Elvira Teil1
von Galdos
Zwei Tage nach dem Begräbnis ist meine Frau mit den Kindern wieder nach Hause gefahren. Ich wollte noch bleiben um die letzten Formalitäten zu erledigen. Ein Besuch beim Notar stand noch aus, der Bestatter sollte bezahlt werden und die Kondolenzbriefe wollte ich nebenbei auch beantworten. Die verstorbene Tante war in meiner Kindheit und Jugend so eine Art Mutterersatz gewesen. Bevor ich wegen eines Jobwechsels dorthin übersiedeln musste, wo ich später meine eigene Familie gründete, hatte sie sich diese Rolle mit Elvira geteilt. Elvira war gute zehn Jahre jünger als meine Tante, trotzdem waren die beiden Frauen bis zuletzt innige Freundinnen. Bei Elvira ging ich aus und ein als wäre ich ein Mitglied ihrer Familie. Ein Erlebnis aus dieser Zeit ist die ganzen Jahre nicht aus meiner Erinnerung gewichen. Elvira war damals noch verheiratet und gerade hochschwanger. Ich war mit meinen 17 Jahren gerade in dem Alter, wo alles, was Röcke trug, mir den Kamm schwellen ließ. Wir saßen nebeneinander auf ihrem Ehebett im Schlafzimmer, gegenüber einer Frisierkommode, die damals allgemein „Psyche“ genannt wurde und in keiner Wohnung fehlen durfte. Elvira trug ein Nachthemd und ließ mich wohl ganz ungewollt einen tiefen Einblick nehmen. Ihre haarige Spalte faszinierte mich so sehr, dass ich das Bild über die Jahre bis heute wie einen geheimen Schatz bewahrt hatte. Außer einem kurzen, unverhofften und unbeabsichtigten Blick hatte mir Elvira nichts gewährt und ich wage nicht etwas von ihr zu fordern. Sie war schließlich beinahe doppelt so alt wie ich und wie hätte ich grüner und im Umgang mit Frauen, auch gleichaltrigen Mädchen, ziemlich schüchterner Junge es auch anstellen sollen? Aber mit der Erinnerung und den blühenden Auswüchsen der Phantasie, die auf diesem kurzen Einblick gründeten, gestaltete ich mir so manch schöne Stunde in trauter Einsamkeit bei emsiger Handarbeit.
Nach dem Leichenschmaus ist diese Elvira, die nun so um die sechzig sein musste, und die ich seit damals nur einmal kurz und unverfänglich gesehen hatte, auf mich zugekommen. Sie bot mir ihre Hilfe an, sollte ich sie benötigen und im Gespräch hernach ergab es sich, dass sie mich zu sich nach Hause zum Essen einlud. Ganz fürsorglich um den trauernden Wahlneffen besorgt.
Ich besuchte sie also wie vereinbart, als ich schon allein war und trug wieder dieses Bild in Gedanken mit mir, dass meine Unschuld damals so verzaubert hatte.
Nach dem ersten Klingeln kam schon ein rauchiges „Ja, bitte?“ aus der Gegensprechanlage.
Ich meldete mich, schon summte der Türöffner und als wären es nicht Jahrzehnte gewesen, seit ich zum letzten Mal die Stufen in den zweiten Stock hoch gelaufen war, fand ich wie selbstverständlich den Weg zu ihrer Tür, vorbei an unpersönlich weiß gestrichenen anderen, entlang des ebenso nüchtern weißen Korridors. Die Tür stand offen und im Gegenlicht wartete eine freundliche Frau auf ihren Gast. Küsschen links, Küsschen rechts, Blumenstrauß und Baroloflasche überreicht und Elvira bat mich in ihre Wohnküche. Wie damals wurde das Wohnzimmer auch jetzt noch kaum benutzt. Die Einrichtung war neu, erinnerte mich dennoch an die, die ich von früher her kannte. Wie sollte man eine knapp zweieinhalb mal drei Meter messende Küche auch anders einrichten, wenn darin auch ein halbwegs brauchbarer Essplatz untergebracht werden soll. Natürlich war damals noch kein Geschirrspüler da gewesen, aber sonst: Wie früher.
