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Lesungen: 1628 | Bewertung: 8.49 | Kategorie: Teen | veröffentlicht: 25.03.2022

Ella - Die Frau mit den Ballonbrüsten

von

Etwas überhastet brachen wir, Tommy und ich, von der Schwachmatenvilla auf. Auf dem Weg zurück zur Geburtstagsfeier wollte ich mein Makeup restaurieren. Tommy fuhr aber wie ein Besengter, deswegen verschmierte ich mehr als ich reparierte. Am Hotel angekommen, konnten wir eh nicht zusammen dort einlaufen, ich wandte mich den Waschräumen zu und legte dort letzte Hand an mein Äußeres.


Was für ein geiles und glückliches Zusammensein mit Tommy. Mir war klar, dass wir den nächsten Lebensweg gemeinsam gehen würden, seine Frau würde er wie unnützen Ballast abwerfen. Wir würden glücklich sein, eine Familie, mit Mama und dem Schwachmaten.


Wir alle saßen vor Kopf, die gesammelte Schicki-Micki-Gesellschaft war bereits beim dritten Gang angelangt, als ich neben Mama Platz nahm. Ein Blick reichte ihr und sie wusste Bescheid. Der Blick, den sie mir als zweiten schickte, hätte jeden Normalsterblichen zu Asche verbrannt. Mich nicht, ich bin nicht normal sterblich, denn ich liebe, ich liebe einen Mann und er liebt mich. Was kann mich da ein ganz normales Irdenleben beeindrucken?


„Du weißt schon, dass er verheiratet ist?“


Naja, es lag mir eine pampige Antwort auf der Zunge und ehe ich sie bremsen konnte, war sie ausgesprochen:


„Er ist verheiratet, nicht ich.“


Sie versuchte wieder, mich mit ihrem Blick zu töten, ich widmete mich lieber den drei Wachtelbrüstchen, die vor mir auf dem Teller ein einsames Dasein fristeten. Da nützte ihnen auch die Gesellschaft eines kleinen Küchleins Kartoffelgratin und eines Kringels undefinierbarer brauner Sauce nichts, obwohl das Ensemble künstlerisch angerichtet dargeboten wurde. Der Teller lud eher zu einem Foto ein als zu gutem Appetit.


Vor dem nächsten Gang nahm ich vorsichtigen Blickkontakt mit Tommy auf. Dazu musste ich an Ma und seinem Pa vorbei schauen. Er sah meinen Blick nicht, dafür sah ich die Steffi. Wie sah die denn aus? Die hatte sich ganz offensichtlich noch einigen Operationen unterzogen. Ihr Vorbau war so monströs, als hätte sie voll aufgeblasene Luftballons in der Bluse, ihre Lippen wirkten ebenfalls aufgeblasen, wie ein Schlauchboot, so, in der Art. Im Prinzip präsentierte sie eine Fratze, ein entstelltes Gesicht, die Nase künstlich verkleinert, die Nasenlöcher zeigten beinahe in den Himmel. Das Mädchen sah nicht mehr aus, als wäre sie jünger als zwanzig, sie sah aus wie über vierzig. Erschreckend, abstoßend.


Naja, lange brauchte sich mein Tommy diesen Zombie nicht mehr anzuschauen, bald würden für ihn und für mich goldene Zeiten anbrechen. Endlich, würde ich sagen. Endlich hatte er kapiert, dass wir zusammengehören.


Mit Mam sprach ich am Abend über das Sponsoring des Volleyball-Clubs, sie versprach, sich darum zu kümmern. Im Gegenzug bat sie mich darum, ich möge bitte aufhören, ihren Ehemann als Schwachmaten zu bezeichnen.


Naja, wenn das die Bedingung ist, von mir aus, dann eben ‚Peter der Schwachsinnige‘, wobei ich den Schwachsinnigen ja nicht laut aussprechen musste. Allerdings denken konnte ich was ich wollte, die Gedanken sind frei.


Nach der Woche war ich froh, das Dreckwetter hinter mir lassen und mich wieder in die trockene und warme Wüste begeben zu können. Acht Mädels hatten sich entschlossen, die Herbstferien bei mir in Nevada zu verbringen, volle zwei Wochen wäre die alte Mannschaft wieder hier bei mir in Vegas beisammen, plus die Trainerin, supergeil.


Kaum war ich angekommen, hatte mich wieder in den gewohnten Dress geworfen und lag zur Erholung auf der Sonnenliege neben dem Pool, da rief Tommy an.


