Junge Liebe Teil 11
von Kojote
XXII.
Renate Bübler spuckte beinahe den Schluck Kaffee wieder aus, den sie gerade genommen hatte, als ihr Enkelsohn Peter mit seiner Freundin in ihrer Küche erschien.
Sie hatte durch die geschlossene Verbindungstür zum hinteren Teil des Hauses gefragt, ob die Kinder vielleicht mit ihr frühstücken wollten, als sie die ersten Geräusche von dort hörte. Es war zwar reichlich spät dafür, aber sie nahm es mittlerweile mit der angemessenen Frühstückszeit auch nicht mehr so genau. Und außerdem war schließlich Urlaubszeit.
Die Rentnerin hatte sich für den Fall gestählt, dass die kleine, freche Blondine oder schlimmstenfalls sogar ihr Peter ein wenig… nun… unangemessen bekleidet erscheinen würden. Diese Sorge erwies sich als unbegründet, wenn man heutige Maßstäbe für angemessene Kleidung ansetzte.
Aber die beiden wohlbekannten Gesichter im Schlepptau des Paares waren eine gehörige Überraschung. Und zwar nicht nur, weil Renate sich absolut sicher war, dass niemand den Hof überquert hatte, seitdem sie wach war.
Patrizia Pfaffer und Kenneth Euler betraten ein wenig zögerlich ihre Küche. Wie Peter und Nadia gingen sie Hand in Hand und wie die beiden sahen auch sie so aus, als wäre ihre Morgentoilette eher kurz ausgefallen.
Tatsächlich sah die ganze Rasselbande so aus, als hätte sie eine wilde Nacht gehabt.
‚Ruhig bleiben‘, ermahnte sie sich still.
Nachdem sie verhindert hatte, dass sich ihr Kaffee über den Tisch verteilte, musterte sie die Kinder aufmerksam. Der betretene Ausdruck zeigte sich auch auf Peters Gesicht, als sie nichts weiter tat und keine Miene verzog. Nur Nadia schien recht unbekümmert.
„Hallo… Oma“, sagte sie mit einem ganz leichten Zögern.
„Guten Morgen“, gab Renate kühl zurück. „Du weißt ja, wo alles ist, Peter. Ich habe nur für uns drei gedeckt.“
„Wir… ähm… Wir könnten… Wir wollen nicht…“, stammelte der schlaksige Kenneth - oder Kenni, wie Peter ihn nannte.
Tatsächlich nannte sogar sie selbst ihn so, wenn sie ihn ansprach. Seine Mutter hatte ihm einen englisch gesprochenen Namen gegeben und dieses ‚th‘ wollte ihr so gar nicht von der Zunge gehen. Und die deutsche Aussprache schien jedermann zu befremden. Also benutzte sie die nur im Geiste - und dort mit einer gewissen Sturheit auch ganz absichtlich, egal wie falsch das angeblich war.
„Wenn du keine ganzen Sätze zustande bringst, hältst du lieber die Klappe und setzt dich, bis du dich dazu imstande fühlst“, belehrte die Rentnerin den besten Freund ihres Enkels.
Ihr barscher Ton dabei war mehr ein Automatismus als Absicht. Sie war ein wenig verblüfft und da fiel es ihr am Leichtesten, sich so zu verhalten. Außerdem brauchte die heutige Jugend harte Führung. Und zwar so lange, bis sie wirklich bereit war, sich davon freizumachen und den Platz unter Erwachsenen aus eigenem Antrieb einzunehmen.
Beinahe musste sie kichern, als der Kerl den Kopf zwischen die Schultern zog und ein wenig eingeschnappt drein blickte. Er war noch nicht ganz so weit, was das Erwachsensein anging.
Ohne ein weiteres Wort nahm er Platz. Und Nadia und die kleine Patrizia taten es ihm gleich, während Peter zwei weitere Gedecke holte.
„Also hat die kleine Teufelin dich nun auch in ihren Bann geschlagen?“, fragte Renate beiläufig die Enkelin ihrer Jugendfreundin Elvira Pfaffer.
Totenstille war die unmittelbare Reaktion. Selbst Peter verharrte mitten in der Bewegung.
Dann prustete Nadia plötzlich und fing an, aus vollem Hals zu lachen. Und Renate musste einstimmen, auch wenn sie es eigentlich nicht wollte.
Verfluchtes Gör!
Es war wirklich schwer, diesem Wirbelwind gegenüber böse Miene zum unanständigen Spiel zu machen. Und das kleine Früchtchen schien das unglücklicherweise zu durchschauen. Sie mochte ein wenig leichtlebig sein, aber ein Kind war sie ganz eindeutig nicht mehr.
Die Stimmung löste sich etwas, obwohl weiterhin drei Gesichter verstört wirkten. Nur Nadia musste an sich halten, um nicht gleich wieder loszulachen.
Dann war es an Peter, Renate völlig zu überraschen.
„Ich hab dich lieb, Oma“, sagte er und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Trotzdem…“
„Trotzdem?“, japste sie. „Nun wird mal nicht frech, Bürschlein. Ich kann dich noch immer übers Knie legen.“
„Wie viele Kochlöffel soll dich das diesmal kosten?“, fragte er völlig gelassen. „Oder hast du wieder einen Schirm zu viel, den du loswerden willst?“
Renate zeigte sich empört, aber sie ahnte bereits, dass neben Nadia auch Peter nicht entging, wie wenig davon echt war. Lieber Himmel wurde es Zeit, dass der Junge aus seinem Schneckenhaus kam. Was ihm noch zum Erwachsensein gefehlt hatte, war eindeutig nur ein wenig Selbstbewusstsein. Und das impfte Nadia ihm offensichtlich gerade ordentlich ein.
„Sie spielt den Drachen“, erklärte Peter derweil den beiden fassungslosen Anderen. „Aber ich glaube, sie meint es gar nicht so.“
„Sabbel nicht, iss!“, bestimmte Renate, bevor dieses Thema zu sehr vertieft wurde.
Während die Rasselbande sich über Wurst, selbstgemachte Marmelade und Brot hermachte, blickte die Rentnerin in die Runde.
Sie konnte das Band zwischen Peter und Nadia sehen. Nur Tage, nachdem die beiden zueinandergefunden hatten, waren sie sich schon so wunderbar nah. Sie konnten keine Minute verstreichen lassen, ohne den anderen wenigstens einmal kurz zu berühren. Und ihre Augen suchten ständig nach ihrem Gegenpart.
Für jemand anderen hätten die kurzen Berührungen der Finger oder die schnellen Seitenblicke vielleicht zufällig gewirkt, aber Renate wusste es besser. Diese beiden gehörten zueinander. So wie es richtig war für Mann und Frau.
Nun… Vielleicht nicht ganz so, wie es richtig war. Sie sah hinüber zu Kenni und Patrizia, die eher jeder für sich aßen.
Was zwischen den beiden vorging, entsprach eher dem üblichen Bild. So wie bei ihnen war es gewissermaßen ‚normal‘ Sie mochten einander. Vielleicht waren sie sogar dabei, sich ineinander zu vergucken. Und in einer anderen Zeit hätten sie gut und gerne in einigen Jahren eine Familie gründen mögen.
Zuneigung, Sympathie und dieses jugendliche Kribbeln im Bauch mochten vorhanden sein oder sich entwickeln können. Aber Liebe auf den ersten Blick war das nicht.
Unbemerkt seufzte Renate ganz leise in sich hinein. Wahre Liebe und das, was am Ende zu einer Ehe führte, waren nicht immer das Gleiche. Schließlich hatte sie selbst auch ihren Ernst geheiratet. Und den Rudolf insgeheim wirklich geliebt.
Vielleicht wäre alles anders gewesen, wenn der Krieg ihn nicht fortgeführt hätte, damit er an irgendeinem unaussprechlichen Ort in Russland den Tod fand. Und erst vierzig Jahre später zufällig in einem Massengrab gefunden wurde, wo er letztlich dank des Rings identifiziert werden konnte, den Renate ihm zum Abschied gegeben hatte.
Nun… Immerhin hatte er keine andere geheiratet, wie sie all die Jahre befürchtet hatte. Welch ein Trost…
Natürlich hatte ihr Ernst niemals erfahren, dass ihr Herz für einen anderen geschlagen hatte. Er hatte den Unterschied nicht gekannt. Niemals erfahren, wie es aussah, wenn sich wahre Liebe in Augen widerspiegelte. Das erlebten nur die wenigsten.
Aber wenn man es einmal erlebt hatte, sah man es auch in den Augen von anderen. So wie Renate es in Nadias und Peters Augen erkennen konnte. Andere Zeiten und Sitten mochten es mittlerweile sein, aber Liebe war und blieb Liebe.
Zufrieden beobachtete die Rentnerin die Kinder beim Essen und freute sich innerlich darüber, dass ihr Junge dieses Glück hatte. Insgeheim beneidete sie die kesse Blondine, die sein Herz erobert hatte, sogar ein wenig. Wie wäre ihr Leben wohl verlaufen, wenn sie es an der Seite von jemandem verbracht hätte, der ihr Herz so berührte? Der… ihre Leidenschaft so zum Kochen brachte?
Na… So oder so hätte sie nicht ihre Tochter bekommen und Peter hätte es nicht gegeben. Also waren die Dinge schon gut so, wie sie waren. Auch wenn es manchmal noch aus der Ferne schmerzte.
Beinahe hätte sie den Arm ausgestreckt und die Hand auf den Unterarm ihres Enkels gelegt. Als kleine Wiedergutmachung dafür, in Gedanken von einem anderen Mann als dem Vater seiner Mutter geschwelgt zu haben.
Aber in dem Moment fing sie einen Blick von der kleinen Patrizia zu Nadia auf. Und verschluckte sich beinahe an dem, was sie im Mund hatte.
Wie in Zeitlupe entfaltete sich vor ihr, was sie einfach nicht fassen konnte.
Die schüchterne und früher leider auch oft ein wenig ungepflegte Enkelin ihrer Jugendfreundin blickte den blonden Wirbelwind mit solcher Sehnsucht und Hingabe an, dass es ihr den Atem raubte. Und Nadia erwiderte diesen Blick… wissend!
Aber das war noch nicht alles. Danach berührte sie Peter und er sah erst sie und dann das andere Mädel an und schien ebenfalls zu wissen, was vor sich ging.
Es war nicht die gleiche Liebe in diesem Blickwechsel. Aber da war so einiges, was unter Freunden mehr als ungehörig sein sollte. Da war eine große Leidenschaft…
Lieber Himmel! Wenn Patrizia ihrem Peter und seiner Nadia zugeneigt war und die drei - oder gar vier, auch wenn Kenneth von diesem Blickwechsel nichts mitzubekommen schien - auch nach diesen Impulsen handelten, dann…
Nadia blickte nun zu ihr und unterbrach diesen Gedanken dadurch. Sie sah ihr in die Augen und schien zu erkennen, was Renate dachte. Schien ihre Überlegungen zu durchschauen. Doch sie zeigte keine Scham, sondern hielt dem Blickkontakt stand.
‚Ich hoffe, du weißt, was du tust‘, dachte Renate und machte keine Anstalten, ihre Sorge zu verbergen.
