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Kommentare: 9 | Lesungen: 8481 | Bewertung: 8.59 | Kategorie: BDSM | veröffentlicht: 08.04.2004

Dunkle Wolken über Landor (1 - Dämonenopfer)

von

Episode 1 – Dämonenopfer

Der Schweineheld

Er wartete jetzt schon seit einer Stunde auf der Lichtung. Die Dämmerung ging allmählich in die Nacht über, und Eric fragte sich, ob es wirklich so eine gute Idee gewesen war, unbedingt „Held“ werden zu wollen. Nicht, daß er wirklich Angst vor der bevorstehenden Auseinandersetzung hatte. Aber mit zunehmender Dunkelheit wurden seine Chancen, unverletzt aus diesem Kampf hervorzugehen, immer schlechter. Und obwohl er am positiven Ausgang dieses Auftrags keine Zweifel hatte, würde er sich bei dem versprochenen Lohn eine längere Pause zur Verheilung von Wunden nicht leisten können. Beim Aushandeln seiner Belohnung war er wohl nicht sehr geschickt vorgegangen. Aber das war ja schließlich auch sein erster Auftrag als hauptberuflicher „Held“. Und es war auch kaum ein Auftrag, mit dem er später würde prahlen können. Statt dessen mußte er aufpassen, nicht zum Gespött der Leute zu werden, wenn er den Auftrag nicht auf Anhieb erledigen konnte.

Aber ein normales Leben wäre für ihn nie in Frage gekommen. Seine Pflegeeltern hatten ihn zwar nicht schlechter behandelt, als ihren eigenen Sohn, aber daß dieser und nicht Eric eines Tages die Schmiede des Vaters übernehmen würde, war Eric von Anfang an klar. Und er war froh, trotzdem ebenfalls als Schmied ausgebildet worden zu sein. Wobei er sich danach gesehnt hatte, auch die Schwertschmiedekunst erlernen zu können. Aber das konnte er von seinem Vater nicht lernen. Er träumte schon immer davon, eines Tages als Held durch die Lande zu ziehen und mit dem Schwert in der Hand große Taten zu vollbringen. Durch die Ausbildung zum Schmied war er ziemlich muskulös und kräftig. Und er hatte einen wesentlich stärkeren Tatendrang als sein etwas phlegmatischer Bruder. So zog er schließlich von zuhause fort und hoffte, irgendwo bei einem Schwertschmied in die Lehre gehen zu können, um sich eines Tages sein eigenes Schwert zu schmieden. Ein Rascheln riß Eric als seinen Erinnerungen. Fest umfaßte er den Schaft der Lanze, auf die er sich stützte und lauschte in die Dunkelheit. Dann sah er, daß nur eine Eule in der Nähe eine Maus geschlagen hatte und mit ihr davonflog. Jetzt war es wieder ganz ruhig. Und Eric versank erneut in seinen Erinnerungen.

Er hatte Glück gehabt, daß er bereits wenige Tage nach Beginn seiner Wanderschaft auf den alten Einsiedler namens Rudolf stieß. Wie er erfuhr, war dieser früher einmal ein großer Schwertkämpfer gewesen und hatte sich inzwischen in die Einsamkeit zurückgezogen. Rudolf konnte zwar selbst keine Schwerter schmieden, kannte allerdings theoretisch die wichtigsten Geheimnisse für die Herstellung von Damaststahl. Zusammen mit Erics praktischen Schmiedekenntnissen gelang es den beiden schließlich, die Geheimnisse der Schwertschmiedekunst auch praktisch zu lüften. Rudolf war zwar körperlich noch relativ rüstig, für die harte Schmiedearbeit allerdings doch schon zu alt. So beschränkte er sich darauf, den Blasebalg zu bedienen und Eric zu beschreiben, in welchen Farben die verschiedenen Eisensorten glühen mußten, damit sich aus einer harten, spröden und einer elastischen, weicheren Legierung der Damaststahl verschweißen und falten ließ. Nach dem vierten Versuch war der Stahl dann endlich schwerttauglich und Eric schmiedete sein erstes Schwert. Drei Versuche später entstand dann ein Schwert, daß nicht nur aus gutem Damaststahl bestand, sondern auch perfekt ausgewogen in der Hand lag. Bei Erics ersten Versuchen, das Schwert zu führen, rollte Rudolf sich vor lachen auf dem Boden. „Das ist ein Schwert, kein Schmiedehammer“, prustete er heraus. Und er brachte Eric in den folgenden Wochen bei, was man als Schwertkämpfer wissen mußte. Zum Üben der Kampftechniken nahmen sie zunächst Holzlatten und Eric war übersäht von blauen Flecken. Aber er war eifrig dabei und ließ sich nicht entmutigen. Schließlich konnte er mit den Holzschwertern besser umgehen als Rudolf, dessen Beweglichkeit dem Alter Tribut zollte. Dann ging es für Eric daran, seine Technik mit dem deutlich schwereren Schwert einzuüben. Und schließlich war Rudolf mit Erics Können zufrieden. „Mehr kann ich Dir nicht beibringen“, erklärte er Eric. Im folgenden Winter starb Rudolf an den Folgen einer schweren Erkältung. Und wenig später machte Eric sich auf, um als Held seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Es gab allerdings wenig Aufträge für angehende Helden. Und so stand er jetzt hier auf einer Waldlichtung und wartete auf einen wilden Eber, der in dieser Gegend sein Unwesen trieb.

Er fühlte sich etwas unwohl dabei, nicht sein Schwert, sondern eine Lanze benutzen zu müssen, aber ein Schwert war wirklich nicht die geeignete Waffe, um einen Eber zu erlegen. Schließlich hörte er ein Rascheln vom anderen Ende der Lichtung. Und der Eber kam endlich in Erics Blickfeld. Glücklicherweise war der Mond zwischenzeitlich aufgegangen und füllte die Lichtung mit seinem fahlen, silbernen Licht. Dadurch konnte Eric den Eber genau erkennen. Und er bekam fast Mitleid mit dieser Kreatur. Die Bewohner des Dorfes, die ihm den Auftrag gegeben hatten, waren offenbar selbst bereits mit dem Versuch gescheitert, den Eber zu erlegen. Jedenfalls ragten mehrere abgebrochene Pfeile aus dessen Körper heraus. Und so wie es aussah, war der Eber inzwischen mit seiner Kraft am Ende. Er trottete noch ein paar Schritte auf Eric zu und brach dann in die Knie. Vorsichtig näherte Eric sich dem Eber, der nur noch mühsam röchelte und gab ihm schließlich mit der Lanze den Gnadenstoß. Eine Heldentat war das nicht gerade, aber das brauchte er ja den Dorfbewohnern nicht zu sagen. Jedenfalls war es leicht verdientes Geld. Mit seinem Schwert schlug er dem toten Eber noch die Hauer als Beweis ab und machte sich auf den Rückweg zum Dorf. Im Gasthaus war noch immer etwas los und so begab er sich dorthin. Auch der Dorfschulze, der ihm den Auftrag gegeben hatte, saß noch im Gasthaus und sprach fröhlich dem Bier zu. Eric setzte sich zu ihm und legte die Hauer auf den Tisch. Er wollte seine Belohnung von zwei Goldstücken gleich abholen.

