DoT.com
von Mondstern
Nach dreimaligem Kreisen über das Kopfsteinpflaster der Altstadt hatte ich endlich einen der wenigen freien Kurzzeitparkplätze erwischt, als mein Handy klingelte. Ich war erstaunt, weil der Anrufer sonst immer Textnachrichten verschickte. Ich nahm den Anruf entgegen.
„Spezialauftrag. Wieder über unsere Zeitarbeitsfirma“, eröffnete die Stimme das Gespräch.
Ich nickte mehrmals. Im Begriff zu erkennen, dass nonverbales Verhalten bei einem Telefonat eher kontraproduktiv war, antwortete ich: „Super! Hört sich gut an … nein, das ist kein Problem …, ich muss nur schnell was erledigen, dann fahr ich gleich hin …“
Das Telefonat endete abrupt, wie die ansonsten üblichen Textnachrichten, mit dem Satz – „alles Weitere wie immer.“
Damit war eine Memo an mein Internet-Postfach gemeint. Es hatte seine Vorteile, als freie Ermittlerin für die Steuerfahndung zu arbeiten … ich musste keine Steuern bezahlen und bekam jedes Jahr zum Geburtstag eine Glückwunschkarte … Aber es waren manchmal auch sehr suspekte Einsätze …
Ich hievte mein Paket vom Beifahrersitz und wuchtete es in den kleinen Shop, der neuerdings die Deutsche Post AG repräsentierte.
Hier konnte man auch TV-Anschlüsse von Kabel Deutschland ordern, Smartphones von O2 bestellen, Zeitschriften, Zigaretten und Sammelbilder kaufen. Neuerdings auch Lotto spielen und Blumengrüße verschicken.
Zum Glück waren nur fünf Leute vor mir.
Eine durchgestylte, nur wenig arrogant wirkende Mitarbeiterin mit Ina Bause Bubikopffrisur, erklärte dem aufgebrachten Fernsehsüchtigen gerade, dass er sich bei Bildstörungen direkt an den Kabelbetreiber wenden muss … zum dritten Mal. Die Kundin mit dem schnurlosen Telefon wetterte lautstark über plötzlich erscheinende Funklöcher … Auch sie wurde erst freundlichst, dann leicht energisch gebeten, sich direkt an die Kundenhotline zu wenden, dass man hier im Shop keine Einsicht in die Verträge hätte – auch mindestens dreimal, nachdem sie haargenau denselben Wortlaut im Stil einer Dauerschleife von sich gegeben hatte.
Die vor drei Monaten eingewanderte Frau aus dem hintersten Winkel von Erdogan, hatte eher profane Probleme, wedelte mit dem Papier vor der Nase der Angestellten herum und fragte direkt: „Welches nehmen?“
Die Mitarbeiterin zeigte ihr die richtige Adresse für das Antwortschreiben an die Krankenversicherung. Dass der Brief dann allerdings 0,60 Euro kosten sollte und nicht umsonst befördert wurde, erforderte dann doch noch ein längeres Beratungsgespräch.
Ich stand in der Reihe, wurde leicht nervig und biss ins Paket. Die Dealerei auf eBay war alles schön und gut, aber demnächst muss ich einen Schmerzensgeldzuschlag für Paketsendungen verlangen.
„Nächstes Mal geh ich zu Hermes“, brudelte ich halblaut vor mich hin.
Der Kunde hinter mir tippte mir an die Schulter und zeigte auf ein neues Plakat neben der Kasse. „Hermes-Shop!!! Neu!!! Nur hier!!!“
Na toll. Immerhin hab ich mit dem Verkauf des Computertischchens aus der Pharaonenzeit ein gutes Geschäft gemacht. Insgeheim war ich aber froh, in meinem Job keinen direkten Kundenkontakt zu haben.
Der seriös wirkende ältere Herr, der vierte Kunde vor mir, mutierte innerhalb von Sekunden zum Brüllaffen, als die Angestellte sein „Ab 18“
Paket aus Flensburg nicht ohne Ausweis rausgeben wollte … „Blöde Schlampe“ war noch einer der netteren Ausdrücke, mit denen er sie bedachte.
„Bringen Sie einfach Ihren Ausweis mit ... der Nächste bitte.“
Natürlich sollte man im Job nicht wegen jeder Kleinigkeit an die Decke gehen, aber sich auch nicht alles gefallen lassen und wortlos schlucken.