Und Nadia hielt auch diesem Blick stand und glaubte offenbar tatsächlich zu wissen, was sie tat. Oder bildete sich zumindest ein, damit fertigwerden zu können.
Was womöglich sogar der Fall war…
Schließlich war es Renate, die der stummen Zwiesprache ein Ende setzte, indem sie den Blick abwandte.
Sie würde irgendwelchem unmoralischen Treiben nicht ihren Segen geben. Das konnte sie nicht. Aber was für sie gut und richtig war, mochte nicht für die Kinder gelten. Andere Zeiten, andere Sitten. Aus diesen Dingen würde sie sich heraushalten.
Und das fiel ihr gar nicht so schwer, wie sie sich eingestand, denn die kleine Blondine war ein berechnendes Miststück. Sie würde über Leichen gehen, um sich und ihre Liebe zu Peter - der sich Renate weiterhin todsicher war - zu schützen. So wie es sich für eine Frau auch gehörte.
Vielleicht spielte sie mit der kleinen Patrizia. Aber die sah ihrerseits nicht so aus, als würde ihr das schaden. Sie wirkte hingegen so gepflegt und lebhaft, wie seit ihrer frühesten Kindheit nicht mehr. Sie wirkte richtiggehend glücklich als ein drittes Rad am Fahrrad.
Selbst als Anhängsel war Patrizia bei Nadia und Peter zumindest besser aufgehoben als bei ihren missratenen Brüdern. Und deren trinkender Mutter. Elviras Tochter hatte ihren Saustall eindeutig nicht im Griff.
Pah!
Als hätte Renate das gerade von ihrem Haus behaupten können. Das eine Kind schnitt sich die Arme auf und das andere machte ein Freudenhaus daraus.
Aber immerhin kam bei dem unmoralischen Treiben niemand zu Schaden. Wie es aussah, tat es allen Beteiligten eher gut. Sie schienen alle ihre Freude daran zu haben.
Vielleicht war es wie diese wüste Idee von freier Liebe, die Anfang der Siebziger aus Amerika gekommen war. Es schien nicht gut, dass die Kinder damals plötzlich alle herumhuren wollten, aber am Ende hatte es sich doch ausgewachsen und nichts Schlimmes war passiert.
Alle Sorgen bezüglich ihrer eigenen Tochter hatten sich als unbegründet erwiesen. Auch wenn die ganz eindeutig reges Interesse an dieser sogenannten Bewegung gehabt hatte.
Und dennoch hatte sie Peters Vater getroffen und sich in ihn verliebt. Wäre er nicht gestorben, hätte sie ihn ohne Zweifel geheiratet. Trotz all des Geredes über freie Liebe.
Wem schadete es schon? Niemand wurde gezwungen und niemand wurde verletzt. Nicht wie in Pommern…
Nein. Sie würde mit den Gedanken in der Gegenwart bleiben und nicht noch einmal abirren. Vor allem nicht dorthin. Niemals dorthin!
Verfluchtes Alter. Es machte den Geist schwach…
XXIII.
Schwach im Geist fühlte sich Rene nicht, als er sich mit der Frage auseinandersetzte, wie das nächste Bier wohl am besten aus dem Keller in seine Hand gelangen konnte. Nur ein wenig schwach in den Beinen war ihm zumute. Und deswegen tat er das einzig Richtige in dieser Situation.
„Patze!“, brüllte er lautstark. „Schwing dein Arsch her!“
Dann wandte er sich wieder seinem brandheißen Amiga zu und vergaß beim Spielen schnell, was um ihn herum geschah. Oder nicht geschah, wie er feststellte, als er einen Schluck Bier nehmen wollte und die Flasche leer war.
„Patze! Schwing die Hufe, dumme Kuh! Bring mir Bier!“
Noch immer regte sich nichts im Haus. Und das passte ihm ganz und gar nicht.
„Wenn du gleich noch im Bett liegst, schlag ich dich grün und blau“, motzte er und quälte sich hoch.
Mit wenigen Schritten war er an der Zimmertür seiner Schwester und öffnete sie, um ihr dann einen festen Stoß zu geben. Aber das Knallen, als sie gegen die Wand schlug, schreckte niemanden hoch.
Bevor die Tür mit gehörigem Restschwung wieder zuknallte, sah Rene nur ein leeres Bett. Und viel mehr als das und ein Schrank war ja auch nicht in Patrizias Kabuff untergebracht.
Was zum Teufel?
Andre zu fragen war völlig überflüssig, denn der lag noch im Koma von der Flasche Korn, die er sich am Abend zuvor genehmigt hatte. Also blieb nur die Alte. Und die war sicher in der Küche. Schließlich war sie immer in der Küche.
Missmutig stapfte er Treppe ins Erdgeschoß hinunter. Das Knarzen der Stufen ließ ihn dann aber doch vorsichtiger auftreten. Die Treppe war in keinem guten Zustand. Das ganze Haus war ziemlich baufällig. Und er wollte sich keinesfalls die Knochen brechen, weil wegen seiner Trampelei das Holz nachgab.
Irgendwer sollte sich dringend mal um die notwendigen Arbeiten kümmern. Nur wer?
Unten angekommen verschwand das Thema Bausubstanz so schnell wie jedes andere Thema, das auch nur im entferntesten mit Arbeit zu tun haben mochte, aus seinem Kopf.
„Wo ist Patze?“, schnauzte er barsch, noch bevor er die Küchentür ganz geöffnet hatte.
„Du sollst deine Schwester nicht so nennen“, gab seine Mutter müde und leise zurück.
„Ich nenn die, wie ich will. Wo is‘ die Schlampe?“
„Rene!“, ermahnte seine Mutter nun erheblich lauter und sehr schneidend.
Sie wachte nicht oft aus ihrem Rausch auf, aber wenn sie es tat und diesen Ton anschlug, war Rene besser ein wenig netter. Ob seine Mutter ihm wirklich noch gewachsen war, wusste er nicht genau, aber er erinnerte sich an reichlich Prügel von ihrer Hand in früheren Zeiten. Und das wirkte noch nach.
„Ich mach mir nur Sorgen“, behauptete er in betont normalem Tonfall.
„Ich habe sie heute noch nicht gesehen“, sagte seine Mutter wieder ruhiger. „Wenn sie nicht oben ist, muss sie schon seit heute früh unterwegs sein.“
„Und wo?“, fragte Rene irritiert.
„Warum gehst du nicht los und versuchst, es herauszufinden?“, kam noch einmal leicht schneidend die Antwort. „Schließlich bist du ihr großer Bruder und solltest auf sie aufpassen.“
Rene verkniff sich eine passende Antwort. In ihrem Suff bekam seine Alte nicht mit, was der große Bruder so alles mit der kleinen Schwester trieb. Und das war auch ganz gut so, denn es würde ihr nicht gefallen.
„Äh… Ja klar. Gute Idee“, meinte er stattdessen.
Und dann malte er sich aus, wie er später auf Patze ‚aufpassen‘ würde, während seine Mutter langsam wieder den Kopf hängen ließ und eine ungeöffnete Flasche Apfelkorn auf dem Tisch anstarrte.
Schnell trat er den Rückzug an und baute fest darauf, dass seine Mutter in wenigen Minuten schon vergessen haben würde, was sie gerade besprochen hatten. Sie war schließlich nicht nur eine Säuferin, sondern auch noch irgendwie plemplem. Dämänz oder sowas.
Die Frage, wo seine nichtsnutzige Schwester steckte, wurde dadurch aber nicht beantwortet. Und das würde wohl auch erst geschehen, wenn die nach Hause kam und er die Scheiße aus ihrem dummen Arsch geprügelt hatte.
Wichtiger war, dass er sich so viele Bierflaschen wie möglich auflud, als er notgedrungen selbst in den Keller marschierte. Damit er nicht dauernd wieder los musste.
Und diesmal vergaß er seine Wut auch beim Computerspielen nicht ganz.
„Die dumme Futt wird sowas von bluten, wenn ich sie in die Finger kriege“, murmelte er vor sich hin. „Diesmal ist ihr Arsch fällig. Aber so richtig…“
XXIV.
Tanja starrte an die Zimmerdecke.
Seitdem sie im Krankenhaus aufgewacht war, fühlte sie sich nicht in der Lage, etwas anderes zu tun. Also tat sie auch nichts. Sie redete mit niemandem, antwortete nicht auf Fragen und aß nicht.
Die Ärzte sprachen von Katatonie oder etwas in der Art. Sie hatten veranlasst, dass ihr ein Tropf gelegt wurde. Sie hatten ihr jemanden geschickt, der in sanften Worten Schwachsinn redete und sie hatten ihre Arme fixiert, um ‚Zwischenfälle zu vermeiden‘.
Aber es war ihr egal.
Der Beschluss, ihr Leben zu beenden, hatte sie beinahe befreit.
Es hatte anfangs wehgetan. Und das war richtig gut gewesen. Eine gerechte Strafe. Aber es hatte nachgelassen. Und mit dem Schmerz ging… der Hass.
Als sie im warmen Wasser der Badewanne fühlte, wie sie immer schwächer und müder wurde, stellte sich Frieden in ihrem Inneren ein. All die Besessenheiten, die sie immer angetrieben hatten, verblassten. Alle Menschen verblassten. Alles verblasste.
Mit Ausnahme von Peter. Und Nadia.
Als sie im Sterben lag, hatte sie gewusst, dass die beiden ohne sie glücklich werden konnten. Und das hatte sich… gut angefühlt.
Seit so vielen Jahren brachte sie nur Unglück über ihren Cousin. Und auch gegenüber Nadia hatte sie sich oftmals ganz und gar nicht fair verhalten. Und nun hatten diese beiden wichtigsten - einzigen - Personen in ihrem Leben eine Chance darauf, glücklich zu werden. Nur sie stand ihnen noch im Weg.
Ja. Es war richtig gewesen. Aber… es hatte nicht funktioniert.
Tanja war nicht wütend auf ihre Oma. Ihr tat die alte Frau sogar ein klein wenig leid.
Völlig außer sich war sie gewesen, wenn sie ihre Enkelin besucht hatte. Eindringlich und nachdrücklich hatte sie gefordert, dann gebeten und schließlich gefleht.
Aber Tanja konnte nicht mit ihr reden. Die Zeit zum Reden war vorbei.
Sie wusste genau, dass Peter sie nicht besuchen würde. Nadia würde das verhindern. Sie würde in dem Selbstmordversuch einen verzweifelten Racheakt vermuten und ihn davon abhalten. Und das war gut so.
Aber außer Peter gab es niemanden, mit dem sie reden wollte. Nicht einmal Nadia, auch wenn die sicherlich ebenfalls eine… Entschuldigung verdient hatte.
Schon am Tag nach ihrer Einlieferung hatte Tanja sich entschieden, ihre Entlassung abzuwarten.
Dann würde sie einen Brief schreiben. Für Nadia und Peter. Und danach würde sie sich an einen Ort begeben, an dem niemand sie finden würde, bis es zu spät war.
Diesmal würde sie es richtig machen.
An dem Gefühl des Friedens, das die erfüllte, wenn sie an diese nahe Zukunft dachte, hielt der Rotschopf fest. Nichts anderes durfte in ihre Gedanken dringen, denn sonst würde sie zusammenbrechen.
