Die hauchzartesten 10 DEN
von DameKobold
Von Montag bis Samstag war Kurt an den Vormittagen Verkäufer in der Strumpfabteilung des größten Warenhauses in Hamburg-Altona. An den Nachmittagen entfernte er in Heimarbeit an seiner Repassiermaschine Laufmaschen.
„Bist du lieber hier oder zu Hause bei den Nylons?“, fragte ihn seine Kollegin Luise.
Kurt überlegte, was er antworten sollte.
„Ich find‘ beides gut. Hier herrsche ich über alle Nylons und habe die lieben Kundinnen. Zu Hause kann ich meinen Gedanken nachhängen, während ich Strümpfe rette“, log er.
„Ja, aber manche Kundinnen sind schon recht anstrengend, so ganz das Gegenteil von lieb“, sagte Luise, „ich bin heilfroh, dass ich die nicht bedienen muss. Männer sind mit ihren Socken einfacher.“
Kurt schmunzelte. Sie wusste nicht, dass er glücklich über die Aufteilung war. Nylons waren seine Leidenschaft. Männersocken stießen ihn ab.
„Ach, eh ich es vergesse“, sagte Luise, „in den nächsten Tagen kommt ein Vertreter vorbei, soll ich dir ausrichten, der dir neuartige Strümpfe vorstellen will. Ich hab es nicht ganz verstanden, es geht um irgendwas mit unkaputtbar.“
Kurt schnalzte mit der Zunge.
„Unkaputtbar? Dass ich nicht lache, die sind dick wie selbstgestrickte Wollstrümpfe. Blickdicht! Das geht doch nicht!“
„Ich sag’s ja nur“, sagte Luise, „du bist der Fachmann.“
„So ein Dreck kommt nicht in die Regale“, sagte Kurt, „da werd ich der Abteilungsleitung von abraten. Das gilt auch für diese neumodischen Strumpfhosen.“
„Strumpf was?“, fragte Luise.
„Noch nie davon gehört? Der letzte Schrei aus Amerika. Strümpfe und Hose in einem. Ganz ohne Hüfthalter.“
„Wie? Ohne? Und die Unterhose ist gleich mit dabei? Kann ich mir nicht vorstellen.“
Kurt nickte. „Ich auch nicht. Auf jeden Fall ist das nix für die Kundinnen.“
Kurt konnte beide Kaufhauseingänge bequem überblicken, denn die Strumpfabteilung war im Parterre mittig platziert. Sein Blick wechselte oft von einem Eingang zum anderen, um potentielle Kundinnen zeitig erblicken und taxieren zu können.
„Du guckst so enttäuscht“, stellte Luise fest.
„Tu ich das?“, Kurt zögerte, „ich frag mich immer, wie Kundinnen das Warenhaus durchqueren können, ohne die Nylonabteilung zu beachten.“
„Ist mir auch schon aufgefallen“, sagte Luise, „vielleicht gehen sie schnell weiter, wenn sie dich sehen, so intensiv wie du ihnen auf die Beine guckst.“
„Was? Ich muss doch auf die ..., das ist die Nylon-, nicht die Hutabteilung.“
„Alles gut, Kurt“, kicherte Luise, „hab nur gescherzt.“
Verflucht, dachte Kurt, ich muss mich mehr vorsehen.
Je hauchdünner, je glänzender, je seidiger die Beine der Trägerinnen bestrumpft waren, desto rosiger wurden Kurts Wangen und seine Hände schwitzten. Das durfte Luise auf keinen Fall bemerken. Und erst recht nicht, dass die Wärme dann bis in seinen Unterleib wanderte, wenn mit 10 DEN bekleidete Beine an seinem Verkaufstresen verweilten. Es gab für Kurt Tage der Dauererregung.
„Guten Tag, meinen Sie, die sind noch zu retten?“
„Einen winzigen Moment, die Dame“, sagte Kurt, „ich ziehe mir schnell Handschuhe an, damit Ihre Strümpfe nicht Schaden nehmen.“
„Aber sie sind ja schon beschädigt“, kicherte die Dame.
Während Kurt sich zur Schublade mit den weißen Baumwollhandschuhen bückte, betrachtete er verstohlen die Beine der Frau. Sie trug keine flachgestrickten, sondern die moderne Form der rundgestrickten Nylons. Bei diesen Modellen war keine Naht mehr erforderlich.