Geil, mein Liebster dachte an mich.


„Heh, Schatz!“, meinte er ziemlich locker. „Schade dass wir uns zuhause nicht mehr gesehen haben, aber meine Frau war irgendwie eigensinnig, sie wollte partout nicht mit der Familie zusammen kommen. Aber egal, war echt das geilste Nümmerchen mit dir seit langer Zeit. War geil oder?“


Klar war es geil, wichtiger jedoch war die Liebe, die zum Ausdruck gekommen war. Das hatte er genau so gespürt wie ich. Hab ich ganz genau gemerkt.


„Das müssen wir unbedingt wiederholen, wir machen jetzt drei Wochen Urlaub auf den Malediven, Stefanie wünscht sich unbedingt ein Kind und nimmt schon Hormone deswegen. Aber nach dem Urlaub werde ich es einrichten, mal nach Vegas zu kommen, ich muss doch unser Werk in den US mal besichtigen, als Junior-Chef steht mir das ja wohl gut zu Gesicht.“


Was er mit der kurzen Ansprache ausdrückte, wollte mir nicht in den Schädel. Wie jetzt, Kind? Wie, drei Wochen Urlaub? Wie, Junior-Chef? Ich dachte, wir, äh ….


„Da können wir uns dann so richtig austoben“, fuhr er fort. „Mit dir zu ficken ist einfach absolut geil, das Geilste ever!“


Aha, achso, austoben, jaja, nee, ist klar. Mit mir zu ficken ist so geil, ja, nee, toll. Nee, wirklich, ja.


Was seine Rede bedeutete, wurde mir mit einem Schlag klar. Voller Wut knallte ich das Handy gegen die Wand, es zerbarst in tausend Stücke.


Was ich als Liebe empfunden hatte, war für ihn ein geiles Fickerchen. Er würde seiner Frau, die mit den Ballonbrüsten, der würde er ein Kind machen und mit mir wollte er sich austoben. Mir schossen die Tränen in die Augen. Von der gefühlten Liebe war keine Rede, dabei war sie ganz klar zu spüren gewesen, auch, dass er sie genau so wahrgenommen hatte wie ich, das war so klar, wie nur was.


Er leugnete es einfach. Er wollte sein bequemes Leben führen, Junior-Chef mit Nachwuchs und ab und zu nach Vegas kommen, als Juniorchef, ‚sein‘ Werk besichtigen und mit mir ein geiles Nümmerchen schieben.


So ein Arsch!


Der würdige Sohn eines Schwachmaten, ein Schwachmat hoch vier.


Alter!


Bah, was ich danach für Gedanken hegte, dafür brauchte man schon einen Waffenschein, allein für die Gedanken. Es war hier in US nichts leichter, als sich eine Waffe zu besorgen. Du konntest dir wesentlich unkomplizierter ein automatisches Sturmgewehr kaufen, als ein Auto leihen. So eine Knarre, mit der du eine ganze Sippschaft in weniger als einer Minute abknallen kannst.


Alter! Was ich für einen Hass geschoben habe, kann sich kein Mensch vorstellen. Ich musste mich bewegen, ansonsten würde ich Amok laufen. Die Sportklamotten waren rasch übergestreift, ohne lange zu überlegen pflanzte ich mich ins Auto und fuhr zum Oak-Creek Trialhead, bretterte auf den Parkplatz, stellte das Cabrio ab und rannte los, den Weg den Berg hinauf. Outdoorschuhe an den Füßen, Shorts und Oberteil, Mütze gegen die Sonne, zwei Pint Wasser in den Händen, immer bergauf, wie angestochen.


Ich rannte und rannte, immer den beschissenen Berg hinauf, hinauf und hinauf. An Aussichtspunkten vorbei, interessierten mich nicht die Bohne. Der Weg hörte auf ein Weg zu sein, es war ein trockenes Bachbett. Nur noch Geröll und Fels, egal, immer hinauf, immer aufwärts. Die rund geschliffenen Felsen wurden immer größer, ich musste von einem Fels zum anderen springen. Davon ließ ich mich nicht aufhalten, weiter und weiter, höher und höher, bis es nicht mehr höher ging, bis ich vor einer Felswand stand und nicht weiter kam. Ich war so weit oben wie es ging und vollkommen platt, das Herz raste bis in die Ohren hinauf. So außer Atem war ich, glaube ich, noch nie. Ich legte mich auf einen Felsen, trank das Wasser und beruhigte mich.


