Eine Lehrerin fährt schwarz (3)
von Jason King
Vorwort: Dieser 3. Teil ist eine Coproduktion mit meinem geschätzten Autorenkollegen DOMANOVA aus Wien
„Waldesruh. Endstation. Bitte alles aussteigen.“
Miriam hörte die Ansage im Linienbus und wusste: Bald war sie angekommen! Angekommen am Ausgangspunkt des verwegenen Abenteuers, dass sie sich für heute Nacht vorgenommen hatte.
Links und rechts der Straße zerfloss ihr Blick im Nichts, in der undurchdringlichen Schwärze des mitternächtlichen Waldes. Im Schein der Lampen im Inneren des Busses blickte ihr, aus der Reflexion in den Scheiben ein ängstlich erregtes Spiegelbild entgegen.
Natürlich hatte sie keinen Fahrschein. Nach dem Abenteuer mit dem Kontrolleur, vor ungefähr einem Jahr fuhr sie nur noch schwarz. Sie wusste nicht warum? War es auch ein Kick? Erwischt werden. Von einem Kontrolleur. Von Mark? Seit einem Jahr hatte sie nichts mehr von ihm gehört. Auf ihre E-Mails antwortete er nicht. Anrufen fand sie zu blöd. Er solle nur nicht denken, dass sie ihm nachlaufe.
Wenn Miriam nicht der einzige Fahrgast gewesen wäre, der auf dieser Linie bis ganz hinaus aus der Stadt fuhr, wären sicherlich auch noch andere Blicke an ihr hängen geblieben. Wenn man Anfang Dreißig war, lange, auffällig rotbraune Haare hatte und gut genug aussah, gewöhnte man sich daran, mit den Augen verfolgt und im Geiste ausgezogen zu werden.
Wobei da heute nicht mehr so viel zu tun gewesen wäre. In Vorbereitung auf ihr Vorhaben hatte sich Miriam nämlich so sommerlich – geradezu gewagt – gekleidet, wie sie sich gerade noch guten Gewissens durch die Stadt traute: Ein kurzer Rock, der im stehen eine Hand breit über dem Knie endete, eine hauchdünne 15den Strumpfhose, schwarze Pumps und ein ärmelloses schwarzes T-Shirt, das zwei Handbreit ihres gebräunten Bauches freiließ.
Miriam schmunzelte beim Gedanken an die beiden älteren Herren, die sich gegenseitig beobachtend, ihr immer wieder anerkennende Seitenblicke zugeworfen hatten. Sie hatte die beiden Opas provokant angegrinst, die Pumps ausgezogen und ihre Füße provokant auf den gegenüberliegenden Sitz gelegt. Da waren ihnen die Augen übergelaufen.
Und wenn sie erst der spießige Direktor des Gymnasiums, in dem sie als Lehrerin arbeitete, so sähe! Der bekäme glatt einen Herzinfarkt. Mit Mühe unterdrückte Miriam ein Kichern beim Gedanken daran.
Und dann war da noch der Grund, aus dem sie auch ihre nächtliche Reise angetreten hatte! Schon spürte sie die ersten Schmetterlinge, die begannen, in ihrem Bauch hin- und herzuflattern. Es war für Miriam ein besonderes Gefühl der Endgültigkeit, des Keine –andere - Wahl- Habens, des Sich- Auslieferns. Unterbewusst kaute Miriam nervös auf ihrer Unterlippe. Gleich! Gleich! Sie hatte nämlich noch Größeres vor, um genau diesem Gefühl eine ganz neue Dimension zu verleihen.
Der Bus erreichte die Endhaltestelle. Fauchend öffneten sich die Türen. Miriam stieg aus. Sie überquerte die Straße und folgte dem dort einmündenden Wanderweg in den Wald hinein. Mit schnellen Schritten lief Miriam den Waldweg entlang. Von Zeit zu Zeit knickte sie ein, wenn sie auf einen harten Stein trat, der aus dem weichen Boden ragte.
Miriam fröstelte. Sie genoss die Empfindungen, die der Wechsel der Bodenbeschaffenheit in ihr auslöste. Und die spannende Erwartung auf den nächsten Abschnitt ihrer Reise in ein nächtliches Abenteuer.
Bald schon hatte sie die Straße so weit hinter sich gelassen, das nichts mehr davon zu sehen war. Sie war alleine, mitten im endlos scheinenden, dunklen, stillen Dickicht der Bäume. Sie blieb stehen und lauschte in die Nacht. Außer ihren vor Aufregung ein wenig zitternden Atemzügen hörte sie nur das leise Flüstern des Waldes um sich. Das Rascheln der Blätter. Hie und da einmal ein Knacken in der Ferne.
Ja, sie war alleine. Also los!
Mit einem Ruck, mit dem sie sich selbst von der Unumkehrbarkeit ihres Handels überzeugen wollte, zog Miriam ihr T-Shirt über den Kopf. Genauso hastig zog sich die Pumps, ihren Rock und die Strumpfhosen aus. Auch ihren BH und den Slip streifte sie ab. Keuchend stand sie da, splitternackt, nur noch ein paar Handschellen in der Hand.