Der Dorfschulze grinste ihn bierselig an und erklärte ihm, daß es jetzt ja keinen Grund mehr gäbe, ihn auszuzahlen. Zuerst traute Eric seinen Ohren nicht, dann glaubte er, daß der Schulze einen Witz machte. Aber nachdem ihm auch einige andere Gäste aus dem Dorf zustimmten und der Schulze keine Anstalten machte, ihn bezahlen zu wollen, packte Eric die Wut. Er riß den Schulze am Kragen hoch und schüttelte ihn durch. Als daraufhin der Schmied und einige weitere, kräftige Gestalten des Dorfes auf ihn zukamen, zog Eric sein Schwert und zertrümmerte als Warnung mit einem Schlag die Theke des Gasthauses. Totenstille senkte sich über das Geschehen. Und Eric richtete sein Schwert auf den dicken Bauch des Dorfschulze. Die anderen erstarrten und der Dorfschulze meinte kleinlaut, daß er gar keine Goldstücke hätte. „Vielleicht sollte ich mir dann ersatzweise deine beiden Hände als Trophäe holen“, drohte Eric ihm. Obwohl er das nicht wirklich vorhatte, kam seine Wut doch so glaubwürdig an, daß der Dorfschulze ganz blaß wurde. Er stammelte noch etwas davon, daß ihm jetzt einfiel, wo er doch noch zwei Goldmünzen hätte. Eric antwortete, daß er nach diesem Versuch, ihn um seine schwer verdiente Belohnung zu bringen, auf drei Goldmünzen bestehen würde. Um seine Forderung zu unterstreichen, drückte er dem Schulze sein Schwert noch etwas fester an den Bauch. Dieser versicherte ihm, gleich mit den Münzen wiederzukommen. Aber da Eric überhaupt kein Vertrauen mehr in diesen Menschen hatte, folgte er dem Schulze mit gezücktem Schwert.

Sie gingen zum zentralen Haus des Dorfes und der Schulze holte drei Münzen aus einer Truhe und gab sie Eric. Da die Beleuchtung sehr schlecht war, konnte Eric die Farbe des Metalls nicht richtig erkennen. Und weil er inzwischen sehr mißtrauisch geworden war, zwang er den Schulze, eine helle Karbid-Lampe anzumachen. Und tatsächlich, die Münzen waren aus Kupfer und nicht aus Gold. Eric war jetzt sehr verärgert und schlug dem Schulzen mit der flachen Seite des Schwertes fest gegen den linken Arm, so daß der Schulze die nächsten Tage noch einen großen blauen Fleck als Andenken haben würde. Der Schulze schrie auf und jammerte, er habe keine Goldmünzen. Daraufhin kippte Eric den Inhalt der Truhe auf den Tisch. Unter den Münzen waren mindestens zwanzig Goldstücke. Eric nahm sich unter den lauten Protesten des Schulzes vier davon und kippte den Tisch um, so daß der Schulze die verbliebenen Münzen bei Lampenschein alle wieder vom Boden aufsammeln mußte. Eric dagegen verließ das Dorf mit vier Goldmünzen in der Tasche und der Erkenntnis, daß nicht alle Menschen ehrlich sind. Aber immerhin hatte er jetzt seine erste „Heldentat“ vollbracht und sie sogar noch besser bezahlt bekommen, als er erwartet hatte. Daß seine Heldentat eigentlich nur darin bestanden hatte, sich zu trauen, auf den Eber zu warten, schmälerte seine aufkommende gute Laune überhaupt nicht.

Die Räuber

Geschickt duckte Lucius sich unter dem heransausendem Schwert hinweg und wirbelte an die Seite des Angreifers. Aus dieser Bewegung heraus zuckte das linke seiner beiden Schwerter hervor und enthauptete den Angreifer, der wie in Zeitlupe zusammenbrach. Lucius schaute sich um. Soweit er in dem Nebel sehen konnte, regte sich nichts mehr. Der Boden war übersäht mit getöteten Feinden. Und er selbst war von Kopf bis Fuß mit Blut bespritzt. Allerdings nicht mit dem eigenen. Auch seine beiden Schwerter waren blutrot eingefärbt. Er fühlte sich müde und erschöpft. Es wurde Zeit, dieses Schlachtfeld zu verlassen. Der Geruch des Todes würgte ihn, als er über die erschlagenen Feinde stieg. Aber das Feld mit den toten Gegnern schien gar kein Ende zu nehmen. Dann hörte er ein Raunen durch den Nebel zu sich herüberwehen. Und schließlich zeichneten sich Silhouetten in den Nebelschwaden ab. Sie kamen von allen Seiten auf ihn zu. Dann erkannte er, daß es sich um alte Männer, Frauen und Kinder handelte. Sie alle klagten ihn an. „Du hast meinen Sohn getötet“, kam von einem alten Mann. „Du hast meinen Vater getötet“, sagte ein kleines Kind. „Du hast meinen Mann getötet“, klagte eine Frau. Lucius wollte zurückweichen, wußte aber nicht, wohin. Von überall her kamen diese Menschen. Dann hörte er leise eine Glocke.

Schlagartig wachte er auf und schüttelte den Albtraum aus seinem Kopf. Wann würde dieser Albtraum endlich aufhören, ihn zu quälen. Er hatte deshalb bereits vor sieben Jahren aufgehört, sich als Söldner zu verpflichten, obwohl er dank seiner außergewöhnlichen Fähigkeiten viel Geld damit verdient hatte. Aber der Traum blieb. Noch einmal ertönte leise die Glocke, die Lucius aus seinem Schlaf gerissen hatte. Es war sehr leichtsinnig von ihm gewesen, überhaupt einzudösen, schimpfte er sich selbst. Und er fragte sich, ob er sich wohl unbewußt nach seinem Tod sehnte, wenn er in so einer gefährlichen Situation einschlief. Aber glücklicherweise waren die Räuber auf seinen Signalfaden getreten und hatten das kleine Glöckchen an dessen Ende zum Klingen gebracht. Dadurch dürften allerdings auch die Räuber gewarnt sein, in deren Versteck er hier wartete. Lautlos nahm er seine beiden geschwungenen Schwerter vom Tisch und machte sich bereit. Und da stürmten die Räuber auch schon in den großen Raum, in dem Lucius sie erwartet hatte. Sie wußten, daß es bei ihrer Rückkehr einen Kampf auf Leben und Tod geben würde, waren aber nicht bereit gewesen, sich in eine andere Gegend zu verziehen. Und da sie zu zwölft waren, rechneten sie mit einem schnellen Sieg. Das war allerdings eine grobe Fehleinschätzung. Die ersten beiden Räuber starben bereits, bevor sie den Raum richtig betreten hatten. Und Lucius zeichnete mit seinen beiden Schwertern ein todbringendes Geflecht in die Luft. Die Räuber hatten nicht die Spur einer Chance gegen ihn. Als ihnen das bewußt wurde, war es allerdings bereits zu spät. In rascher Folge wurden sie von Lucius’ Schwertern niedergestreckt. Der Kampf hatte keine Minute gedauert und in den Augen unbeteiligter Beobachter hätten Lucius’ Bewegungen eher einem Tanz als einem Kampf geglichen. Es war allerdings niemand anwesend, der Lucius’ Fähigkeiten angemessen hätte würdigen können.

