Kurzgeschichten aus dem Nähkästchen
von Dark Angel
Affären
Das Mädchen aus der Parallelklasse lächelte mich mit ihren dunklen, kastanienbraunen Augen an und steckte mir einen Zettel zu. Verlegen verzog ich meinen Mund und nahm das Stück Papier entgegen.
„Danke!“ mehr brachte ich nicht heraus.
Dann läutete es auch schon und sie verschwand durch die Tür.
Ich atmete tief aus und konnte es nicht fassen, gerade von dem schönsten Mädchen der gesamten Berufsschule besucht worden zu sein.
Und alle hatten es gesehen.
Meine Anstrengungen mit ihr Kontakt aufzunehmen, die ich mit meinem guten Schulkameraden Martin unternommen hatte, waren also zunächst erfolgreich gewesen. Sie war durch die Nachricht, die sie von ihm zugesteckt bekommen hatte, auf mich aufmerksam gemacht worden, und die Konsequenz war das „Antwortschreiben“, das ich nun in meinen verschwitzten Händen hielt und das auf meiner Haut brannte, als ob jemand das Papier angezunden hätte und lichterloh brannte.
Außer Atem setzte ich mich auf meinen Platz neben meinen Kumpel und entfaltete das kleine Zettelchen.
Ich war nervös. War es eine Absage? Oder noch schlimmer, eine höhnische Antwort, die meine Bemühungen lächerlich machten und mich bloßstellten?
„Was hat sie geschrieben, Alter?“ Martin drängelte. Gemeinsam sahen wir auf die blaue Tinte und lasen.
Viel stand nicht drauf.
„Heute. Nach der Schule am Ausgang. Marlene.“
Martin boxte mich in den Arm. „Du Hund. Soviel Glück kannst auch nur du haben.“
Ich antwortete nicht. Ich saß da und war einfach nur glücklich.
Marlene raubte mir im wahrsten Sinne des Wortes den Atem. In ihrer Nähe konnte ich nicht denken, nicht sprechen, nicht atmen ...
Wir trafen uns immer öfter und gingen am Wochenende aus. Wir tanzten, wir knutschten auf den Sofas der diversen Discotheken herum und wenn sie mich berührte war ich in einem Rausch, der niemals ein Ende zu haben schien. Es war einfach unglaublich mit ihr, sie nahm mich gänzlich ein, und ihre dunklen Augen sowie ihr ebenmäßiges, hübsches Gesicht mit den verführerischen Lippen hypnotisierten mich und brachte die restliche Umgebung regelmäßig zum Verschwinden.
Nach ein paar Wochen Glück durfte ich sie schließlich Zuhause besuchen. Zum Lernen, wie wir sagten.
Ihr Vater machte die Tür auf und starrte mich an. Er war ziemlich groß und angsteinflössend, aber er ließ mich eintreten und brachte mich wortlos in die Küche. Dort stand die Mutter von Marlene und rührte an einem Teig herum. Sie war freundlicher als der Vater, ließ den Teig stehen und fragte mich aus. Wo ich wohne und wo ich arbeite und so Zeug. Eines aber war unglaublich und fiel mir sofort auf, als ich in die Küche kam. Marlene war das exakte, junge Ebenbild ihrer Mutter und sogar die Stimmlage, der süße Tonfall, und wie sie bestimmte Dinge ausdrückte, ähnelte ihrer Mutter auf erstaunliche Weise.
An diesem Tag, die Sonne schien warm in Marlenes Zimmer herein, lernten wir höchstens eine halbe Stunde. Dann konnten wir nicht anders und unsere Lippen mußten sich wieder berühren. Diesmal waren wir alleine, keine Freunde waren um uns gruppiert, keine laute Musik dröhnte auf uns ein und die warme Sonne ließ uns entspannen und unsere Schulbücher vergessen. Marlene schob meinen leichten Pullover fordernd über meinen Rücken und zog ihn aus. Ihre warmen, feinen Hände strichen elektrisierend über meine Schulter und sie war mit ihren Fingerkuppen so unheimlich behutsam und zärtlich, daß sie jedesmal eine Gänsehaut hinterließen, die sich wie verräterische Spuren im feinen Sand hinterherzogen.
Auch meine Hand blieb nicht untätig und wanderte frech unter ihrem eng anliegenden Sweater - und Marlene ließ mich diesmal gewähren. Kein BH und kein störendes Unterhemd fand ich vor. Beinahe zuckte ich erschrocken wieder zurück, als ich an ihrem Brustansatz anstieß und es nicht glauben konnte, daß ich meine Hand unter ihrem Pulli geschoben hatte und ihren Busen bald in meinen neugierigen Fingern spüren durfte.