Elvira hatte sich wenig verändert, schien mir. Noch immer, wenn auch wohl mit ein wenig chemischer Unterstützung, waren ihre Haare tiefschwarz. Noch immer war ihre Figur ausgesprochen weiblich. Kleine, zierliche Füße in hübschen Schuhen, schlanke Fesseln, runde Waden. Die dunkel bestrumpften Beine verschwanden knapp über den Knien unter einem leicht ausgestellten schwarzen Rock, der sich an feste, gewölbte Schenkel schmiegte, um weiter oben zur Leibesmitte ein rundes, breites Becken zu bändigen. Ein kleines Bäuchlein glich den ausladenden, doch unverändert stramm wirkenden Hintern aus. Unter der weißen, Dekolletee zeigenden Bluse wölbte sich ihr mächtiger Busen. Zwischen den Brüsten fesselte eine tiefe, dunkle Kluft den Blick. Nur am Hals und ein wenig darunter wiesen Fältchen auf das fortgeschrittenere Alter hin. Ihr Gesicht war wie vor Jahrzehnten vom schwarzen, dichten und kräftigen Haar gerahmt. Elvira war Friseurin gewesen und wusste wohl, was da zu tun sei um allein über Farbe und Gestaltung der Haare Jugend vorzutäuschen. Die vollen Lippen mit doch schon merkbaren Furchen um den sichtlich oft lachenden Mund waren in einem dunklen Rot geschminkt. Ihre Wangen rosig, die Augen schalkhaft zugekniffen. Lachfalten bestätigten den fröhlichen Eindruck ihrer Lippen. Die Stirn zierte mehr eine senkrechte Falte, als dass sie der Attraktivität dieser sichtlich lebenslustigen Frau Abbruch getan hätte.
Sie bot mir Platz an, suchte eine Vase, wässerte die Blumen und stellte schließlich zwei geschmackvolle dünnwandige Rotweingläser auf den gedeckten Tisch. Es gab eine kräftige Rindsuppe, gekochtes Rindfleisch mit Zubehör. Dazu ließen wir uns den Wein schmecken. Natürlich ging das Gespräch anfangs um die Verstorbene. Wir wünschten uns einen ähnlich friedlichen Tod, wenn es denn einmal soweit sein sollte, um endlich zu erfreulicheren Themen zu kommen. Abwechselnd berichteten wir im Zeitraffer unsere Lebensgeschichten. Ihre, soviel wusste ich auch von meiner Tante, war eher unspektakulär. Meine übrigens auch, wenngleich es mich ein wenig mehr in der Welt herumgetrieben hatte. Sie war nach der Scheidung allein geblieben. Die gemeinsame Tochter war ja gleich nach der Geburt gestorben. Traurig, aber sie hatte es doch überwunden. Ich konnte es mir nicht verkneifen, mich nach anderen Männern in ihrem Leben zu erkundigen. Sie wich nicht einmal aus und erzählte von den nicht schwinden wollenden Bedürfnissen einer gesunden Frau. Nicht dass sie sich in Details ergangen wäre, aber immerhin soviel gab sie preis, dass es immer wieder mal mehr oder weniger gute Beziehungen gegeben habe. Nun aber sei sie schon fünf Jahre unbemannt und wolle das eigentlich gar nicht mehr ändern. „Zumindest jetzt noch nicht“, setzte sie schelmisch lächelnd hinzu.
Und ob ich denn eigentlich mit meiner Frau glücklich wäre, wollte sie in süffisantem Ton wissen. Ehrlich bekannte ich, es wäre nicht so toll, aber meine Ehe hätte sich wenigstens als eine Zweckgemeinschaft mit gegenseitiger Achtung eingespielt.
„Im Bett läuft es also nicht so besonders?“ Na da schau her, da will es jemand ganz genau wissen.
„Eigentlich läuft es gar nicht. Zumindest die letzten zehn Jahre oder so, war absolut nichts. Es ist nicht einmal mehr ein Thema.“
„Fehlt Euch da nichts? Das könnte ich mir nicht vorstellen, mit einem Mann unter einem Dach zu wohnen und nichts mit ihm zu haben.“
„Doch schon. Freilich fehlt da was. Mir zumindest. Bei meiner Frau habe ich eher das Gefühl, es ist ihr so ganz recht. Die letzten Male als wir miteinander geschlafen haben, habe ich es so empfunden, als wäre es eben nur die Erfüllung der ehelichen Pflicht. Von Kür keine Rede. Aber unser Sexualleben war auch vorher nicht besonders wild.“
„Wie habt ihr dann Eure Kinder gemacht?“
„Manchmal frage ich mich das auch. Aber das war ja noch am Anfang, da hat es besser geklappt. Wahrscheinlich auch weil ich ja recht unverdorben war und gar nicht auf die Idee gekommen bin, dass man das anderes machen könnte als im Dunkeln in der Missionarstellung.“
„Und jetzt bist du nicht mehr so unverdorben?“
„Na ja. Nicht nur gesunde Frauen haben Bedürfnisse.“
Sie lacht. „Entschuldige, wenn ich zu neugierig bin. Sag es ruhig, wenn es dir peinlich ist.“
„Nein, ist es nicht. Es wundert mich zwar selbst, aber es stört mich überhaupt nicht, so mit dir zu reden. Nicht, dass ich es brauchen würde, so im Sinn von Herzausschütten. Es ist einfach ok so.“
„Na gut. Lassen wir es einmal dabei. Kannst mir ja nachher noch mehr erzählen. Jetzt wasch ich schnell die Töpfe ab und du machst es dir im Wohnzimmer gemütlich. Kennst ja den Weg.“
„Lass mich helfen. Du wäschst ab, ich trockne ab.“
„Nichts da! Du bist Gast. Einer über den ich mich besonders freue. Also marsch, ab ins Wohnzimmer. Kannst dir ja den Fernseher anschalten oder eine CD einlegen.“
Also verfügte ich mich in den Salon. Ziemlich modern eingerichtet, stellte ich fest. Keine kitschigen Nippessachen. Ein paar wenige Möbel, eine üppige lederne Wohnlandschaft in Weiß. Großformatige moderne Bilder an den Wänden. Ein Flachbildschirm, darunter eine reichlich neue Stereoanlage. Auf dem gläsernen Couchtisch ein paar Zeitschriften. Mode und Lifestyle. Nicht meine Themen. Also saß ich da und wartete. Das Gespräch vorhin und mein Jugendgeheimnis ließen die Gedanken nicht nur anständige Wege einnehmen. Durch die offenen Türen konnte ich das Scheppern und Plätschern vom Abwasch hören. Schließlich ein Gurgeln vom Abfluss und einen nicht allzu damenhaften Fluch. Ich eilte in die Küche.