Er säuberte seine Schwerter geschäftsmäßig an dem Mantel eines toten Räubers, nahm dann eine Axt von der Wand und schlug den Toten die Köpfe ab, soweit er sie nicht bereits im Kampf enthauptet hatte. Die Köpfe wickelte er in ein grobes Tuch, das er in der Höhle gefunden hatte. Sie würden ein stummer Beweis für seine Arbeit werden und hoffentlich weitere Mordbuben aus der Gegend fernhalten. In aller Ruhe und mit großer Gründlichkeit durchstöberte er noch einmal die Räuberhöhle. Nachdem Lucius sich vergewissert hatte, daß es in der Höhle keine weiteren Überlebenden – auch keine Gefangenen – gab und er alle Wertsachen und das Tuch mit den Köpfen nach draußen geschafft hatte, legte er Feuer. So würde die einstürzende Höhle auch gleich zum Grab der Räuber werden. Das ersparte ihm nicht nur, sich als Totengräber betätigen zu müssen, es verhinderte auch, daß die Höhle später anderen Räubern als Unterschlupf dienen konnte. Dann ging er mit den toten Köpfen der Räuber zu dem in die Stadt führenden Weg und spießte sie der Reihe nach auf kleine Holzpfähle auf, die er dafür bereits zurechtgelegt hatte. Er konnte sich nur schwer vorstellen, daß jemand diese Warnung nicht verstand. Schließlich brachte er die Beute der Räuber ebenfalls an den Ort seiner ebenso unmißverständlichen wie makaberen Warnung, entnahm ihr nur einige wenige Gegenstände, die er brauchen konnte und machte sich auf den Weg zu seiner Behausung. Es war keine schöne Arbeit, die er hier erledigte, aber einerseits entsprach sie seinen besonderen Fähigkeiten und andererseits richtete sie sich nun nur noch gegen solche, die ihr Schicksal verdient hatten. Lieber hätte er eine Aufgabe übernommen, bei der er nicht mehr töten brauchte, aber die Kunst des Tötens war die einzige, die er wirklich beherrschte, diese allerdings in Perfektion.

So, wie es aussah, würde die Arbeit des heutigen Tages ihn nicht von seinem Albtraum entfernen. Im Gegenteil – der Kampf hatte seine Erinnerungen an vergangene Schlachten wieder deutlich ins Bewußtsein gerufen. Und aus diesen Erinnerungen schienen sich seine Albträume zu nähren. Schon oft hatte er sich überlegt, ob er sich nicht als Einsiedler zur Ruhe setzen sollte. Viel einsamer als sein jetziges Leben wäre das auch nicht. Allerdings war er dafür einfach zu aktiv. Es paßte nicht zu seiner Persönlichkeit, ohne eine Aufgabe vor sich hinzuleben. Demnächst stand allerdings eine Änderung seines Lebens bevor, von der er sich zumindest Linderung seiner Albträume erhoffte. Aber sie brachte ihm auch gewisse Unsicherheiten und Probleme, bei denen ihm seine Fähigkeiten nicht helfen würden. Aber auch diese Herausforderung würde er meistern, war er sich sicher. Er riß sich aus seinen Grübeleien und dachte erst einmal an die naheliegenden Aufgaben. Morgen müßte er dafür sorgen, daß die Bewohner der nahegelegenen Stadt die Beute der Räuber fanden und wenn möglich den Opfern oder deren Hinterbliebenen zurückgaben.

Die Verlosung

Morgen war es endlich soweit. Seit drei Jahren trugen Katharina und ihre Altersgenossinnen bereits einen Keuschheitsgürtel. Und morgen, nach der großen Verlosung, würde sie dieses Teil für immer loswerden. Selbstverständlich hatten alle achtzehn bis zwanzig Jahre alten Mädchen, die seit dem sechzehnten Lebensjahr einen Keuschheitsgürtel tragen mußten, ein flaues Gefühl beim Gedanken an die morgige Verlosung. Schließlich würde es eine von ihnen erwischen. Eine würde als Opfer ausgewählt werden. Aber alle anderen hätten es überstanden. Natürlich hätten die Mädchen die Stadt mit ihren Familien bereits vor dem sechzehnten Lebensjahr verlassen können. Allerdings sie hätten dann niemals wieder zurückkommen dürfen. Und bis auf eine einzige, die Ausgeloste, würden alle von der Sicherheit profitieren, die das Opfer ihnen brachte. Es waren schlimme Zeiten. Überall trieben Räuber und Plünderer ihr Unwesen. Und die anderen Gebiete Landors, die unter dem Schutz eines der Fürsten standen, waren nicht nur durch hohe Steuern belastet, sie litten auch unter der Willkür dieser lokalen und unter einander zerstrittenen Herrscher und ihrer Soldaten. Auch die Nachbarländer von Landor wirkten für die Einwohner der Kleinstadt bedrohlich. Das karge Manitien mit seinen Sümpfen und gefährlichen Kreaturen wäre ebensowenig eine erstrebenswerte Heimat, wie das geheimnisvolle Kartun, das angeblich von einer mächtigen Zauberin beherrscht wurde, die jeden Mann um den Verstand brachte, der sie ansah. So gesehen war es für die kleine Stadt Fendrich ein Glücksfall gewesen, mit einem Walddämon einen Handel abzuschließen. Der Dämon sorgte dafür, daß die umliegenden Wälder und Auen frei von Gesindel blieben und dafür opferte die Stadt ihm alle fünf Jahre eine Jungfrau von achtzehn bis zwanzig Jahren. Natürlich kam es trotzdem schon einmal vor, daß Räuber und wilde Tiere in der Gegend ihr Unwesen trieben. Aber der Dämon sorgte schnell dafür, daß dieses Treiben ein Ende hatte. Dafür, daß es genug Jungfrauen gab, sorgten die Keuschheitsgürtel, die alle Mädchen mit sechzehn Jahren verpaßt bekamen.

