufig waren es ein paar mehr. Aber sie kamen und gingen nach Belieben. Wo sie herkamen oder was sie während ihrer Abwesenheit taten, blieb Agrippa verborgen. Außer den Schattenkriegern hatte es bisher nur einer geschafft, seinen Geist völlig vor ihr zu verschließen, Claudius. Er konnte zwar nicht selbst die Gedanken oder Gefühle anderer lesen, seine Gedanken konnte er aber vor ihrem Zugriff bewahren. Sie hatte auch nie versucht, ihn mit ihren Gedanken zu manipulieren. Er hatte es ihr ausdrücklich verboten. Und da seine Talente wirklich furchteinflößend waren, hatte sie sich immer daran gehalten. Er konnte selbst Steine mit bloßen Gedanken zum Brennen bringen, Blitze aus seinen Händen schießen lassen, die fürchterliche Qualen verursachten und beliebige Gegenstände oder auch sich selbst kraft seiner Gedanken beliebig bewegen oder schweben lassen. Das waren zumindest die Begabungen, die sie bei ihm bereits in Aktion gesehen hatte. Sie schauderte bei der Erinnerung an seinen Wutanfall vor 220 Jahren als ihre Eltern in einer hellen Stichflamme aufgegangen und augenblicklich gestorben waren. Ob er über weitere Begabungen verfügte, wußte sie nicht.
Ein Schattenkrieger kam zu der Kutsche. „Die Raubpferde sind angeschirrt, Agrippa.“ Er nannte sie nicht Herrin, da die Schattenkrieger sie als Gleiche ansahen. Sie dienten ihr nur zum eigenen Nutzen. Als Gegenleistung erhielten auch sie von ihr ein Elixier, daß ihre Lebensspanne deutlich verlängerte – von etwa 150 auf 1500 Jahre. Solche Elixiere, die für jede Rasse eine andere Zusammensetzung brauchten, konnten nur die Erhabenen herstellen. Und natürlich hielten sie die Verfahren geheim. Früher hatten sie sie selbst benötigt, um ihre heutige Lebensspanne zu erreichen. Inzwischen brauchten sie sie nicht mehr. Und mehr als die ca. 10.000 Jahre, die ihre Lebenserwartung jetzt umfaßte, war auch mit Elixieren nicht zu erreichen. Auch wenn es einzelne Erhabene gab, die noch deutlich älter geworden waren. Der Schattenkrieger schaute auf Henrik. „Frischfleisch?“, fragte er mit ausdrucksloser Stimme. „Er hat sich mir als Lustsklave geradezu aufgedrängt“, scherzte Agrippa. Ein Lächeln huschte über das Gesicht des Schattenkriegers. Dabei sahen seine toten, violetten Augen noch erschreckender aus. „Na dann wünsche ich viel Spaß bei der weiteren Fahrt.“ Nach einer Pause fuhr er ernst wieder fort. „Zwei von uns werden Dich begleiten, der Rest kümmert sich um die Pferde. Brauchst Du sie eigentlich noch?“ „Nein, ihr könnt sie behalten.“ Der Krieger grinste und entblößte dabei zwei spitze, gelbe Zahnreihen. Henrik gefror das Blut in den Adern. Das war eindeutig jemand, dem er nicht gerne im Dunkeln begegnen würde. Aber es sah so aus, als würde er in Zukunft auch so keinen Mangel an schrecklichen Erlebnissen haben.
Als der Schattenkrieger gegangen war, setzte die Kutsche ihre Fahrt fort. Die Raubpferde zogen die Kutsche jetzt viel schneller. Sie flogen förmlich durch die Landschaft. Henrik erkannte, daß sie die Felder und Wälder verlassen hatten und durch eine karge Landschaft rasten. Er dachte darüber nach, daß sie ständig seine Gedanken lesen konnte. Fluchtpläne brauchte er so gar nicht erst zu schmieden. Und es machte ihm zu schaffen, daß er in ihrer Nähe nicht einmal mehr den Anflug von Privatsphäre hatte. Er konnte sein Denken ja schließlich nicht abstellen, zumal ihm Meditation und Selbstversenkung unbekannt waren. „Ich kann sogar in Deinen Erinnerungen stöbern, selbst wenn Du an etwas ganz anderes denkst“, sagte sie aufmunternd. „Für die Kürze Deines Lebens hast Du als Dieb ja ziemlich viel erlebt. Und witzige Phantasien hast Du.“ Er zuckte zusammen und kam sich schutzlos und gedemütigt vor. Es gab nichts, was er vor ihr verstecken konnte. „Vielleicht sollte ich mal danach suchen, wovor Du am meisten Angst hast. Das könnte ich dann sicher für Dich arrangieren.“ Er wand sich gedanklich und dachte natürlich von sich aus an seinen schlimmsten Albtraum. „Ich danke Dir für Deine Mithilfe“, verspottete sie ihn.