Sie hatte sich wie der letzte Mensch verhalten. Und die Last dieser Schuld lauerte irgendwo im Hintergrund auf eine Chance, sie zu zerquetschen. Also klammerte sie sich an ihren Plan und blendete alles andere aus.
Bis…
„Die Ärzte sagen, dass du katatonisch bist“, sagte Peter ruhig.
Tanja schluckte. War das ein Traum?
„Sie sagen, du reagierst kaum auf irgendetwas. Vielleicht nimmst du nicht einmal deine Umgebung wahr“, murmelte er wie zu sich selbst. Und dann wieder lauter: „Ist das so, Tanja? Nimmst du mich wahr?“
Gegen ihren Willen schluckte sie hart und Tränen traten in ihre Augenwinkel.
Sie versuchte, es zu verhindern, aber sie fühlte, wie ihr Kinn anfing zu zittern und wie sich ihr Kopf leicht bewegte.
„Also hörst du mich doch“, stellte ihr Cousin fest. „Dann habe ich eine Frage an dich.“
Sie stählte sich. Oder versuchte es zumindest.
Er würde nach dem Grund für ihren Selbstmordversuch fragen. Oder nach ihrem Hass auf ihn. Und sie würde ihm nicht antworten.
Peter musste sicher sein, dass sie nichts weiter als verachtenswert war, damit ihr Tod einen Sinn machte. Er war so mitfühlend und weich. Er musste sie aus seinem Herz verbannen, auch wenn sie darin sowieso niemals den Platz eingenommen hatte, den sie sich wünschte.
Es musste sein!
„Was hat Rene Pfaffer dir angetan?“, fragte er gepresst.
Was? NEIN!
Ein Schluchzen rutschte ihr aus der Kehle, als ihr Kopf unwillkürlich herumflog. Fassungslos starrte sie ihn an.
Er durfte davon nichts wissen. Nicht einmal Nadia wusste davon. Niemand wusste…
Kenni!
Die Schuld hatte auf diesen Moment der Schwäche gewartet und brach über sie herein. Schnell konnte sie ihren Cousin nur noch schemenhaft erkennen. Aber sie hatte gesehen, dass er… gereift war. Sicherer als zuvor.
Nicht dank ihr. Soviel stand fest.
So sehr sie es auch versuchte, Tanja konnte dem Schmerz nicht die Stirn bieten. Sie versank in einem Meer aus Scham, Schuld und Selbsthass. Nur mit Mühe konnte sie verhindern, dass sie hemmungslos anfing zu schluchzen.
Dann war da seine Hand an ihrer Wange. Ohne Rücksicht auf die Tränen. Und seine Stimme…
„Warum hast du mir nichts gesagt, Tanja?“
Weinte er?
Hilflos presste sie ihr Gesicht gegen die Berührung und konnte das Schluchzen nicht mehr unterdrücken.
Plötzlich wollte sie ihm so viel sagen. Wollte ihn um Verzeihung bitten. Sich erklären. Ihm alles beichten. Aber es ging nicht.
Ihre Kehle war zugeschnürt und nichts als krampfartiges Schluchzen drang daraus hervor. Die Worte wollten einfach nicht an dem Knoten in ihrem Hals vorbei. Egal wie hart sie es auch versuchte.
Verzweifelt bäumte sie sich gegen die Fesseln an ihren Armen auf, aber die gaben nicht nach.
Hektik brach im Raum aus, als Leute hinzukamen. Sie zerrten Peter von ihr fort und Tanja wollte schreien. Doch sie konnte nicht.
‚Nein! Bleib bei mir!‘, wollte sie ihm zurufen. ‚Verzeih mir!‘
Aber er wurde fortgerissen und Fremde bemühten sich, sie auf das Bett zurückzudrücken.
Tanja kämpfte. Gegen ihren eigenen, verräterischen Körper, der sie daran hinderte, zu sprechen. Und gegen die Menschen, die sie von Peter fernhalten wollen.
Sie kämpfte, bis das dumpfe Gefühl der Betäubung über ihr zusammenschlug und die Kraft sie verließ.
Bis alles um sie herum schwarz wurde.
Bis sie allein war in der Dunkelheit. Allein mit ihrer Schuld…
XXV.
Kenni saß auf einer niedrigen Mauer im Eingangsbereich des Krankenhauses und wartete. Patty stand vor ihm und er hatte seine Arme um sie gelegt. Sie war besorgt und er versuchte, ihr ein wenig Ruhe zu spenden. Aber er wusste auch, dass sie in Gedanken bei Peter war.
Ihre leichte Unruhe war allerdings nichts im Vergleich zu Nadias Nervosität. Die Blondine war nicht einfach angespannt, sie war außer sich. Sie konnte nicht stillstehen, während sie alle warteten.
Kenni wusste in etwa, was ihr vermutlich im Kopf herumging.
Peter war entschlossen gewesen, seiner Cousine allein gegenüberzutreten. Nadia hatte versucht in umzustimmen, aber er war eisern geblieben. Und nun sorgte sich Nadia darüber, was dort drinnen geschehen mochte.
Normalerweise hätte Kenni ihre Sorge sogar geteilt. Tanja hatte immer gewusst, wie sie die Schwäche von Peter ausnutzen konnte. Sie hatte seine Weigerung, ihren seltsamen Hass zu erwidern, gegen ihn verwendet. Und ihn damit in gewisser Weise für viele Jahre daran gehindert, endlich erwachsen zu werden.
Nadia kannte Tanja noch besser als Kenni. Sie wusste vermutlich, wie durchtrieben der Rotschopf sein konnte. Und wie eiskalt sie wirklich war. Aber trotzdem war er eigentlich unbesorgt.
Es war die Art, wie Peter zu Nadia gesagt hatte, dass er dieses Gespräch allein führen musste. Die Art, wie er dem Bitten, Flehen und Drängen widerstanden hatte.
Er war nicht mehr der Kerl, den man vor einer Woche noch mit einem boshaften Kommentar völlig aus der Bahn werfen konnte. Das eine, fehlende Puzzlestück zum Erwachsenwerden, das ihm gefehlt hatte, war ihm von seiner neuen Freundin gegeben worden. Und jetzt war er genau so, wie ihn Kenni eigentlich schon immer gesehen hatte.
Nadia mochte sich Sorgen machen, aber Tanja würde diesen neuen Peter nicht mehr um den Finger wickeln. Und ihn auch nicht verunsichern. Nicht, solange sie selbst da war und auf ihn wartete, um ihn auf jede erdenkliche Weise zu stützen.
Ob es den beiden bewusst war oder nicht - sie waren genau der Stützpfeiler, den der jeweils andere gebraucht zu haben schien. Ganz zu Beginn war es Kenni erschienen, als wäre Nadia eine etwas andere Version von Tanja. Und nun, wo er langsam ein wirklich umfassendes Bild davon hatte, weswegen Tanja so war, wie sie war…
Lange betrachtete er die auf und ab tigernde Blondine und fragte sich, was ihr wohl zugestoßen sein mochte. Irgendwas Schreckliches von der Art, wie Tanja es mit sich herumschleppte, musste auch in ihrer Vergangenheit lauern.
Sie schien immer dominant und selbstsicher, aber Kenni verstand langsam, dass sie sich dabei so sehr auf Peter stützte, wie sie sich zuvor an das geklammert hatte, was ihren Schmerz verursachte. So wie Tanja sich auch an ihr Erlebnis geklammert und an ihrem Hass festgehalten hatte.
Der Unterschied war, dass es nun kein Hass mehr war, der Nadia stützte. Es war Liebe.
Langsam wanderten Kennis Gedanken weiter zu der jungen Frau, die er im Arm hielt. Auch Patty kämpfte mit schrecklichen Erfahrungen. Ihre Hinweise waren es gewesen, die das Mosaik am Ende zusammengefügt hatten.
Sie war nicht wie Tanja und Nadia. Sie war klein gehalten worden. Und nun blühte sie auf. Und zwar nicht dank ihm selbst, wie er sich eingestand.
Vielleicht spielte er gerade mit ihr ein wenig ‚miteinander gehen‘, aber im Grunde war er nur ein unbeteiligter Beobachter. Patty stützte sich auf Nadia und Peter und er war nur zufällig anwesend und durfte daran teilhaben.
Beinahe lächelte er, als ihm bewusst wurde, wie wenig es ihm ausmachte. Er liebte Patty nicht und sie liebte nicht nur einen, sondern gleich zwei andere. Aber solange er mitspielen durfte, würde er nicht Nein sagen.
Die einzige Person, von der er einmal geglaubt hatte, er würde sie lieben, lag dort im Krankenhaus. Und dass es mit ihr nichts werden würde, hatte Kenni schon vor Jahren akzeptiert. Also presste er dem Leben einfach so viel Vergnügen wie möglich ab, wenn er den ‚Hauptpreis‘ schon knicken konnte.
„Vielleicht solltest du dich um sie kümmern“, murmelte er leise in Pattys Ohr. „Sie dreht gleich durch vor Sorge.“
Patty zögerte nicht. Es war, als hätte sie nur auf seine Erlaubnis gewartet. Kaum hatte er es gesagt, war sie schon auf dem Weg, Nadia in den Arm zu nehmen und leise und beruhigend auf sie einzureden.
Es war nicht überraschend, dass es in seinen Augen sogar richtig aussah, wie die beiden Arm in Arm dastanden. Peters zwei Freundinnen, die einander trösteten.
Sollte er nicht eigentlich Neid empfinden bei diesem Anblick?
Die Frage blieb unbeantwortet, denn Peter erschien im Ausgang des Krankenhauses. Sofort musste Kenni schlucken.
Sein Freund ging langsam und bedacht. Aber die fast schon stoische Ruhe, mit der er normalerweise Widrigkeiten begegnete, war wie weggewischt. Er war außer sich. Das konnte Kenni allein schon an der Art sehen, wie er die Schultern hielt. Und wie sich seine Fäuste immer wieder ballten. Und sein Kiefer mahlte.
So hatte Kenni ihn noch niemals zuvor gesehen…
Statt zu den Mädels zu gehen, kam Peter direkt auf ihn selbst zu. Und sein Gesichtsausdruck war so einschüchternd, dass Kenni zum ersten Mal in seinem Leben Furcht vor seinem besten Freund verspürte.
Er sah so aus, als würde er gleich jemandem die Fresse polieren. Was allein schon eine Premiere bei Peter war. Und leider war Kenni der Einzige, der gerade infrage kam…
Nun auch nervös schob er sich von der Mauer, um seinem Kumpel stehend zu begegnen. Dass er ohne Vorrede am Kragen gepackt wurde, kam dennoch überraschend.
„Du sagst mir jetzt, was du weißt“, grollte er mit fest zusammengebissenen Zähnen.
„Peter…“, schnaufte Kenni beschwichtigend.
„Alles, Kenneth!“, unterbrach ihn Peter sofort.
„Okay“, keuchte er. „Du kannst mich loslassen. Ich erzähls dir.“
Peter ließ ihn tatsächlich los. Und stellte ihn dabei gewissermaßen wieder auf die Füße. Vage war er sich bewusst, dass Nadia sich wie eine Raubkatze im Bogen langsam auf die beiden zubewegte. Ihr Blick funkelnd vor… Begeisterung?