Wahrscheinlich sind die Leute im Service so einiges gewohnt und haben ein entsprechend dickes Fell.
***
Im Auto nutze ich das moderne Kommunikationsmittel und loggte mich in mein E-Mail-Account ein. Neben der Adresse des neuen Arbeitgebers stand dort auch, wie man an die Information gekommen ist.
Aufgrund des finanziell erfolgreichen Vorjahres lud der Chef der Firma DoT.com alle Mitarbeiter auf einen Abenteuerurlaub nach Kenia ein. Nach drei Wochen waren alle wieder erholt und braun gebrannt zurück in Deutschland. Alle? Nicht alle!
Der Chefsekretärin Olga war ein kleines Malheur geschehen. Sie wurde bei einer Safari im Tsavo-Nationalpark von einer Herde Spitzmaulnashörner überrannt und von kikuyutischen Ziegenhirten in ein Krankenhaus nach Mombasa gebracht. Dort schmorte sie bei 32 Grad Außentemperatur im Streckverband in einem bequemen 24-Mann-Zimmer ohne Aircondition.
Da sie zwar hervorragend Russisch und Hinterkirgisisch sprach, dazu ein gebrochenes Deutsch mit eisenhartem Akzent, aber leider nicht das in Kenia gesprochene Kiswahili und Englisch, gestaltete sich Konversation als außerordentlich schwierig. Zudem kam die Tatsache, dass keine Touristengruppe jemanden vermisste.
Die Rückführung nach Deutschland konnte sich also nur um Monate drehen … Diverse Nachrichten an ihren Arbeitgeber, für die sie ihre gesamten Fingerringe opferte, brachten nichts. Ihre Laune sank mit zunehmender Wartezeit ins Bodenlose. Im Tausch gegen Großtante Tamaras Brosche gelangte sie für fünf Minuten an ein Satellitentelefon.
Sie war mehr als sauer. Nicht DoT.com, sondern das Finanzamt war diesmal das Ziel ihres Anrufs und die Behörde, die war an der Nachricht sehr interessiert.
Verrat aus Leidenschaft.
„Die Daten waren nicht auf den Rechnern!“, las ich weiter. „Unsere besten Leute haben nichts gefunden, die externen Hacker haben viel Geld verlangt und ebenfalls nichts gefunden. Dann stundenlang Pornos konsumiert und Kosten im hohen vierstelligen Bereich verursacht.“
„Ich hätte gern mal eine Bezahlung im niederen vierstelligen Bereich“, fiel mir ein. „Was haben sie konsumiert … Pornos?“
Wie schon Tradition, las mein Chef meine Gedanken und der nächste Abschnitt begann mit den Zeilen:
„Sie müssen sich keine Gedanken machen, meine Liebe. Sie werden nicht mit moralisch Verwerflichem konfrontiert werden. Soweit das Hinterziehen von Steuern nicht ebenso als solches bezeichnet werden kann. Empfehlungsschreiben und hervorragendes Arbeitszeugnis sind anbei.“
Von der Firma DoT.com hatte ich noch nie zuvor gehört. In Reinschrift bedeutet die Abkürzung des Firmennamens: Derbes ohne Tabu. Ein Unternehmen, welches sich auf die Produktion und den Vertrieb von Internetpornos spezialisiert hatte.
Im Foyer ging es zu wie im Taubenschlag. Gut und gern 30 Frauen redeten durcheinander. Die Empfangsdame saß zusammengesunken und völlig desolat mit geschwollenen Ohren auf einem Stuhl hinter dem Tresen. Ein braun gebrannter Typ in den späten 50ern, mit Baskenmütze und Ziegenbart versuchte, wild gestikulierend des lebhaft schnatternden Hühnerhaufens Herr zu werden, während eine 50-Jährige, mit schlappen 30 Kilogramm Übergewicht und auftoupierten schwarz gefärbten Haaren, alles durch eine zitronengelbe Brille beobachtete.
