Ein heißer Juli 15 - Gipfelsieg und Lamplbad
von Helios53
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ORGASMUS 3000
Schweigend stapfen Susi und Sabine, die jetzt den Rucksack übernommen hat, weiter aufwärts. Es wird ziemlich warm im sonnenbestrahlten Latschenfeld, auch die Puste wird ein wenig knapp. Dabei hätten beide was zu sagen. Sabine zum Beispiel könnte davon berichten, wie sie der kleine Fabian zärtlich gestreichelt hat und dass sie sich plötzlich vorstellen kann, Mutter zu sein, obwohl sie das im Moment sicher noch nicht will.
Susi hingegen könnte ihre Erzählung über den geilen Dreier mit Mark und Ramona noch ein wenig ausbauen, aber sie merkt, dass ihre Freundin gar nicht mehr so erpicht darauf ist. Und die süßen Zärtlichkeiten des Säuglings haben sie auch nicht kalt gelassen. Verblüfft stellt sie fest, dass sie Sabine sogar ein wenig neidet, dass diese von Fabian gebissen und benuckelt worden ist. Kann man sich eigentlich dafür ein Baby ausleihen? Hoffentlich hat Tante Babs noch nicht abgestillt, wenn sie nach den Ferien zurück nach Ovenbuch kommt.
Auf einmal teilt sich der Pfad. Sie schauen sich suchend um und entscheiden sich für jenen, der etwas steiler nach links führt, weil sie oben etwas erblicken, das wie ein Gipfelkreuz aussieht. In kurzen Serpentinen steigen sie einen Hang hinauf und erreichen nach einer knappen halben Stunde tatsächlich ein Gipfelkreuz. Ein weißes Metallschild verkündet: ‘Waldjöchl, 2005 Meter Seehöhe’. Susi beginnt hellauf zu lachen, Sabine schaut sie entgeistert an.
„Weißt du, was das bedeutet?“, stößt sie keuchend zwischen Lachsalven hervor. „Da unten waren wir noch lange nicht über 2000 Meter. Auf deinen ersten Orgasmus 2000 plus musst du noch ein wenig sparen!“
„Auch gut.“ Sabine nimmt’s gelassen. „Aber dann will ich es auch mit einem Mann. Zur Not muss Bruno herhalten!“
„Das würde dir so passen, da würde ich ja wieder leer ausgehen! Ich bin mir sicher, Jolly und Matze wären zu so einer Schandtat gern bereit und vielleicht können wir sie dazu überreden, dass wir das toppen und die 3000 Meter knacken. Es gibt hier doch Dreitausender, oder?“, fragt Susi ein wenig verunsichert.
„Ich denke schon, zwar nicht in dieser Bergkette, denn Bruno hat ja gesagt, dass die Brummerspitze der höchste Berg hier ist, und die hat, ich habe nachgesehen, ‘nur’ 2.497 Meter. Dreitausend? Ja, das wäre schon was, die Gelegenheit müssen wir nützen, denn unsere Zugspitze ist ja leider nicht ganz hoch genug und vor allen Leuten auf das Gipfelkreuz klettern, das geht sogar mir zu weit!“
„Also abgemacht! Und wo ist jetzt der Mugglkopf?“
„Da hätten wir wohl den anderen Weg gehen sollen. Aber pass auf, ich glaube, da führt der Weg weiter. Ja, genau! Wir müssen jetzt da runter, dann kommen wir wieder auf den richtigen Weg.“
„Jawoll, Froillein Wiechert, sehen Sie zu, dass sie auf den richtigen Weg kommen. Ihr Lebenswandel führt direkt ins Unheil!“, psalmodiert Susi mit tiefer gelegter Stimme.
„Kann denn Vögeln Sünde sein? Ist es verboten, wenn man mal fickt?“, trällert Sabine fröhlich mit Marlene-Stimme. Beide kichern, dann haben sie auch schon den Hauptweg wieder erreicht und jetzt geht es wieder aufwärts. Etwa hundert Meter vor ihnen marschiert ein alter Mann mit Stöcken und großem Rucksack. Zügig, aber nicht besonders schnell. Ist ja auch kein Wunder bei einem Gehbehinderten. Sabine schlägt ein forscheres Tempo an, den haben sie bald eingeholt!