Und jetzt war es soweit. Die ersten fünf Jahre seit dem Vertragsabschluß mit dem Dämon waren abgelaufen und die erste Jungfrau mußte ihm geopfert werden. Niemand wußte so genau, was das eigentlich bedeutete. Und Katharina fragte sich, ob das eher ein Fluch oder ein Segen war. Einerseits stellten sich die jungen Frauen dieses Opfer je nach Phantasie schrecklich vor, andererseits könnte die Wirklichkeit noch schrecklicher werden. Jedenfalls war es unwahrscheinlich, daß noch jemand, außer dem ausgelosten Opfer je erfahren würde, was dann wirklich geschah. Während die meisten ihrer Altersgenossinnen eher Angst davor hatten, malte Katharina es sich manchmal auch romantisch aus. Und manchmal fragte sie sich, ob sie sich freiwillig melden sollte. Diese Möglichkeit gab es, allerdings würde es ihren Eltern das Herz brechen. Wenn sie ausgelost würde, wäre es schon schlimm genug. Aber freiwillig, nein, das konnte sie ihnen nicht antun. Ihre Schwester Sandra, die ein Jahr älter war als sie, hatte vor der morgigen Verlosung furchtbare Angst und konnte schon seit drei Wochen kaum noch schlafen. Und es war ihr unbegreiflich, daß Katharina der Verlosung so ruhig und gelassen entgegen sah. Allerdings hatte Sandra auch schon einen festen Freund, den sie nach der Befreiung aus dem Keuschheitsgürtel heiraten wollte. Katharina dagegen war irgendwie zu verträumt, als daß sie sich in einen der eher praktisch orientierten jungen Männer hätte verlieben können. Überhaupt hatte man manchmal das Gefühl, sie würde in anderen Sphären schweben. Sie jedenfalls schlief auch diese Nacht ganz ausgezeichnet, während die meisten anderen jungen Frauen es wohl eher ihrer Schwester gleichtaten.

Am nächsten Morgen versammelten sich alle opferfähigen Jungfrauen auf dem Rathausplatz der Stadt. Von dem Kichern und Albern, daß normalerweise bei jeder Ansammlung junger Frauen zu hören war, vernahm man nichts. Die gelegentlichen Lacher klangen eher hysterisch als fröhlich. Allmählich stellten sich alle Frauen hintereinander in einer Reihe auf. Dieses Ritual hatten sie schon früher unzählige Male geübt. Die Reihe schlängelte sich mehrere Male über den Platz. Dann kam schließlich der Bürgermeister und brachte eine große Urne mit vielen weißen und einer schwarzen Kugel. Es waren insgesamt so viele Kugeln wie Jungfrauen. Und jede von ihnen mußte in die Urne greifen und eine Kugel herausholen. Alle Frauen, die hinterher eine weiße Kugel in der Hand hatten, durften zum Schmied gehen und sich den Keuschheitsgürtel abnehmen lassen. Und für die eine, die die schwarze Kugel zog, würde es ein kleines Fest geben, bevor sie am darauffolgenden Tag dem Dämon geopfert würde. Katharina konnte ihre Schwester weiter vorne in der Reihe sehen. Sie unterhielt sich mit einer ihrer Freundinnen. Langsam rückten die Frauen in der Schlange nach vorne. Manche schauten sofort auf die Kugel, die sie gezogen hatten und jubelten, wenn sie sahen, daß es eine weiße war. Andere hielten sie fest in ihrer geschlossenen Hand und trauten sich erst nach einiger Zeit, zaghaft einen Blick auf die Kugel zu werfen.

Auch Sandra hatte ganz offensichtlich Angst, sich die Farbe ihrer Kugel anzusehen. Schließlich kam auch Katharina an die Reihe. Mit einem flauen Gefühl griff sie in die Urne, ertastete eine Kugel und nahm sie heraus. Dann ging sie zunächst ein kleines Stück weiter und schaute sich kurz die Kugel an. Sie war weiß und Katharina seufzte. Dann fiel ihr Blick auf Sandra. Ihre Schwester hatte ein kalkweißes Gesicht und rang mit der Fassung. Katharina ging zügig auf sie zu und schaute sie direkt an. Wortlos öffnete Sandra ihre zitternde Hand und ließ die schwarze Kugel erscheinen. Katharina wußte nicht, was sie sagen sollte. In den Augen ihrer Schwester sah sie die blanke Panik. Beherzt griff sie zu und nahm die schwarze Kugel an sich und drückte ihrer verblüfften Schwester ihre weiße in die Hand. Dann umarmte sie Sandra und flüsterte ihr ins Ohr, sie solle bloß den Eltern nichts davon erzählen. Und sie solle kein schlechtes Gewissen haben, schließlich sei es ihr, Katharinas, freier Entschluß gewesen. Katharina konnte erkennen, wie in ihrer Schwester ein Kampf zwischen Erleichterung und Schuldgefühl tobte. Sie wartete nicht ab, wie dieser Kampf ausgehen würde, sondern ging mit der schwarzen Kugel direkt auf den Bürgermeister zu und zeigte sie ihm – nicht zuletzt, um nicht doch noch von Angst über ihren Entschluß übermannt zu werden. Und der Bürgermeister verkündete lautstark und mit salbungsvollen Worten, daß das Opfer bestimmt sei und die restlichen Frauen keine Kugel mehr zu ziehen brauchten. Ein erleichtertes Raunen ging über den Platz. Und alle außer Katharina und Sandra stellten sich in beim Schmied an, um sich des Keuschheitsgürtels entledigen zu lassen. Während sich zwei Büttel neben Katharina stellten, damit sie nicht fliehen konnte, stand Sandra immer noch fassungslos auf dem Platz herum. Ihre Eltern, die die Verlosung vom Rand des Rathausplatzes verfolgt hatten, kamen auf die beiden Schwestern zu. Während ihre Mutter Sandra in den Arm nahm, die jetzt hemmungslos weinte, kam ihr Vater auf Katharina zu. „Ich habe es gesehen“, flüsterte er ihr zu. „Es ist sehr mutig von dir, dich für deine Schwester zu opfern. Ich finde es zwar sehr traurig, daß wir dich verlieren werden, aber du sollst wissen, daß ich sehr stolz darauf bin, was du getan hast.“

Das Opferritual

Eric war froh, als endlich die Kleinstadt in Sicht kam. Er wollte es sich zunächst ein paar Tage mit einem Teil des Geldes seines ersten Auftrags gut gehen lassen. Dazu sollte es in Fendrich, so der Name der Stadt, genug Gelegenheit geben. Danach würde er sich nach neuen Aufträgen umsehen. Kaum war er in der Stadt angekommen, da sah er überall Menschen herumstehen, die über eine Verlosung redeten. Er erkundigte sich, was es denn mit dieser Verlosung auf sich hatte und war schockiert, als er begriff, daß eine junge Frau einem Dämon geopfert werden sollte. Da müßte doch ein lukrativer Auftrag für einen Helden drin sein, dachte er sich. Er hatte zwar keine Ahnung, was für ein Gegner ein Dämon sein könnte, aber er konnte sich nicht vorstellen, daß es jemanden gab, mit dem er nicht fertig werden würde. Er bekam noch das Ende er Verlosung mit und bahnte sich einen Weg durch die Menge, um den Bürgermeister anzusprechen. Dieser hatte die Verlosung soeben für beendet erklärt und begab sich bereits auf den Weg zu seiner Amtsstube, als Eric ihn abfing. Zu seiner Verblüffung wollte der Bürgermeister aber überhaupt nichts von einem Auftrag zur Rettung der Jungfrau und zur Befreiung der Stadt von dem Dämonen wissen. Er solle sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern und seine Nase nicht in Dinge stecken, die er nicht verstehe, erklärte ihm der Bürgermeister kurz angebunden. Dann ließ er Eric stehen. Auch die Passanten, die Eric ansprach, erklärten ihm, er solle die Sache auf sich beruhen lassen. Es sei für alle das Beste so, wie es sei.