Vorsichtig schob Kurt seine behandschuhte Hand in den Strumpf und drehte seinen Unterarm hin und her, bis er die Laufmaschen entdeckte.
„Hier und hier“, zeigte die Kundin zusätzlich und Kurt nickte.
„Das bekomm ich hin.“
Er blickte in ein erleichtertes Gesicht und seine Augen wanderten wieder zu den Beinen. Die Nylons hatten, wie der Strumpf, den er zur Reparatur angenommen hatte, einen seidigen Schimmer.
„Sehr elegantes Paar“, lobte Kurt und die Kundin blickte an sich herunter und errötete.
„Sie meinen die Strümpfe?“
„Ja, sehr exquisit, die kommen aus Amerika, nicht wahr, die kosten einiges.
„Mein Mann hat sie mir geschenkt. Ich habe keine Ahnung, was sie gekostet haben.“
„Dann hat ihr Mann einen edlen Geschmack, mein Kompliment.“
„Wann kann ich die Reparatur abholen?“
„Am Samstag ist es fertig“, sagte Kurt und ließ die Strümpfe in eine Papiertüte gleiten, die er zuvor mit dem Namen der Kundin beschriftet hatte.
Dann zog er seine Handschuhe aus.
Wenn an manchen Tagen viele Kundinnen ihre Nylons brachten, dass seine Handschuhe den ganzen Vormittag an seinen Händen verblieben, waren sie am Ende schweißnass.
An solchen Tagen beeilte sich Kurt, rasch nach Hause zu kommen. Auf seinem zehnminütigen Weg bemühte er sich, seine Erregung zu bewahren, erhaschte hie und da ein paar Blicke auf nylonbekleidete Beine und tauchte bereits auf der Straße in seine Erotikphantasien ein. Meist knüpfte er an seine letzte Kundin an, dachte sie sich in all ihrer Nylonpracht hautnah herbei und berührte ihre Beine sanft mit seinen bloßen Händen. In seiner Aktentasche befanden sich all die stimulierenden Tüten mit den getragenen Nylons. Seine Wohnung war das Refugium, wo er seine Lust ungestört steigern konnte, sich all diesen prickelnden Sinneseindrücken hingeben und sie ausgiebig berühren konnte.
Natürlich warteten auch jede Menge Repassieraufgaben auf ihn. Und Minouche.
Aber an diesen besonderen Tagen hieß es: „Nein, Minouche, jetzt nicht“, während er sorgfältig die Schlafzimmertür hinter sich schloss.
Es gab aber auch die Regentage, an denen kaum Kundinnen das Warenhaus betraten und Kurt gelangweilt die Nylonstrümpfe nach Farbe und Größe sortierte, obwohl er wusste, dass alles korrekt in den Kartons lagerte.
An solch einem Tag begegnete er ihr. Kurt hatte sich tief über die Schublade mit den Reparaturannahmen gebeugt, um zu prüfen, ob alle Tüten in exakter alphabetischer Reihenfolge einsortiert waren, als eine Parfümwolke in seine Nase stieg. Er vermochte nicht zu ergründen, ob es Rosenblüten und Vanille war oder Patschuli. Dieses Parfüm hob sich durch seine Schwere ab von den flüchtigen Kölnisch Wasserdüften seiner anderen Kundinnen. Eine feste Frauenstimme befahl: „Die müssen bis morgen repariert sein!“ Überrascht blickte Kurt hoch und fühlte sich von dunklen Augen gefangen gehalten, die kühl in die seinen blickten. Er wagte es nicht, auf die Strümpfe zu schauen. Er konnte nicht jede Laufmasche beseitigen. Wenn zu viele nebeneinander lagen, wären hässliche Spuren seiner Repassiertätigkeit zurückgeblieben.
„Ich muss erst, ... ich meine, ... bis morgen schaffe ich es nicht.“
„Ziehen Sie diese Arbeit vor, es ist wichtig“, erwiderte sie und es klang, als spräche sie so mit ihrem Personal.
„Da sind ja noch andere ...“, protestierte er.
„Wie gesagt, es ist wichtig, dass sie morgen fertig sind“, fuhr sie dazwischen, „haben wir uns verstanden? Notieren Sie: Anna von Renken, Elbchaussee 34. Soll etwas angezahlt werden?“
„Nein“, sagte Kurt überstürzt und merkte zu spät, dass sie das als Antwort auf ihre letzte Frage auffasste.
