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Kommentare: 2 | Lesungen: 1429 | Bewertung: 7.75 | Kategorie: Soft Stories | veröffentlicht: 29.06.2018

Klassentreffen

von

Vorwort


Die Vorgabe für die Geschichte war mit folgenden Begriffen belegt: Champagnersäbel, enteisend, Masern, Reifenwechsel - also nicht wundern!

Klassentreffen

Die Tischdekoration war von schief nach schräg gerutscht, Glassplitter säumten den Boden. Couch, Sessel und Stühle, überall wurden die Reste von Chips, Crackern und Salzstangen sichtbar. Federleicht tänzelte ich mit dem Wischmop über das Parkett und beseitigte die Spuren des sehr ausschweifenden Abends. 'Im Zelt der Kurtisanen' war das Theaterstück der Theater AG 2015 anlässlich der Schlacht von Waterloo, die sich zum zweihundertsten Mal jährte. Und alle Hauptdarsteller hatten sich schon am Vorabend des ersten Klassentreffens bei mir eingefunden, mit ihren Kostümen. Mit viel Spaß hatten sie mein Stück noch einmal gespielt, auswendig.


Der Zusammenhalt innerhalb der Truppe war damals schon bemerkenswert, ich hatte als Referendarin irgendwie zu ihnen gehört. Mittlerweile habe ich alle Prüfungen hinter mir, wurde als Lehrerin für Deutsch und Geschichte an dem Gymnasium weiter verpflichtet. Und nun stand das erste Klassentreffen des Abiturjahrgangs 2016 an.


Nach nur zwei Jahren, so hatten es mir die älteren Kolleginnen bestätigt, war so etwas noch nie initiiert worden. Das machte mich besonders stolz, zumal ich meinen damaligen Schülern nach der feierlichen Zeugnisausgabe das Du angeboten hatte.


Irma und Gideon hatten sich telefonisch bei mir gemeldet, ich möge für sie Zimmer in einem Hostel oder Hotel besorgen da ihre Eltern in andere Städte umgezogen waren. Natürlich schliefen die beiden bei mir, Irma im Gästezimmer und Gideon auf der Couch in meinem Arbeitszimmer.


Der Kaffee lief und mit dem Handsauger waren die Polster auch bald gereinigt. Das Wohnzimmer sah wieder ordentlich aus, nichts erinnerte jetzt noch an den letzten Abend. In der Küche holte ich die Kaffeetassen aus dem Schrank, da fiel mir die Offiziersuniform auf, sie hing über der Lehne des Stuhls am Fenster. Sven musste sie vergessen haben. Ich nahm sie, ging in die Diele und an der Garderobe hing auch schon die Napoleonuniform von Gideon samt Champagnersäbel.

Der frische Kaffee weckte auch die letzten noch müden Lebensgeister in mir, da wurde ich von einer verschlafenen Stimme begrüßt: „Guten Morgen, Christina.“ Irma waren die Spuren des Abends deutlich anzusehen. Ich grüßte zurück und reichte ihr eine Tasse Kaffee. Schluck für Schluck wurde sie aber nicht frischer, eher melancholischer im Gesichtsausdruck.


„Du Christina.“ Irma hatte anscheinend etwas auf dem Herzen, wollte mich vielleicht um Rat fragen, aber Gideon unterbrach sie nach dem Ansatz. „Guten Morgen ihr beiden.“ Der wuschelige Lockenkopf hatte sich in den Rahmen der Küchentür geschoben. „Oh Mann, mir brummt der Schädel. Alkoholisch bin ich echt aus der Übung.“ Er setzte sich zu uns an den Küchentisch und griff gierig nach der Kaffeetasse.