Der Abstand verringert sich nur geringfügig, dann bleibt Sabine keuchend stehen. „Verdammhchch! Ich kann nicht mehr. Pause!“
Auch Susi atmet schwer und genießt es, stehen zu bleiben. Aber sie ärgert sich. „Ich fass es nicht. Da hängt uns der Alte mit den Krücken ab! Dabei wären es jetzt echt nur noch ein paar hundert Meter. Soll ich den Rucksack wieder nehmen?“
„Nein, das geht schon, aber wir müssen halt kleinere Brötchen backen. Langsamer gehen, kleinere Schritte machen. Damit hast du ja weniger ein Problem“, lästert Sabine. Susi macht sich an den weiteren Aufstieg und erspart sich damit eine gebührende Antwort. Die verdammten zwei Zentimeter!
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DER ALTE BERGFEX
In langsamerem Tempo geht es besser und ohne weiteren Nothalt, aber völlig verschwitzt erreichen sie den Gipfel des Mugglkopfes. Ganz oben steht ein Gipfelkreuz, etwas weiter unten auf der anderen Seite sehen sie das Ende des Schleppliftes, der natürlich außer Betrieb ist. Die Aussicht ist überwältigend, Susi glaubt, mehr als tausend Gipfel zu sehen, viele davon tragen weiße Schneekappen. Das müssen die Dreitausender sein! Auch Sabine ist hingerissen.
Hinter einem Felsbrocken kommt der Wanderer heraus, jetzt ohne Gehhilfe. Auf dem Kopf trägt er einen grauen Berghut aus Filz, sein Oberkörper ist frei. Weiße Haare kräuseln sich auf einer hageren Brust. Der Mann grinst freundlich, er scheint in Topform zu sein. „Berg Heil, Ladies! Und Grüß Gott!“, ruft er ihnen schon aus einigen Metern Entfernung zu. Dann steht er vor ihnen, reicht ihnen seine raue, feste Hand zu einem kräftigen Handschlag, den er mit nochmaligen „Berg Heil!“ für jede begleitet.
„Äh, ja, Berg Heil auch“, stottert Sabine.
„I bin da Jogg“, stellt sich der Alte vor und so nennen auch Susi und Sabine ihre Namen.
„Es seid’s jo gonz vaschwitzt. Des miasst’s ausziachn, sinsch holt’s enk a Lungenentzündung!“, fordert Jogg. „Habt’s woll eppas mit zan Wexln, oda?“
„Äh, eigentlich nicht.“
„Nit guat, hobts wenigschtns a Jackn dabei?“
„Anoraks. Das schon.“
„Nocha ziacht holt dia an. Oba die nassen Leiberln miasst’s obatian!“
„Aber warum haben Sie dann keinen Anorak an?“
„Nit Sie sogn! Iba zwoatausnd Metta sein alle du. Und in Tirol sowieso! Anorak brauch i koan, weil da hintan Schtoan isch’s fein warm. Da brauch i nix. Mei Hemmat trucknt daweil in da Sunn.“
„Und warum brauchen wir einen Anorak?“
„Jo, vo mia aus kennts a nockat ummalaffn, mia mocht des nix. I tua sunsch a Effckacka!“ Aber seine Äuglein blitzen belustigt und doch erwartungsfroh. Sabine und Susi wollen da mal nicht so sein.
„Na dann“, meint Susi keck. „Wir tun auch FKK.“ Flugs ziehen beide ihre T-Shirts aus. Hat sich da eben Joggs Atem ein wenig beschleunigt?
„Tuat’s eich mit die Leibl truckn reibn!“, gibt Jogg gute Ratschläge, die die beiden brav befolgen. Jogg beobachtet mit sichtlichem Vergnügen. „Und iatz tuama Wäsch auhängen.“ Dabei weist er auf zwei nahe gelegene Felsbrocken, die gut einen Meter auseinander sind. Dazwischen hat er einen Schistock ohne Teller geklemmt und daran flattert ein bunt kariertes Hemd und ein geripptes Unterhemd im Gipfelwind. Daneben lehnt der zweite Stock. Auch den klemmt er in den Zwischenraum. Da es sich um sogenannte Teleskopstöcke handelt, kann er die Länge optimal einstellen. Aus seiner geräumigen Hosentasche fördert er vier Wäscheklammern zutage und bietet sie den beiden an. „A poar Kluppn dabei hobn, isch nia vakehrt!“ Susi befestigt beide T-Shirts an dieser alpinen Wäscheleine und dankt Jogg dafür. „‘s näggschte Mol nemmt‘s eich a Schteckn mit. Do geahsch viel leichta. Vor allm oiwärts!“
Ah! So ist das!