„Bis morgen dann, guten Tag!“ Sie drehte sich um und ging.
„A... aber, gnädige Frau, ich muss erst ...“, sagte Kurt so leise, dass es außer ihm keiner hören konnte.
Er blickte hinter ihr her. Sie war hochgewachsen, hatte ihre schwarzen Haare zu einem kunstvollen Knotengeflecht am Hinterkopf aufgesteckt und trug ein tannengrünes Kleid, das am Oberkörper eng anlag, während der Rock bei jedem ihrer Schritte in Wellen mitschwang.
„Wer war das denn?“, fragte Luise, „hast du das Kleid gesehen? Diese schwarze Spitze mit den gestickten Blumenranken und drunter dieses satte Grün, garantiert direkt aus Paris.“
„Kenne die nicht“, sagte Kurt, „war hier noch nie. Von Renken, Elbchaussee hat sie gesagt.“
„Von Renken, sagst du? Der Chef kennt die. Die sollen wir bevorzugt behandeln, wenn sie kommt.“
„Hat mir keiner gesagt“, murmelte Kurt gedankenverloren. Er blickte immer noch in Richtung Ausgang, obwohl da niemand mehr war. Sein Kopf fühlte sich wattig an. Denn das, was er an ihren Beinen erspäht hatte, stellte alles, was seine Stammkundinnen trugen, weit in den Schatten. Kurts Hose beulte sich.
„Hast du gesehen, wie teuer die Strümpfe waren, die sie anhatte?“, sagte er und die Art, wie er das Wort „teuer“ betonte, ließ Luise aufmerken.
„Nee, hab nur auf das Kleid geachtet.“
„Das waren französische. Schwarze Nahtlose mit hoher Ferse in 10 DEN! Die kosten ein Vermögen. So was führen wir hier nicht.“
„Aha“, sagte Luise zögernd, „ich verwechsele das immer, sind jetzt 10 DEN besser als 15 und 20 DEN? Du hast es schon paar Mal erklärt, ich vergess‘ es immer wieder.“
Kurt antwortete nicht. Die Strümpfe, die er reparieren sollte, lagen vor ihm auf dem Tresen und schimmerten in demselben feinsten Nylon, wie die, die sie getragen hatte.
„Schau dieses duftig hauchdünne Schwarz!“, sagte Kurt, „stop! Nicht anfassen! Gibt Ziehfäden.“ Er beugte sich zur Schublade und holte ein Paar Handschuhe hervor.
„Du brauchst doch nun wirklich keine, Kurt, so weich und zart, wie deine Hände sind. Ich wette, die cremst du jeden Tag dreimal ein.“
„Und die Nägel, die dürfen nie rau oder splittrig sein“, ergänzte er, „würde gern die Handschuhe weglassen, aber es ist eben Vorschrift.“
„Etwas ist dir jedoch entgangen, bei all deiner 10 DEN-Versessenheit“, triumphierte Luise.
Kurt blickte sie erstaunt an.
„Obwohl es kräftig regnet, hatte die von Renken keinen Schirm oder Regenmantel dabei. Die hat jemand direkt vor die Tür gefahren.“
Als Kurt die Reparaturtüte beschriftete und die Nylons hineingleiten ließ, vibrierte er.
Er blickte sich verstohlen nach Luise um. Rasch schob er die Tüte tief in seine Hosentasche und sah auf seine Armbanduhr. Er musste leider noch eine Stunde bleiben.
Auf dem Nachhauseweg wirbelten in Kurts Kopf all die Möglichkeiten herum, die sich ihm mit diesen Nahtlosen boten. Sollte er sie zuerst über seine Hände ziehen, sich ausgiebig damit streicheln, das feine Gewebe auf seiner Haut spüren? Oder sich mit der bestrumpften Hand befriedigen? Oder war es noch erregender, gleich einen der Nylonstrümpfe drüberzustülpen? Fast wäre er über eine Steinkante im Gehweg gestolpert.
In seiner Wohnung verschwand Kurt so rasch im Schlafzimmer, dass Minouche, die träge im Sessel gedöst hatte, vor verschlossener Tür stand. Und dass, obwohl sie ihre Dehnübungen ausfallen ließ und gleich zur Stelle war. Maunzend sprang sie zurück auf den Sessel.