Waren diese Städter denn alle Feiglinge? Oder warum opferten sie lieber ihre Kinder, als sich von dem Dämon befreien zu lassen? Da Eric die Eltern der ausgelosten, jungen Frau aus den Augen verlor, konnte er auch ihnen seine Dienste nicht anbieten. Schließlich setzte er sich deprimiert in ein Gasthaus, gönnte sich von seinem letzten Verdienst das eine oder andere Bier und nahm schließlich noch ein einfaches Zimmer, um sich auszuschlafen. Er hörte noch etwas von einem Fest, das für das Dämonenopfer gegeben wurde, schüttelte nur angewidert den Kopf und begab sich zur Ruhe. Am nächsten Morgen erwachte er mit einem leichten Brummschädel und nahm sich vor, demnächst etwas weniger Bier zu trinken. Dann streifte er durch die Straßen und schaute sich nach einem Auftrag um. Viele Leute waren allerdings nicht unterwegs. Die meisten waren zum Opferritual gegangen. Und so ging auch Eric vor die Stadt, teils aus Neugier, teils, weil er doch noch auf einen Auftrag zur Rettung der Jungfrau hoffte. Schließlich erreichte er die Menschenmenge, die sich vor einer Felswand versammelt hatte. Ein schmiedeeisernes Tor sperrte eine Öffnung in der Wand ab, von der aus ein sehr steiler Gang in den Fels hinein führte. Aus der Entfernung konnte Eric kaum Details erkennen. Die Jungfrau war ganz in weiß gekleidet und hatte einen Blumenkranz im Haar. Sie schien sehr gefaßt zu sein. Sie verabschiedete sich herzlich von ihren Eltern und von einer weiteren, jungen Frau – ihrer Schwester, wie ein anderer Zuschauer Eric erklärte. Dann wurde das Tor geöffnet und die junge Frau ging durch die Öffnung. Sie setzte sich mit einem kleinen Brett auf den steil abwärts führenden Boden und rutsche innerhalb von Sekunden außer Sicht in den Felsen hinein. Der Bürgermeister sprach noch ein paar Worte, die Eric nicht verstand und verschloß das Tor wieder. Dann löste sich die Menge auf.

Eric blieb noch eine Weile stehen und näherte sich dann langsam dem Tor, als die anderen Zuschauer bereits alle wieder gegangen waren. Das Tor ragte nicht ganz bis zum oberen Teil der Felsöffnung. Ein Hinüberklettern würde allerdings nur unter größter Anstrengung möglich sein. Öffnen konnte er das Tor auch nicht. Und er überlegte, ob er sich nicht lieber eine andere Aufgabe suchen sollte, zumal ja offensichtlich niemand daran interessiert war, daß er hier tätig wurde. Es sah im Gegenteil danach aus, als würde er statt einer Belohnung vor allem Ärger bekommen, wenn es ihm tatsächlich gelang, die Frau aus den Fängen des Dämons zu befreien.

Während Eric noch darüber nachdachte, ob er sich zu einer undankbaren Heldentat durchringen sollte, rutschte Katharina immer weiter in den Fels. Es war inzwischen stockdunkel und sie hatte Angst, gegen irgendwelche Hindernisse geschleudert zu werden. Über ihr weiteres Schicksal machte sie sich während der rasanten Rutschpartie noch keine Gedanken. Schließlich wurde der Boden weniger steil und Katharina verlor allmählich an Geschwindigkeit. Dann kam sie auf dem Brett sitzend zum Stillstand. Zunächst lauschte sie in die schwarze Stille, konnte aber nichts hören, was ihr irgendwie weiterhalf. Sie ertastete vorsichtig ihre Umgebung. Der Gang, der sie steil hinuntergeführt hatte, schien weiterzugehen. Und langsam, während Katharinas Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten, begann sie ein schwaches Leuchten wahrzunehmen, das von den Wänden kam. Vorsichtig näherte sie sich einer Wand und schaute ganz genau hin. Von Teilen des Mooses, das in einem weitmaschigen Netz die Wände überzog, ging dieses schwache Leuchten aus. Je besser sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnten, desto deutlicher konnte sie ihre Umgebung erkennen. Zu sehen gab es allerdings nicht sonderlich viel. In der einen Richtung führte der Gang steil nach oben und das Leuchten wurde schwächer. Dort war sie hergekommen. In der anderen Richtung erstreckte sich der Gang etwa 20 Meter weit. Mehr konnte sie nicht erkennen.

Nachdem die rasante Rutschpartie zuende war, fing Katharina an, sich über ihre Situation Gedanken zu machen. Einerseits war sie erleichtert, daß offenbar die Geschichte mit dem Dämon nicht nur ein großer Humbug war. Sie hatte schon befürchtet, daß sie einfach in ein verlassenes Höhlensystem gerutscht wäre und jetzt hier verhungern müßte. Aber so wie es aussah, war zumindest der Gang, den sie jetzt langsam beschritt, von irgend jemandem frei von Unrat gehalten worden. Demnach müßte sie bald auf den Bewohner, den Dämon, stoßen. Andererseits, kam es ihr in den Sinn, war es doch sehr unwahrscheinlich, daß es sich bei dem Dämon um die liebenswerte Kreatur handeln könnte, die sie sich manchmal in ihren romantischen Träumen ausgemalt hatte. Und was wollte er eigentlich von ihr, von der Jungfrau, die ihm geopfert wurde? Weder bei der gestrigen Verlosung, bei der doch alles sehr schnell und spontan passiert war, noch bei der extra für sie veranstalteten Feierlichkeit, war sie in Ruhe zum Nachdenken gekommen. Und jetzt war sie hier. Sie hatte inzwischen die Stelle erreicht, bis zu der sie vorher hatte sehen können. Der Gang machte eine Biegung und führte nach weiteren 20 Metern in eine größere, hellere Höhle. Für einen Moment setzte ihr Herz aus. Auf halbem Weg zwischen sich und der Höhle stand jemand – oder etwas. Auf den ersten Blick sah es aus wie ein Mensch, aber die Proportionen stimmten irgendwie nicht. Einerseits schien das Wesen gedrungen zu sein und einen relativ breiten Körper zu haben, andererseits ragte es mindestens genauso hoch in den Gang wie Katharina. Und es kam auf sie zu. Sie unterdrückte den Impuls, wegzurennen, da es sowieso keinen Ort gab, zu dem sie fliehen konnte. So stand sie wie angewurzelt in der Biegung des Gangs. Und etwa fünf Meter vor ihr blieb auch das Wesen stehen. „Komm her“, sagte es mit dumpfer, hohler Stimme. Und Katharina, die nicht wußte, was sie sonst tun sollte, ging mit weichen Knien auf die Gestalt zu. Diese ergriff ihr Handgelenk, drehte sich um und führte sie in die helle Höhle. Der Griff um ihr Gelenk war nicht schmerzhaft, ließ ihr aber auch keinen Spielraum. Es war, als hätte sie einen metallenen Armreif um, an dem sie vorwärts gezogen wurde. Schließlich kamen sie ins Licht und sie konnte das Wesen betrachten. Ganz offensichtlich ist das der Dämon, dachte sie nicht ohne Angst, als sie seinen behaarten Körper sah und in sein Gesicht blickte.