Patty hingegen zögerte noch, sich dazu zu gesellen. Und Peter war eindeutig nicht in der Stimmung, ihm lange Zeit zu lassen, sich zu fangen.
Als er anfing zu erzählen, was Tanja ihm einmal anvertraut hatte, als sie zusammen einen Joint durchzogen, lauschten alle aufmerksam.
Im Grunde war es, was allen schon klar war. Aber Peter wollte offenbar die konkrete Bestätigung, die er vermutlich von Tanja nicht bekommen hatte. Und auch wenn Kenni es lieber vermieden hätte, der Überbringer dieser Nachricht zu sein, musste es nun doch endlich einmal gesagt werden.
„So, wie ich es verstanden habe, wollte Tanja dich eifersüchtig machen, indem sie mit einem anderen Sex hatte. Und sie wollte dir eins auswischen, weswegen sie zu jemandem ging, mit dem du so gar nicht kannst. Aber die Sache lief anders, als sie es sich vorgestellt hat…“, erzählte er.
„Ich kann das nicht so wiedergeben, wie sie es gesagt hat. Aber sie war ziemlich fertig, als sie davon gesprochen hat, dass sie es dann doch nicht mehr wollte. Und dabei hat er ihr heftig wehgetan. Viel mehr als sowieso schon, weil es ihr erstes Mal war.
Seitdem, sagte sie, hätte sie Schmerzen beim Sex. Und weil sie es wegen dir getan hat, hat sie dir die Schuld gegeben.“
Nadia schnaubte missbilligend, aber Patty mischte sich ein, bevor die Blondine etwas über die geistige Verwirrung ihrer einstigen Freundin sagen konnte.
„Ich habe einmal gehört, wie Rene Andre davon erzählt hat“, sagte sie.
Schon zuvor hatte sie eröffnet, dass sie wusste, wer Tanja zugestoßen war. Nun stellte sie klar, dass sie auch wusste, was dabei passiert war.
„Er hat nicht einfach Sex mit ihr gehabt“, erklärte sie. „Er hat seinen Frust an ihr ausgelassen und sie dabei auch geschlagen. Und wenn er nicht gelogen hat, dann hat er ihn auch… in ihren… Hintern gesteckt.“
„Das passt“, meinte Nadia nun etwas weniger ablehnend. „Aber trotzdem hat sie sich die Suppe selbst eingebrockt.“
„Egal wie dumm sie sich verhalten haben mag“, knurrte Peter, „so etwas hat niemand verdient.“
„Und eine Behandlung, wie du sie danach von ihr erhalten hast, auch nicht“, protestierte Nadia.
„Das ist nicht der Punkt!“, fuhr Peter auf. „Wie sie sich verhalten hat, ist eine Sache. Aber was ihr zugestoßen ist, steht auf einem anderen Blatt. Niemand hat sowas verdient. Und egal wie scheiße sich jemand verhält, das ist keine rückwirkende Rechtfertigung dafür!“
Nadia zuckte nicht zusammen, als er sich ihr zuwandte und so energisch wie niemals zuvor sprach. Sie sah ihn an und Kenni wollte einen Besen fressen, wenn sie ihn dabei nicht ganz offen anhimmelte. Sogar - oder vielleicht auch gerade - seine Wut schien sie richtig anzumachen.
Und Kenni musste sich eingestehen, dass er das sogar irgendwie verstehen konnte. Das Gefühl der unmittelbaren Bedrohung durch Peter war nämlich vorübergezogen.
Sein Freund war stinksauer, aber diese Wut richtete sich nicht gegen irgendwen, sondern gegen eine ganz bestimmte Person. Und diesem Dreckskerl stand nun eine Lektion ins Haus.
„Mach keine Dummheiten“, sagte Kenni jedoch genau deswegen mahnend.
„Ich mache, was längst jemand hätte tun sollen“, gab Peter zurück.
„Genau deswegen habe ich es dir nicht erzählt, Peter“, appellierte Kenni noch einmal. „Der Dreckskerl ist es nicht wert, für ihn in den Knast zu gehen!“
„Ich werde ihn nicht umbringen, Kenni“, erwiderte Peter erstaunlich beherrscht. „Aber ich werde ihm die längst überfällige Tracht Prügel verpassen…“
Niemand sagte etwas darauf. Nicht einmal Kenni konnte dazu noch Einwände vorbringen, denn im Grunde stimmte er Peter von Herzen zu.
Und außerdem war er beeindruckt. Es gab eine jähzornige Seite an Peter, die manchmal aus der Verzweiflung geboren ausgebrochen war. Bei solchen Wutausbrüchen hatte Peter durchaus auch etwas Mobiliar zerlegt. Und genau diese Art von Reaktion hatte Kenni befürchtet, wenn sein Freund die Wahrheit erfuhr.
Aber Peter war nicht jähzornig, sondern entschlossen. Wütend, aber beherrscht. Dagegen konnte - und wollte - er beim besten Willen nichts sagen.
Und die anderen beiden waren weit davon entfernt, ihm Einhalt gebieten zu wollen. Nadia betrachtete ihren Freund voller Bewunderung und Patty himmelte ihn auf ihre Weise an. Ob es seine Gewaltbereitschaft oder sein Gerechtigkeitssinn oder die überwältigende Präsenz war, die er gerade ausstrahlte, war für Kenni unklar, aber trotzdem verstand er es irgendwie.
Er fühlte sich ja sogar selbst irgendwie gut dabei, einen Kumpel zu haben, der so offensichtlich bereit war, im Falle eines Falles zuzuschlagen. Selbst - oder gerade - in dieser Situation bewies Peter wieder einmal seine Verlässlichkeit.
Wäre er selbst nur ein wenig mehr wie Peter, hätte Tanja vielleicht sogar sein Interesse erwidert. Und es wäre niemals zu alldem gekommen.
Ein Jammer…
XXVI.
Patty schlug das Herz bis in den Hals, als sie Peter zu seinem Wagen folgte.
Vermutlich war er nicht begeistert, aber sie könnte ihm sagen, wie er am besten zu ihrem Bruder gelangen konnte. Und deswegen musste er sie mitnehmen. Egal was er davon hielt.
Und sie musste dabei sein, wenn Rene endlich bekam, was er verdiente. Für das, was er Tanja angetan hatte. Und stellvertretend dadurch auch für all das, was sie durch ihn erlitten hatte.
Als Peter einstieg, blickte er sie an. Kurz machte der entschlossene Zug einer gewissen Sanftheit Platz. Was ihr Herz noch einmal etwas höher hüpfen ließ.
„Du musst nicht mitkommen“, sagte er. Und an ihr vorbei: „Keiner von euch muss das.“
„Glaubst du, wir würden dich allein gehen lassen?“, fragte Nadia von direkt hinter ihr.
Das konnte sie nur nickend bestätigen.
Er diskutierte nicht darüber. Auch wenn es ihm vielleicht nicht gefiel. Und Patty musste sich auf die Lippe beißen, um nicht unpassender weise zu lächeln. Weil sie sich nie zuvor so sehr als Teil einer… Familie gefühlt hatte, wie in den letzten knapp vierundzwanzig Stunden. Und ganz besonders jetzt.
Als sie einstieg, traf ihr Blick den von Nadia und sie sahen sich einen Moment lang an. Auch die unfassbare Blondine war nicht so finster entschlossen und ernst wie Peter. Auch sie hatte ihre eigenen Hintergedanken. Ihre Augen glitzerten eher freudig erregt.
Der Einzige, der angemessen ernst und besorgt aussah, war Kenni. Und auch wenn sie seine Hand ergriff, als sie mit ihm zusammen auf der Rückbank saß, war sie in Gedanken nicht bei ihm.
Es war ganz sicher nicht fair, aber für Patty waren es Peter und Nadia, die sich wie eine Familie anfühlten. Die eine, weil sie sich um sie kümmerte, wie es ihre Mutter nie getan hatte. Und der andere, weil er sich schützend vor sie stellte, wie es der Vater hätte tun sollen, den sie niemals gekannt hatte.
Ihre konkreten Gefühle mochten ein wenig unpassend für eine Familie sein, wenn man nicht das, was Rene immer wieder mit ihr getan hatte, als Maßstab anlegte. Aber der Rest fühlte sich genau so an, wie sie es sich immer vorgestellt hatte.
Die Fahrt verlief schweigend. Jeder hing eigenen Gedanken nach. Bald schon waren sie wieder im Dorf. Und dann schnell am ziemlich baufälligen Haus der Pfaffers.
Sie stiegen alle aus und Patty hielt sich an Nadia, die sich beeilte, Peter zu folgen. Der ging zielstrebig und unaufhaltsam zur Vordertür. Er klingelte oder klopfte nicht. Er probierte, ob die Tür sich öffnen ließ, und trat ein, als sie sich als unverschlossen erwies. Erst dann hielt er inne und drehte sich um.
Noch immer wurde kein Wort gesprochen. Patty, die sich direkt hinter Nadia befand, beantwortete die stumme Frage in seinem Gesicht mit einem Fingerzeig nach oben.
Die Treppe knarzte und ächzte unter dem Gewicht von zwischenzeitlich vier Leuten, als wolle sie gleich zusammenbrechen. Aber sie hielt. Und oben vertiefte sich der abgetakelte und versiffte Eindruck, den das Innere des Hauses machte, um ein Vielfaches.
Die Pfaffers hausten in Dreck und Gestank. Es wäre Patty peinlich gewesen, dass die anderen erlebten, wie sie selbst noch vorgestern gelebt hatte. Aber Nadia ergriff ihre Hand und schenkte ihr einen mitfühlenden Blick, der alles in ein anderes Licht rückte.
Sie hätte sagen können, dass sie so oft auf der Flucht vor ihren Verwandten war, dass sie niemals Zeit zum Aufräumen fand. Aber das war unnötig. Niemand machte ihr einen Vorwurf.
Der Widerwille auf dem Gesicht ihrer Freundin richtete sich nicht gegen Patty, denn die war nicht länger Teil dieser Familie.
Es war nicht nötig, noch einmal einen Hinweis auf den Aufenthaltsort von Rene zu geben. Der verriet sich selbst.
„Patze?“, schnauzte er aus seinem der Zimmer, das an den engen Flur angrenzte.
Patty zuckte mächtig zusammen. Zu oft hatte sie diesen Tonfall gehört und wusste, welchen Ärger er bedeutete. Aber diesmal musste sie sich nicht fürchten. Das zeigte ihr der erneute, feste Druck von Nadias Hand. Aber noch deutlicher zeigte ihr das die Art, wie Peter sich versteifte und ihr ganz kurz einen beruhigend gemeinten Blick zuwarf.
Sein Gesicht war dabei zwar alles andere als sanft. Es war im Gegenteil so hart, das einem angst und bange werden konnte. Aber genau das gab ihr ein Gefühl absoluter Sicherheit.
Sie musste sich keine Sorgen mehr über ihren Bruder machen. Denn noch, bevor der ein zweites Mal schreien konnte, verschwand Peter durch seine Zimmertür.
Aufgrund der Enge konnte Patty nicht sehen, was geschah. Sie konnte an ihm vorbei nichts erkennen. Sein Rücken war einfach zu breit.
Also hörte sie nur, was vor sich ging. Und das war aussagekräftig genug.
„Bübler!“, japste Rene erschrocken.
