Im Meer der Einsamkeit
von Klaus Störz
Im Meer der Einsamkeit
Ich kann nicht schlafen. Meine Gedanken finden keine Ruhe. Ist es denn nicht schon schlimm genug?
Es ist heiß im Zimmer. Ich stehe auf und stelle die beiden Fenster auf Kippe. Ein kalter Lufthauch streift über meine nackte Haut, nimmt mich an die Hand und begleitet mich zurück ins Bett.
Ich lege mich auf den Rücken und schiebe die Decke weg, bis sie auf den Boden fällt. Die Kühle der Nacht beginnt an mir zu nagen. Ich öffne die Augen, um dein Bild in mir zu verjagen, es fortzuschicken; nein besser noch in kleine Schnipsel zu zerreißen. Doch es kommt wieder, klarer und intensiver als zuvor. Es taucht auf aus der Dunkelheit und legt sich auf mich, als wolle es mich zudecken und vor der Kälte schützen.
Stumme Tränen rinnen aus meinen Augen und tropfen auf mein Kissen. Ich weine einfach nur, ohne daran zu denken. Fast wütend wische ich mir übers Gesicht. Die nasse Hand liegt auf meinem Bauch. Die Tränen auf meiner Haut lassen mich die frische Nachtluft noch intensiver spüren. So wie ich dich gespürt habe, als du mich berührtest und ich dir meine Seele schenkte.
Die Erinnerung holt mich ein. Hinterrücks fällt sie mich an, wirft mich nieder, quetscht sich in meinen Kopf. Alles ist wieder da. Deine Stimme dringt durch die Dunkelheit zu mir. Ein Wispern voller Zärtlichkeit, deine eigene Melodie, mit der du mich einhüllst und dich sanft an mich schmiegst.
Leise flüstere ich deinen Namen. Dein Gesicht lächelt mich an. Ich höre deine Stimme, erkenne die Worte wieder. War es wirklich erst vor ein paar Stunden?
Ich will nicht mehr heulen. Verdammt nochmal ... verdammt ... verdammt!
Schluchzend drücke ich das Kissen auf mein Gesicht. Ich will dich, geh nicht weg!
Ich will es noch einmal erleben, jetzt und hier. Komm zu mir, schmiege deinen weichen Körper an mich. Umarme mich nochmal so, wie du es heute getan hast. Bitte lass nicht los ... bitte!
Das Kissen saugt meine Tränen auf. Noch einmal erlebe ich den Moment, fühle die Aufregung, die von mir Besitz ergreift. Ich bin gleichzeitig in mir und neben mir. Beobachte mich und spüre die Leidenschaft und die Wellen der Gefühle, die über mir zusammenschlagen.
Meine Hände zittern, als ich deine Nummer wähle. Es ist dein Wunsch es auf diese Weise zu tun. Dabei habe ich solche Angst, etwas falsch zu machen, dir nicht das geben zu können, was du dir wünschst. Weiß ich denn, was du dir wünscht?
Zwei Fremde und doch nicht fremd. So weit entfernt und doch so nah.
Diesen Augenblick mit dir zu teilen ...
Ich presse den Hörer fest an mein Ohr, damit mir nicht der kleinste Ton deiner Stimme entgeht. Dein sanftes Lachen hüllt mich ein, deine Worte machen mir Mut. Du weißt schon so viel über mich. Ich habe dir vieles aus meinem Leben erzählt, was ich noch niemals zuvor einem Menschen gesagt habe. Aber das waren geschriebene Worte. Jetzt bist du mir so nah, als seiest du bei mir. Nur du und ich.
Wie liebevoll du mich in den Arm nimmst. Ich spüre deine Zärtlichkeit. Oh könnte ich dir nur einen Bruchteil dessen schenken, was du mir in diesem Moment gibst. Ich ertrinke in deinen weichen Armen an der Zärtlichkeit des Augenblicks.
„Ich will dich küssen!“
„Dann tue es doch!“ Deine Worte erreichen mich, setzen mich in Flammen und meine Sehnsucht wird unerträglich.
Als sich unsere Lippen berühren, ziehe ich dich an mich, um dich nie wieder loszulassen. Wie habe ich mich danach gesehnt, deinen Körper zu fühlen, der sich verlangend an mich presst. Dass gerade du es sein würdest. Es ist schöner, als in meinen Träumen.
Meine Hände liegen auf deinem Haar. Unser Kuss hat eine Leidenschaft erreicht, die mich alles vergessen lässt. Nur du und ich!
Wir beschreiben uns gegenseitig, was wir mit dem Körper des andern tun wollen. Du hast deine Lippen für mich geöffnet. Ich werde erwartet und begrüßt von der Wärme deiner Zunge. Zwei spielende Gesellen zwischen saugenden Lippen.
Die Erinnerung an diesen Moment lässt mich verzweifeln. Ich stöhne deinen Namen in mein Kissen. Ich vermisse dich!
Wie kann ich etwas vermissen, was ich nie gehabt habe? Aber du bist mir so nahe. Ich fühle deine Arme, wie sie mich umfassen; ich spüre deine Lippen, die Hitze, die sie ausstrahlen. Deine Stimme macht es so real.
Leg dich zu mir aufs Bett! Ich rücke zur Seite, wissend, dass es nicht geschehen wird und doch meine ich, dich riechen zu können. Ich presse das Kissen fester aufs Gesicht, bis ich keine Luft mehr bekomme. Mit einem Ruck befreie ich mich, sauge die kalte Luft in meine Lungen. Dein Gesicht ... ich sehe dich. Du lächelst und beugst dich über mich.