Den Augenblick, als ich den daunenweichen Busen endlich berührte, werde ich nie vergessen. Kein Kissen, keine Watte und kein Plüschtier konnte es mit ihrem Busen aufnehmen. Er war trotz seiner Größe unerwartet leicht, die zartrosa Haut erinnerte mich an feinste Seide und als ich fasziniert zudrückte war es so, als ob ich in weiche, fast flüssige Butter griff, in die man ohne Kraftanstrengung eintauchen konnte.
Ihr Pullover wurde von mir ebenfalls entfernt und wir lagen uns selig und oben nackt in den Armen.
Wir waren jung, und natürlich erforschten wir erst manches. Nur so kann ich mir erklären, daß wir gänzlich vergaßen, wo wir waren. Und so war es nur eine Frage der Zeit, bis die Tür aufging und die Mutter von Marlene mit kühlem Apfelsaft nach uns sah.
Ich sprang sofort auf und stand mit entblößten Oberkörper vor ihr. Marlene blieb ruhig und lachte, ihr Busen lag frei und ich wußte voller Panik nicht wohin ich sehen sollte. Entweder auf das pralle Leben, daß vor mir lag oder auf den Feind, der mich mit den gleichen braunen Augen anstarrte, wie noch zuvor mein Mädchen ...
Am darauffolgenden Wochenende rief mich Marlene an und lud mich zu ihr nach Hause ein. Äußerst knapp war sie an diesem Tag und ich wunderte mich etwas, denn sonst telefonierten wir stundenlang und erzählten uns was so in der Arbeit passiert war, auch wenn wir uns am gleichen Abend noch sehen wollten.
Ich dachte mir nichts weiter, sagte noch Martin Bescheid, daß aus besagten Gründen nichts mit unserer Verabredung wurde und mußte mir noch ein paar obszöne Ratschläge anhören.
„Schau lieber, daß du eine Freundin findest, sonst wird deine Hand dein bester Freund bleiben“, stichelt ich und wir amüsierten uns. Dann brach ich auf und fuhr mit meinem Motorrad zu meinem süßen Käfer. Hastig stieg ich die Stufen hinauf und läutete.
„Es ist offen,“ hörte ich Marlene´s Stimme aus der Wohnung kommen und tatsächlich, die Tür war nur angelehnt.
„Geh ins Wohnzimmer,“ rief sie, und ihre Stimme klang heute etwas rauher, tiefer.
Natürlich dachte ich mir nichts dabei und möglicherweise vermutete ich, daß sie ein wenig verkühlt sei. Also ging ich in das abgedunkelte Wohnzimmer, das Licht war gedimmt und angenehme Musik untermalte den Raum.
Einer der breiten Sofasessel stand mitten im Zimmer auf dem dicken Teppich und ich wußte, daß dies normalerweise nicht der normale Standort war.
„Setz dich doch,“ hörte ich gedämpft und legte meinen Sturzhelm auf den Wohnzimmertisch. Dann pflanzte ich mich wie geheißen auf den Stuhl.
Er war sehr bequem und ich sank ein.
„Wohin gehen wir heute?“ fragte ich laut und lehnte mich zurück.
Dann wurde das Licht draußen gelöscht und ein dunkler Schatten wurde auf das Parkett geworfen. Als ich hochsah stand eine bildschöne Frau vor mir.
Sie hatte eine nicht unbeträchtliche Ähnlichkeit mit meiner Marlene. Sie hatte die gleichen Gene wie sie, die gleichen Augen, die gleichen Haare, nur die Figur war etwas weiblicher, etwas runder ...
Mir blieb der Mund offen als ich die dezent geschminkte Mutter von Marlene an der Tür stehen sah und ich wollte mich sofort erheben.
„Bleib sitzen,“ hauchte sie leise, ihre Finger lagen an den obersten Knöpfen der weißen Bluse und spielten mit ihnen. Sie hatte hohe Pumps an und sie stöckelte mit wenigen Schritten und mit todernster Miene auf mich zu, ihre Hüften schwangen aufregend hin und her und ihre seidigen Lippen glänzten und funkelten ...
An diesem Abend fühlte ich, was es hieß zu einem Mann gemacht zu werden. Jede Minute die verging, kam ich diesem Zustand näher.
Marlenes Mutter verführte mich ohne überflüssige Worte gleich auf dem Sessel und wir verschmolzen in einen Zustand der absoluten Hingabe. Heute noch sehe ich ihre schweren, üppigen Brüste vor meinem Gesicht auf und ab tanzen, und ich sehe meine jungen, gierigen Finger, wie sie in das Fleisch eintauchten, wie ich die verhärteten Nippel in den Mund nahm und die ältere Frau zum Stöhnen brachte.