Ich kämpfte mich nach vorne und pfiff erst einmal laut: „Jetzt reden alle mal der Reihe nach. Die Älteste beginnt.“
Schlagartig war Ruhe im Foyer. Mr. Goatee musterte mich und nickte zufrieden. „Boah ey. Ich sag es noch einmal. Das Jobcenter hat den Fehler begangen. Es gibt hier keine neue Stelle in der Buchhaltung.“
Ich blähte die Backen auf. „Na toll! Planänderung.“
„Wir suchen aber weiterhin neue Stars für unsere Filmproduktionen. Blond, schlank und unter 23 zu mir, alle anderen in unsere Personalstelle. Politische, egal ob links, rechts oder Mitte und alle mit Doppelnamen - raus! Sonst lass ich die Hunde los.“
„Die Hunde?“, fragte ich ungläubig die Übergewichtige.
„Ja. Die Brüder Jacob und Wilhelm Hund, unsere Sicherheitskräfte.“
Als sich die Vorhalle lichtete, sah ich ein Plakat an der Wand. Es zeigte einige lächelnde leicht gekleidete Damen. Sie warben für die größte internationale Fachmesse für sogenannte Erwachsenenunterhaltung – die Venus in Berlin. Eine Idee formte sich in meinem Kopf. Aber erst spürte ich geifernde Blicke, die mich von oben bis unten musterten. Leicht widerwillig sprach ich ihn an: „Herr Popp-Gitanes, es freut mich, Sie persönlich kennenzulernen.“
„Das glaube ich. Du bist zwar keine 23 mehr, Schnecke, aber du hast was. Ich mach dich zum Poppstar. Folgen! Auch du, Ilka Schätzchen.“
Die Assistentin lächelte im Glanz ihrer riesigen glitzernden Ohrringe.
Er führte uns in ein prachtvolles Zimmer, das dem Sultan von Brunei angemessen war. Auf dem überdimensionalen Schreibtisch standen antike Vasen, bzw. einige Fragmente mit expliziten Darstellungen von Gruppensex und Rudelbums.
„Schon der alte Pyromane Nero sah sich gern Pornos an.“ Der Poppproduzent lachte sich halb tot und betrachtete seine antiken Vasen.
Ich schaute mich um. Die Wand zierte ein riesiges Porträt von Linda Lovelance, was leicht daran zu erkennen war, da Linda Lovelance darunter stand.
„Deep Throat. Mein Lieblingsfilm“, schwärmte der Popp-Gitanes. „Für nicht einmal 23 000 Dollar gedreht und einem Einspielergebnis von über 100 Millionen.“
„Cool!“
Er zeigte auf eine Glasvitrine. „Und hier alle 36 Teile von unserem Welterfolg ’Allein gegen Alle’, mit der einzigartigen Hannelore, alias ’Imma N. Ass’. Die ist jetzt aber zu alt und castet neue Darsteller. Unser jetziges Zugpferd ist: ‘Was sich liebt, das leckt sich‘, mit unseren Jungstars Mandy, Sandy und Candy. Aber genug der Worte, zieh dich aus, Schnecke.“
„Da liegt ein Missverständnis vor. Ich bin inkognito hier, aus Berlin.“
Gerade noch geifernd auf das bevorstehende Ereignis gefreut, hielt er schlagartig inne. Die Rädchen mahlten schnell. „Boah ey, bekomme ich wieder einen Venus-Award?“
Ein Lächeln und den Zeigefinger vor dem Mund gaben mir erst einmal etwas Zeit. „Bringt etwas Geld in die Kasse.“
„Geld ist mir nicht so wichtig“, sagte der Popp-Gitanes, „mir ist es völlig egal, ob ich 60 oder 80 Millionen Euro auf dem Konto habe.“
Mir fiel nichts mehr ein.
Der Popp-Gitanes freute sich diebisch und hatte auf einmal alle Zeit der Welt. „Für welches Projekt?“
Ich konnte mir vorstellen, dass ein Venus-Award einem Emmy oder Oskar gleichkam. Da ich aber null Ahnung von den Machenschaften hier hatte, setzte ich meine Allzweckwaffe ein und lächelte geheimnisvoll.
„Unser neuestes Projekt etwa?“
Ich nickte.
Er ballte die Faust und stieß einen Jubelschrei aus. Freudig zeigte er auf ein Poster direkt über seinem Schreibtisch.