Die Schmetterlinge in ihrem Bauch luden ihre Freunde eine und begannen, eine wilde Party zu feiern. Trotz der nächtlichen, feuchten Kühle hier mitten im Wald schien es Miriam, als ob ihre Haut in Flammen stände.
Mit zittrigen Händen legte sie ihre Sachen übereinander. Sie zwang sich bewusst, ihr T-Shirt sorgfältig zusammenzufalten und schob ihren Schlüsselbund und ihr Handy in die Mitte hinein. Dann legte sie ihre Sachen hinter einem großen Baum auf den Boden. Ein paar Schritte zurückgetreten, prägte sie sich die Stelle genau ein. Für nachher, in ein paar Stunden, wenn sie wieder da war.
Noch einmal vergewisserte sie sich, dass der Schlüssel zu ihren Handschellen auch an dem Schlüsselbund war.
Die Würfel waren gefallen. Jetzt ging es los!
Kurz – aber nur ganz kurz – dachte Miriam daran, wieder umzukehren. Ihre Klamotten anzuziehen, zurück zur Busstation zu laufen und schnurstracks heimzufahren.
Doch gleich verwarf sie diesen Gedanken wieder. Das ging ja auch gar nicht! Sie war bewusst mit dem letzten Bus gefahren, der bis zur Endstation durchfuhr, dem um 23:37 Uhr. Jetzt war fünf Stunden Pause, bis der erste Bus des morgigen Tages fuhr. Also würde sie bestenfalls nach Hause laufen müssen, denn Geld für ein Taxi hatte sie auch nicht eingesteckt. Und bis nach Hause war es weit: Sicher etliche Kilometer durch die Stadt. Ein stundenlanger Fußmarsch. Schon der Bus brauchte für die Strecke über eine halbe Stunde lang.
Miriam badete im köstlichen Gefühl, keine andere Wahl zu haben. Sie musste stundenlang hier ausharren, ob sie wollte oder nicht. Das war schrecklich und wunderbar zugleich. Ein eigenartiges, einzigartiges Gefühl; wie ein exotisches Festmahl: Erregend süß und gefährlich scharf zugleich!
Miriam folgte dem Waldweg. Sie wollte so schnell wie möglich weg von der verlockenden Sicherheit ihrer Sachen.
Splitternackt durch den Wald, stundenlang. Das war es, weswegen sie hier war! Sie spürte das warme Rumoren in ihrem Bauch. Die aufgeregt flatternden Schmetterlinge.
Um ein Ventil für ihre Aufregung zu finden, begann sie schneller und schneller zu gehen. Sie wusste, wo sie hinwollte: Auf den Hügel, an dessen Fuß sie gerade war. Das war ein Marsch von etwa zwei Stunden, immer bergauf.
Gleichzeitig gingen ihre Gedanken auf Reisen; begannen sich, wie eine grellbunte Linse vor das Nachtdunkel der Realität zu legen.
Miriam sah sich auf der Flucht. Eine Gefangene, ihren Häschern entkommen, die so schnell wir möglich weit weg musste, um nicht wieder eingefangen zu werden.
Sie begann zu rennen, erst im langsamen Jogging-Tempo, dann immer schneller und schneller. Da es stetig bergauf ging, brach ihr bald der Schweiß aus allen Poren. Und ihre Füße schmerzten, weil sie immer wieder auf kleine Steinchen trat. Aber egal! Keuchend taumelte sie weiter. Sie zwang sich, einen Fuß vor den anderen zu setzen. So schnell sie konnte. Immer weiter.
Irgendwann wurden das Seitenstechen und die Erschöpfung übermächtig. Völlig außer Atem ließ sich Miriam auf den Laubbedeckten Waldboden neben dem Weg fallen. Das Blut sang in ihren Adern, vom heftigen Pumpen ihres Herzens angetrieben. Sie drehte sich auf den Rücken. Langsam wurde ihr schwerer Atem ruhiger. Die von Schweißperlen übersäte Haut prickelte, als sie von einer nächtlichen Brise umfächelt wurde. Wie die trockenen Blätter des Laubbedeckten Waldbodens an ihrem Rücken kitzelten!
Miriam hatte sich schon lange nicht mehr so ... so lebendig gefühlt!
Nach ein paar Minuten war sie aus dem Strudel ihrer wilden Erschöpfung empor getaucht. Der erste übermächtige Ausbruch der Leidenschaften war in ein warmes, angenehmes Gefühl der Freiheit übergegangen.
Sie wanderte weiter, in der zufriedenen Gewissheit, sich frei zu fühlen; frei vom Alltagstrott und dem Gymnasium. Und sie war eins mit dem Wald, der sie wie eine schützende Mauer umfing.
Eine Lichtung tauchte vor Miriam auf: Eine große Wiese.
War sie wirklich schon auf dem Gipfel angekommen? Waren das wirklich schon zwei Stunden gewesen? Die Zeit war ihr viel kürzer vorgekommen!