Dann gab es ein Poltern - von einem umfallenden Stuhl vielleicht - und gleich darauf ein hartes, dumpfes Klatschen gefolgt von einem jammernden Stöhnen.
Peter beugte sich über Rene, der offenbar nun auf dem Boden lag. Darauf folgte noch mehrmals das gleiche Geräusch wie zuvor. Und sie sah die Bewegungen seiner Schulter und Arme.
Es war der Klang einer Faust, die einen Körper traf. Peters Faust und Renes Körper.
Das Jammern steigerte sich zuerst zu zwei kurzen Schreien und wurde dann zu einem Winseln.
„Ich hab dich gewarnt!“, schnauzte Peter laut. „Das gilt auch rückwirkend.“
Rene wimmerte nur und Patty sah einen Teil von ihm. Es schien, als rolle er sich hilflos zusammen.
„Du hast Tanja wehgetan, du Schwein“, grollte Peter und schlug noch mehrmals zu. „Und deiner eigenen Schwester!“
„Was ’n hier los?“, maulte eine Stimme von der Seite.
Patty fuhr zusammen mit Nadia und Kenni wirbelten herum. Die gedrungene Gestalt von Andre trat auf den Flur. Er trug nur Unterhose und Unterhemd - wie üblich schon einige Tage lang die gleichen - sah mächtig verkatert aus und rieb sich die Augen.
Patty schrie vor Schreck. Kenni wollte aktiv werden, stand aber noch halb auf der Treppe. Es war einfach zu wenig Platz.
„Patze?“, wunderte sich Andre. „Euler?“
Dann hörte er Peters Schläge und Renes Wimmern. Und zog die richtigen Schlüsse daraus.
Er war zwei Jahre älter und etwas größer und schwerer als sein ohnehin schon stabiler Bruder. Und im Gegensatz zu Rene war er ein richtiger Schlägertyp. Auch dann, wenn sein Gegenüber nicht kleiner und schwächer war als er. Nur Pierre war noch schlimmer.
Wäre Peter auf dem Flur gewesen, hätte sich Patty dennoch keine Sorgen gemacht. Der Kraft und Entschlossenheit ihres… Freundes konnte vermutlich wirklich nur Pierre überhaupt etwas entgegensetzen. Nur war Peter nicht auf dem Flur…
Andre stapfte, ohne zu zögern auf Nadia zu, die ihm am Nächsten stand. Und Patty schrie auf, denn sie wusste, dass ihr Bruder keinen Unterschied zwischen Mann und Frau machen würde.
Schon holte er aus, um Nadia mit der Faust aus dem Weg zu wischen. Sein Blick war direkt auf seine Schwester fixiert und seine Wut schien grenzenlos. Schon sah sie sich von ihm verprügelt werden, wie er ein paar Mal getan hatte, wenn sie seiner Meinung nach so richtig Mist gebaut hatte.
Dann beobachtete sie allerdings mit weit aufgerissenen Augen, wie er plötzlich stoppte und in die Knie ging. Seine eigenen Augen so groß, dass sie fast aus den Höhlen traten.
Nadia zog ihr Bein zurück, mit dem sie Andre gezielt und kraftvoll zwischen die Beine getreten hatte. Aber sie beließ es nicht dabei, sondern holte nur Schwung, um ihm mit voller Wucht unters Kinn zu treten.
Das Krachen dieses Treffers klang ohrenbetäubend laut und… unglaublich befriedigend. Ebenso wie es der Anblick seines nach hinten kippenden Körpers war.
All das hatte nur Sekunden gedauert. Peter streckte gerade seinen Kopf aus Renes Zimmer, als Andre nach hinten kippte.
„Alles okay?“, fragte er besorgt.
„Alles bestens“, gab Nadia grinsend zurück.
Er nickte und drehte sich wieder um.
Statt sich noch einmal über Rene zu beugen, der eindeutig wie ein Häufchen Elend auf dem Boden lag, sprach er ihn nur an: „Zwing mich nicht, dich noch einmal zu besuchen, Arschloch.“
Danach wandte er sich zu Patty und fragte sie: „Willst du ihm auch noch etwas sagen?“
Sie nickte und blickte an ihm vorbei auf den Menschen, den sie bislang immer so sehr gefürchtet hatte. Plötzlich sah er gar nicht mehr so bedrohlich aus.
„Sein Schwanz ist riesig“, zischte sie. „Und er darf ihn auch in meinen Arsch stecken!“
Dann spuckte sie auf die Gestalt und fuhr herum.
Als die anderen drei sie verblüfft anstarrten, wurde sie rot. Aber bevor sie sagen konnte, dass sie ihrem Bruder nur eins auswischen wollte, legte Nadia einen Finger auf ihre Lippen und gab ihr dann einen Kuss darauf. Und ihre Augen funkelten vergnügt dabei.
„Brauchst du noch etwas von hier?“, fragte die Blondine danach leise. „Ich bin nämlich nicht sicher, ob wir dich jemals wieder herlassen…“
Nach einem langen Moment, in dem Patty versuchte, ihre plötzlich sehr zittrigen Glieder unter Kontrolle zu bekommen, nickte sie leicht.
Rasch holte sie die wenigen Dinge, die ihr am Herzen lagen, aus ihrem Zimmer. Aber als sie anfangen wollte, Kleidung zusammenzupacken, hinderte Nadia sie daran.
„Die wirst du nicht mehr brauchen“, sagte sie mit einem Blick auf all die abgelegten Sachen von Pattys Brüdern. „Ich leihe dir was von meinen und Peters Sachen, bis wir uns darum kümmern können, dich neu einzukleiden.“
Natürlich hätte sie dem eigentlich widersprechen sollen. Aber alles an diesen Klamotten widerte sie plötzlich an. Und sie fühlte, dass Nadia es nicht einfach so dahin sagte.
Sie wollte etwas dazu sagen, aber wieder legte Nadia ihr den Finger auf den Mund und sagte leise: „Später.“
Schnell schnappte sie sich die Kleinigkeiten, die ihr wichtig waren und sie verließen Pattys ‚Elternhaus‘.
Für immer, hoffte sie.
XXVII.
Alle hingen ihren eigenen Gedanken nach, als Peter sie zurück zum Haus seiner Oma kutschierte. Zurück zu der Wohnung, die sie mit ihrem Freund bewohnte, wie sich Nadia gleich im Geiste berichtigte. Nach Hause.
Alle dachten über das nach, was geschehen war. Aus unterschiedlichen Gründen. Nur Nadia hielt sich damit nicht lange auf. Für sie war diese ganze Geschichte erledigt.
Was auch immer diese widerlichen Volltrottel an Plänen gehabt haben mochten - wenn sie diese Lektion nicht verstanden hatten, würde Peter ihnen noch eine erteilen. Und noch eine, wenn es nötig war. Bis sie es lernten.
Nadia kannte Typen wie die Pfaffer-Brüder zur Genüge. Halbstarke Spinner, die hervorragend auf Schwächeren herumhacken konnten, aber den Schwanz einzogen, wenn sie ebenbürtigen Gegnern gegenüberstanden. Und Peter war ihnen meilenweit über.
Aus dieser Richtung befürchtete sie nichts mehr. Und deswegen war es auch keine weiteren Überlegungen wert.
Statt also darüber zu brüten, richtete sie ihren Blick auf ihren Peter. Sein Gesichtsausdruck war ernst. Noch mit einer Spur dieser Entschlossenheit, die er zuvor an den Tag gelegt hatte. Diese sexy Härte, die sie beinahe um den Verstand brachte, weil sie so unglaublich männlich war.
Vorsichtig berührte sie seinen Arm. Ließ ganz sanft ihren Fingernagel seine Haut streifen. So leicht, dass er es ignorieren konnte, wenn er noch zu sehr mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt war. Aber auch spielerisch genug, um ihm eine Alternative anzubieten.
Und zu ihrer Freude ging er auf das Angebot ein.
Kurz blickte er zu Nadia und dann lächelte er flüchtig. Noch waren da Wolken um seine Stirn, aber es klarte bereits auf. Und den passenden Sonnenschein zum Durchbrechen lieferte vielleicht sogar das unwillkürliche Strahlen, das auf ihr Gesicht trat, als er seine Hand auf ihr Bein legte.
Wie sollte man auch nicht aussehen, als würde man vor Glück platzen, wenn er das tat?
„Ich muss noch mit Oma darüber sprechen“, sagte er leise.
Fast als wolle er sich dafür entschuldigen, dass er die Sache noch nicht ablegen konnte. Fast als wäre es ihm unangenehm, wie verantwortungsbewusst er war.
„Machen wir gleich als Erstes“, versicherte sie ihm.
Natürlich würde sie ihn begleiten und ihm zur Seite stehen. Auch wenn sie sich keine Sorgen wegen Oma Renate machte und Peter sicherlich keinen Beistand brauchen würde.
„Vielleicht gehen wir am besten alle zu ihr?“, schlug er vor.
Nadia nickte, ohne lange darüber nachzudenken. Das war eine gute Idee. Schließlich war unter anderem auch Patty unmittelbar betroffen.
Nach der Ankunft ging daher die ganze kleine Gruppe zusammen in den vorderen Teil des Hauses. Sie mussten nicht lange suchen. Peters Oma war in der Küche und nähte. Und bei ihr wirkte es überhaupt nicht ungewöhnlich, dass sie Socken stopfte, die jeder andere Mensch längst weggeworfen hätte.
Als sie aufblickte und die Gesichter studierte, bewies Renate wieder einmal ihre Auffassungsgabe. Sie legte ohne zu zögern das Nähzeug beiseite und faltete die Hände in ihrem Schoß. Erwartungsvoll sah sie Peter an, wartete aber, bis er bereit war anzufangen.
„Ich habe Rene Pfaffer verdroschen“, sagte er schlicht.
Kurz zog seine Oma die Augenbrauen zusammen. Aber dann musterte sie Peter und danach Patty. Und schließlich seufzte sie.
„Was hat er getan?“, fragte sie ruhig.
Da war keine Missbilligung in ihrer Stimme oder ihrem Blick. Nicht einmal Resignation. Sie akzeptierte ganz einfach, was Peter ihr sagte. Und nach Nadias Einschätzung auch die Richtigkeit seiner Entscheidung. Was die Blondine nicht überraschte. Im Gegensatz zu Peter…
„Er… Er hat…“, stammelte der, etwas aus dem Konzept gebracht.
„Hat er dir wehgetan?“, fragte sie an ihrem Enkel vorbei die betreten zu Boden schauende Patty.
Die nickte. Und Kenni schnaubte unwillig.
„Und damit hat er nur dem Fass die Krone ins Gesicht geschlagen“, murmelte Peters Freund leise.
„Vielleicht erzählt ihr die Geschichte von Anfang an“, schlug Renate noch immer recht gelassen vor.
„Er hat Tanja vergewaltigt!“, platzte es aus Peter heraus.
Nicht nur seine Oma schnappte hörbar nach Luft, als es das erste Mal wirklich richtig in Worte gefasst wurde. Sogar Nadia musste schlucken.
Ja. Das war es, was Tanja zugestoßen war. Auch wenn sie sich die Suppe selbst eingebrockt hatte, war ihr letztlich genau das passiert. Und wo sie vorher einen mittelschweren Dachschaden gehabt hatte, war sie danach völlig durchgedreht.
