Italienisch für Anfänger: Teil I
von Leon Art
»Lana del Rey« mit »Summertime Sadness« direkt nach den 10 Uhr Nachrichten, da hatte so ein emsiger Musikredakteur mal wieder seine »Kreativität« bewiesen.
So oder so, die bisher zurückgelegten 500 Kilometer waren die Hölle gewesen. In diesem Mietwagen ohne Klimaanlage, ohne CD-Player, geschweige denn einem USB-Anschluss. Dazu mit scheußlichen abgenutzten weinroten Ledersitzen und dieser permanente, künstliche Geruch nach »Tannenfrische« vom hin und her pendelnden Duftbaum am Rückspiegel -- nein, Bastian hatte diesmal nicht das große Los gezogen.
Schlimm genug, dass ein schlichter Germanistikstudent seine immensen Kosten mit gelegentlichen Transportfahrten wieder reinholen musste; aber dieser Höllentrip nach Hinterpfuiteufel ging gar nicht.
Es hatte noch schön geklungen, als sein etwas chaotischer Chef ihn angerufen hatte und mit, für seine Verhältnisse, ruhiger Stimme, eine ganz spezielle Route angekündigt hatte: »Du Basti, kannst ein bisschen Griechisch? Ich hätt' da so einen Auftrag von der Zentrale. Irgendwie ein kleines Kaff in der Nähe von Thessaloniki. Natürlich kriegst 'nen Wahnsinnszuschuss, müsstest halt nur ab Ancona die Fähre rüber nehmen.«
Im ersten Moment, besonders als ihm sein Chef den besagten Zuschuss mal vorgerechnet hatte, waren ihm auch noch keine Fragen gekommen, wie etwa: »Warum ging das nicht per Luftpost oder Railcargo?« Oder noch besser: »Worum handelte es sich bei der Fracht eigentlich?«
Es war wohl auch Pech dabei gewesen. Vorsehung, wenn es so etwas überhaupt gab!
Aus dem Käfig kamen nun schon seit etwas mehr als dreißig Minuten laute Kreischrufe; Bastian orientierte sich, in der Absicht bei nächster Gelegenheit von der Autobahn zu fahren.
Wo war er? Das Letzte was er bewusst wahrgenommen hatte, war die italienische Grenze am Brenner.
Lange kam kein Schild, dann: »Rovereto Ovest -- 5 km«. Er war also schon am Gardasee!
Wenige Minuten später fuhr er auf eine Raststätte, die zu so früher Stunde noch wenig bevölkert war. Nur ein paar Fernfahrer und die übliche Motorradclique staksten lustlos im schmalen Grünstreifen am Rande des Parkplatzes.
Genervt stieg er aus und holte er das Spezialfutter vom Rücksitz. Dann quälte er sich nach hinten und öffnete den Kofferraum. Die großen, tief orangefarbenen Augen glotzen ihn erwartend an. Mürrisch zog er die Schutzhandschuhe an und schob das Gitter zur Seite.
Ein südindonesischer Bindenwaran! Er hatte Angst vor diesem zischelnden Ungeheuer. Zögerlich warf er etwas von dem Futter in den Käfig. Mit einem lauten Schnappen stürzte sich der Waran, er hatte ihn aus einem Anflug von Galgenhumor »Hannibal« genannt, auf die ihm dargebotene Nahrung. Er fragte sich gerade ernsthaft ob das alles vielleicht nur ein Scherz war, ein geschickt eingefädelter Komplott seiner Kollegen, als Rache dafür, dass er sie ständig beim Pokern abzockte, da hörte er plötzlich hinter sich eine Stimme.
»Hey! Hallo! Wohin fährst du denn?«
Er drehte sich um. Vor ihm stand ein junges Mädchen, etwa in seinem Alter und schaute ihn etwas unsicher an.
»In's Nirwana!« sagte er etwas barsch, zu barsch eigentlich, denn es sollte witzig klingen, aber anscheinend hatte Hannibal seine Stimmung gefährlich nahe an den Gefrierpunkt gebracht.
»Oh, Entschuldigung, ich wollte nicht unhöflich sein!«, stottert sie.
Bastian lenkte ein: »Kein Problem!« sagte er. »Wohin willst du denn?«
Er kannte diesen flehenden Blick, ein bisschen wie seine Freundin, wenn sie mal wieder eine Boutique erspäht hatte und ihn nicht einfach so stehen lassen konnte.