„Nocha, kemmt’s mit!“, lädt er sie ein, doch Sabine bittet darum, sie zuerst vor dem Gipfelkreuz zu fotografieren. „So nockat?“, will Jogg wissen.
„Ja, bitte!“ Noch ‘nockata’, wenn möglich, aber das dann doch lieber ohne ihn, falls sich später dazu Gelegenheit ergibt. „Und noch eins mit dem Handy, bitte!“
Das sexy Gipfelfoto schickt Susi gleich an Ort und Stelle an gute Freunde in der Heimat. Dann folgen sie Jogg hinter den Felsen. Dort herrschen Windstille und purer Sonnenschein. Auf zwei Sockeln aus übereinander geschichteten Steinen liegt ein dickes Brett. „Wie kommt denn das hierher?“
„Des isch no vom altn Gipflkreiz. Hockt’s hin!“, kommandiert Jogg und kramt in seinem Rucksack, fördert aus einer Außentasche eine runde Dose und aus einer anderen einen Flachmann zutage. In der Dose sind sieben kleine Stamperl untergebracht, drei davon füllt er geschickt aus der Flasche. Er reicht Susi und Sabine je eines und hebt das seine grüßend. „Auf enka G’sundheit! Prosit!“ Sie stoßen an, die beiden Mädchen beobachten, weil sie nicht recht wissen, ob ‘ex’ erwartet wird, aber Jogg süffelt genüsslich, also kosten sie auch eher vorsichtig. Der Schnaps ist aber keiner von der rabiaten Sorte, sondern ein eher milder, aromareicher Obstler. „Selba brennt. Vom Nachbarn“, erklärt der urige Bergler.
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„VAHUNGAN WEAR MA NIT“
Einige Minuten genießen die drei die wärmenden Einflüsse von Sonne und Obstler, dann bricht wieder Jogg das Schweigen. „‘s warat Zeit fiar a Jeisl“, verkündet er und stöbert wieder in seinem riesigen Rucksack. Ein Schneidbrett mit scharfem Messer, ein halber Laib Bauernbrot, ein Stück Speck, Butter, Käse, Dörrzwetschken und zwei Dosen Bier. „Vahungan wear ma nit!“ Das ist offensichtlich, und nun packt Sabine aus, die Buttermilch, die Würste, die Äpfel. Das Toastbrot lässt sie lieber drin, instinktiv weiß sie, dass das hierher nicht passt.
Der Jogg kriegt große Augen. „Sein de Wiarscht vo da Mugglalm? De schaugn grad so aus!“ Sabine nickt. „Ma, bärig! Nacha kennnt’s es a die Claudia? A ganz a b’sundrig’s Weibaleit, a ganz a b’sundrig’s! I kenn sie guat!“
Susi schaut ihn zweifelnd an. Sollte etwa die Claudia mit dem alten Zausel auch …?
Jogg lacht. „Ah! Nit so, wia du denksch! De Zeit’n sein voabei. Da geht nix meahr. Mit oanadochzg geht da nix meahr!“
Was? Einundachtzig Jahre will der Jogg sein? Und dann rennt er wie ein Junger da herauf, hängt die blühende Jugend um Längen ab!
„Vor guat dreiß’g Joahr, hun i amol mit ihra Mama … jo, tonzt holt und so und nocha wollt sie amol mei Älteschta sogar heirat’n. Des is aber nit long gongen, de hot’s holt meahra mit die jüngan Buam g’hobt, damols, …“, erzählt der Jogg aus seinem Leben.
„Die Josie? Die Josefa, du spricht von der Josefa?“ Susi rechnet nach. Vor gut dreißig Jahren war der Jogg Ende vierzig oder grad fünfzig und die Josie etwa so alt wie sie selber jetzt, eher noch jünger. Sie grinst anerkennend. Die Josie hat wohl gar nichts anbrennen lassen, damals in den späten Siebzigern.
„Ja, freilig red’ i von da Josie. De kennt’s a? Ah, iatz hob i’s! Es seid’s die Neichn von da Brummahittn. Do heart ma jo schiane Soch’n!
“Ah, ja?”
“Jo, jo! Oba loss ma des, greift’s zua!” Jogg hat unterdessen den Speck fein säuberlich in kleine Streifen, den Käse in handliche Würfel und eine Wurst in dünne Scheiben geschnitten. Susi und Sabine lassen sich das nicht zweimal sagen und überlegen dabei fieberhaft, was da wohl über sie für ‘schiane Soch’n’ verbreitet werden. Wenn er Josie und Claudia gut kennt ... Aber würden die beiden tratschen?