„Ich bin da, ganz nah", sagt dein Mund. Deine Haare breiten sich über meiner Brust aus. Ich fühle, wie es mich erregt. Der Gedanke, dass du bei mir bist und mich streichelst, verwischt die Grenzen zwischen Realität und Wunsch. Ich strecke meine Hand aus. Da ist niemand, den ich berühren könnte und doch meine ich, dass da etwas ist, dein weicher Körper. Diese samtene Haut deines Leibes auf meiner Handfläche. Deine Rundungen, die sich an mich schmiegen. Siehst du meine Tränen? Jede einzelne ist für dich. Ich bin glücklich deinetwegen.
Es ist nicht nur die kühle Luft, die mich berührt. Du drängst dich an mich, legst deinen Schenkel über meine Hüften und schiebst dich über mich. Ich spüre dein Gewicht und fühle, wie sich meine nächtliche Erektion gegen deinen Bauch drückt. Du spürst es auch, denn bewegst deinen Körper geschickt auf mir, sodass ich vor Sehnsucht verglühe.
Deine Brüste berühren meine Haut nur mit den Spitzen, gleiten langsam höher, bis dein Mund meine Lippen verschließt und deine Zunge keine Ruhe gibt.
Unsere Körper haben sich angepasst. Bauch auf Bauch, Schenkel auf Schenkel liegen wir eng umschlungen, verlieren uns in einem nicht enden wollenden Kuss.
Meine Hand will dich berühren. Doch ohne Widerstand gleitet sie durch dich hindurch und ich fühle mich. Schmerzhaft wird mir bewusst, dass du nicht bei mir bist. Das Kissen dämpft meine Sehnsucht, die ich artikuliere.
„Ich will dich, ich will dich! Geh nicht weg!" Das Kissen habe ich unförmig geknuddelt, ein Ersatz für dich. Meine Hand findet die pralle Lust, die sich wippend von mir erhebt. Ich umschließe meinen Phallus mit der Faust, bewege sie langsam auf und ab. Oh wärest du doch jetzt bei mir. Komm zurück, leg dich wieder auf mich!
Dein Gesicht, so zart und mit einem geheimnisvollen Lächeln auf den Lippen, erscheint und du flüsterst mir zu: „Was willst du?“
„Ich will dich.“
„Wie willst du mich?“ Deine Stimme schwingt in meinem Kopf.
„Setz dich auf mich. Öffne dich mir und verschlinge mich. Ich schenke dir meine Seele, meine Gedanken und meine Hoffnungen.“
Du lächelst mich an. Deine Hand greift hinab, führt meinen Pfahl an deine Pforte. Mit einer fließenden Bewegung setzt du dich auf und ich dringe in dich, bis sich unsere Körper treffen. Ein langsames Auf und Ab bringt mich an die Grenzen meiner Lust. Ich stehe neben dem Bett und beobachte uns zwei. Wie wunderschön du doch bist.
Ich muss atmen. Ich werfe das Kissen von mir. Mir ist so heiß. Ich liege auf dem Bett und berühre mich, während ich an dich denke, mir wünsche, du seiest bei mir. Immer schneller, härter und heftiger werden meine Bewegungen. Ich spanne meinen Körper an. Noch ein klein wenig. Ich denke an dich.
„Ich will dich“, stöhne ich hervor. Immer wieder wiederhole ich diese Worte.
Mit einem lang gezogenen „Ich will dich" explodiert meine Lust. Ich bin zu viel zu laut. Es ist mir egal. Ich verzehre mich vor Sehnsucht nach dir. Ich komme in vielen Zuckungen und bleibe erschöpft liegen.
Mein Bauch ist verklebt mit meinem Saft, bis zum Hals zieht sie die Spur meiner Lust.
Ich beruhige mich. Denke an dich, frage mich, wie du dich anfühlen magst.
Die kühle Luft trocknet meine nasse Haut. Es spannt und klebt überall.
Ein Moment der Zweisamkeit, einen Augenblick des Glücks und doch tut es so weh.
Ich vermisse dich! Ist das alles? Nein, da ist noch was. Ich verscheuche diese Gedanken, denn ich will dich nicht verlieren.
Mit schweren Schritten gehe ich ins Badezimmer. Als ich wieder im Bett liege, zugedeckt und müde, fühle ich, wie sich die Decke bewegt und du dich an mich kuschelst. Deine langen Haare fallen über mein Gesicht, als du deinen Kopf an meine Schulter schmiegst.
Ich wusste, dass du wiederkommst. Bleib bei mir, bis ich eingeschlafen bin und träume mit mir im Meer der Einsamkeit.
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*Gänsehaut hat*
Hexendingen«
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Emotional sehr aufrührend und gleichzeitig mit einer tiefen Sehnsucht behaftet. Aber ich glaube auch, ein bisschen Glück darin zu erkennen.
hexy: Ich bin sicher sie hat es erkannt. Wenn sie es gelesen hat. Scheint eine ganz besondere Frau zu sein, von der unser Protagonist träumt.
Jochen«
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Interessante Geschichte. Es ist sehr soft und einfühlsam geschrieben. Nur die etwas triste Stimmung der Einsamkeit hinterlassen einen etwas schalen Nachgeschmack. Aber das Ende ist ja offen genug gestaltet, damit meine Fantasie sich den weiteren Verlauf erträumen kann.
Sehr gelungen, wenngleich nicht nur fröhlich stimmend.
Ich schließe mich sexy-hexy an: *Gänsehaut hab*
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Gratulation zu dieser wirklich gelungenen Story von
Sheherezade«
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Gregor«
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Eine Geschichte, wie man sie nur selten findet. Ein absolutes Sevac Highlight.«