Ein in einen dunklen Umhang gehüllter halb nackter Adonis, mit feuerroten Augen und borstigen dunkelbraunen Zotteln auf dem Kopf, und in mittelalterliches Waldläufer-Outfit gekleidet, schaute uns grimmig an. Eine gewisse Ähnlichkeit zu einem riesigen Filmerfolg war beabsichtigt. Ich las den Titel: Der Herr der Pimmel.
Der Popp-Gitanes hüpfte vor Aufregung ein Stückchen in die Luft. „Mein neuestes Baby. Ein Epos in 23,5 Teilen.“ Er verstellte seine mittelhohe Fistelstimme und sprach in der dunklen Sprache:
Ein Schwanz, sie zu knechten, sie alle zu lecken,
ins Dunkel zu treiben und ewig zu schmecken.“
Ich war sprachlos. Reflexartig applaudierte ich und warf ein “genial“ in den Raum.
Der Popp-Gitanes verneigte sich und war einen Moment berührt. Dann wandte er sich an seine Assistentin: „Ilka Schätzchen, weis Frau Venus kurz ein und kommt dann zum Set.“
Wie ein Tonband legte die Gute los: „Obwohl in Deutschland seit 1975 legalisiert, wurde die Szene vom öffentlichen Leben nicht beachtet. In den 80er brachte der Videorekorder eine deutliche Vergrößerung des Angebots. Zehn Jahre später waren es die Privatsender, die deren voyeuristischen Umgang mit Tabuthemen, nun auch den Bereich Pornofilm und somit Pornodarsteller in die mediale Öffentlichkeit brachten …“
Ich nickte und scannte nebenher das Büro dezent ab. „Die Daten sind nicht auf dem Rechner“ hieß es in meinem Schreiben, und wenn man Notizblock und Rechenschieber ausschloss, eine externe Festplatte wohl auch nicht in der engeren Wahl war, dann käme ein USB-Stick aufs Treppchen.
Die lagert man normalerweise griffbereit in einer Schreibtischschublade oder Schieber, den man normalerweise dann auch noch abschließen würde. Nur … es gab hier keine Schubladen oder Fächer mit Schlössern. Schlimmer noch – nur offene Ablagefächer. Und der Popp-Gitanes war alles andere als ein Messie. In Punkto Ordnung eindeutig ein kleiner Spießer. Auf dem Schreibtisch standen nur ein museumsreifer PC und die noch älteren glasierten Tonscherben. Im Regal weitere Stücke – meist Skulpturen von Paaren, die auf akrobatischer Art den Koitus zelebrierten. Motive von Gizeh, über Athen bis zu den Osterinseln. Nur nirgends ein Speichermedium.
Beim Eckregal mit den Phallussymbolen runzelte ich die Stirn. Dutzende Kunstobjekte standen auf mehreren Glasböden. Aus Stein geklopft, Kupfererz gegossen oder Plastik geformt. Nun ja, wem‘s gefällt, oder wer‘s braucht …
„Wie krank ist das denn …“, fuhr mir raus, als ich auf den überdimensionierten Phallus neben dem Regal schaute. Das Ding war über einen Meter hoch und hatte einen Durchmesser wie eine Vinyl-Langspielplatte. „Das hat ja mit Kunst nichts mehr zu tun“, erklärte ich der Assistentin, „das ist nur krank und pervers.“
„Aber das ist doch eine Kerze. Sonderanfertigung. Aus Bienenwachs.“
„Oh.“
Ilka schüttelte den Kopf, brummte etwas in ihren nicht vorhandenen Bart und fuhr mit der Unterweisung fort: „In Deutschland darf der HIV-Test nicht älter als zwei bis drei Wochen sein, und der Hepatitistest nicht älter als zwei Monate. Somit ist zumindest das Risiko einer Infektion mit den letalen sexuell übertragbaren Krankheiten gemindert, aber nicht ausgeschlossen. Bei uns wird das großgeschrieben. Sie können gern in unsere Unterlagen schauen.“
„Und wieso verwenden die Darsteller nicht einfach Kondome?“
„Ich zitiere ein Konkurrenzunternehmen. Sie kamen zu der Erkenntnis, dass Safer-Sex-Filme nicht nachgefragt würden, und schon deshalb nicht angeboten werden könnten, weil sie keiner produzieren wolle.“
„Verstehe.“
„Gehen wir?“
„Wohin?“
„Na zum Set!“
„Ach so, na klar.“
„Was ist denn das für ein Raum?“ Neben dem glamourösen Chefzimmer war eine winzige Nische. Im farbenfrohen und nicht weniger kitschigen Stil der 1970er Jahre eingerichtet, und als krasser Gegensatz, ein ultramoderner Monitor auf dem Schreibtisch.