»Ähem Firenze, also Florenz, nicht weit und nur wenn's keine Umstände macht. Weißt du ich trampe ja eigentlich nicht, aber...jedenfalls scheinst du ganz vertrauenswürdig.«
»Es ehrt mich, das ich nicht wie ein Sexualstraftäter aussehe«, lachte Bastian. »Bis Verona könnte ich dich mitnehmen, sind zwar nur noch - «, er überlegte, » - noch so 100 km, aber immerhin etwas, oder?«
Das Angebot schien sie zu überzeugen, sie lächelte und schüttelte ihm die Hand. »Ich heiße übrigens Paola und du mein Retter?«, fragte sie ironisch.
»Bastian, und das ist Hannibal!«
Er deutete auf seinen Reisegefährten. »Jetzt habe ich schon zwei!« dachte er sich lächelnd. Was tat er nur ohne seinen Humor?
Paola und Hannibal musterten sich skeptisch.
»Ähem, gehört der dir?«, fragte sie halb belustigt, halb pikiert.
»Nein, der gehört einem gewissen Costas Giannopoulos in Thessaloniki! Ich bring ihn da hin!«
»Ah, okay! Mein Bruder hatte auch mal so ein Reptil, so eine Python, im Terrarium!«
Bastian blickte währenddessen auf die Uhr, unglaubliche 15 Minuten hatte er schon wieder vertrödelt! Er schlug die Kofferraumtür zu und wies Paola ihren Platz auf den Beifahrersitz. Mit etwas Glück konnten sie in etwa einer Stunde in Verona sein.
Während sie nun also durch den Norden Venetiens fuhren, kam Bastian plötzlich eine Frage in den Sinn, die ihm eigentlich schon auf der Zunge gebrannt hatte, als Paola ihn angesprochen hatte: »Was machst du eigentlich hier, wie kommt ein junge Frau allein auf eine italienische Raststätte?«
Paola lachte. »Das geht einfacher als du denkst! Schau, ich bin gestern mit dem Zug von München nach Verona gestartet. Nach Innsbruck aber, irgendwo in diesem Tal, da gab es einen Erdrutsch und der Zug konnte nicht mehr weiter fahren. Da saß ich also in so 'nem Bergkaff dessen Namen ich nicht wusste und es wurde gesagt, man schicke Ersatzbusse. Es wurde aber schon dunkel und ich hatte keine Ahnung wo dieser ominöse Bus halten sollte. Ich wartete eine Stunde, ich wartete zwei Stunden...jedenfalls bin ich dann irgendwann vom Bahnhof weggegangen, um mir Zigaretten zu kaufen (was aber nicht ging, da man in österreichischen Bergdörfern um Punkt sechs Uhr Fenster und Türen verschließt und die Kunde von der Erfindung des Zigarettenautomaten anscheinend noch nicht in die hintersten Winkel der Welt gedrungen ist) und als ich dann wiederkam, war plötzlich keiner mehr da, außer einem sehr kalten Wind, der durch den Bahnsteig pfiff.«
»Und wie kamst - «
»Dann bin ich in Richtung Hauptstrasse gegangen, auf der natürlich kein Schwein mehr unterwegs war, also bin ich einfach mal zu Fuß Richtung Brennero aufgebrochen.«
»Und dass du in ein Hotel - «
»Soviel Geld hatte ich nicht, haben ja schon die Tickets für den Zug ein Vermögen gekostet. Aber egal, ich hatte nach zwei Kilometern Blasen an den Füßen, kein Wunder bei den Ballerinas. Ich war inzwischen Mitten in der Pampa, es war stockdunkel und kalt, da hörte ich plötzlich ein lautes Brummen aus dem Wald neben der Landstrasse. Und schon an der nächsten Abzweigung schießt so ein Riesentraktor aus dem Unterholz. Beinahe hätte er mich überfahren!«
»Aber - «
»Was aber im Nachhinein ein echter Glücksfall war, denn das war so ein Typ vom Forstamt der mich dann sogar bis fast zur Grenze mitgenommen hat.«
»Mitten in der Nacht?«
»Der erzählte irgendwas von Wildkameras und Infrarot und dass er nachts kontrollieren müsse, ob die überhaupt noch funktionieren. Jedenfalls war ich dann am Brenner und siehe da, heute Morgen hab ich glatt einen netten polnischen LKW-Fahrer gefunden, der in die Richtung musste. Allerdings hat der hier seine Schlafpause machen müssen, und naja so kam ich hierher, ganz allein, auf der Suche nach einer hilfsbereiten Seele!«