Die Schuld hatte der Rotschopf Peter zugeschoben. Weil Tanja einfach nicht in der Lage war, Verantwortung für ihre eigenen Taten zu übernehmen. Und weil das in diesem Fall auch wirklich zu viel verlangt gewesen wäre.
Peter erklärte mit Kennis und Pattys Hilfe die groben Zusammenhänge. Aber Nadia war in Gedanken bei der Frage, ob ihre ehemals beste Freundin sich vielleicht wirklich hatte umbringen wollen. Vielleicht war sie einfach letztendlich übergeschnappt, als klar wurde, dass Peter und Nadia sich gefunden hatten. Und dadurch etwas gewannen, wonach sich Tanja immer verzehrt hatte.
Sie bekam nur mit halbem Ohr mit, wie die anderen ähnliche Schlüsse zogen. Und wie sie darüber sprachen, dass Tanja es erfahren sollte. Aber dass Peter Besuchsverbot erhalten hatte, weil sie völlig durchgedreht war, als er mit ihr gesprochen hatte.
„Ich rede mit ihr“, versprach Renate schließlich. „Vielleicht hört sie mir jetzt ja zu.“
„Aber sag ihr nicht, welche Vorwürfe sich Peter dafür macht, dass er es nicht verhindert hat“, platzte Nadia heraus.
Alle wandten sich ihr zu und starrten sie irritiert an.
„Wenn die davon Wind bekommt, schnappt sie entweder völlig über und versucht es nochmal, oder sie macht sich wieder Hoffnungen…“, erklärte sie rasch.
Schließlich kannte sie Tanja besser als jeder andere hier.
Niemand fragte nach, was sie mit ‚sich Hoffnungen machen‘ meinte. Peter wusste es, Kenni wusste es, Patty ahnte es vielleicht und Renate… wusste es auch. Auch wenn sie unglücklich das Gesicht verzog und augenscheinlich froh war, dieses Thema nicht vertiefen zu müssen. Sie wusste, wovon die Rede war.
Das allerdings reichte Nadia aus. Wichtig war nur, dass Renate verstand. Wie sie davon erfahren hatte und was sie darüber dachte, war bedeutungslos, weil… es für Peters Leben keine Rolle mehr spielte.
„Gut“, meinte Peter. „Außerdem müssen wir uns noch um Patty kümmern. Sie wird nicht zurückgehen in dieses Haus.“
Er war offensichtlich selbst froh, die Sache nicht vertiefen zu müssen. Niemand hatte etwas gegen den Themenwechsel einzuwenden.
„Zu Kenni kann sie nicht“, fuhr er fort. „Seine Mutter würde durchdrehen. Aber…“
Fragend sah er Nadia an. Und sie verstand ihn perfekt.
„Aber wir haben Platz“, nahm sie den Faden auf. An Patty gewandt sagte sie dann: „Und wir hätten dich gerne bei uns. Wenn du willst…?“
Patty wurde erst blass und dann rot. Sie hatte sich offensichtlich noch keine Gedanken darüber gemacht, wohin sie nun gehen sollte. Und nun wurde ihr bewusst, was das bedeutete.
„Ist das eine gute Idee“, zweifelte Renate.
Nadia sah ihr an, dass sie Bedenken hatte. Und wenn sie nicht alles täuschte, hatte es etwas mit ihrem Riecher dafür zu tun, wie sehr Patty nun nicht mehr nur Peter, sondern auch Nadia selbst bewunderte.
„Ich weiß, was sie jetzt braucht“, versicherte die Blondine ernst. „Und bei uns wird sie es bekommen.“
Nadia war die Einzige, die auf diese Worte hin nicht zumindest ein klein wenig rot wurde. Und beinahe hätte sie gelacht und gesagt, dass die anderen sich was schämen sollten für ihre schmutzige Fantasie. Aber dann biss sie sich auf die Zunge.
Sie hatte etwas anderes gemeint. Sie hatte an Bestätigung, Freundschaft, Vertrauen und Zuneigung gedacht. Aber angesichts der letzten vierundzwanzig Stunden war es kein weiter Weg mehr, noch einen Schritt weiter zu denken.
Dennoch fühlte sie weder Scham, noch Verlegenheit. Wenn überhaupt fühlte sie ein leichtes Kribbeln…
„Ich will euch nicht zur Last fallen“, murmelte Patty zu Boden blickend.
Nadia antwortete gar nicht erst darauf, sondern zog die Kleine zu sich und nahm sie in den Arm. Glasklar wusste sie nun, dass sie diesem Mädchen die Freundin sein würde, die sie selbst vor Jahren gebraucht hätte. Sie würde ihre große Schwester sein und Peter ihr großer Bruder.
Naja… Vielleicht nicht exakt das, aber etwas in der Art…
Fest begegnete sie Renates forschendem Blick. Und wieder hatte sie den Eindruck, nicht wirklich etwas vor der alten Dame verbergen zu können. Als würde die Frau ihre Gedanken lesen und sie völlig durchschauen.
Und tatsächlich war da auch ein deutlicher Hauch von Missbilligung. Aber den schluckte sie offenbar ganz gezielt und nickte dann feierlich. Als wollte sie sagen, dass es nicht ihre Entscheidung war und ihr auch nicht gefallen musste, was daraus erwachsen mochte.
Mit der Direktheit von Peters Oma hatte sie allerdings nicht gerechnet.
„Wenn die Nachbarn etwas von eurem Lotterleben mitbekommen, dann Gnade euch Gott“, waren ihre nächsten Worte.
Und sie hatte dabei eine Härte in Stimme und Blick, die keinen Zweifel daran ließ, wie ernst sie das meinte. Am Rande registrierte Nadia, dass hier der Ursprung für den Stahl verborgen lag, der Peter vom Wesen her so aufrecht und unbeugsam in den wichtigen Dingen machte.
„Der Erste, der es wagt, sich das Maul darüber zu zerreißen, das wir Patty bei uns aufgenommen haben, wird mich kennenlernen“, knurrte Peter völlig überraschend und keinen Deut weniger eisern. „Das ganze Dreckspack im Dorf konnte jahrelang wegsehen, während Patty Zuhause in einer Besenkammer gehalten und misshandelt wurde. Wer jetzt das Maul aufreißt, dem werde ich heimleuchten.“
Nadia riss selbst die Augen auf. Aber Renate traten sie fast aus dem Kopf. Sie schnappte nach Luft und erkannte für einen Moment ihren Enkel scheinbar nicht wieder.
Sie selbst musste sich hingegen zurückhalten, nicht vor Stolz zu platzen. Das war ihr Peter!
Trotzdem zuckte sie zusammen, als Peters Oma laut knallend mit der flachen Hand auf den Tisch schlug. Alle fuhren sie zusammen. Und die alte Dame fand zu ihrer Souveränität zurück.
„Werde nicht frech, Freundchen“, schnappte sie. „Und jetzt Abmarsch, bevor ich dir die Hammelbeine langziehe.“
Peter sah so aus, als wäre er bereit es darauf ankommen zu lassen. Aber Nadia erkannte, dass Renate nicht noch einmal auf ihrer Forderung beharrt hatte. Und sie verstand plötzlich, dass es nun nur noch um ihre Würde ging.
„Gehen wir, Großer“, sagte sie sanft und griff nach seiner Hand.
Wie erhofft atmete er sofort ein wenig aus und entspannte sich eine Winzigkeit. Zwar drehte er sich etwas steif um, aber höchstwahrscheinlich war er froh, diese Konfrontation nicht fortführen zu müssen.
Die anderen beiden ergriffen schon schleunigst die Flucht. Und Peter stapfte ein wenig auf dem Weg nach draußen. Nur Nadia unterdrückte ein Lächeln und blickte über die Schulter zurück.
Und wie sie erwartete, war Renates Gesicht nicht steinern. Ihr Blick ruhte auf dem Rücken ihres Enkels und war voller Stolz und Liebe. Sie machte nicht einmal Anstalten, es zu verbergen, als sie dabei ertappt wurde. Sie schüttelte nur etwas hilflos den Kopf und erwiderte schließlich schwach Nadias sanftes Lächeln.
Verdammt war diese Familie dickköpfig. Fast so schlimm wie sie selbst…
Draußen kickte Peter fast ein wenig bockig einen Stein weg, um seinem aufgestauten Ärger Luft zu machen.
„Du weißt, dass sie unglaublich stolz auf dich ist?“, fragte Nadia ihn leise.
Er grunzte nur und zog die Schultern etwas hoch. Aber als ihm bewusst wurde, wie kindisch er sich verhielt, entspannte er sich sichtlich. Schließlich lächelte er sogar reumütig.
„Sie hat selbst schuld. Was hat sie mir auch ihren Dickkopf vererbt…“
„Na… Selbsterkenntnis ist der erste Schritt“, seufzte die Blondine übertrieben erleichtert.
Kenni und Patty schafften es daraufhin, ihre betretenen Mienen auch langsam abzulegen. Sie mochten ein wenig verwirrt über die Geschehnisse sein, aber da Peter wieder locker wurde, gab es keinen Grund mehr, in Deckung zu gehen.
„Und jetzt?“, fragte Kenni schließlich etwas ratlos.
„Jetzt gehen wir endlich duschen und waschen uns den Sexschweiß von heute Nacht und den Gestank von vorhin ab“, bestimmte Nadia fröhlich. „Und danach hätte ich Lust zu grillen. Vorschläge?“
Während sie über den Hof zum Eingang der Einliegerwohnung schlenderten, ließ sie Kenni und Peter das erörtern. Hand in Hand mit Peter griff sie mit der anderen Hand nach der von Patty. Und die blickte auf und sah sie dankbar an.
„Wir könnten zur Grillhütte fahren“, überlegte Kenni. „Aber da sind garantiert andere…“
„Andere sind doch toll“, mischte sie sich wieder ins Gespräch ein. „Ihr habt zwei heiße Mädels, die sich sexy zurechtmachen wollen, um dann von euch vor Annäherungsversuchen beschützt zu werden.“
Den fassungslosen Blick von Patty ignorierte sie gepflegt.
„Oder habt ihr was dagegen, mit euren heißen Freundinnen vor anderen anzugeben?“, hakte sie nach.
„Wer sollte denn mit mir angeben können“, murmelte Patty daraufhin leise. Aber nicht leise genug.
„Wenn ich mit dir fertig bin, wird jeder Mann sich wünschen, mit Kenni zu tauschen. Und jede Frau wird sich an deinen Platz wünschen…“, prophezeite sie diabolisch grinsend.
Und in der folgenden Stunde setzte Nadia alles daran, diese Worte in die Tat umzusetzen.
Die Jungs scheuchte sie los, um alles zu beschaffen, was man zum Grillen benötigte. Und Patty schleifte sie ins Bad, um mit ihr zu duschen. Was eigentlich nur den Zweck hatte, die andere durch reichlich zärtliche Berührungen an den Rand des Wahnsinns zu treiben.
Denn wie Nadia ganz genau wusste, war die kleine Süße kochend vor Geilheit leichte Beute für ihre Vorschläge, was Kleidung oder einen Verzicht darauf anging.