„Das ist die Buchhaltung“, erzählte Ilka. „Ich mache die Vertretung, wenn Olga nicht hier ist. Das Lustige ist übrigens, das ist der einzige Computer im Haus, der nicht ans Internet angeschlossen ist.“
„Wo ist der Sinn?“, fragte ich.
„Das bedeutet, dass er nicht gehackt werden kann.“
„Zumindest nicht von außen“, dachte ich. Während ich fieberhaft überlegte, wie ich an die Daten rankommen könnte, erledigte sich ein Teil fast von selbst.
„Der Chef besteht drauf, dass das Passwort täglich geändert wird. Das ist schon paranoid, oder? Wer kann sich so was merken.“
„Das kenne ich vom Büro“, gab ich ihr recht und flüsterte, „ich hab meine aufgeschrieben und in der Schublade versteckt.“
„Da mach ich es mir einfacher“, flüsterte sie zurück. „ich nehme immer den entsprechenden Wochentag und kombinier es mit dem Tagesdatum.“
„Das ist auch eine super Idee.“
***
Unter dem Vorwand ich müsse noch telefonieren, wurde ich Ilka eine Weile los. In einem Abstellkämmerchen fand ich die perfekte Tarnung. Ich schlüpfte in den dunkelblauen Arbeitskittel, band mir das Kopftuch um und steuerte den Wagen mit den Putzutensilien in Richtung Chefbüro.
Niemand beachtete mich und unerkannt kam ich am Büro an. Ein Kinderspiel. Ich drückte die Klinke der Glastür nach unten und … es war abgeschlossen. Verdammter Mist. Schlüssel gab es in solchen Komplexen schon längst keine mehr, und das Zauberwort hieß Zugangskarte. Dieser scheckkartengroße Plastikstreifen öffnete auch nur die Bereiche, für die der Besitzer eine Berechtigung hatte.
Eine Putzfrau musste doch überall putzen? Eine Karte fand ich in der Brusttasche. Nachdem es zwei Mal “rot“ anzeigte, klackte es beim dritten Mal und ich konnte rein.
„Ich nehme immer den entsprechenden Wochentag und kombinier es mit dem Tagesdatum.“ Das waren Ilkas Worte. Nur ein Problem - es gab etliche Möglichkeiten. Der Wochentag war klar, aber kommt das Datum am Ende oder am Schluss? Schreibt sie es komplett aus? Punkte, Kommas oder Striche zwischen den Zahlen? Auf deutscher oder amerikanischer Art?
Und vermutlich wird der Rechner nach drei Fehlversuchen dichtmachen.
Ein kurzes Durchsuchen der Schubladen brachte nichts. Mein Blick fiel auf einen Tischkalender. Auch nichts, was mich weiter brachte. Als ich ihn umblätterte, fand ich eine Visitenkarte. Zufrieden lächelte ich. Ilkaschätzchen hatte ein Date. Neben vielen kleinen Herzchen und einem elbisch geschriebenen Namen stand da das Tagesdatum und der Wochentag. Genau in dieser Art tippte ich das Passwort ein und Sesam öffnete sich.
Ich überflog die Daten. Ausschließlich Steuerzeugs, soweit ich das sah. Ich sah mich im Raum um. Aber außer einem Zeitsprung ins grelle 1970 in Verbindung mit leichtem Schauder brachte das nichts. In einem Gurkenglas waren Werbekugelschreiber gebunkert und auch ein USB-Stick. Eine Versicherungsgruppe versprach in weißen Buchstaben, dass ich zu Geld kommen würde. Recht hat sie, falls ich was Verwertbares finde, würde das meinem Konto guttun. Es konnte losgehen - kaum zwei Terabyte an Daten und ich hatte ein Speichermedium mit 8 Megabyte.
Ich brauchte nur einen Fall, einen Steuerverstoß, und die Behörde konnte per Gerichtsbeschluss den Rechner konfiszieren. Nur wo, welchen? Ist brauchte einen Volltreffer und ging hochprofessionell vor. Ene, mene, muh, und raus bist du!