Jogg lässt sich in seinem Mitteilungsdrang aber nicht bremsen. Jetzt, wo ihm eindeutig klar ist, dass sich in seiner Gesellschaft zwei halbnackte Mädchen befinden, die nach einer alten Weisheit überall hinkommen können und nicht nur, wie die braven Mädchen, in den Himmel, da packt er erst richtig aus. „Nochdem i bei da Josie lei oamal land’n hob kennen und mei Bua a nit viel öfter, hot sie si jo von an geheimnisvollen Dritt’n ...“, an dieser Stelle muss er seine Erzählung unterbrechen, weil er das Wortspiel mit dem ‘Dritten’ so lustig findet, „... schwängan lossn, unabsichtlich, glaab i, und iatz vegl’t mei Enkl, da Hansjörg mit ihrana Tochta. Is des nit luschtig?“
Aha, daher weht der Wind! Der Revierjäger ist also Joggs Enkel und Georg somit sein Urenkel. Vor nicht einmal einer Woche haben sie den jungen Georg ‘entjungfert’, am vergangenen Wochenende mit ihm geilen Gruppensex erlebt und ihn mit seiner blutjungen Freundin in Susis Bett übernachten lassen – und jetzt sitzen sie mit seinem lebenslustigen Urgroßvater oben ohne, Haut an Haut, am Gipfel des Mugglkopfes und schlemmen, ja, sie schlemmen die mitgebrachten Köstlichkeiten und es schmeckt allen hervorragend. Sachen gibt’s!
Und Jogg lässt auch keinen Zweifel daran, dass er voll informiert ist. „Mim Schorschl hobt’s es a guat g’mocht, dea weard a richtiga Monn, isch scho recht so.“
Er steckt sich das letzte Stück Wurst in den Mund, spült mit dem letzten Schluck Bier aus seiner Dose nach, steht auf, tritt sie platt, verstaut seine Habseligkeiten im Rucksack und verkündet. „So, i muass weita! ‘s Gwand isch a soweit truckn,” er sammelt die Oberbekleidung ein, reicht die T-Shirts weiter und umarmt nacheinander zum Abschied Sabine und Susi, die es nicht einmal unangenehm empfinden, als ihre Busen an seine grauhaarige Brust gedrückt werden. Erst dann schlüpft er in sein Hemd, schmunzelt schelmisch und bringt seine Stöcke wieder auf die zum Wandern richtige Länge. „Pfiat enk Gott und kemmt’s guat obi!“ Und fort ist er, steigt auf der anderen Seite den Berg hinab.
„In seiner Jugend wäre der grad meine Kragenweite gewesen“, sinniert Susi.
Sabine kann nur zustimmen und zückt den Fotoapparat. „Machen wir schnell noch ein paar geile Aufnahmen, solange wir allein da oben sind?“
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SCHON WIEDER DER GABRIEL
Susi ist schon dabei, ihre Hose auszuziehen. Eine Weile räkeln sich die beiden abwechselnd auf dem Brett in der Sonne, dann klettert Sabine auf die Felsen mit dem Spalt, steht mit gespreizten Beinen über diesem und Susi knipst, was das Zeug hält. Susi posiert dann nur mit Sonnenbrille bekleidet auf einem Felsbrocken, als läge sie an irgendeiner Felsenküste am Meer, mag aber nicht nackt mit dem Gipfelkreuz ins Bild, was auch Sabine akzeptiert, auch wenn sie das als ‘katholische Prüderie’ abtut. Sie überlegen gerade, wie und wo sie ein paar geschmeidige Fotos zu zweit per Selbstauslöser knipsen könnten, da vernehmen sie das Geräusch rollender Steine. Eine Gemse vielleicht?
Vorsichtig, einerseits wegen der spitzen Steine, andererseits, um das Wild nicht zu verschrecken, schleichen sie sich zu jener Geländekante, die in der Richtung liegt, aus der das Geräusch kam und spähen hinunter. Hier fällt der Berghang steiler ab, als es an den anderen drei Seiten der Fall ist. Aber auch hier führt ein schmaler Pfad in engen Kehren herauf. Es ist aber kein Wildtier, sondern ein Bergsteiger, in dem Sabine sofort ihren Rock ’n’ Roll-Partner von vorgestern und Retter aus Seilbahnnöten, Gabriel, erkennt. „Komm, schnell anziehen, der Gabi ist ja ganz nett, aber ich glaub’, der ist im Grunde schüchtern und unheimlich prüde!“
So schnell es barfuß geht, eilen sie zurück hinter den großen Felsblock und steigen rasch in ihre Kleider.