Kerl, was für ein Arsch, jetzt mal ohne Emotionen. Einen Arsch wird man doch auch so bezeichnen dürfen oder? Es handelte sich dabei nicht um einen unflätigen Ausdruck, sondern um die nüchterne Tatsachenbeschreibung des Charakters eines ganz bestimmten Menschen.


Selbstzweifel nagten an mir, dort oben, in der prallen Wüstensonne, auf dem Felsen, der die Hitze ganz wunderbar zurückstrahlte. Wie kann man sich so täuschen lassen? Wie kann ich so blöd sein und an die wahre und echte Liebe glauben? Daniel hatte es mir doch bestätigt, das, was ich Zuhause bereits mit Tommy und dem Schwachmaten erlebt hatte. Es wird dich kein Mensch uneigennützig lieben, alle suchen nur die eigene Befriedigung und gehen dafür den Weg des geringsten Widerstandes. Außerdem berechnet jeder, wie er den größten Vorteil für sich erzielen kann, ohne Rücksicht darauf, wie es anderen Beteiligten geht.


Das ist der american way of life, der auch in Deutschland Fuß gefasst hat und sich immer weiter ausbreitet. Bah, ekelig. Die Welt war für Egomanen geschaffen, Nächstenliebe war eine Illusion und wurde von denen gepredigt, die Vorteile daraus zogen, zum Beispiel katholische Geistliche. Die predigten Nächstenliebe und Demut, betitelten die Abwesenheit von Sex als Keuschheit und betonten, sie sei gerade für Mädchen ganz besonders erstrebenswert und edel. Sie fanden ausgesprochen toll, den fleischlichen Gelüsten abgeschworen zu haben, gelobten Zölibat, verlangten Demut und blinden Glauben von den Menschen, und vögelten und missbrauchten im Geheimen ihnen anvertraute Kinder.


Bah, nee, nichts für mich! So eine Welt? Nee, nicht mit mir.


Kerl, den Frust, der mich da oben auf dem Berg mit immer mehr elektrischer Energie auflud, kann man nicht in Terraelektronenvolt messen. Hätte mich jetzt einer angefasst, er wäre in einem Blitz zu einem Häufchen Asche verbrannt, so geladen war ich.


Ohne Handy kann man ja nicht sein, deswegen hatte ich die Sim-Karte aus dem Schrotthaufen des aktuellen Handys heraus geklaubt und in das Vorgängermodell eingeschoben. Isa rief an, als ich auf dem Felsen vor mich hin schmorte und mich immer mehr aufregte. Sie sagte unser Training ab, sie wäre krank. Auch das noch. Ein deutscher Fußballspieler sagte mal: „Hast du Scheiße am Schuh, hast du Scheiße am Schuh."


Was für eine Lebensweisheit in diesem ordinären Spruch.


Ich musste befürchten, dass ich auf dem Felsen oben auf dem Mount Wilson bald medium gegrillt sein würde, von oben die Sonne, von unten der aufgeheizte Felsen. Deshalb brach ich auf. Bergab durch das trockene Bachbett zu klettern kam mir wesentlich schwieriger vor, als bergauf zu rennen. Mir zitterten die Knie vor Schwäche, als ich am Auto ankam, so fertig war ich. Immerhin waren es etliche Kilometer bergauf und bergab, einen großen Teil der Strecke musste ich springend und hüpfend zurücklegen. Für eine, die flaches Geläuf gewohnt war, eine ungewohnte Anstrengung. Mir war auf dem Weg noch etwas Absurdes aufgefallen: Tommys Frau nahm Hormone, um ein Kind zu bekommen, ich nahm welche, um keins zu bekommen. Was für eine merkwürdige Welt.


In der Sportanlage traf ich niemanden den ich kannte. Um die Kolleginnen anzutreffen, war nicht die richtige Zeit, entweder war es zu früh oder zu spät.


Das alte Handy gefiel mir nicht so, ich duschte schnell und fuhr in die Stadt, um mir ein neues zu holen.


Das sagte mir gleich, dass der Ableger des Schwachmaten angerufen hätte, der Schwachmat hoch vier. Eine Messenger-Nachricht von ihm öffnete ich.


Am Sonntag um dreizehn Uhr würde der Frachtjumbo landen, dann wollte er mich sehen.