Patty war dahingehend natürlich keine harte Nuss. Selbst die kleinsten Liebkosungen machten sie schon zu Wachs in den Händen der Blondine. Sie hatte ein dermaßen großes Defizit in Sachen Zärtlichkeiten und Bestätigung von außen, dass keine große Überzeugungsarbeit notwendig war. Und nach der Dusche vibrierte sie ohnehin vor Erregung und war ohne zu Zögern zu jeder Schandtat bereit.
So schüchtern Patty normalerweise auch sein mochte, wenn sie nicht mehr klar denken konnte, reagierte sie nur noch instinktiv. Und ihr Instinkt sagte ihr deutlich, wie aufregend die Jungs ihren Anblick fanden, als sie nackt mit Nadia aus dem Bad kam.
Das Einzige, was sie sonst noch brauchte, war ein wenig Ermutigung und hin und wieder eine beruhigende Berührung. Oder eine von der anregenden Sorte…
Nadia nahm sich vor, Patty später oder am nächsten Tag zu erklären, was sie da eigentlich mit ihrer Freundin anstellte. Aber für den Moment konzentrierte sie sich allein auf den Effekt. Und der war wirklich sehenswert.
Normalerweise war sie eine unscheinbare, mittelblonde Person mit einem unauffälligen Gesicht, recht flachem Brustkorb und im Vergleich dazu unverhältnismäßig breitem Becken. Und sie versteckte all das mit Vorliebe unter weiter Kleidung.
Nackt und erregt war sie allerdings etwas ganz und gar anderes…
Von unten bis zu ihrer Taille war der Körper von Patty so oder so prachtvoll, wenn er richtig in Szene gesetzt wurde. Ihr Po war die klassische Birne. Ihre Schenkel waren fest und vielleicht einen Tick zu kräftig, aber absolut ansehnlich. Und ihre schmale Hüfte kontrastierte sehr schön dazu.
Darüber hatte sie einen flachen Bauch und dann kamen die nicht sehr großen Hügel ihrer ganz leicht spitzen Brüste. Wenn sie erregt war, schwollen allerdings nicht nur ihre Brustwarzen an, sondern auch ihre Vorhöfe. Und das sah ziemlich scharf aus.
Am eindrucksvollsten war die Wandlung jedoch noch eine Etage höher.
Erregt bis in die Haarspitzen glühte Pattys Gesicht und von ihrer eigentlichen Blässe war kaum noch etwas zu erahnen. Ihre Wangen nahmen von ganz allein eine anziehende Röte an. Und ihre grünen Augen leuchteten richtig. Es war fast unmöglich, sich ihrem Blick zu entziehen. Vor allem, wenn der hungrig jede noch so kleine Bewegung verfolgte.
In diesem Zustand war Patty nicht mehr unscheinbar, sondern unendlich niedlich. Ihre Augen waren so groß, dass man von ihrem Gesicht fast nichts mehr sah. Sie hatte diesen natürlichen ‚beschütz mich‘ Blick, für den jede Frau ihre Seele verkaufen würde.
Und sie hatte keine Ahnung von alldem…
„Vertraust du mir?“, fragte Nadia überflüssigerweise im Schlafzimmer angekommen.
Hastig nickte Patty. Ihr Blick ruhte dabei zwar auf dem Gesicht ihrer Freundin, aber er ging einem trotzdem unter die Haut, so intensiv war er.
„Dann sorgen wir jetzt dafür, dass deine drei größten Stärken niemandem mehr entgehen können“, erklärte die Blondine. „Auch wenn das sowieso nicht passieren kann, wenn du so guckst, wie gerade…“
„Wie… ich gucke?“, fragte Patty ratlos und selbst verwirrt ging nichts von ihrer Ausstrahlung verloren.
„Schau hin“, forderte Nadia sie auf und drehte sie zum Ankleidespiegel. „Was siehst du?“
„Deine wunderschönen Brüste“, antwortete die andere sofort und wurde rot.
„Schau mal auf deine eigenen. Schau mal darauf, wie prall und groß alles um die Brustwarzen ist. Wie deutlich man sehen kann, dass du spitz wie Nachbars Lumpi bist.“
Patty wurde tiefrot und schluckte hart.
„Was glaubst du, wie das auf Männer wirkt?“, wollte Nadia wissen. „Was denkst du, was sie sehen, wenn sie dahin gucken?“
„Kleine, Spitzmaustittchen?“, fragte Patty kleinlaut.
„Geilheit, Süße. Sie sehen Geilheit. Und wenn Männer sowas sehen, fängt ihre Hose an, für sie zu denken.“
„Bei dir vielleicht…“
„Nein, immer!“, wiedersprach sie energisch. „Tolle Brüste sind schön anzusehen, aber so sichtbar erregte Brüste lassen die Typen durchdrehen. Weil sie wissen, dass nur das, was du gerade am Leib trägst, sie davon trennt, dich zu vögeln.“
„Aber wer sollte mich denn vögeln wollen…“, zweifelte Patty.
„Eine erregte Frau will jeder Mann vögeln, der noch alle Tassen im Schrank hat. Weil Geilheit viel wichtiger ist als die Details.“
Patty war natürlich noch immer skeptisch. Sie hatte ähnlich viel Zeit damit verbracht, sich selbst zu verachten, wie Peter. Aber wie der hatte sie jetzt auch Nadia, um sie auf den rechten Weg zu führen. Als die Blondine hinter ihre Freundin trat und ihren Körper an deren Rücken presste, erschauerte sie.
„Fühlst du meine Nippel“, raunte Nadia ihr gegen den Hals.
Das rasche Nicken war weniger wichtig als die Art, wie Patty sich auf die Unterlippe biss.
„Macht es dich nicht an, dass sie hart sind? Weil du genau weißt, dass ich scharf bin. Und dass du dafür verantwortlich bist…“
Nur kurz zögerte Patty, bevor sie wieder nickte.
„Siehst du…?“
„Aber… Ich kann doch nicht oben ohne…“
Grinsend verbuchte Nadia ihren Sieg und wandte sich der nächsten Schlacht zu.
„Nicht ganz, aber fast, würde ich sagen“, sinnierte sie. „Ich habe da ein Bikinioberteil, das ich wirklich nur zum Sonnen tragen kann. Aber bei dir würde es passen. Deine Brüste hüpfen nicht dauernd durch die Gegend.“
„Leider…“
„Diesmal kannst du von Glück reden, denn so kannst du mehr von deinen Brüsten zeigen als jede andere“, meinte Nadia fröhlich.
Rasch holte sie die beiden Stoffdreiecke, die mit dünnen Schnüren verbunden waren. Und im Handumdrehen hatte sie Patty damit ‚angezogen‘.
„Oh mein Gott“, stöhnte die, als sie sich betrachtete. „So kann ich nicht vor die Tür gehen!“
Nadia wusste, was sie meinte. Aber sie sah das anders. Die prallen Vorhöfe wurden durch den Stoff bedeckt, aber die restlichen Brüste lagen frei. Und das war insgesamt ein sauscharfer Anblick.
„Das ist doch unanständig“, zweifelte ihre Freundin weiter.
„Eben“, bestätigte Nadia. „Und weil wir furchtbar unanständige Mädchen sind, passt das perfekt.“
Patty wirkte nicht überzeugt. Und Nadia dachte kurz nach und öffnete dann das Oberteil wieder.
„Das Problem ist“, dachte sie laut, „dass wir dir keine Hotpants anziehen können. Und was anderes kannst du dazu nicht tragen.“
„Oh…“, machte Patty und plötzlich wirkte sie doch etwas enttäuscht.
„Keine Sorge. Ich habe eine andere Idee…“
XXVIII.
Zusammen mit Kenni saß Peter im Wohnzimmer. Sein Kumpel nuckelte an einer Flasche Bier und starrte ins Leere. Schweigend warteten sie darauf, dass die Mädels fertig wurden.
Aber im Grunde war es ihm ganz recht, dass sie sich Zeit ließen. Nach dem seltsamen Verlauf des Tages konnte er ein paar Minuten Ruhe gut gebrauchen.
Gemütlich zurückgelehnt genoss er das Schweigen und den gelegentlichen Anblick nackter Körper jenseits der Schlafzimmertür.
Einmal huschte Nadia auf dem Weg in der Küche vorbei und hielt kurz inne, um ihn zu mustern und sich grinsend über die Lippen zu lecken. Mehr brauchte er nicht, um sich in seiner Kleiderwahl bestätigt zu sehen. Auch wenn die denkbar einfach war. Er trug nämlich nur Jeans und eines seiner Hemden offen über dem nackten Oberkörper.
Das Outfit der Frauen würde ohne jeden Zweifel raffinierter ausfallen. Oder auch einfach nur sparsamer. Bei Nadia wusste man das ja nie so genau. Und das machte das Zusammensein mit ihr auch so aufregend.
Ohne darüber nachdenken zu müssen, war ihm bewusst, dass er nur dank seiner unglaublichen Freundin die Ereignisse des Tages einfach so ad acta legen konnte. Es war einiges passiert, aber der Großteil lag jetzt hinter ihm. Ganz automatisch richtete sich sein Geist nun auf die unmittelbare Zukunft aus. Und die bestand aus Nadia, einem Grillabend und ohne Zweifel auch Sex.
Was so einfach klang, war doch das ganze Rezept zum glücklich sein für ihn.
Als es schließlich soweit war, machte Nadia natürlich eine Show daraus, die Outfits vorzuführen.
Zuerst kam sie selbst in den Raum. Und für Peter sah sie wie immer atemberaubend aus, auch wenn ihm durchaus auffiel, dass sie nicht alle Register gezogen hatte.
Sie trug ebenfalls eines seiner Hemden. Es war vorne offen und unter ihrer Brust einfach verknotet. Und durch den entstehenden Ausschnitt sah man eine Menge von ihren Brüsten. Sexy war daran allerdings vorrangig die Offenherzigkeit. Peter wusste, dass Nadia ihre Oberweite wesentlich aufsehenerregender und auch aus der Ferne erkennbar in Szene setzen konnte.
Vermutlich verzichtete sie auf diese Art der Betonung Patty zuliebe, denn die war in dem Bereich einfach etwas benachteiligt.
Nadias restliches Outfit bestand aus ultrakurzen Jeans-Hotpants und Turnschuhen. Sportlich, jugendlich und sexy. Sehr sexy, wie sie bewies, als sie sich einmal um die eigene Achse drehte und er einen Blick auf die freilegende Unterseite ihrer Pobacken erhaschte. Diese Jeans war wirklich so kurz abgeschnitten, wie irgend möglich.
Und wahrscheinlich trug sie nicht viel darunter. Irgendwie hatte sie dieses ‚keine Unterwäsche‘ Glitzern in den Augen, als sie ihn ansah. Und es verfehlte seine Wirkung auf seinen Unterleib nicht, obwohl er sich eigentlich schon hätte daran gewöhnen können.
Hoffentlich passierte das nie und er würde es immer so genießen können, wie jetzt gerade…!
Zufrieden lächelnd drehte sich Nadia noch ein paar Mal leicht von einer Seite zur anderen und wandte sich dann ab. Aber Peter bemerkte, wie ihr Lächeln dabei zu einem wirklich diabolischen Grinsen wurde. Und er stählte sich gegen was auch immer.
Trotzdem stockte ihm beinahe ebenso hörbar der Atem wie Kenni, als Patty sich zögerlich vorwärts wagte und haltsuchenden nach Nadias Hand griff.