Ich klickte den gewählten Ordner an und verschob ihn auf den Stick.
Wirklich, ein Kinderspiel.
„Was machen Sie hier?“
Ich erschrak fast zu Tode und blickte auf die zwei Hünen in schwarzen Bomberjacken.“
„Machen sauber!“
„Sieht eher nach einer Pause aus“, meinte der eine und lachte über seinen Spruch.
„Hier putzt nur die Frieda, und die hat heut Morgen schon geputzt!“
„Machen putzen, ja.“
„Wie sind Sie hier überhaupt reingekommen? Die Zugangskarte gab in der Zentrale Alarm. Die Tür hätte gar nicht aufgehen dürfen.“
„Wollen Karte sehen?“
„Ja, zeigen Sie mal her!“
Ich schob mir das Kopftuch in die Stirn, zog unauffällig den Stick aus dem Rechner und huschte zum Reinigungswagen. Die beiden Sicherheitsleute gingen zum Rechner und glotzten auf den Monitor.
Ich schloss schnell die Glastür und stellte den Putzwagen so hin, dass er die Klinke blockierte, und nahm die Füße in die Hand.
Von außen eine Tür zu blockieren, die nach innen aufgeht, verschafft einem jetzt nicht unbedingt einen großen Vorsprung. High Heels, so geil sie auch aussahen, würde ich im Nachhinein auch nicht mehr als erste Wahl für Fluchtversuche nehmen.
Und wie war das in dieser Reportage über die Serengeti? Wer zu langsam ist, der muss sich eben verstecken. Zum Glück waren die beiden wohlbeleibten Typen nicht die Schnellsten.
Ich düste durch die Gänge, bog mal rechts ab und mal links, entledigte mich des Kopftuchs und stopfte den Arbeitskittel in einen Mülleimer.
Plötzlich sah ich einige Leute, die eine Art Aula ansteuerten. Ein riesiges Schild wies es als “Castingbereich“ aus.
Ich hängte mich dran und verschwand in der Menge. Als ich mich dann umsah, fiel mir die Kinnlade runter. Ich war in einer Orgie gelandet.
Gute 100 Männer standen, hockten oder wuselten herum. Junge, alte, dicke, dünne … allerdings mit einem gemeinsamen Nenner. Alle hatten – wenigstens einige – keine Hosen an. Die meisten waren richtig nackt.
Mitarbeiterinnen schickten einige gleich wieder raus, verteilten Infozettel an andere und gaben lautstarke Anweisungen.
Eine Assistentin eilte mit Notizblock und Maßstab von einem Teil zum anderen. Ich kniff kurz die Augen zusammen. Kein Irrtum, keine Halluzination. Die vermaß tatsächlich die Penisse der Bewerber. Ab und zu wurde ich mit einer der Assistentinnen verwechselt und angesprochen. Ich versprach, dass sofort eine Kollegin kommen würde. An der Tür wurde es schwarz. Bomberjacken versperrten jedem den Weg. Zwei Typen ließen weder jemand rein, noch raus, während die Bulldoggen die Fährte aufnahmen.
An der Seite, gegenüber der riesigen Fensterfront, befanden sich kleinere Plätze für Einzelcastings. So was wie Privatsphäre war bei Pornodarstellern eher drittrangig, trotzdem waren die kleinen Bereiche mit grünen Vorhängen versehen. Und dass hier die Gedanken auf den richtigen Fokus gelegt wurden, postierten und rekelten sich einige Frauen auf einer kleinen Bühne an der hinteren Wand.
„Jetzt wird es aber Zeit, junge Frau!“ Eine Dame in gehobenem Alter, die ich bei einer kirchlichen Institution durchaus als Nonne oder Oberschwester eingestuft hätte, legte sanft ihren Arm um meine Taille. „Husch, husch, ausziehen und loslegen. Oder, wie ich zu sagen pflege, ran an den Speck.“
Jetzt war ich, zugegeben, mehr als irritiert. Ausziehen stand nicht einmal im Kleingedruckten meines Vertrags, und Speck mochte ich nur ganz knusprig gebraten beim Barbecue.