Sie setzte sich auf eine Bank auf der Wiese und dachte daran, wie es hier bei Tag aussah: Familien mit spielenden Kindern. Rentner, im Paar und in Gruppen. Junge Paare, die eng umschlungen vorbeischlenderten.
Wenn sie tagsüber so dasäße? Da würden die aber schön schauen! Gleichzeitig fröstelte Miriam bei der Vorstellung. Ihren nackten Oberkörper im hellen Licht des Tages so zur Schau zur stellen, das konnte sie beim besten Willen nicht vorstellen! An einem Strand, wo das alle taten ... OK! Aber hier, wo sie die Einzige wäre und alle Blicke auf sich zöge? Alles, nur das nicht!
Der Pfad ihrer Überlegungen erinnerte sie daran, nach etwaigen anderen nächtlichen Spaziergängern Ausschau zu halten. Sie ließ ihren Blick über die Wiese schweifen: Alles ruhig! Sehr gut! Bereit!
Bereit für den nächsten Schritt. Und dafür hatte sie sich etwas Besonderes ausgedacht. Eine Methode, wie sie dieses lustvolle, verwegene Gefühl der hilflosen Nacktheit noch einmal potenzieren konnte.
Miriam starrte auf das Paar Handschellen. Der Schlüssel war an ihrem Schlüsselbund – der in ihrem T-Shirt steckte – das hinter dem Baum lag. Der Schlüssel war weit weg. Sehr weit weg.
Öffnen konnte sie die Handschellen erst wieder dort unten, aber nicht hier. Nicht hier! Nicht hier! sang es in ihr. Wenn sie sich jetzt die Handschellen anlegte, musste sie den ganzen Weg gefesselt zurücklaufen. Ohne Ausweg! Ohne Alternative! Stundenlang!
Die Schmetterlinge in Miriams Bauch waren in Kompaniestärke zurückgekehrt und bereiteten sich auf ein groß angelegtes Manöver vor.
Kurz überlegte sie noch: Sollte sie es wagen?
Die aufbrandenden Fluten ihrer lustvollen Erregung schlugen gegen den Damm ihrer Bedenken tragenden Vernunft, überspülten ihn und ... das doppelte Ratschen der sich hinter ihrem Rücken schließenden Handschellen schnürte Miriam schier die Luft ab.
Zitternd zog sie vorsichtig an ihren Handgelenken. Dann so fest sie konnte. Der harte, unnachgiebige Druck des Metalls machte ihr überdeutlich, dass ihre Hände unlösbar hinter ihrem Rücken verbunden waren.
Jetzt war sie wirklich wehrlos. Nackt und wehrlos. Eine Gefangene.
Miriam lief in die Mitte der Wiese und setzte sich hin. Dass das Flecken an ihrem Rock gab, war ihr egal. Um so besser! Eine Gefangene konnte schließlich nicht wählerisch sein. Sie legte sich hin, kuschelte sich ins Gras und entspannte sich.
Wie sie so ruhig dalag, erhob sich wieder ihre Vorstellung auf den Schwingen der lustvollen Phantasie: In ihren Träumen sah sie sich gefangen, ihrer Kleider beraubt. Halbnackt und gefesselt musste sie ihr Leben fristen.
***
Die Zeit verging. Langsam und gleichzeitig wie im Fluge. Irgendwann wurde es schließlich Zeit für den Rückweg, den Abstieg vom Hügel.
Immer noch zitternd machte Miriam sich auf. Sie hätte es eigentlich aus der Erfahrung wissen sollen, aber aufs Neue war sie überrascht, wie anders, wie viel unsicherer und langsamer, das Gehen mit auf den Rücken geketteten Händen war. Und dazu noch barfuß.
In ihre Erregung mischte sich ein Gefühl des Triumphes. In gewisser Weise war sie stolz auf sich selbst. Darauf, dass sie den Mut zu diesem Schritt gefunden hatte. Gut, eigentlich war ja nichts dabei – Wie sie hier durch die Nacht spazierte, konnte ihr ja nichts passieren.
Aber so ganz ohne war das, was sie tat, trotzdem nicht! Wenn jemand kam? Eine Polizeistreife vielleicht? Oder ein paar Halbstarke? In Miriams erregten Zustand wurde jedes leichte Lüftchen zum Sturmwind, jedes Knacken zum Donnern.
Wieder zwang sie sich, nicht auf den Weg zu achten. Das Stolpern bekam sie auch in der Realität schon ganz gut hin. Ein, zwei Mal wäre sie fast hingefallen, als sie mit dem nackten Fuß auf einen besonders spitzen Stein trat.
Sie war froh, die Mühe auf sich genommen zu haben, ihren Abend hier zu verbringen. Jede lustvolle Minute war es wert! Wenn es ihr möglich gewesen wäre, hätte sie dem drängenden Kribbeln in ihrem Bauch schon längst nachgege
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Kommentare
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im dritten Teil ist wohl die Namensgebung ein wenig durcheinander gekommen. In den ersten beiden Teilen hieß die Lehrerin Natasha, im 3. Teil auf einmal Miriam.
Das solltest Du vielleicht noch einmal überarbeiten.
Uschi«
Kommentare: 93