Als sie, so züchtig bekleidet, wie man es mit dünnem T-Shirt und nichts drunter halt sein kann, wieder hinter dem großen Stein hervorkommen, kniet Gabriel vor dem Kreuz, steht jedoch auf und zieht sein Hemd aus. Mit einem kleinen Handtuch reibt er sich trocken. Sabine ist fasziniert.
„Hallo, Gabriel!“, ruft sie fröhlich. „Geiler Body!“, platzt sie dann noch frech heraus.
Gabriel fährt wie von der Tarantel gestochen herum und blickt ihnen leicht entgeistert entgegen. Schnell schlüpft er in ein trockenes Polohemd, ehe er den beiden die Hand zum Gruße reicht. Auf den ‘geilen Body’ geht er nur insofern ein, als sich seine Wangen leicht röten. „Berg Heil!“, grüßt auch er, setzt aber hinzu: „Grüß Gott, es freut mich sehr, euch hier in Gottes schöner Natur anzutreffen. Was habt ihr denn heute vor?“
Sabine, leicht verunsichert, ob er über die frivole Anrede nicht doch verstimmt sein könnte, schweigt ausnahmsweise, sodass Susi, die ja eigentlich bisher weniger Kontakt zu Gabriel hatte, diesen in Kenntnis setzt: „Im Moment erfreuen wir uns der schönen Aussicht. Ich mein’ die Landschaft!“, setzt sie gleich hinzu, als ihr die Zweideutigkeit bewusst wird. Gabriel lächelt aufmunternd. „Und auf dem Rückweg wollen wir das Lamplbad suchen, von dem uns mein Bruder Bruno erzählt hat. Weißt du, wo das genau liegt? Kennst du es?“
„So, so, zum Lamplbad wollt ihr? Ja, klar kenne ich das. Wenn ihr mit mir zusammen absteigt, kann ich es euch schon zeigen. Seid ihr schon bereit?“
„Willst du nicht erst rasten und etwas essen?“, fragt Sabine vorsichtig. „Wir könnten dir noch eine Wurst und ein paar Äpfel anbieten. Du hast ja nur einen winzigen Rucksack, da hatte sicher keine Jause Platz.“
„Ich bin nicht hungrig, das ist ja nur ein kleiner Berg, grad recht zum Training. Ich habe gut gefrühstückt, mehr brauche ich jetzt nicht. Aber einen Apfel könnte ich auch auf dem Weg essen, das erfrischt. Ich nehme gern einen.“
„Dann muss ich ihn nicht tragen“, meint Susi, die jetzt wieder dran ist und holt drei Äpfel aus dem Rucksack, reicht einen dem Gabriel, den anderen hält sie Sabine vor die Nase. „Da! Nimm auch einen. Ist gesund!“
„Ich bin gesund, aber danke!“ Schon beginnt Gabriel den Abstieg, Sabine versucht Schritt zu halten, Susi muss erst den Rucksack aufnehmen, dann folgt sie eilig.
Als Gabriel merkt, dass die beiden Bergunerfahrenen zurückbleiben, mäßigt er sein Tempo, schreitet aber nach wie vor flott aus. Plötzlich schlägt er sich seitlich in die Büsche. „Das ist der direkte Weg zum Lamplbad, folgt mir!“ Also folgen sie.
Eine Weile folgen sie einem kaum sichtbaren Steig, dann gelangen sie in einen dichten Fichtenwald, der sich aber bald lichtet. Am Waldrand bleiben sie stehen und bewundern das Bild, das sich vor ihnen ausbreitet.
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AM LAMPLBAD
Ein kleiner, dunkler See, etwa hundert Meter breit und rund doppelt so lang, in Form eines Achters liegt in einer grasigen Mulde. Rundherum steht ein lichtes Birkenwäldchen. Und weit und breit keine Menschen! Das beflügelt Sabine und Susi und sie eilen hinunter ans Ufer. Gabriel folgt gemächlicher.
„Ist das hier überall so feucht?“, fragt Sabine etwas enttäuscht. „Da kann man sich ja nicht hinlegen!“
„Hier ist es deswegen so nass, weil der ganze Hang eigentlich eine Quelle ist. Da sickert überall Wasser heraus und tröpfelt in breiter Front herunter, speist den See. Das geht langsam, daher wirkt der Hang etwa wie eine Solarwasserheizung. Dafür ist der See wärmer, als man ihm zutraut. Auf der anderen Seite ist der Boden trocken.“
Von überall her quakt es, Susi bückt sich am Ufer und fühlt die Temperatur. „Brr! Also richtig warm ist das ja nicht!“, motzt sie, und Sabine schreitet zur Kontrolle.