Wir verstanden einander sofort, wir wußten was wir taten, und ich kann heute sagen, daß es das einmalige, nicht mehr wiederkehrende Erlebnis war, daß mich heute noch zufrieden zurückblicken läßt. Ich dachte damals nicht eine Sekunde daran, daß ich Marlene betrogen haben könnte. Vielmehr war ich in die Lage versetzt worden, der Kleinen viel mehr an Liebe und Erfahrung zu schenken, als ich es sonst je zustande gebracht hätte.
Und immerhin hielt unsere Beziehung noch den ganzen Sommer lang.
Die Königin der Nacht
Meine Arbeitskollegin überreichte mir den Umschlag mit den Karten und bedankte sich noch einmal.
Ich steckte in meinem einzigen Anzug und zerrte an meiner Krawatte herum, die mir die Kehle zudrückte und kaum Luft zum Atmen ließ.
„Stell dich nicht so an, Blödmann,“ sagte sie streng, aber mit einem freundlichen lächeln auf den Lippen. Wir arbeiteten bereits drei Jahre eng zusammen und wir verstanden einander prächtig.
„Ich kann es jetzt auch nicht mehr ändern,“ ließ sich mich noch wissen und zog sich ihren leichten Mantel über. „Viel Spaß also,“ grinste sie noch und gab mir einen eiligen Kuß auf die Wange.
„Du hast leicht reden,“ beschwerte ich mich noch und sah ihr stirnrunzelnd nach, als sie durch die Bürotür verschwand und mir zuwinkte.
Ich blies nochmals aus, riß nochmals an meiner Krawatte, die sich keinen Millimeter rührte und stieg in ein Taxi.
Ich sollte zwei Kunden abholen und in die Oper ausführen. Sie waren wichtig für die Firma und sie hatten bei unserem Chef vor geraumer Zeit einmal erwähnt, die „Zauberflöte“ genießen zu wollen, aber bislang noch kein Glück bei den Karten gehabt zu haben.
Mein Chef hatte sich das gemerkt und konnte schließlich drei Karten ergattern. Meine Kollegin sollte die Begleitung machen und den Kunden einen schönen Abend bescheren. Nun wurde aber ihre Mutter krank und sie mußte ins Krankenhaus, so daß meine Wenigkeit das „Vergnügen“ hatte, den Babysitter zu spielen und sich eine Oper ansehen zu müssen.
Damals hielt ich noch nicht allzu viel von der Plärrerei, wie ich es immer nannte, und ich war mir nicht bewußt, wie wertvoll die Karten für mich noch werden sollten.
Ich holte meine Gäste also brav ab und spielte den perfekten Gastgeber. Wir tranken ein Glas Sekt, unterhielten uns über das Geschäft und nahmen schließlich an unseren Sitzen Platz.
Tja, und was das für Plätze waren.
Erste Reihe Mitte.
Um uns herum saßen nur Japaner, die in kleinen Anzügen wild gestikulierend miteinander sprachen und wie aufgeschreckte Hühner herumrannen und sich nicht beruhigen konnten.
Ich und meine Gäste blieben gelassen, und ich fühlte mich auch wichtig in der ersten Reihe und hörte, als es endlich losging, gelangweilt der Ouvertüre zu, die mich aber mehr und mehr gefangen nahm.
Als die ersten Protagonisten auf der Bühne standen und sangen, wurde ich unerwarteterweise bezaubert. Noch nie zuvor in meinem Leben hatte ich der Schreierei etwas abgewinnen können, aber als ich mit den Stimmen und der Melodie hautnah und live konfrontiert wurde, war es um mich geschehen.
In der Pause war ich noch so beeindruckt, daß ich kaum ein Wort mit meinen Gästen sprechen konnte, und vor allem die Königin der Nacht hatte es mir angetan, wobei die große Arie noch ausstand, wie mir einer der Kunden mitteilte und sich erwartungsfroh die Hände rieb.
Als der zweite Akt begann wurde ich unruhig, der Kunde hatte mir eine große Vorfreude beschert und ich begann nervös zu werden. Er sprach schließlich von einer einzigartigen Sangeskunst, der es bedarf, um die Arie zu singen, und sie erwarteten von dieser Besetzung, daß sie es vollendet zuwege bringen würde.
Mein Sitznachbar stieß mich leicht an, als es soweit war.