Die Kutsche wurde langsamer. „Wir sind gleich da. Wenn Du Dein neues Zuhause man anschauen möchtest, sieh doch jetzt mal aus dem linken Fenster.“ Er drehte den Kopf soweit nach links, wie es der Halsreif zuließ, sah aber nichts. „Links von mir aus gesehen, Du Dummerchen. Oder glaubst Du, daß ich mir die Mühe mache, die Welt aus der Perspektive eines Sklaven zu betrachten?“ Er schluckte diese Demütigung herunter und drehte den Kopf in die andere Richtung. Dort sah er auf einem Felsen eine bizarr aussehende Burg mit hohen, schmalen Türmen. Die Burg war komplett schwarz und wirkte sehr bedrohlich, zumal sie von düsteren Wolkenformationen umgeben war. Freiwillig würde er da nicht hineingehen. Aber diese Frage stellte sich für ihn ja auch nicht. Eine große Zugbrücke wurde heruntergelassen und zwei große Tore öffneten sich langsam. Sie fuhren über die Zugbrücke und durch die Tore. Henrik hörte die Tore hinter ihnen wieder zuschlagen. Für ihn klang es wie die Verkündigung eines Urteils.
Der neue Gürtel
Nachdem Claudius die Abdrücke von Karins Körper zum Aushärten in seine Werkstatt gebracht hatte, gab er einigen seiner Bediensteten – er behandelte sie normalerweise nicht als Sklaven – die Anweisung, das Essen aufzutischen. Sie hatten es bereits vorbereitet gehabt und warteten nur noch mit dem Servieren, damit es nicht kalt wird. Er schwebte in Karins Etage und holte sie ab. Sie blätterte wieder in dem Buch, aus dem er ihr vorgelesen hatte. Er würde ihr bald lesen, schreiben und rechnen beibringen. Sie schien aufgeweckt genug zu sein, es schnell zu lernen. Und sie könnte sich danach auch in der Verwaltung seiner Lichtung nützlich machen. Nachdem er mit ihr auf die Etage geschwebt war, in der er sich normalerweise tagsüber aufhielt, gingen sie ins Eßzimmer. Da sie bisher noch nie mit Besteck und Geschirr gegessen hatte, war nur ein einfaches Geschirr gedeckt. Karin staunte trotzdem darüber, als wäre sie bei Hofe. Wobei die Ausstattung bei den menschlichen Königen dieser Zeit wahrscheinlich wirklich angemessen gewesen wäre. Nach den Aufzeichnungen aus der Bibliothek seines Vaters, in denen er manchmal blätterte, wenn er Agi besuchte, hatte es in der menschlichen Geschichte bereits einige Hochphasen gegeben, in denen der Lebensstandard teilweise sogar über das hinausging, was sich die Erhabenen gönnten. Viele technische Erfindungen, die sie nutzten, stammte aus solchen Hochphasen. Irgendwie schafften es die Menschen immer wieder, sich in technischen und gesellschaftlichen Blütezeiten die Umwelt soweit zu zerstören oder fürchterliche Kriege zu führen, daß sie auf das aktuelle Niveau herabfielen. Die Erhabenen profitierten davon, da sie in solchen Zeiten ihre Macht viel offener ausleben konnten, als in den Blütezeiten der menschlichen Kultur. Wenn sich die Erhabenen zusammenschließen würden, könnten sie das Schicksal der Menschen dauerhaft in ihrem Sinne ändern. Aber daß mehr als 2 Erhabene außerhalb der „wilden Zeit“ zusammenkamen, ohne daß es Tote gab, war ziemlich unwahrscheinlich.
Während er seinen Gedanken nachhing, wurden die Speisen hereingebracht. Claudius erklärte Karin, worum es sich dabei handelte und wie man es aß. Ihre bisherige Kost war ziemlich einseitig gewesen und ihr Körper hätte wohl bald Mangelerscheinungen gezeigt, wenn sich daran nichts geändert hätte. Sie aß zunächst vorsichtig, dann aber mit steigendem Appetit. Es dauerte etwas, bis sie mit Messer und Gabel zurechtkam, aber gegen Ende des Essens hatte sie den Bogen einigermaßen raus. Sie würde zwar noch etwas Zeit benötigen, bevor es auch elegant aussah, aber für jemanden, der in seinem Leben nur mit den Fingern gegessen hatte, machte sie erstaunliche Fortschritte. Claudius hoffte, daß das auch für die vielen anderen Sachen galt, die er ihr beibringen wollte. Um ihr Essen aufzulockern, hatte er begonnen, sich mit ihr über alle möglichen Themen zu unterhalten. Er erzählte ihr von dem Leben auf der Lichtung, von den Drachen und als warnenden Hinweis auch davon, was diese Lichtung umgab.