Gefangene des Dämons

Eric hatte sich schließlich entschieden, über das schmiedeeiserne Tor zu klettern und den selben Weg hinunterzurutschen, den Katharina bereits genommen hatte. Da er gesehen hatte, wie sie auf einem Brett sitzend hinuntergerutscht war, wollte er es ihr gleich tun, um sich keine Abschürfungen zuzuziehen. Leider lag kein weiteres Brett vor dem Tor herum. Daher nahm er das kleine Schild, das bereits von Anfang an zu seiner Ausrüstung gehörte und verkleidete es mit einigen Ästen, die er notdürftig befestigte. Er wollte sein Schild nicht durch die Rutschpartie zerkratzen. Dann überkletterte er das Tor, nicht ohne mehrere Male mit seiner Ausrüstung darin hängen zu bleiben. Nach zehn Minuten kam er sichtlich angestrengt auf der anderen Seite des Tors an und überprüfte noch einmal seine Ausrüstung. Glücklicherweise hatte sie die Kletterpartie gut überstanden. Nachdem er sich einen Moment ausgeruht hatte – er mußte ja anschließend damit rechnen, einem gefährlichen Dämon gegenüberzustehen – setzte er sich schließlich auf sein mit Ästen verkleidetes Schild und rutschte scheppernd in die Tiefe. Während er immer mehr an Fahrt gewann, fragte er sich, ob es nicht besser gewesen wäre, sich langsamer an einem langen Seil herunterzulassen. Zumal er diesen steilen Gang ohne Hilfsmittel nicht wieder hinaufgehen konnte. Aber nach einiger Zeit war ihm klar, daß er kein ausreichend langes Seil hätte bekommen können. Der Gang war wirklich sehr lang. Und schließlich erreichte auch er die Stelle, an der Katharina von ihrem Brett heruntergestiegen war. Die Äste vor seinem Schild waren fast komplett durchgescheuert, das Schild selbst war aber intakt, wie er erkennen konnte, nachdem sich seine Augen an die Dunkelheit und das schwache Leuchten hatten gewöhnen können. Er zückte sofort sein Schwert, da er bei dem Lärm, mit dem er heruntergerutscht war, keinen Zweifel daran hatte, daß er bereits erwartet werden würde.

Katharina schaute immer noch gebannt in das Gesicht des Dämons. Eigentlich war es kein Gesicht, sondern eine verzerrte Fratze, auf der sich keinerlei Emotionen zeigten. Auch er musterte sie offensichtlich. Sie konnte zwar seine Augen in den tiefliegenden Höhlen nicht sehen, aber er starrte sie unverwandt an. Dann schob er sie zu einer Ecke der Höhle, an der eine Kette in die Wand eingelassen war. Am anderen Ende der Kette war ein Halsreif angebracht, und Katharina ahnte bereits, was jetzt passieren würde. Der Dämon ergriff den Halsreif und legte ihn ihr um. Das kalte Metall um ihren Hals ließ sie frösteln. Instinktiv betastete sie den Reif mit ihren Händen, konnte aber nicht herausfinden, wie man ihn öffnete. Fragend schaute sie den Dämon an. Dann kam plötzlich ein lautes Scheppern aus dem Gang, aus dem auch sie vorhin gekommen war. Der Dämon drehte sich abrupt um und ging zur anderen Seite der Höhle. Ein großer Mann mit Schwert und Schild kam aus dem Gang getreten und schaute sich suchend um. Dann erblickte er den Dämon und kam mit erhobenem Schwert auf diesen zu. „Was suchst du hier in meiner Höhle?“, fuhr ihn der Dämon an. „Glaubst du, es gibt hier Schätze, die du rauben kannst?“ Der Schwertkämpfer blieb irritiert stehen. Offenbar hatte er nicht damit gerechnet, von dem Dämon angesprochen zu werden. „Vielleicht gibt es hier keinen Schatz zu rauben, aber zumindest eine Jungfrau zu retten“, antwortete er. Der Dämon legte seinen Kopf schräg und betrachtete den Schwertkämpfer. „Ich nehme an, du bist nicht aus Fendrich. Wie heißt du?“, fragte er ihn. „Ich bin Eric und woher ich komme, geht dich nichts an“, war die Antwort des Recken. Von dem Dämon kam ein dumpfes Lachen. „Hat es tatsächlich einen Idioten in Fendrich gegeben, der dich für diese Arbeit bezahlt?“, wollte er wissen. „Notfalls kämpfe ich auch ohne Bezahlung für eine gerechte Sache“, antwortete Eric irritiert. Woher wußte der Dämon, daß sich von den Städtern niemand traute, etwas gegen ihn zu unternehmen? „Interessant“, meinte der Dämon, „dazu werde ich dich nachher ausführlich befragen.“

Soweit wollte Eric es nicht kommen lassen und stürmte mit seinem Schwert vor. Der Dämon wich lässig aus. Dann sprang er behende auf einen großen Tisch, schnappte sich eine lange Eisenstange von der Wand und kam fast tänzelnd auf Eric zu. Dieser hatte sein Schild gehoben und holte mit dem Schwert aus. Der Dämon parierte das Schwert mit der Eisenstange, die er in der Mitte hielt und ließ das andere Ende gegen Erics Schild prallen. Noch bevor Eric erneut mit seinem Schwert ausholen konnte, wirbelte der Dämon um Eric herum und schlug ihm die Eisenstange gegen den Kopf. Eric stürzte um, wie eine gefällte Eiche. Der Dämon fing ihn zu Katharinas Erstaunen sogar auf und federte seinen Sturz damit ab. Dann hob er das Schwert auf und begutachtete es eine Weile im Licht der Höhle. Katharina hatte den Kampf gespannt verfolgt und konnte sich eine gewisse Bewunderung für den Dämon nicht verkneifen. Nicht nur die geradezu tänzerische Art, mit der er Eric überwältigt hatte, beeindruckte sie. Auch die Tatsache, daß er, obwohl er Eric ohne Probleme hätte töten können, dessen Leben verschont hatte, ließ Hoffnung in ihr aufkeimen, daß der Dämon nicht so schrecklich war wie sein Aussehen. Dann sah sie, wie er Eric über die Schulter nahm und mit ihm die Höhle durch einen anderen Gang verließ. Sie schaute sich jetzt in Ruhe in der Höhle um. Das relativ helle Licht kam von Kristallen, die sie noch nie gesehen hatte. Sie erhellten die ganze Höhle, ohne dabei harte Schatten zu werfen. An einer Seite – innerhalb der Reichweite ihrer Kette – gab es eine Feuerstelle, die sich zum Kochen eignete. Am anderen Ende stand ein stabiles Bett. Und dazwischen ein Tisch mit mehreren Stühlen. An den Wänden hingen Teppiche und mehrere Waffen. In der Nähe der Stelle, an der der Dämon vorhin die Eisenstange herabgenommen hatte, hingen zwei leicht gebogene Schwerter gekreuzt an der Wand. Auf eine gewisse Weise war diese Höhle sogar gemütlich.