„Auf der anderen Seite ist es nicht nur trockener, sondern das Wasser ist auch wärmer. Dafür kann man am Ufer entlang nicht gut schwimmen, weil es dort kaum hüfttief ist.“
„Geht so!“, meint Sabine und spritzt mit ihrer nassen Hand Susi an. „Aber wir wechseln besser auf die andere Seite, damit unser Sensibelchen auch ins Wasser kann.“ Sie schneidet Susi eine Grimasse und streckt ihr die Zunge heraus. Die schweigt und ärgert sich, dass ihr im Moment keine passende Replik einfällt. Dafür läuft sie schnell los und lässt Sabine mit dem Rucksack und Gabriel zurück.
Knurrend nimmt Sabine den Rucksack auf und folgt eilig, aber doch ein wenig langsamer. Susi, vorneweg, reißt sich schon unterwegs das Leibchen vom Körper und als ihre Freundin eintrifft, hüpft sie schon pudelnackt am Ufer herum und hängt ihre Schuhe an einem Ast auf. „Ich mag da keine Frösche drin haben“, erklärt sie. Nur eine Minute später sind die Nackedeis zu zweit, die Kleider liegen ordentlich gefaltet auf dem Rucksack, von der Birke baumeln zwei Paar Sportschuhe. Erst jetzt merken sie, dass Gabriel nicht zu sehen ist.
„Wo steckt denn der Gabriel?“, fragt Susi verwundert und Sabine schaut sich suchend um. Gabriel winkt ihnen vom gegenüberliegenden Ufer zu. „Warum kommst du nicht rüber?“
„Das geht nicht, ich muss ins Tal, denn ich habe noch etwas vor!“ Mit diesem Worten wendet er sich ab und verschwindet hinter einer Geländekuppe.
„Genau das hat er auch gesagt, nachdem er mich von der Seilbahn gepflückt hatte. Was der wohl immer vorhat? Ich glaube bloß, der ist extrem schüchtern und prüde, aber immer hilfsbereit. Damals war ich ja auch ein wenig unbekleidet.“
Die beiden schauen sich an und prusten los. „Komm ins Wasser, egal wie warm es ist!“, ruft Susi erstaunlich abenteuerlustig, denn bei kaltem Wasser ist sie eher zurückhaltend, was sie wohl ihrer mediterranen Herkunft geschuldet glaubt.
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VIECHEREIEN
Darum ist am Ende doch wieder Sabine schneller im See und spritzt begeistert Susi nass. Unter lautem Gekreische stürzt sich diese auf die Bösewichtin und dann balgen sie sich wie die jungen Kätzchen und vergessen ganz ihre Umgebung.
Plötzlich erstarrt Sabine und deutet zum Ufer. Susi nützt die Gelegenheit und bringt ihre Gegnerin zu Fall, taucht sie unter und triumphiert. „Jabbadabbaduuh! – haha!!“
Prustend und spuckend taucht Sabine auf. „Blödmann! Schau doch da!!“, schreit sie ganz außer sich und deutet wieder zum Ufer. Nun dreht sich auch Susi um. Und reißt die Augen auf. Da stehen drei Ziegen und tun sich an den zurückgelassenen Sachen gütlich. Eine hat den Kopf im Rucksack versenkt und mampft offensichtlich die übriggebliebenen Äpfel, eine andere kaut an Sabines T-Shirt, der dritten hängt der Rest von einem Slip aus dem Maul.
Fluchend und schreiend waten Sabine und Susi zurück ans Ufer. Es geht nur langsam, der Boden unter ihren Füßen ist nicht fest. Schwimmend wären sie schneller, aber daran denken sie nicht. Die Ziegen lassen sich nicht stören und jetzt tauchen auch noch Schafe auf. Fünf, zehn, Dutzende Schafe drängen sich um die Ziegen und wollen mitnaschen. Verzweifelt tastet Sabine am Seegrund nach einem Stein, aber der Boden ist moorig und außer einigen morschen Aststückchen findet sie keine Festkörper.