Die Lichtung war nämlich in konzentrischen Kreisen mit einigen Schrecken umgeben, die unerwünschte Besucher oder Eroberer zuverlässig fernhielten. Von der Lichtung aus betrachtet schloß sich zunächst ein harmloses Stück Wald an, daß etwa einen Kilometer breit war. Danach kamen über etwa 500 Meter undurchdringliche Dornenhecken. Dahinter waren einige der gefährlichsten, fluguntauglichen Kreaturen untergebracht, die Claudius auftreiben konnte, hauptsächlich normale Raubtiere, aber auch einige Walddämonen, die selbst für die meisten Erhabenen gefährlich waren. Nach diesem 10 Kilometer breiten Gürtel kam wieder eine dicke Dornenhecke, um die Kreaturen drin und Besucher draußen zu halten. Die Kreaturen wurden in unregelmäßigen Abständen aus der Luft von den Drachen mit Nahrung versorgt, damit sie sich nicht gegenseitig auffraßen. Sollte Claudius einmal so große Gegenstände über diesen Schutzwall transportieren müssen, daß die Drachen sie nicht tragen konnten, war es auch möglich, eine Brückenkonstruktion über die Hecken zu legen, wenn man die Stellen kannte, die dafür tragfähig genug waren. Die Strecke durch die Raubtiere und Walddämonen mußte er den Transport allerdings begleiten, da nur er die Macht hatte, sie fernzuhalten.
Die Drachen übernahmen selbständig die Überwachung des Luftraums, wobei aus dieser Richtung kaum Gefahr drohte. Die Menschen hatten sich seit ihrer letzten Selbstvernichtung noch lange nicht wieder weit genug erholt, um über Flugmaschinen zu verfügen. Und auch die meisten Erhabenen konnten nicht so schweben wie er. Einige verfügten allerdings über Harpien, große, häßliche, geierartige Vögel, auf denen man durch die Lüfte reiten konnte, wenn man ihnen vorübergehend den eigenen Willen gebrochen hatte. Die Harpien waren allerdings sehr launisch und nur schwer zu beherrschen. Und für die Drachen waren sie keine Gegner. Die Drachen waren ohnehin eine sehr spezielle Spezies. Sie waren intelligent und sehr gefährlich. Sie hatten nicht nur fast unbegrenzte Kräfte, sie konnten tatsächlich, wie in manchen Sagen beschrieben, Feuer spucken. Man konnte sie nicht wirklich beherrschen. Aber es war möglich, ihre Freundschaft zu erringen und sie zur Kooperation zu überreden. Da Freundschaft und Kooperation im Sprachgebrauch der meisten Erhabenen nicht vorkam, war er der einzige, derzeit lebende Erhabene, der über Drachen befehligte.
Karin hörte sich interessiert seine Erklärungen an. Die Drachen faszinierten sie besonders. Dann befragte er sie über ihr bisheriges Leben. Da es ziemlich eintönig war, kam sie ziemlich schnell zu einem Ende. An ihre Eltern konnte sie sich nicht erinnern. Sie war mit etwa 3 Jahren zu den Wirtsleuten gekommen und auch die hatten ihr nie von ihnen erzählt. Im Gegenteil, erinnerte sie sich. Als sie die Wirtin einmal nach ihren Eltern gefragt hatte, bekam sie nur wieder eine Tracht Prügel. Claudius nickte. Es bestätigte eine Vermutung, die er schon länger hatte. Aber er wollte Karin dazu noch nichts sagen. Erst mußte er Gewißheit haben. Und es würde ihr sicher wehtun, wenn sein Verdacht sich bestätigte. Statt dessen brachte er das Gespräch auf die zukünftigen Pflichten, die Karin bei ihm haben würde. Sie hatte schon vermutet, daß sie ihm für sexuelle Vergnügungen zur Verfügung
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Kommentare
Kommentare: 13
Eine excellente Geschichte die uns nach weiteren Ausführungen und Fortsetzungen lechzen läßt!
Danke für diese Geschichte!
Martin und Barbara«
Kommentare: 5
Ich hab noch keine zeit sie selbst zu lesen, aber sie ist im BDSM-Netz Board von Why-Not gepostet worden.
Ich selbst hab Why-Not gefragt, ob er nicht seine großartigen Geschichten hier reinstellen möchte.
MFG
Datafreak«
Kommentare: 6
Kommentare: 11
Kommentare: 9
Ein sich auf die naechste Geschichte freuender
MiCrO«
Kommentare: 9
Besere wäre es, zu sagen: "Warum man gerade deine Geschichten lesen soll"!
Zuerst "Dunkle Wolken über Landor" (und auch noch andere Geschichten) und nun "Die Erhabenen" es ist immer wieder eine wahre Wonne etwas von dir zu lesen.«
Kommentare: 37
sehr fantasievoll geschrieben, nicht das sonstige "ich lass dich nur kommen wenn ich es will"...
bin gespannt auf teil 2.«
Kommentare: 142
Kommentare: 4
Ich konnte einfach nich aufhören zu lesen. So Gute Geschichten gibts eben nur bei Why-Not (-;
Weiter so und bitte bitte mehr davon
Gruß
kampfbearchen«
Kommentare: 12
Kommentare: 10
Ich lese die Geschichten von Why-Not immer wieder gerne. Vielen Dank dafür, dass wir an diesen Teil haben dürfen.
Viele Grüße«
Kommentare: 8
Zur Zeit eine meiner absoluten Lieblingsgeschichten - und ich freue mich schon sehr darauf, gleich den zweiten Teil zu lesen!«
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