Die Königin der Nacht, stark geschminkt, mit einer hohen, goldenen Krone auf dem Kopf, trug ein strahlend blaues Sternenkleid, daß eng tailliert war und danach üppig über den Boden wallte, wo eingenähten Sterne auffunkelten und gülden eine enorme Würde absonderten.
Dann begann sie zu singen.
Diesen Moment zu beschreiben, vermag ich nicht.
Ich kann nur sagen, das ich mit aufgerissenem Mund dasaß und mir Tränen in die Augen stiegen. Mein Körper wurde aufgepeitscht, die Emotionen wurden von meinem Oberkörper in meinen Kopf gespült und als sich die Königin nach vorne wandte und mich plötzlich von der Bühne aus direkt ansah, starb ich - und die Welt um mich herum versank in eine tiefe, schwarze Dunkelheit, in der nur diese Frau existierte, die mich direkt vor all den vielen Zuschauern ansah und sang.
Ich konnte ihre Augen erkennen, schwarz, und ich sah das Feuer darin, die Würde und die Ausdrucksstärke dieser Frau, die mit einer Stimme und in einer Tonlage sang, die ich noch nie zuvor gehört hatte ... ihr Blick brannte sich in mich hinein, bohrte sich tief in mein Unterbewußtsein und setzte sich fest. Sie reduzierte mich in diesem Moment zu einer staunenden Puppe, die sich nur bewegte, wenn sie mit den Fingern schnippte...
Als der letzte Ton zu Ende gesungen wurde und ein frenetischer Applaus aufbrandete, wandte sie sich von mir ab. Ich war schweißgebadet - aber wieder frei - und ich konnte mich endlich wieder bewegen.
Mein Applaus fiel so heftig aus, daß meine Handflächen derart schmerzten, als ob sie mit Schmirgelpapier abgerieben worden wären.
Nach der Vorstellung hatten es meine Gäste eilig, da sie den Zug zu erwischen hatten. Wir verabschiedeten uns noch im Foyer und wir schüttelten die Hände.
Ich war im Begriff ebenfalls zu gehen als etwas unglaubliches geschah.
Ein Page trat an mich heran und hieß mich mit ihm zu kommen.
„In die Garderobe,“ wie er freundlich anmerkte. Mehr war nicht herauszubekommen gewesen, aber meine Neugier siegte und ich ging gespannt mit, denn was hatte ich schon groß zu verlieren?
Wir betraten die heiligen, hinteren Räumlichkeiten der Staatsoper und fanden uns vor einer schmalen Tür wieder, die nach einem dezenten Klopfen des Pagen geöffnet wurde.
Mit einer einladenden Handbewegung brachte er mich dazu einzutreten. Vor einem riesigen Spiegel saß die Königin der Nacht, die von einer unscheinbaren Frau abgeschminkt wurde. Die hohe Krone fiel mir sofort auf, sie stand auf dem Schminktisch vor dem Spiegel und wirkte wuchtiger als noch zuvor auf der Bühne.
Mein Herz raste plötzlich und meine Kehle war zugeschnürt. Das Herz wummerte beinahe schon lebensgefährlich in meinem Brustkorb und ich starrte die Königin an, die im wahren Leben eine waschechte Griechin war und mich mit ihren schwarzen Augen finster ansah.
„Das Wiener Publikum ist eigentlich freundlicher zu mir, junge Mann,“ sagte sie unvermittelt und ließ die Maskenbildnerin mit einer Handbewegung aufhören.
Sie setzte sich aufrecht hin und nahm ihre Hände in den Schoß.
„Niemand gähnt normalerweise, wenn ich singe.“
Ich versank im Erdboden. Darum hatte sie mich also während der Vorstellung angesehen. Ich mußte meinen Mund vergessen haben zu schließen.
Natürlich brachte ich kein Wort heraus, ich versuchte etwas zu stottern, aber es blieb beim Versuch. Ich mußte weiß wie eine Kalkwand gewesen sein.
„Hat sie mein Gesang so gelangweilt, junge Mann?“ sie hatte einen Akzent und sagte „junge Mann“. Es war einfach unglaublich vor dieser Frau zu stehen.
„Sie sind, sie sind ... das Schönste ...“ keuchte ich leise und ich sah sie mit geweiteten Pupillen an. Ich wollte alles zurechtrücken, ihr mitteilen, wie sehr sie mich beeindruckt hatte, wie sehr sie ...
Dazu kam es nicht.