An Land hat die erste Ziege genug von den Äpfeln und neidet nun ihrer Artgenossin Susis Jeans. Beide zerren am Bund und bis ins Wasser ist zu hören, wie der Reißverschluss kaputt geht. „Miiii calzoniiii!“, schreit Susi empört und lässt einen rasenden Schwall italienischer Beschimpfungen los, wie sie es immer macht, wenn sie wirklich wütend ist. ‘Auf Italienisch zu fluchen, ist das beste Mittel’, sagt sie meist, denn man versteht sie nicht und sie kann sich abreagieren, ohne irgendwen konkret zu beleidigen.
„Ihr blöden Schweine, haut ab!“, versucht Sabine das Ihre beizutragen, während sie keuchend durch den Bodensumpf stapft, aber die Absurdität dieser Beschimpfung hat bloß die Wirkung, dass Susi in ihrer Tirade einhält, zuckt und sich dann vor lauter Lachen krümmt.
„Schweine!“, wimmert sie, „meinst du damit die Ziegen oder die Schafe? Hahaha, huhu! – Ich bin so blöd! Hihihi.“ Ihr Gelächter ist so ansteckend, dass auch Sabine einfällt und dann schwanken sie lachend im seichten Wasser, halten sich aneinander fest, während die ‘Untiere’ am Ufer ihre Sachen vernichten.
Endlich fassen sie sich wieder, mit Tränen in den Augen keucht Sabine: „Komm, lass uns retten, was noch zu retten ist!“ Mit lauten Rufen und wedelnden Armen gelingt es ihnen langsam, die Herde zurück zu treiben. Sabine stürzt sich zuerst auf den Rucksack, voller Sorge um ihre Kamera. Glücklicherweise hat sie diese in einer Tupper-Schüssel wasserdicht verpackt. Sie ist heil geblieben.
Susis Jeans dagegen sind nicht mehr zu retten, zumindest nicht im Augenblick. Nicht nur der Reißverschluss ist kaputt, die Naht im Schritt ist auch ein Stück eingerissen und in beiden Hosenbeinen sind Löcher. Der schon ein wenig fadenscheinige Stoff konnte den Klauen wohl nicht genug entgegen setzen. Sabines sieht nicht viel besser aus, wenigstens ist der Reißverschluss heil geblieben. Ihr T-Shirt ist dafür zerfetzt, Susis ganz verschwunden.
Der Rucksack ist umgekippt, die Äpfel entweder gefressen oder angekaut. Susi sucht nach ihrem Slip. „Meinst du, die ‘Schweine’ haben ihn gefressen?“ Wieder müssen beide ausgiebig kichern. Humor ist, wenn man trotzdem lacht.
Sie gibt die Suche auf. „Drauf geschissen!“, knurrt sie.
„Genau das ist passiert“, berichtet Sabine und hält mit spitzen Fingern ein angekotetes Etwas in die Höhe.
„Iiiiiih! Fort damit!“
„Und wieder mal stehen wir vor der existenzialistischen Frage ‘Was haben wir noch? Was ziehen wir an?’. Was nicht weg oder zerfetzt ist, starrt vor Dreck, weil die Sauviecher …“, wieder unterbricht Gekicher, „… überall drüber getrampelt sind. Wenigstens haben sie unsere Schuhe nicht erwischt.“
„Die Anoraks sind noch okay. Und deine Jeans kannst du zur Not anziehen. Ich habe gar nichts mehr, abgesehen vom Anorak.“
„Also, das T-Shirt zieh ich nimmer an, die Jeans auch nicht, schon aus Solidarität, bleiben Schuhe und Anoraks, sonst nix. Es wird nicht mehr, wenn wir warten, weniger aber auch nicht. Wollen wir noch bleiben?“
„Ach was! Hier ist ja alles total zertrampelt und angeschissen. Machen wir uns auf den Weg, dann können wir vielleicht sonst noch was anfangen an diesem schönen Tag.“
„Du hast Recht. Machen wir uns auf die Socken, die auch verschwunden sind!“ Wieder Gekicher, aber Sabine holt die Schuhe vom Baum, Susi die Anoraks aus dem Rucksack. Doch als beide sich ‘voll bekleidet’ betrachten, brechen sie in schallendes Gelächter aus. „Das sieht ja voll scheiße aus!“, stellt Sabine fest.
Einvernehmlich verstauen sie die Anoraks wieder im Rucksack stopfen die lädierten Jeans und sonstigen Reste in den Plastiksack, in dem vorher die Äpfel waren und wandern in paradiesischer Nacktheit talwärts, wobei sie den Rucksack gemeinsam zwischen sich tragen. „Die ‘Schweine’ haben sogar die Wurst gefressen!“, merkt Sabine noch an.