Hab ihm zurück gemailt und konnte mich nicht beherrschen. Hier wäre er nicht willkommen, schrieb ich, außerdem sei er hier nicht der Juniorchef, sondern unerwünschter Besuch. Er solle bleiben wo der Pfeffer wächst.


Bah, da wurde er aber echt fies, ich traute meinen Augen nicht, als ich seine Antwort las. Ich solle mehr Respekt zeigen, er sei der Thronfolger in der Firma seines Vaters, schließlich würde ich in einem Haus wohnen, dass der Firma seines Vaters gehöre und würde ein Auto fahren, das auf die Firma zugelassen sei. Er könne es mir jederzeit wegnehmen lassen, Haus und Auto.


Auf meine Antwort, dass seinem Vater die Firma nicht gehöre, meinte er antworten zu müssen, sie gehöre der Frau seines Vaters. Es sei ein leichtes für seinen Vater und damit für ihn, alles durchzusetzen, was er wolle, was seiner Stiefmutter gehöre, gehöre auch seinem Vater und damit ihm.


Darauf habe ich ihm geantwortet, er möge sich über die Eigentumsverhältnisse erkundigen und sich nie mehr melden.


Danach schaltete ich das Handy aus, nicht dass ich mich noch mehr aufrege und ein weiteres zerdeppere.


Alter! Was für ein gebrauchter Tag. Der Jetlag zwang mich früh ins Bett, morgens weit vor sechs Uhr erwachte ich schweißgebadet aus einem ganz widerlichen Albtraum. Mit schmerzenden Beinen quälte ich mich aus dem Bett, ins Auto, wieder zu dem Oak Creek Trial und rannte erneut den Berg hinauf.


Pünktlich um acht saß ich in der Schule auf meinem Platz. Die Knie zitterten noch von der Anstrengung am Berg, aber der Frust war so gut wie weg. Die können mich doch alle mal, Bella ist Bella, ich komme allein zurecht. Danke Papa, für deine Vorsorge!


In der Pause las ich die Antwort auf die letzte Bemerkung von mir, die mit den Eigentumsverhältnissen, was ich damit meinte. Ich löschte ihn aus meinen Kontakten, soll mich doch am A …, äh, in Ruhe lassen.


Soll er doch selbst herausfinden, wie hier was verteilt ist.


Die Englischstunde war langweilig, es fiel mir schwer, mich zu konzentrieren. So surfte ich im Netz, schaute aus Neugier auf die Beurteilungen der amerikanischen Börse, was sie über Meyer’s sagte. Da standen wirklich nur positive Einschätzungen, es war eines der einhundert bestbewerteten Unternehmen der Staaten. Das tat meiner Seele gut. Nur aus Neugier gab ich den Namen von Tommys Schwiegervater ein. Dessen Unternehmen wurde sehr schlecht beurteilt, Missmanagement, falsche Produktentscheidungen, fehlerhafte und reklamierte Produkte. Ein Medikament hatten sie im Angebot, das erhebliche Nebenwirkungen verursachte, es wären bereits etliche Todesfälle auf das Konto des Medikamentes gegangen. Es wurde auf einer schwarzen Liste geführt und durfte nicht mehr vertrieben werden. Es stand sogar im Raum, die zuständigen Manager hier in den Staaten vor Gericht zu stellen. Es wurde über Entschädigungszahlungen in Milliardenhöhe spekuliert.


Einen Link dazu schickte ich Mama. Die Firma des Schwachmaten war verhältnismäßig klein, aber wurde durchweg positiv beurteilt. Bevor die sich mit so einem kranken Unternehmen verbündeten, sollten sie lieber noch einmal nachdenken.


Mama rief an, sie bedankte sich für den Link und fragte gleich, ob ich wüsste, wie viel Uhr es sei? Und ob ich noch alle Tassen im Schrank hätte, den Junior auf etwas aufmerksam zu machen, das sie mir unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraut hätte, das hochbrisant sei und zu ungeahnten Komplikationen führen könne. Ich solle mir den Junior-Schwachmaten abschminken und besser meine schulischen Leistungen im Auge behalten. Es gäbe noch andere interessante Söhne erfolgreicher Familien.


Na, sie war echt verärgert, der Junior war bestimmt auch verärgert, hoffentlich der Senior auch, dann wäre allen gedient, auch mir.


Alles Blödmänner, durch die Bank, alle blöd.