Als Kurt die Schlafzimmertür öffnete, war sie längst wieder eingeschlafen. Kurt setzte einen Wasserkessel auf die Herdplatte und überlegte, ob er gleich ein wenig Kernseife zum Ausspülen der Nylons nehmen sollte, so wie er es sonst tat. Oder nur warmes klares Wasser? Er wollte nichts riskieren, was den zarten Hauch des Nylongewebes beschädigt hätte. Es klingelte an seiner Tür. „Moment“, rief Kurt in den Flur und beeilte sich, seine Hose anzuziehen.
„Können Sie für Ihre Nachbarin Ziggel dieses Päckchen annehmen?“, fragte der Paketbote. „Ich hab paar Mal geklingelt, aber sie macht nicht auf.“
„Klar, mach ich, die ist bestimmt einkaufen.“
Wie zerbrechliches dünnwandiges Porzellan wusch Kurt die beiden Nylons in dem lauwarmen Wasser, legte die Strümpfe behutsam auf ein Handtuch und tupfte sie ab. Danach hängte er sie über die Wäscheleine, die hoch über der Badewanne angebracht war. Bevor er mit der Laufmaschenreparatur beginnen konnte, würde er mindestens ein, zwei Stunden warten müssen. Das Repassieren von Laufmaschen funktionierte nur bei trockenen Strümpfen. Wohlig dachte Kurt an das, was er vorhin mit ihnen gemacht hatte. Diese exquisiten 10 DEN, er hätte das gerne auf der Stelle wiederholt.
Doch er musste sich sputen, um all die anderen Strumpfreparaturen zu erledigen. Er entnahm die Tüten seiner Aktentasche und stapelte sie neben seiner Repassiermaschine. An guten Nachmittagen schaffte er an die zwanzig Strümpfe. Seine Kundinnen warteten sehnlichst darauf, meist besaßen sie nur dies eine Paar. Ihm fiel das Päckchen für die Nachbarin wieder ein. Kurt beschloss, es ihr zu bringen.
Durch den Windzug der geöffneten Eingangstür gestört, wachte Minouche auf und blickte um sich. Es war Zeit für ihren nachmittäglichen Erkundungsgang. Sie streckte sich, sprang vom Sessel und trippelte mal hier hin, mal dort hin, prüfte, ob alles an seinem gewohnten Platz war. Die angelehnte Badezimmertür drückte sie mit ihrem Köpfchen auf und erstarrte. Hier war etwas anders. Neugierig blickte sie hoch zu den zwei über der Leine hängenden schwarzen Nylons. Die gehörten da nicht hin. Mühelos sprang Minouche mit gestreckten Pfoten in die Höhe und zog mit ihren ausgefahrenen Krallen einen der Strümpfe zu Boden. Sie beschnüffelte das seltsame Gebilde, das bewegungslos auf dem Badewannenvorleger lag. Es roch eindeutig nach Kurt und was nach ihm roch, durfte bleiben. Minouche wollte sich abwenden. Der Strumpf verfing sich jedoch an einer ihrer Krallen und sie bekam ihn nicht abgeschüttelt. Es hatte sich ein winziger Nylonfaden verhakt und so oft Minouche auch ihre Kralle einzog, der Stoff folgte jeder ihrer Bewegungen, was ihr langsam unheimlich wurde. Sie rannte aus dem Bad, der Strumpf folgte ihr. Ängstlich rannte sie weiter, sprang auf ihren Sessel, immer noch verfolgt. Panisch setzte Minouche alle vier Pfoten ein und strampelte sich endlich frei.
Als Kurt von seiner Nachbarin zurückgekehrt war, döste Minouche, den Nylonstrumpf unter sich begraben in ihrem Sessel und er begann mit den Laufmaschenreparaturen.
Bis zum frühen Abend hatte Kurt bis auf die schwarzen Nylons alle Repassieraufträge erledigt. Immer wieder hatte er innegehalten und sich dem Gedanken hingegeben, dass in seinem Bad die erregendsten Strümpfe hingen, die er jemals durch seine Finger hatte gleiten lassen
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Der Schluss ist sehr kurz gefasst und nimmt mich nicht so richtig mit.
Klang fast so, als hättest du die Geschichte unter Druck zu Ende bringen müssen.«
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