Wir nickten uns zu, wortlos schlürften wir den Kaffee. Plötzlich sprang er nach dem Blick durchs Küchenfenster auf, ging näher ans Fenster. „Schöne Scheiße!“ Gideon zeigte zu seinem Polo. „Zwei Reifen platt. Da steht mir wohl ein teurer Reifenwechsel bevor.“ Sein Gesicht verfinsterte sich, ja es sah aus wie schockgefrostet. „Glaubst Du nicht an einer Scherz?“ Ich sah ihn lächelnd an, es wirkte enteisend auf sein Gesicht und sein Gehirn ratterte. „Meinst Du Sven hätte das mit dem Luft rauslassen wörtlich genommen?“


Er fasste sich an den Kopf, dachte wohl an die bescheuerte Wette der letzten Nacht. Auch Irma lachte jetzt mit und machte das Victory-Zeichen.


Wie auf Kommando standen wir auch auf und liefen hinter Gideon her. An der Wohnungstür hing ein Beutel, darin befand sich eine Reifenpumpe die an den Zigarettenanzünder angeschlossen werden konnte. Gideon war um seinen Polo gelaufen, alle vier Reifen waren platt. Triumphierend nahm ich die Reifenpumpe aus dem Beutel. „Siehst Du, Sven wollte Dich ans Arbeiten kriegen.“ Irma und ich wir schüttelten uns vor Lachen.


Trotz Brummschädels machte er sich sofort ans Werk und Irma half ihm. 'Frühstück' kam mir sofort in den Sinn als ich eine Nachbarin mit einer Brötchentüte sah. Ich lief zurück in die Wohnung, suchte den Ersatzschlüsselbund heraus und schnappte mir den Einkaufskorb. Wieder draußen drückte ich Irma den Schlüsselbund in die Hand, dann machte ich mich auf den Weg.

Croissants, Brötchen und Brot bezahlte ich, ließ es mir zurücklegen. 'Im Kühlschrank laufen die Mäuse sich die Füße platt.' Der Gedanke beschleunigte meine Beine, schnell lief ich noch zum Supermarkt um die Ecke. Obwohl ich mich beeilte, dauerte es fast eine Stunde bis ich wieder daheim war.


Irma hatte frischen Kaffee bereitet und Eier gekocht, Gideon den Tisch eingedeckt. Geschäftig nahm Irma mir den Einkaufskorb ab: „Das Bad ist jetzt wieder frei. Wir haben uns auch schon frisch gemacht.“ Der nicht unbedingt sehr verpackte Hinweis auf mein Äußeres, schlabbernde Jogginghose und ein durchgeschwitztes Top, ließ mich erröten.


„Gebt mir zehn Minuten, dann können wir gemeinsam frühstücken.“ Ich verschwand ins Bad und konnte noch Gideons leise gesprochene Worte verstehen: „Christina hat uns den Arsch nachgetragen, ein wenig diplomatischer hättest Du schon sein können.“ Irmas Antwort bekam ich nicht mehr mit, ich schloss die Tür hinter mir, aber sie war deutlich lauter als sonst.


Mit den Haaren in ein Handtuch gehüllt und Bademantel war ich pünktlich am Frühstückstisch. Es hatte wohl heftig gekracht, beide Gesichter sprachen Bände. „Hey, ihr Streithähne, seid wieder fröhlich. Diskussionen sind O.K., aber Streit mag ich nicht.“ Der grimmige Blick der beiden blieb, aber zumindest das Frühstück wurde nicht durch weitere Kommentare unterbrochen.


Als Gideon die Toilettentür hinter sich geschlossen hatte hakte ich nach: „Was war los?“ Irma wurde rot, verschämt erzählte sie mir Gehörtes und den Fortlauf. „Mach Dir keinen Kopf. Gideon wollte mich verteidigen und Du hast es ja nicht böse gemeint. Aber so früh am Morgen gehe ich sonst Joggen, das kennen die Leute in der Straße. Hier stört sich keiner daran.“


Irmas Gesicht hellte sich sofort auf und sie löste Gideon auf der Toilette ab. Auch mit Gideon redete ich kurz, dankte ihm für die Ritterlichkeit und verwies erneut auf die Regelmäßigkeit meines morgendlichen Auftritts. Irma kam zurück und Gideon streckte ihr die offene Hand zum Abklatschen hin. Der Morgen, mittlerweile Mittag, war gerettet.