Von dem Gang, in dem der Dämon mit Eric über der Schulter verschwunden war, hörte Katharina Ketten rasseln. Offenbar wurde auch Eric angekettet. Was würde als nächstes passieren? Sicher käme der Dämon gleich zu ihr zurück. Den Zwischenfall mit Eric hatte er ja nicht eingeplant. Was würde dann mit ihr passieren? Es konnte natürlich sein, daß sie für den Dämon nur eine appetitliche Mahlzeit war. Aber irgendwie hatte sie das Gefühl, daß der Dämon ihr nichts tun würde. Und zu ihrer Verwunderung spürte sie eine seltsame Erregung in sich aufsteigen, während sie hier angekettet auf seine Rückkehr wartete. Wobei sie die Erregung auch wieder an ihren Keuschheitsgürtel denken ließ. Die anderen Frauen hatten ihn nach der Verlosung ja abgenommen bekommen. Aber sie trug ihn noch immer. Ob sie ihn jemals loswerden würde? Wohl nur, wenn der Dämon diesbezügliche Pläne mit ihr hätte. Und sie fragte sich, ob sie sich davor fürchtete oder es sich herbeisehnte. Sein Äußeres war zwar nicht direkt von der Art, die jede Frau schwach werden ließ, aber er hatte sich beim Kämpfen auf eine Weise bewegt, als ob dieser Körper nicht wirklich zu ihm gehörte. Und es hatte sie auch beeindruckt, daß er nicht kommentarlos auf Eric losgegangen war, auch wenn dieser sich einem vernünftigen Gespräch erst einmal entzogen hatte. Dann hörte sie wieder seine Schritte und er betrat die Höhle. Zunächst nahm er die Eisenstange wieder vom Boden und hängte sie an die Wand. Dann legte er Erics Schwert und Schild auf einen der Stühle und kam auf Katharina zu. „Ich hoffe, die Vorstellung hat dir gefallen“, tönte seine dumpfe, hohle Stimme, als er sie ansah. Dann griff er mit beiden Händen an seinen Kopf und nahm ihn unter den Arm. Katharina überlegte, ob das jetzt der richtige Moment sei, um ohnmächtig zu werden.

Katharinas Erkenntnis

Es stellte sich allerdings keine Ohnmacht ein. Aber das war ihr ohnehin noch nie passiert. Und als sie genauer hinsah, erkannte sie, daß der Dämon gar nicht seinen Kopf unter den Arm genommen hatte, sondern einen Helm. Die dämonische Fratze war Bestandteil des Helmvisiers gewesen. Und erst jetzt fiel ihr auf, daß sie nie gesehen hatte, wie sich der Mund des Dämons bewegte, wenn er zu ihr sprach. Dann nahm er auch seine Arme ab. Offenbar steckte er in einer Art Kostüm. „Enttäuscht?“, fragte er sie, während er sich komplett aus der Dämonen-Erscheinung herauspellte. Die Teile schienen aus schwerem Metall zu bestehen und nur außen mit einem haarigen Fell überzogen zu sein. Nachdem er seine eigentümliche Rüstung ausgezogen hatte, stand kein Dämon mehr vor Katharina, sondern ein muskulöser, drahtiger Mann schwer bestimmbaren Alters. Er war nur wenig größer als sie und wirkte nicht sonderlich furchteinflößend. Wobei sie sich in Erinnerung rief, mit welcher Leichtigkeit er Eric überwältigt hatte. Er war also wesentlich gefährlicher, als es seine Erscheinung vermuten ließ. „Ich habe dich gerade etwas gefragt“, riß er Katharina aus ihren Gedanken. Sie brauchte einen Moment, bis sie verstand, was er meinte. Und sie war überrascht von seinem fordernden Tonfall. „Nein, ich bin nicht enttäuscht. Dann ist es also gar kein Dämon, der uns in Fendrich beschützt“, antwortete sie. „Stimmt. Es ist allerdings hilfreich, wenn die Leute das glauben. Als Mensch hätte mir auch niemand zugetraut, die Gegend alleine von Gesindel freihalten zu können.“ „Und“, fügte er mit einem Lächeln hinzu, „ich hätte wohl kaum eine Jungfrau geopfert bekommen.“ „Ich heiße übrigens Lucius“, fügte er nach einer Pause hinzu, „und wie ist dein Name?“ „Katharina“, antwortete sie unsicher. Was sollte sie von jemandem halten, der sich als Dämon ausgab und sich Jungfrauen opfern ließ? Und was hatte er jetzt mit ihr vor? „Wer war eigentlich die junge Frau, mit der du die schwarze Kugel getauscht hattest?“, riß Lucius sie aus ihren Überlegungen. Sie schaute ihn erstaunt an. „Das wißt Ihr?“, fragte sie entgeistert. Er nickte. „Das war meine Schwester. Sie hatte große Angst.“ „Das habe ich gesehen. Und du, hattest du keine Angst?“ „Doch, schon, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, daß es so richtiger ist.“ „Es war sehr mutig von dir. Und es war sehr anständig, deiner Schwester gegenüber. Ich bin froh, daß du es bist, die mir geopfert wurde.“