„Schweine sind Allesfresser, wie Menschen.“
„Aber, das …“
„Ach, halt doch die Klappe, singen wir was!“
„Es vögelt der Müller im knarzenden Bett
Fick-fuck - fick-fuck
Bei Tag und bei Nacht des Müllers Schwanz steht
Fick-fuck - fick-fuck
Er vögelt und leckt, das macht uns viel Freud
Komm einfach mit uns, dann gibt’s keinen Neid
Fick-fuck - fick-fuck - fick-fuck “
Derart johlend schreiten sie kräftig aus, begegnen ein paar harmlosen Wanderern, die ein wenig erschrecken – aber da sind die Alpenflitzer schon vorbei. Schon taucht die Brummerhütte vor ihnen auf. Da Ruhetag ist, sind keine Gäste an den Tischen, also können sie munter und ungesehen rein – dachten sie:
Die Türen sind zugesperrt, der Elliot ist auch nicht da, also ist Bruno weg. Wie lange bloß? Aber Susi hat ja ihr Handy mit. Doch ihr Bruder antwortet nicht, weil er sein Telefon nicht mit dabei hat. Deutlich hören sie es drinnen in der Stube trällern. Was nun?
Claudia! Claudia muss helfen. Die meldet sich sogar, aber helfen kann sie auch nicht, denn sie ist gerade mitten drin, die Schafe in den Stall zu treiben, wo schon die Melker auf sie warten. Als Susi ihr die Geschichte von den Ziegen, Schafen und Schweinen erzählt, ist eine Weile Funkstille. „Wahrscheinlich wälzt sie sich lachend am Boden!“, vermutet Sabine.
Dann meldet sich Claudia hüstelnd wieder: „Entschuldigt, aber so ein Sauviech wollte abhauen!“ Jetzt sind es Susi und Sabine, die sich vor Lachen ‘wälzen’. „Na, ihr habt es doch ganz lustig! Wo ist dann das Problem?“
Susi erklärt ihr noch einmal, dass sie splitterfasernackt vor der verschlossenen Tür stehen und nicht wissen, ob und wann Bruno kommt.
„Ach, herrje!“, bedauert Claudia, „er ist heute mit dem Zug nach Innsbruck gefahren und kommt erst in der Nacht zurück. Warum habt ihr denn keinen Schlüssel?“ Gute Frage, leider nicht hilfreich im Moment.
„Also, es gibt zwei Möglichkeiten“, verkündet Claudia. „Es ist jetzt halb zwei, ich kann hier die nächsten zwei Stunden nicht weg. Entweder ihr wartet bis vier, dann bringe ich euch einen Schlüssel vorbei oder ihr scheißt euch weiterhin nix, kommt zu mir. In einer Dreiviertelstunde schafft ihr das, ich gebe euch was zum Anziehen, aber ihr könnt natürlich auch nackt rumturnen, ihr wisst ja, der Jungbrunnen verlangt das! Wenn ihr wollt, könnt ihr mir helfen, die Melker zu melken und danach habe ich vor, zum Beachvolleyball-Training zu fahren. Ihr könnt mitkommen, das wird euch gut tun!“
Keine Frage, Susi und Sabine machen sich gleich wieder auf den Weg. Wanderer erschrecken, Melker melken, Beachvolleyball am Nacktbadestrand, das ist allemal die interessantere Option.
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[Falls jemand Probleme mit der "Fremdsprache Tirolerisch" haben sollte: Eine "Übersetzung" kann ich gerne nachliefern. Über Autorenfeedback anfordern bitte.]
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Nächste Folge: Ein heißer Juli 16 – Gemolken und für gut befunden
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LIEBE LESER!
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Kommentare
(AutorIn)
Kommentare: 404
Nicht überall passen Hardcore-Szenen, dennoch ergeben sich Ereignisse, die zu berichten es sich lohnt.
Glaube ich halt.
Und es freut mich, wenn zumindest einige Leser das genauso sehen.
@veetee2u: Danke für deine launigen Kommentare!
@susi11 : Es ist nicht Bayrisch, aber so ähnlich: Ein Mix aus Tiroler Dialekten. Nachdem das bereits Leser von Hamburg über Schwaben bis Basel problemlos verstanden haben, glaubte ich auf eine Übersetzung verzichten zu können.«
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Die Aussicht auf die nächste Folge macht neugierig.«
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