Gerade im Begriff, diese Wünsche gnadenlos zu ignorieren und diesen seltsamen Ort zu verlassen, kamen die beiden Kleiderschränke mit grimmiger Miene näher. Die nackten Mädels ignorierten sie völlig, alle mit Kleidung nahmen sie dagegen besonders ins Visier.
Die erwischen mich! Hilfe! HILFE !!!
Schnell streifte ich meine Klamotten ab und deponierte sie in der hintersten Ecke. Ich drehte mich mit dem Gesicht zur Wand und wackelte ein wenig mit dem Po. In der Position hatte ich aber ein stark eingeschränktes Blickfeld, weswegen ich mich umdrehte. Leicht wippend, Bauch rein, Brust raus, stand ich da und suchte krampfhaft nach einer Fluchtmöglichkeit. Die Dogs ignorierten mich, wie gehofft, aber Dutzende andere begannen zu sabbern.
Räume in dieser Größe müssten doch gesetzliche Notausgänge haben … Und endlich sah ich eins dieser grünen Schilder mit dem fluoreszierenden Pfeil. Jemand hatte große Poster der Dot.com-Produkte an die Wände geklebt, und die Tür gleich mit tapeziert. Zum Überfluss noch eine mannshohe Palme davorgestellt. Die findet in einem Notfall keiner, die entdeckt aber auch kein Hundegespann. Hier werd ich durchkommen …
Ich ging langsam in die Richtung. Ein besonders hartnäckiger Verehrer verfolgte mich wild onanierend auf Tritt und Schritt. Der nervte nicht nur, der erweckte auch zu viel Aufsehen.
„Treffen wir uns etwas privater, Süßer?“, fragte ich mit einstudiertem Augenaufschlag.
„Hechel – Lechs.“
„Dachte ich mir. Geh zum Haupteingang, genau so, und lass die Fünf bei Willi. Dann stellst du dich vor die Security und sagst das Geheimzeichen. Ich will deine Mutter ficken! Verstanden?“
„Mutter ficken, alles klar.“
Weg war er. Die beiden Aufpasser am Haupteingang hielten sich strikt an ihren Befehl. Keiner durfte raus. Einer der Brüder Hund drängte sich durch die Massen, den anderen sah ich nicht. Um nicht aufzufallen, tat ich es den wenigen nackten Mädels nach und befolgte diesen Machospruch.“ Setz dich hin und seh’ gut aus!!“
Ich hockte mich auf das relativ harte Polster an der Stirnseite, warf meinen Kopf samt den langen Haaren in den Nacken, und die Dutzende Blicke kribbelten auf meiner Haut. Erst unbewusst, dann immer intensiver.
Während einer stöhnte wie ein ostafrikanischer Wasserbüffel, bekam ein anderer einen Weinkrampf, weil sein kleines Kerlchen partout nicht hart werden wollte.
Eine völlig aufgetakelte Mittvierzigerin machte ihn zur Minna und warf ihn kurzerhand raus. Dann schritt sie an den verbliebenen Männern entlang, beleidigte einige, verhöhnte andere, pfiff manchmal, und wies wiederholt darauf hin, dass jeder – Zitat: Ins Glas wichsen muss.
Ich verstand nicht, worum es ging, aber ich sah einige der Reaktionen. Als ich dann – natürlich völlig unbeabsichtigt - die Beine erst anwinkelte, dann spreizte, kam es zu einigen unkontrollierten Zuckungen im Publikum. Ich musste breit grinsen. Ein Schauer von Peinlichkeit und Ungeheuerlichkeit rann mir den Rücken runter.
Obwohl so dazusitzen alles andere als ladylike war, löste es einen hammergeilen Kick aus, und nicht nur meine Stirn begann zu glühen.
In einem der abgeteilten Räumchen schaute ein junger Typ her, direkt vor mir durchbohrten mich lüsterne Blicke eines Rentners. Der etwas dickere der Sicherheitskräfte tauchte plötzlich aus dem Off auf, schaute mich an und schleppte sich
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(AutorIn)
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Mondstern
Freut mich, wenn euch meine kleine Satire/Parodie einer völlig gestressten Sachbearbeiterin gefallen hat. Hierzu empfehle ich die Geschichte von meinem Freund aweiawa, der sich am gleichen Ort rum treibt und man sich begegnet
http://www.sevac.com/erotische-geschichten/Wie-ich-Pornodarsteller-werden-wollte-11210.htm
LG Mondstern«
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Wie immer sehr witzig und gut geschrieben. Habe viel gelacht und mich amüsiert.