Gegen Mittag wurde ich zum Training gerufen, Ingeborg baute zwei Kolleginnen aus der Volleyballmannschaft zu Bachvolleyballerinnen auf, zumindest war das ihr Ziel. Sie wollte zwei schlagkräftige Mannschaften haben und möglichst zusätzliche Ersatzleute, falls mal eine ausfiele. Das war nicht so leicht, denn die Kolleginnen hatten mitbekommen, wie hart Isa und ich trainieren mussten, wie fertig wir nach den Trainings waren und wie sie uns immer weiter angestachelt hatte. Erst zwei Mädchen waren bereit, sich der Tortur zu unterziehen.


Die werteten wahrscheinlich die Süße und die Anerkennung nach dem Gewinn des Turniers größer ein, als die Leiden durch das harte Training. Sie sahen auch, wie fit Isa und ich waren, wenn wir in der Hallenmeisterschaft gemeinsam mit ihnen spielten. Da betätigten wir zwei uns beinahe als Solokünstlerinnen. Wenn eine von den Kolleginnen an den Ball wollte, war meist eine von uns schon da.


Ingeborg bat mich, die beiden Kolleginnen auf ihrem ersten zehn Kilometerlauf zu begleiten, ich solle ihnen möglichst nicht davon rennen.


Mir steckte der Berglauf von gestern und von heute Morgen noch in den Knochen, durch die Wüste zu sprinten lag mir deshalb fern, ich war froh, locker neben denen her joggen zu können.


Am Wagen angekommen, waren die ganz schön fertig, kannte ich noch von mir und Isa damals. Wir tranken etwas und fuhren danach zur Sportanlage. Dort sollten sie gegen mich und Ingeborg ein Match im Sand bestreiten. Ingeborg stand am Netz und blieb dort stehen. Sie begnügte sich damit, ab und zu einen Ball zurück zu spielen, der musste aber genau auf sie zukommen, ansonsten bewegte sie sich keinen Meter. So rannte ich wie ein Hase hin und her und parierte dabei so viele Bälle der Kolleginnen, wie möglich. Dass sie dabei etliche Punkte abstaubten, war nicht zu vermeiden. Gebe ich freiwillig einen Punkt ab? Auch ohne Isa stand der Pakt, so gab ich keinen Ball verloren, hechtete hinter jedem Ding her, bis es reglos im Sand lag.


Nach dem Spiel klopfte mir Ingeborg auf die Schulter, bedankte sich für mein Engagement. Ohne mich wäre sie den Kolleginnen nur mit sehr viel mehr Mühe gewachsen gewesen, so sei aber ihr Sieg ungefährdet gewesen.


Ihr Sieg!


Über das Gesicht, das ich dazu zog, lachte sie sich scheckig, zeigte dauernd auf mich, weil mein Gesichtsausdruck sie so sehr amüsierte. Mit voller Wucht haute sie mir auf die Schulter und konnte nicht aufhören zu lachen.


Mich in so einer Gemeinschaft zu wissen, geachtetes und gemochtes Mitglied einer Mannschaft zu sein, war echt heilsam, fast wie Medizin. Der Sport, die geschätzten Menschen um mich, das war ein Medikament, das alles heilte, sogar Wut auf einen Schwachmaten hoch vier und selbst Liebeskummer.


Die Kolleginnen waren nach dem Spiel echt fertig, fast so fertig wie ich. Wir wanderten zu dritt zurück in den Unterricht.


Nachmittags dann lag ich neben dem Pool und las ein Buch für die Schule. Die Literaturlehrerin wollte, das wir uns über Prousts ‚Die Suche nach der verlorenen Zeit‘ sachkundig machen. Versucht man natürlich erst über Sekundärliteratur, klar, aber die Liebesgeschichten sollten wirklich toll sein. So habe ich mir das Gesamtwerk als gebundene Ausgabe kommen lassen. Das war vielleicht etwas übertrieben, aber es sah im Regal gut aus.


Ich war gerade mit dem ersten Band beschäftigt, die Geschichte: ‚Eine Liebe Swanns‘ begann soeben, mich zu fesseln, da rief Margret an.


Eigentlich war ich froh mit ihr zu sprechen. Sie war der einzige Mensch, der Freude daran hatte, wenn es mir gut ging, alle anderen verfolgten ausschließlich ihre Interessen, mein Befinden war denen schnurz. Bisher gingen Beziehungen stets auf meine Kosten in die Brüche, nur die mit Margret nicht. Mir gab das zu denken, kann man sich vorstellen.