Die Zeit verging wie im Flug, ich ließ mir von den beiden ihr Fortkommen im Studium schildern, die Höhen und Tiefen die es immer gibt. Sehr detailverliebt, nicht daran denkend dass die Zuhörer ja nicht in die Materie involviert sind, berichteten beide von den Dingen die sie besonders gerne machten. Es sprudelte förmlich aus ihnen heraus, daher unterbrach ich auch nicht, obwohl ich teilweise gar nichts verstand.


Irmas Handy bimmelte, Katharina musste kurzfristig absagen. Ihr kleiner Bruder hätte die Masern, erst eben vom Arzt festgestellt. Auch wenn ich Katharina gerne wiedergesehen hätte, die Entscheidung war vernünftig. Ein Blick auf die Uhr, fast hätten wir uns durch die Unterhaltung verspätet.


Von vierzehn bis achtzehn Uhr stand uns die Aula des Gymnasiums zur Verfügung. Es war zwanzig vor und mindestens zehn Minuten mit dem Auto lagen vor uns. Ich sprintete in mein Schlafzimmer, warf mir das knielange Sommerkleid über, schlüpfte in die bequemen Pumps mit halbhohem Absatz und die Haarbürste entwirrte meine Strähnen.


Um viertel vor waren wir startklar. Gideon hatte seine Tasche gepackt und schon in seinen Polo gebracht. Er wollte nach dem Klassentreffen noch zu seinen Eltern fahren, das verlängerte Wochenende mit dem ersten Mai bot sich dafür an. „Damit Du hinterher direkt weg kannst, fahren wir am besten mit Dir. Wir können ja mit dem Taxi zurück.“


Irma nickte: „Genau so machen wir es. Gestern hast Du ja gar nichts getrunken. Zu gern würde ich Dich ein wenig angeheitert erleben.“ Danach kicherte sie vielsagend. Auch Gideon grinste: „Na dann Hopp meine Damen, sonst kommen wir doch noch zu spät.“

„Christina, wie immer auf der letzten Rille.“ Anna, die Tochter des Hausmeisters begrüßte mich mit Augenzwinkern, nahm Irma und Gideon in die Arme. Anna hatte alles organisiert, perfekt von ihrem Vater unterstützt. Ich begrüßte alle einzeln, hielt kurze Nachfragen und gesellte mich dann zu Mechthild Reinders. Sie war vor zwei Jahren die Oberstufenkoordinatorin, mittlerweile im Ruhestand.


„Hallo Christina. Wie ich gehört habe, haben Sie meine Nachfolge angetreten. Ich gratuliere Ihnen, Sie werden es bestimmt noch weit bringen.“ Der Rest der Konversation war eher oberflächlich gehalten, nach und nach konnte ich mich mehr den Ex – Schülern widmen. Immer wieder tanzte ich mit Tobias, er war ein richtiges Ass darin, besonders bei den Lateinamerikanischen Tänzen. Zwischendurch setzte ich mich immer wieder an einen anderen Tisch, versuchte den Werdegang von allen zu rekapitulieren.


„Wenn Sie noch öfter mit Tobias tanzen, wird man Ihnen noch ein Verhältnis andichten. Seien Sie bitte vorsichtig, die Schule hat überall Augen und Ohren.“ Mechthilds Besorgnis rührte mich, war allerdings vollkommen unbegründet...

Pünktlich bat Herr Müller den Aufbruch einzuläuten, Anna wirkte dabei ein wenig zerknirscht. Die Veranstaltung löste sich in Windeseile auf, am Tor verabschiedete sich Gideon noch kurz, dankte noch einmal für die Unterkunft und fuhr dann davon. Irma hatte deutlich am Alkohol partizipiert, nach der Begrüßung durch Bernd hatte sie ein Glas nach dem anderen in sich gekippt.