LG Schilde«
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Leichtgewicht
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Ketzer
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habe ich aufgehört zu lesen. Schnoddrige Sprache? Nein: schlechte Stil.«
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BenjaminBi
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Gruß von einen treuen Leser
Christian 200«
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Helios53
Nach meinem Gefühl hat sich die *Verdeckte Fahnderin* öfter aus- als wieder angezogen und neun großschwänzige Hengste schwanztot zu vögeln, gehört, obwohl das kein Werk von aweiawa ist, eindeutig auch in die Kategorie *unwahrscheinlich, wenn auch nicht unmöglich*
Dennoch: Gute Leistung!
PS.: Die schon vermissten Jung-Popp-Stars Candy, Mandy und Sandy sind ja doch mit von der Partie!
;)«
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aweiawa
LG
Elmar
PS
Der Helios ist wirklich sehr bewandert in der Literatur. :-)«
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bolle
Das Verhältnis von Sex und Pointe könnte etwas ausgeglichener sein und zum Schluss gingen wohl die Wörter aus. Irgendwie fehlt da noch was.«
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Der XXX-Zine
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es war wie immer einer schöner Lesegenuss. Eine schönere Satire wie die habe ich noch nie gelesen. Du kannst einfach alles schreiben und es macht alles Spaß beim lesen.
Dein großer Fan
Schmusebaerli«
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Auden James
Wie die Antwort auch ausfallen mag - Satire auf die Pornoindustrie? Auf die Finanzbehörden? Auf Pornographie als solche? -, es ändert nichts daran, dass der vorliegende Text weder bissig noch lustig ist, was, wie sich der geneigte Leser denken kann, für eine Satire nicht unbedingt von Vorteil ist. Des Weiteren wirkt die sprachliche-erzählerische Gestaltung des Texts im Vergleich zum Stil des frühen bis mittleren "Anja"-Zyklus, womit die Geschichten rund um das literarische Alter Ego der Autorin an dieser Stelle bezeichnet seien, auffällig zurechtgestutzt, entkernt und zugleich outriert. Der für die Geschichten der Autorin früher so typische realistische Ausgangspunkt (z. B. schwäbischer Familienalltag) ist passé, die emotionalen Seit- undTiefblicke verschwunden; dafür werden die sexuellen - wie auch alle anderen - Handlungen maßlos übertrieben und, wie schon von "SabrinaS" völlig richtig festgestellt, "an den Haaren herbeigezogen". In der Folge liest sich der Text wie eine völlig überdrehte WV, ohne überhaupt WV sein zu wollen oder als solche - quasi unfreiwillig - zu taugen, sprich: schlecht! (Einzig die Fülle an absurden Ideen und das Tempo, mit dem diese auf den Leser losgelassen werden, bewahren den Text vor dem völligen Absturz.)
Viel Besseres über den Text zu sagen ist - leider! - einfach nicht drin, denn absurde Übertreibungen am laufenden Band, emotionales Vakuum auf ganzer Linie und so klischeeisierte wie hanebüchene sexuelle Handlungen lassen keinen anderen Schluss zu.
Was mag sich die Autorin bei diesem Text nur gedacht haben?«
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Faith
Die Story ist chaotisch, kaum nachvollziehbar und kein bisschen erotisch - wie das spezielle Pornogenre, dass du hier gnadenlos in die Pfanne haust.
Ich habe die Geschichte in einem Rutsch gelesen (was mir bei Dir nicht immer gelingt) und war die ganze Zeit mit den Gedanken bei der Geschichte. Stellenweise wirkt der Humor erzwungen, aber es gab auch Stellen in denen sich eine Situationskomik entfaltete, die mich laut lachen ließ. Der Schlussakt hat mich nicht in seiner sprachlichen Ausführung, aber in der Botschaft echt überrascht.
lg
F«
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eine schöne Geschichte , aber teilweise ist es anstrengend den Inhalt zu verstehen. Der Schluss mit den Hauptdarstellen hat mir besonders gut gefallen, grins.
LG Stef«
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gute schreibart, in einigen passagen wieder typisch :)
gruß J«