Das war ein echter Augenöffner!
„Wow!“, keuchte Kenni und sprach Peter aus der Seele.
Als die beiden aus dem Bad gekommen waren, hatte Patty erhitzt gewirkt. Und dieser Look stand ihr gut. Aber jetzt glühte sie richtig. Und sie strahlte von innen heraus, obwohl sie kaum wagte, den Blick zu heben.
Nadia hatte wirklich ganze Arbeit geleistet.
Auch die neue Mitbewohnerin des Paares trug Turnschuhe. Und darüber folgte ein ungefähr knielanger, weiter Sommerrock, der sie vielleicht zum ersten Mal in Kleidung wirklich weiblich aussehen ließ. Und dann kam eine ganze Weile lang nichts.
Nicht nur Pattys Bauch war frei, sondern der gesamte Weg von ihrer Taille bis hinauf zum Ansatz ihrer rechten Brust. Deutlich sah man die leichte Wölbung.
Obenherum hatte sie ein Shirt mit weitem Halsausschnitt an, das zur Seite geschoben eine Schulter freilegte. Und irgendjemand hatte das Teil so abgeschnitten, dass es auf der anderen Seite fast die Brust freiließ. Über der nackten Schulter reichte es dafür etwas tiefer.
Peter musste nicht grübeln, um zu wissen, dass Nadia dieses Teil nicht tragen konnte. Es würde nicht über ihre Brustwarzen reichen. Das schaffte es ja bei Patty nur eben so.
Und dadurch wurde der Blick auch natürlich auf die erkennbare Wölbung direkt über dem Saum gelenkt. Dort, wo Pattys Nippel sichtbare Ausbeulungen im Stoff verursachten und zeigten, wie aufgeregt sie gerade war.
Unwillkürlich pfiff er leise durch die Zähne.
Als Patty daraufhin aufblickte und zu ihm sah, versuchte er nicht, seine erneute Verblüffung zu verbergen.
Nadia benutzte nur wenig Schminke und er war ohnehin kein Experte, aber diesen Unterschied konnte selbst ein Blinder mit Krückstock nicht übersehen. Das… war nicht mehr Patrizia Pfaffer. Keine Chance.
Irgendwie hatte Nadia es geschafft, die Augen von Patty so zu betonen, dass sie wirklich riesig wirkten. Gepaart mit dem inneren Leuchten der Erregung, das dem Mädchen… oder eher der Frau ohnehin schon wunderbar zu Gesicht stand, war der Effekt wirklich umwerfend.
„Ich geh bekloppt!“, japste Kenni völlig zutreffend.
„Ich komm mit.“
Die komische Formulierung war einer dieser privaten Scherze, über die normalerweise nur Eingeweihte lachen konnten. Aber diesmal lockerte er bei allen Anwesenden die Stimmung auf. Sogar Patty lächelte nicht mehr ganz so unsicher.
„Findet ihr es wirklich okay?“, erkundigte sie sich verlegen.
Es war so schmerzlich offensichtlich, wie verzweifelt sie sich nach ein wenig Anerkennung sehnte und wie sie die Begeisterung geradezu aufsog. Weder Peter noch Kenni hielten sich zurück.
„Du siehst einfach unglaublich scharf aus!“
„Absolut außerirdisch!“
„Galaktisch!“
„Hyper-Galaktisch!“
„Geil?“, schlug Nadia vor.
„Absolut!“, antwortete Kenni sofort. „Ich könnte ihr so die Klamotten vom Leib reißen.“
„Wozu?“, meinte Peters Freundin grinsend. „Zeigs ihnen, Süße.“
Patty zögerte nicht eine Sekunde. Sie zog einfach den Rock nach oben, bis man klar erkennen konnte, dass sie keine Unterwäsche trug. Und ganz nebenbei auch, dass ihr Schoss feucht glänzte.
„Da wir keine passenden Höschen gefunden haben, muss dieses arme Mädchen ganz ohne gehen“, kommentierte sie. „Ich hoffe doch sehr, dass ihr perfekte Gentlemen sein werdet und ihr nicht zu nahe tretet…“
Ein wenig verblüfft starrte auch Peter sie an.
„Jedenfalls solange, bis sie bereit ist, sich auch vor Dutzenden Zeugen flachlegen zu lassen, weil sie es nicht mehr aushält…“
„Das wäre dann ungefähr jetzt“, fügte Patty kleinlaut hinzu.
Es kam so überraschend, dass alle sie anblickten und große Augen machten.
„Was denn?“, fragte sie fast ein wenig trotzig und wurde knallrot. „Ich glaube, ich war im Leben noch nie so scharf. Ich würde sogar Peters Riesenlümmel nehmen.“
Das Schweigen und die fassungslosen Blicke brachen nicht ab, als sich herausstellte, dass Patty ab einem gewissen Level der Erregung einen Teil ihrer Schüchternheit ablegte. Das war eine wirklich unerwartete Entdeckung.
„Das wird nicht passieren“, sagte Nadia rau.
Auch an ihr ging die plötzliche Aufladung der Atmosphäre im Raum ganz und gar nicht spurlos vorüber.
„Wir werden uns jetzt nicht gegenseitig die Kleider vom Leib reißen und es jede mit jedem treiben, wie es sich gerade ergibt. Wir werden jetzt die Sachen holen und in den Wagen steigen. Und dann fahren wir zu dieser Grillhütte und lassen uns alle davon in den Wahnsinn treiben, wie die Leute da uns anstarren. Uns begehren… Uns haben wollen…“
Sogar Peter musste sich kurz an den Lehnen des Sessels festhalten, als Nadia immer leiser werdend ihren Plan offenbarte. Sie sah aus, als würde sie jede Sekunde über Patty oder irgendwen sonst herfallen und genau das Gegenteil von dem tun, was sie sagte. Und das war nur teilweise Berechnung. So wie Peter sie kannte, stand sie wirklich kurz davor, es sich anders zu überlegen.
Die größte Wirkung hatte es allerdings auf Patty, die ihre riesigen Augen halb schloss und sich haltsuchend an Nadias Hand festkrallte, während ihre andere Hand noch immer ihren Rock hochhielt.
Deutlich konnte Peter das Glitzern der Feuchtigkeit im Licht sehen, die langsam an ihrem Bein hinab lief.
Diesmal war er es, der die Spannung brach, indem er aufstand. Ohne Scham ruckte er seinen steifen Schwanz in der Hose in eine halbwegs erträgliche Position und tat dann genau das, was Nadia gesagt hatte. Nicht, weil er nicht gerne auch die Alternative erlebt hätte, sondern weil er sich vage vorstellen konnte, wie aufregend dieser Abend werden mochte.
Das war etwas, was er nicht verpassen wollte.
„Kommt ihr?“, fragte er aus der Küche, als er seine Stimme wieder im Griff hatte und sie nicht klang wie ein Reibeisen. „Ich habe… Hunger.“
Wie es wirklich um Nadia bestellt war, erfuhr Peter dann, als sie zu ihm kam. Schon auf dem Weg zum Auto packte sie seinen Arm und grub ihre Fingernägel tief in seine Haut. Was ihm gar nicht unwillkommen war, denn der Schmerz lenkte ihn von seiner eigenen Erregung ein wenig ab.
„Ich glaube, ich habe ein Monster geschaffen“, wisperte sie kurz vor dem Einsteigen.
„Glückwünsch, Doktorin Frankenstein“, antwortete er grinsend.
„Eher Frankenfick“, murmelte sie irgendwie selbst ein wenig erstaunt.
„Auch gut“, meinte er.
Nadia sah ihn forschend an und suchte ganz offensichtlich nach Vorbehalten in seinem Gesicht und seinen Augen. Aber Peter hatte keine. Und er wusste selbst nicht warum.
Vielleicht lag es daran, dass eigentlich alles ganz natürlich erschien. Vor Kenni hatte er im Grunde keine Schamgefühle. Auch wenn die gemeinsamen Experimente schon eine Weile zurücklagen. Und Nadia hatte ihm jede Scham und alle Vorbehalte ihr gegenüber ausgetrieben. Patty war in diese Konstellation irgendwie hineingerutscht. Und nun war es eben einfach so.
Rasch küsste er seine Freundin und schob sie dann auf die Autotür zu.
Auf der Fahrt erwies es sich als schwierig, sich auf den Verkehr zu konzentrieren.
Nadia riss sich zusammen, aber Patty und Kenni hatten auf der Rückbank eigentlich keinen Grund dazu. Und daher hielten sie keine Minute durch, bevor sie anfingen, wild zu knutschen und ihre Hände auf Entdeckungsreise zu schicken.
Mehr aus einem Impuls heraus herrschte Peter sie jedoch an, das bleiben zu lassen. Und damit eröffnete er ein grausames Spiel zwischen den Vieren.
Im ersten Moment waren die beiden anderen so verblüfft über seinen barschen Ton, dass sie auseinanderfuhren. Verblüfft starrten sie nach vorne. Und das tat auch Nadia. Allerdings mit strahlenden Augen.
Zielsicher griff sie in seinen Schoss und fand seinen Schwanz weiterhin unvermindert hart vor. Woraufhin sie stöhnte und die Augen verdrehte.
„Hey!“, beschwerte sich Kenni sofort. „Dann dürft ihr auch nicht!“
Und so ging das dann während der ganzen fünfzehnminütigen Fahrt weiter...
Mit Ausnahme von Peter, der sich wirklich bemühte, keinen Unfall auf der momentan recht vielbefahrenen Bundesstraße zu fabrizieren, lauerten alle nur auf eine Gelegenheit oder eine Entschuldigung für irgendwelche Berührungen. Bei anderen oder notfalls auch bei sich selbst.
Darauf zu achten und dem Einhalt zu gebieten, fiel dann den restlichen Anwesenden zu. Und alle litten ebenso sehr dabei, wie sie irgendwie Spaß hatten. Sofern man bei solcher Folter wirklich von Spaß sprechen konnte.
Als sie an der Grillhütte ankamen, waren die Gesichter der drei anderen gerötet. Und Peter hatte noch immer einen knallharten Ständer.
Es herrschte bereits Betrieb, aber im Auto sitzenzubleiben hätte sehr seltsam gewirkt. Und außerde
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Kommentare
(AutorIn)
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Kojote
Es ist die gleiche, Junge Liebe und es sollte inhaltlich nicht abweichen. Vielleicht könntest du mir einen Hinweis geben, wo es abweicht, damit ich das dort, wo es falsch ist, korrigieren kann.
Und bei Lit ist sie bis Teil 14 erschienen, was der vorläufig letzte Teil ist. Hier wird sie auch bis dahin erscheinen.«
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bereits als Kapitel 15 erscheint, wobei die Kapitel 11 auch
inhaltlich voneinander abweichen.
Für mich unverständlich
Geno«
Kommentare: 441
Mondstern
Aber tust du dir (hier) mit einem so langen Teil ein Gefallen?«
Kommentare: 315
bolle
aber: ich bin sehr froh, dass du die geschichte so intensiv weitergeführt hast und deine beschreibung der leidenschaft ist einfach toll.
danke, dass du dir diese mühe gemacht hast!!«
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unverändert gespannt auf die weitere entwicklung dankt für das gewaltige epos
magic«