„Schätzchen, bist du wieder im Lande?“


Es gab keinen Grund, ihr reserviert zu kommen oder gar unfreundlich zu sein. Im Gegenteil, etwas positiven Zuspruch könnte ich jetzt gut gebrauchen, Zärtlichkeit und ganz persönliche Zuwendung sowieso.


„Ja, bin vorgestern angekommen. Hab noch Jetlag, aber so langsam geht es.“


„Och du Arme, das tut mir leid. Komm her, ich massiere dich und nehme dich in den Arm.“


Es war ja abzusehen, dass sie mich bei sich haben wollte. Wollte ich das auch? Wollte ich Küsse und Zärtlichkeiten austauschen und Nähe genießen? Beim Gedanken an das, was sie von mir wollte, wurde mir warm, die Wärme gab die Antwort auf die Frage.


„Gute Idee, wann soll ich denn kommen?“


„Na, komm einfach jetzt oder wenn du Zeit hast. Hast du noch etwas vor?“


Nein, hatte ich nicht.


Was mich bei ihr erwartete war klar. Ich zog mir einen der kurzen Röcke über den nackten Hintern, weil sie die so gern an mir sah, ein kleines Oberteil und diese hohen Sandalen, die ich zu dem roten Kleid getragen hatte. Sah ziemlich scharf aus, dieses Arrangement. Durch den weißen Rock waren die bloßen Arschbacken zu erkennen, sie zeichneten sich andeutungsweise ab. Mit etwas Fantasie war das, was man sah, ganz klar zu erkennen, kam ziemlich geil rüber. Eindeutig war meine Erscheinung ebenfalls. Wollte ich so eindeutig sein? Sollte ich so klar zu erkennen geben, dass ich geil auf Zärtlichkeiten und auch auf Sex war? Vor Margret brauchte ich mich nicht zu verstecken und nicht zu schämen, sie wusste, dass ich auf ihre Art der Körperlichkeit stehe. Schließlich kannte sie mich sehr gut, sie wusste, dass ich Sex liebe und dass ich zu ihr komme, in dem Wissen dass sie mich verführen, mich bis zum Äußersten reizen und sich meinen Orgasmus anschauen würde.


Wie ich mich auf der Fahrt zu ihr fühlte, kann man nicht beschreiben. Die Vorfreude wuchs sich aus, sie ließ mich auf dem Fahrersitz die Beine spreizen, mich öffnen für alles, für den Fahrtwind, für Blicke, die mich im Auto leider nicht erreichen konnten, obwohl das Verdeck offen und die Scheiben heruntergefahren waren. Was sich im Unterleib breit machte, ließ mich lächeln, ließ mich lachen. Zu ihr zu fahren, der einzig wirklich Vertrauten, das war richtig. Was wir beide füreinander empfinden würden, jetzt, gleich, sobald wir uns sahen, das war edel, ohne Hintergedanken, einfach Zuwendung, sich sympathisch finden, sich mögen, geil aufeinander sein und es der anderen zeigen.


Ja, das wollte ich, ganz klar. Krass, es war wirklich krass, das zu denken und entsprechend zu handeln. Mein Herz klopfte, als ich bei ihr vorfuhr, vor Vorfreude, vor Spannung, vor Geilheit und weil ich sie sehr mochte und starke Sehnsucht nach ihrer Nähe empfand. Es war krass geil, sie zu sehen und ihre Freude zu erleben, die ihr allein mein Anblick brachte.


Wir küssten uns anders als jemals zuvor. Sonst handelte sie vereinnahmend, umklammerte mich, hielt mich fest. Jetzt standen wir dicht beisammen, sehr dicht, fassten uns an, ohne uns zu umarmen, und küssten uns, der Impuls ging von uns beiden aus. Es war anders als sonst und es fühlte sich anders an. Jetzt musste ich bekennen, dass ich sie wollte, musste mich klar positionieren, das erwartete sie von mir. Diese Veränderung verlangte etwas anderes von mir als jemals vorher. Bisher war ich die Hofierte, diejenige, die sich mehr oder weniger zierte die Übergriffe zuzulassen. Jetzt wollte sie, dass ich mich zu ihr bekenne, indem ich Initiative zeige.


Die Hitze, die durch unseren Kuss ausbrach, wirkte auf mich wie ein Dammbruch. Nicht sie umklammerte mich, sondern ich umklammerte sie, ich erwiderte nicht ihre

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