Sie schaute ihn fragend an. „Ich möchte keine Frau an meiner Seite haben, die sich vor mir fürchtet. Demütig soll sie sein, aber nicht ängstlich. Und ich denke, daß du dieser Vorstellung viel näher kommst, als deine Schwester.“ Sie wußte nicht, woran sie bei ihm war, aber ihre Angst vor ihm hatte deutlich nachgelassen. „Was werdet Ihr eigentlich mit dem Krieger machen, der hier vorhin hereingestürmt ist? Eric hieß er, glaube ich.“ „Du wirst mich ganz normal mit „du“ anreden. Und Eric – mit dem werde ich mich erst einmal unterhalten. Ich bin ihm nicht böse, da er mit lauteren Absichten kam. Aber ich werde nicht erlauben, daß er in Fendrich erzählt, daß es hier keinen Dämon, sondern nur einen guten Kämpfer gibt.“ „Warum bin ich eigentlich an der Wand angekettet?“, wollte Katharina weiter wissen. „Wenn ich sicher bin, daß du nicht versuchst, zu fliehen oder mich im Schlaf mit einem der Schwerter zu erschlagen, werde ich dir den Halsreif wieder abnehmen. Ich finde, du könntest uns etwas zu essen machen.“ Er reichte Katharina ein Reh, daß er erlegt hatte, holte etwas Gemüse aus einer sehr kühlen Nachbarhöhle und zeigte ihr, wo die Gewürze standen. Dann setzte er sich an den Tisch und beobachtete sie, wie sie sich daran machte, das Essen zuzubereiten. Zwischendurch ging er noch einmal in die kühle Nachbarhöhle und holte eine Flasche leichten Weines. Sie gab sich alle Mühe, ein schmackhaftes Essen zuzubereiten und setzte es ihm schließlich nicht ohne Stolz vor. Er probierte zunächst vorsichtig, dann begann er, mit großem Genuß zu essen. Er forderte Katharina auf, sich zu ihm zu setzen und ihm Gesellschaft zu leisten. Nachdem beide ihre Portionen aufgegessen und einiges von dem Wein getrunken hatten, lobte Lucius noch einmal das Essen. Sie strahlte. Er stand auf und Katharina schaute ihn fragend an. „Ich werde mich jetzt zu Eric begeben. Deine Aufgabe wird es in der Zwischenzeit sein, hier für Ordnung zu sorgen.“ Mit diesen Worten, die keinen Widerspruch zuließen, nahm er etwas von dem übrig gebliebenen Essen und verließ den Raum. Katharina schaute ihm verstört hinterher. Seine Worte hallten in ihrem Kopf wider. Irritiert bemerkte sie ein unbekanntes Kribbeln in sich. Er hatte sie nicht gebeten, abzuräumen. Seine Worte klangen nach einem Befehl, dem sie sich zu fügen hatte. Sie fragte sich im Stillen, was Lucius wohl tun würde, wenn sie seinem Befehl nicht Folge leistete. Zunächst rang sie mit sich, ob sie gehorchen sollte, dann erhob sie sich mit einem Seufzer und begann, sich der übertragenen Aufgabe zu widmen. Lucius stand verborgen hinter einer Wand und beobachtete lächelnd, wie sie zögerte. Er sah, wie sie um ihre Fassung rang und hörte den tiefen Seufzer, der aus ihrer Kehle kam. Offenbar hatte er sie richtig eingeschätzt und war froh, daß sie die Auserwählte war. Mit einem Lächeln drehte er sich nun endgültig um, ging einen schmalen Gang entlang und trat auf die schwere Tür zu, hinter der sich Eric befand. Seine Dämonenrüstung hatte Lucius wieder angelegt, damit Eric seine wahre Identität nicht erkannte.

Dieser war ebenfalls mit einem Halsreif an die Wand gekettet. Doch im Gegensatz zu Katharina trug er auch noch geschmiedete Armreifen, die mit einer massiven Kette verbunden waren. Eric war inzwischen wieder bei Bewußtsein und hielt sich seinen schmerzenden Kopf. Als der Dämon auf ihn zutrat, wollte Eric eine Verteidigungshaltung einnehmen. Dabei wurde ihm jedoch sofort bewußt, wie unsinnig sein Verhalten war. Er hatte keine Waffen, seine Hände waren durch die verbundenen Armreifen kaum nutzbar und er war an der Wand angekettet. Es gab für ihn einfach keine Möglichkeit, sich zu wehren. „Ich habe hier etwas für dich zu essen“, hörte er die dumpfe Stimme und bemerkte den Teller, den der Dämon ihm hinhielt. Eric schaute irritiert und argwöhnisch auf. „Du kannst es ruhig essen. Oder glaubst du, ich hätte dich am Leben gelassen, um dich jetzt zu vergiften?“, versuchte das vermeintliche Höllenwesen Erics Mißtrauen zu entkräften. Dieser hatte jedoch noch starke Zweifel. Er rührte das Essen nicht an, obwohl er großen Hunger hatte und ihm durch die verlockend duftenden Speisen das Wasser im Munde zusammenlief. Die furchterregende Gestalt zuckte mit den Schultern, und Eric sah, wie der Dämon sich ihm gegenüber auf den Boden setzte. Zwar außerhalb der Reichweite seiner Ketten, aber doch ohne jede zur Schau gestellte Überlegenheit. Den Teller mit dem Essen stellte er zwischen Eric und sich selbst. Abwesend nahm er ein kleines Stück Fleisch und ließ es i

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Kommentare


Why-Not
(AutorIn)
dabei seit: Dez '03
Kommentare: 18
Why-Not
schrieb am 08.04.2004:
»Diese Geschichte habe ich erstmals nicht alleine geschrieben, sondern mit meiner Co-Autorin AngelJeanny, die mich mit vielfältigen Vorschlägen, Verbesserungen und Ideen unterstützt hatte. Dafür bedanke ich mich hiermit ganz herzlich. Ohne ihre Hilfe wäre die Geschichte bereits in der ersten Episode abgebrochen worden.

Apropos "Episode": Die Story ist wesentlich länger als alle bisherigen von mir. Sie ist in sechs Episoden unterteilt, die mehr oder weniger abgeschlossen sind, aber auf einander aufbauen.

Viel Spaß.

Why-Not«

Sir-M
dabei seit: Feb '01
Kommentare: 47
schrieb am 13.04.2004:
»Man kann, wie eigentlich in der Regel, nur den Hut ziehen und sich verbeugen vor den tollen Phantasien und dem Talent diese in so schöner Form in spannende Geschichten zu fassen.

Freue mich schon auf die angekündigten Episoden!
Mein ganz großes Kompliment!
Michael«

Saberex
dabei seit: Sep '01
Kommentare: 2
schrieb am 14.04.2004:
»Da kann ich mich auch nur den anderen Beiträgen zu den Stories anschließen.

Hab gerade den zweiten Teil gelesen.
Danke «

yksinäisyys
dabei seit: Okt '04
Kommentare: 142
schrieb am 18.07.2005:
»Schön, einfach nur schön! Ich freu mich schon auf die anderen Teile! :-)«

Totte79
dabei seit: Sep '04
Kommentare: 44
schrieb am 08.03.2006:
»So mein Kommentar bezieht sich auf die ganze Geschichte.

Also muß sagen, da ist euch eine wirklich Klasse Geschichte gelungen. Lese ja gerne Wolfgang Hohlbein und so, und da muß sich eure Geschichte nicht hinter verstecken.

Ist wirklich ne Klasse Story, wirklich spannend geschrieben, und man will wissen wie es weiter geht und saugt die Geschichte in sich hinein.
OK ganz so erotisch ist sie nicht, wie die meisten Geschichten hier und wie ich es auch eher erweartet hätte. Aber das macht die Spannung und der gute Schreibspiel wett.
Klar kleine erotische Passagen sind stellenweise eingebaut, stellenweise hätte man meiner Meinung vielleicht etwas mehr ins Detail gehen können. Aber trotzdem eine super Geschichte «

sverige
dabei seit: Feb '01
Kommentare: 38
schrieb am 01.07.2006:
»Cooler Anfang, etwas mehr Erotik und es wird Klasse«

trucky033
dabei seit: Aug '04
Kommentare: 10
schrieb am 27.12.2008:
»Die Geschichte ist sehr interessant. Konnte als Fantasyfan gar nicht aufhören zu lesen.
Leider kommt die Erotik zu kurz!!!
Trotzdem super.
«

fauch
dabei seit: Jun '02
Kommentare: 10
schrieb am 07.06.2010:
»Wie alle Why-Not-Geschichten absolute Spitzenklasse, ich find's super.


Viele Grüße«

schuggy
dabei seit: Mai '09
Kommentare: 6
schrieb am 11.08.2012:
»grandios-full points«



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