„Taxi oder frische Luft?“


„Frische Luft ist sicherer. Dass Bernd sich überhaupt her gewagt hat.“ Mehr sagte sie nicht, hakte sich bei mir unter. Irma schwankte deutlich, aber mit der Zeit wurde ihr Gang stabiler. Obwohl ich neugierig war, fragte ich nicht nach. Beim Abiball waren sie das Traumpaar schlechthin gewesen, gemeinsam waren sie zum Studieren nach Berlin gegangen.


Nach gut einer Stunde schloss ich die Wohnungstür auf, begleitete Irma ins Gästezimmer und öffnete den Reißverschluss ihres Kleides. Schnell holte ich den Putzeimer aus dem Unterschrank der Spüle, brachte ihn ihr für alle Fälle. Ein lustiges Bild bot sich mir, das Kleid lag wie ein Knäuel auf dem Boden. Sie saß auf dem Bett, nur noch mit BH und Slip bekleidet und versuchte jetzt ihre hochhackigen Sandalen abzustreifen. Immer wieder verfehlte sie mit ihrer Hand die Lasche. Ich bückte mich kurz, schon waren ihre Füße befreit. Erleichtert sank sie mit dem Kopf ins Kissen.


Mein Handy läutete und ich verließ das Gästezimmer. Es war meine ältere Schwester, die Babysitterin hatte kurzfristig abgesagt.


Gut dass ich auch heute nichts getrunken hatte. Für mein Patenkind ließ ich mich nicht lange bitten, sagte sofort zu. Ich musste mich beeilen, in zwanzig Minuten käme mein Schwager von der Arbeit um direkt durchzustarten. Noch ein Blick ins Gästezimmer, Irma schlief. Ich legte die Decke über sie, dann machte ich mich auf den Weg.

Mit Jonas spielte ich bis er müde war. Mein vierjähriger Neffe hatte lange durchgehalten, das Memory hatte es ihm angetan. Sein Gedächtnis war schon gut geschult, nur ganz selten vertat er sich. Ab zweiundzwanzig Uhr konnte ich meine bleischweren Beine dann hochlegen, ein Ohr auf das Kinderzimmer gerichtet und ein Ohr bei der leisen Musik des CD – Players.


Mit einem Buch voller Kurzgeschichten aus dem Leben vertrieb ich mir die Zeit. Öfters war es knisternde Erotik, meist aber humorvolle Aufbereitung von Alltagsbegebenheiten.


Erst weit nach Mitternacht hörte ich ein Knacken im Schloss der Wohnung. Dann standen Nora und Harald vor mir. „Ich hoffe ihr hattet einen schönen Abend. Jonas schläft seit knapp drei Stunden, hatsich bislang nicht gerührt.“ Während meines Rapports war ich aufgestanden und in meine Pumps gestiegen.


„Danke Christina. Ich hoffe Du bist nicht böse weil wir fast eine Stunde überzogen haben.“ Nora drückte mich.


„Ach Quatsch. Du weißt doch wie gerne ich mit Jonas spiele. Und das Büchlein hat mich prächtig unterhalten. Nur ein wenig mehr Zeit im Vorlauf wäre schön gewesen. Aber jetzt mache ich mich auf den Weg, ich habe nämlich noch Besuch zum Übernachten bei mir.“


„Scheiße, Dein Date wollten wir Dir nicht kaputt machen. Erzähl, wie ist er? Wie heißt er?“ Es war wieder typisch meine Schwester, ne

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Kommentare


sex1409
dabei seit: Feb '01
Kommentare: 27
schrieb am 01.07.2018:
»Sehr schöne Geschichte; aber hoffentlich erst der Anfang für die Beiden. Bin gespannt auf das nächste Klassentreffen und was die beiden berichten können.«

Impuditia
dabei seit: Okt '17
Kommentare: 68
schrieb am 25.10.2018:
»Oooh,wieder zwei die für die Männerwelt verloren sind.
Zwar nicht meine Veranlagung aber gut und ehrlich geschrieben.
Zwar widerwillig aber:Daumen hoch!«



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