Sie grinste ihn verschmitzt an. Bastian musterte sie nun genauer, so fern das Autofahren es erlaubte: Erst jetzt fiel ihm auf, das sie etwas verhuscht aussah. Der geflochtene Kranz in ihrem dunkelblonden Haar war verrutscht, die Bluse nicht mehr so blütenweiß wie gedacht und die vorhin angesprochenen Ballerinas sahen ebenfalls arg mitgenommen aus; zumindest schien ihre abenteuerliche Geschichte im Groben also zu stimmen. Sie schwieg eine ganze Zeit, dann fing sie an ihm Fragen zu stellen. »Sag mal, du sagtest du wolltest nach Griechenland, ist das nicht ein bisschen eine andere Richtung?«
»Ja schon, aber ich fahre übers Meer: Ab Ancona mit der Fähre Richtung Igoumenitsa und dann übers Hinterland nach Thessaloniki.«
»Hört sich weit an!«
»Is' es auch, drei Tage hin, drei Tage zurück.«
»Und Hannibal hält das aus?«
»Der is' hart im nehmen, hoffe ich!«
Sie lachte. Bastian nutzte die Gunst der Sekunde. »Sag mal, nicht das es mich was angeht, aber was willst du eigentlich in Florenz?«
»Oh, das ist kein Geheimnis, ich besuche meine Oma!«
»Ach du bist - «
»Ja, halb zumindest, Vater Italiener, Mutter Deutsche!«
»Und du kannst - «
»Natürlich, fließend - «
Er schwieg, irgendwie tat es ihm jetzt schon leid, wenn er sie in Verona rauslassen musste. Eine Unterhaltung schien ihm allemal besser, als dieses dröge einsame Herumfahren. Ohne Hannibal nahetreten zu wollen, aber wenn man sich unterhalten konnte, vergingen die Zeit und das Fahren einfach schneller.
Er schaute sie wieder einmal an. Sie hatte wunderschöne tiefblaue Augen, die wie zwei Brunnen geheimnisvoll leuchteten. Er konnte ja nicht ahnen wie geheimnisvoll!
Leider waren sie viel zu schnell in Verona angekommen. Bastian bog irgendwie enttäuscht auf einen großen Parkplatz ab, Paola hatte ihm gesagt, dass sie von dort mit dem Bus zum Veroneser Hauptbahnhof kommen konnte, von dem es vielleicht doch noch möglich war, mit dem Zug weiterzufahren.
Nachdem sie ihm noch eine schöne Fahrt gewünscht hatte, und auch er sich fast wehmütig verabschiedet hatte, stieg sie aus. Bastian wollte schon den Motor anlassen und weiterfahren, da klopfte sie noch einmal an die Fensterscheibe. Er kurbelte sie quietschend herunter.
»Ich muss mich doch noch von Hannibal verabschieden!« sagte sie übertrieben pathetisch.
Bastian sah auf die Uhr, es war wohl sowieso wieder Zeit das Ding zu füttern, auf dem Plan, der ihm ausgehändigt worden war, stand jede Stunde einmal! So stieg er aus um die Prozedur zu wiederholen. Spezialfutter, Sicherheitshandschuhe, Kofferraum auf und ab dafür. Er fragte sich eh, aus was dieses komische Gemisch bestand. Es roch nach rohem Fleisch, sah aber aus wie Haferflocken oder Sägespäne. Er verzog das Gesicht und warf ein zwei Hände voll in den Käfig, nicht ohne zuvor das Gitter geöffnet zu haben.
Da fasste ihm Paola plötzlich von hinten auf die Schulter. Er dachte sie wolle jetzt so etwas kindisches sagen wie: »Ciao Hannibal!« oder »Mach's gut mein süßer Reptilienfreund!«
Aber zu seiner Verwunderung diente diese Aktion nur dazu, seine Aufmerksamkeit zu erlangen. Sie sah ihm tief in die Augen und fast reflexartig entfernten sie sich ein Stück von Kofferraum und schauten sich gegenseitig an.
Bastian bekam nur ein peinlich berührtes »Äh - «, heraus, doch da ergriff Paola das Wort.
»Weißt du, Bastian, wollen wir nicht einfach mal deine Lieferung Lieferung sein lassen, Hannibal mal für eine Stunde Waran und irgendwo zusammen was trinken und essen gehen? Ich hab nämlich ziemlichen Hunger. Du etwa nicht?«
Bastian wollte gerade antworten, dass er sehr wohl Hunger hatte, es aber einfach nicht ging, weil a) er sich seinen „Zuschuss" sonst in seine gegeelten Haare schmieren konnte und b) er eine feste Freundin hatte und c) es überhaupt gerade nicht seiner Stimmung entsprach, verrückte Dinge zu machen, da unterbrach e
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