Elvira stand über dem vollen Spülbecken, den Stöpsel in der Hand und schimpfte vor sich hin.
„Was ist los? Hast du dir wehgetan?“
„Nein. Nur dieser blöde Abfluss. Schon wieder verstopft. Immer, wenn ich eigentlich keine Zeit für so was habe.“
„Jetzt hast du ja einen Mann im Haus. Das werden wir gleich haben. Lässt du mich einmal nachschauen?“
„Nein. Lass nur. Das mach ich nachher. Wie gesagt: Du bist Gast hier und sollst dich hier wohl fühlen.“
„Das gelingt weitaus besser, wenn ich etwas für dich tun kann. Vor allem nach dem exzellenten Essen.“
Nach ein wenig albernem Hin und Her machte sie Platz und ließ mich unter der Spüle nach dem Siphon schauen. Ich bat Elvira, mir einen Eimer zu holen und ein Tuch zu geben, das auch schmutzig werden könne. Damit ausgestattet, kniete ich mich nieder und kroch halb in den Unterschrank, nachdem ich noch mein Sakko abgelegt hatte. Der Siphon war rasch aufgeschraubt und gesäubert. Nur das herabstürzende Wasser hat mein Hemd auch ganz schön erwischt. Der auch nicht anständige Fluch meinerseits veranlasste Elvira sich neben mich zu hocken und ihrer Sorge um mein schönes Hemd Ausdruck zu verleihen. Und als habe es so kommen müssen, bot sie mir einen Anblick, der mich erröten ließ: In meiner gebückte Haltung konnte, nein musste ich ihr geradewegs unter den Rock schauen. Wie damals. Nur dass sie jetzt darunter nicht nackt war. Mein Blick glitt streichelnd von ihren Knien ihre Oberschenkel entlang zum Abschluss der Strümpfe – keine Strumpfhose; die mag sie nicht, hatte sie mir später erklärt – genau in die Mitte hinein. Trotz der nur spärlichen Ausleuchtung fanden meine Augen in drei metallen umrandeten Druckknöpfchen exakt dort, wo seinerzeit ein dichter schwarzer Busch meine Unschuld raubte, ihr Ziel. Ich war wie gelähmt. Sie redete unentwegt über das belanglose Malheur meines nassen Hemdes, bot mir an, es sogleich in die Waschmaschine zu stecken und nach dem Trockner auch zu bügeln, damit ich wieder fesch sei, wenn ich von ihr weg ginge.
„Nicht nötig. Wirklich nicht“, hörte ich mich wie aus weiter Ferne antworten, starren Blicks auf ihre Scham.
Sie verstummte schließlich. Sagte nichts mehr. Blieb aber in der für mich so reizvollen Position. Es war schon peinlich genug, so auf ihre intimste Stelle zu starren, noch peinlicher wurde mir, als mir aus ihrem Schweigen heraus klar wurde, dass sie genau wusste, was meine Aufmerksamkeit fesselte. Kurz konnte ich mich von dem traumhaften Anblick lösen und wahrnehmen, wie sie mit ernster oder am Ende doch erregter Miene mein Gesicht beobachte. Schon zwang mich eine unwiderstehliche innere Kraft dazu, ihr erneut zwischen die Beine zu blicken. Ich konnte nicht mehr wegschauen von ihrer bedeckten Scham. In einer Hand hielt ich den abgeschraubten Siphonteil, in der anderen den Putzlappen. So wäre ich nie auf die Wahnsinnsidee gekommen, sie zu berühren, obwohl jede Faser in mir sich danach gesehnt hätte.
Da war sie es, die die Spannung nicht nur nicht löste, sondern noch verstärkte: Ihre Schenkel glitten sanft auseinander, ihr Rock schob sich davon langsam höher.
Ihre rauchige Stimme zitterte, als sie fragte, „willst du es noch einmal sehen? So wie damals?“
Sie wusste es! Sie
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Thomas«
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