Die Königin der Nacht mußte lachen. Sie entdeckte in diesem Moment ihren Irrtum und sie war wie alle Künstler eitel und kapriziös. Mit einer gewissen Erleichterung nahm sie zur Kenntnis, daß der „junge Mann“ wohl vor Ehrfurcht seinen Mund offen gehabt hatte und keineswegs unhöflich seiner Müdigkeit Luft verschafft hatte – und dieser neue Umstand kehrte ihren Unmut in eine Art gnädige Selbstgefälligkeit, denn sie stand schwungvoll auf, trat an mich heran, betrachtete mich amüsiert und gab mir einen flüchtigen Kuß direkt auf die Lippen.
Gleichzeitig klopfte sie an die Tür.
Der Page stand plötzlich hinter mir und geleitete mich wieder hinaus.
Keine Ahnung wie ich danach in die Straßenbahn gelangt bin und jemals wieder nach Hause fand ...
Einige Jahre später gelang es mir wieder Karten für die „Zauberflöte“ zu bekommen. Die Besetzung war natürlich eine andere, und ich saß auch nicht mehr in der ersten Reihe, aber als die Königin der Nacht sang, spürte ich wieder diesen flüchtigen Kuß auf meinen Lippen.
Der ist mir nicht mehr zu nehmen.
Und von der Königin der Nacht geküßt zu werden, ist wie ein süßer Traum, wie eine unerfüllbare Illusion, die für mich dennoch wahr geworden ist...
Heizungskalamitäten
Die Vorstandsvorsitzende beendete die Aufsichtsratsitzung vorzeitig und entschuldigte sich für die peinliche Panne, die zu einem dramatischen Temparaturabfall in den Räumlichkeiten der großen Fabrik geführt hatte.
Dieses Monat geschah dies bereits zum zweiten Mal.
Die frierenden Aufsichtsräte, acht an der Zahl, stoben dankbar in allen Richtungen davon und waren froh, die ausgekühlten Lokalitäten verlassen zu können.
Die Managerin und gleichzeitige Eigentümerin des Unternehmens aber war wütend. In diesem Moment spürte sie nichts von der Grabeskälte, die sich in den Wänden des Geländes festsetzte und den über eintausend Mitarbeitern zu schaffen machte. Aufgewühlt spurtete die Enddreißigjährige durch einen langen Gang vom Sitzungssaal in die Vorstandsetage. Dort angekommen fand sie im Vorzimmer ihre Sekretärin in einen dicken Wintermantel gehüllt am Computer sitzend vor, die mit klammen Fingern in die Tasten griff und mit roter Nase zu ihr aufsah.
„Frau Doktor, die Sitzung ist schon zu Ende?“
„Es ist schon wieder so kalt geworden, Frau Schuster, das ist niemanden zuzumuten.“
„Wem sagen sie das,“ erwiderte die Sekretärin lächelnd und schneuzte sich demonstrativ in ein Papiertaschentuch, daß sie danach in einen Behälter warf, wo bereits Duzende zerknüllte Tücher ihr Ende gefunden hatten.
„Was sagt Herr Stein dazu?“
„Der hat seine bekannten Flüche von sich gegeben und mich derart angefahren, daß ich gar nicht richtig zum Fragen gekommen bin. Frau Doktor, dieser Hausmeister ist eine Zumutung. Ich glaube ich spreche im Namen Aller, wenn ich ...“
„Das hatten wir doch schon,“ fiel die Generaldirektorin ihrer Sekretärin und langjährigen Vertrauten ins Wort. „Ich spreche mit ihm.“
„Sie wollen selbst ... vielen Dank,“ erwiderte die verschnupfte Frau und versuchte sich wieder im Tastendrücken, das sich mit steifen Fingern als ziemlich schwierig erwies.
Die Managerin holte sich ihren Nerz aus dem Schrank und nahm sich vor, die Sache ein für alle Mal zu klären. Sie stieg in den Aufzug, der sie in das zweite Untergeschoß brachte und durchmaß mit schnellen Schritten das Archiv, einen großen Abstellraum und gelangte schließlich in den riesigen Heizungsraum, der offen stand und aus dem grelles Licht herausdrang.
Jemand machte sich darin zu schaffen, das war an metallischen Geräuschen zu hören, dessen Ursprung irgendwo zwischen unzähligen Rohren, zwei riesigen Kesseln samt unüberschaubaren großen und kleinen kreisrunden Drehverschlüssen zu vermuten war.
„Herr Stein, sind sie hier?“ rief die groß gewachsene Managerin in den Raum und spürte, daß es wohlig warm darin war.
Sie trat ein und genoß für einen Moment die Wärme.
„Verfluchte Scheiße, welcher Idiot kommt hierher und ... oh, sie sind es?“ mühsam verbiß sich der Hausmeister seine Wut. Er hatte seinen grauen Arbeitsmantel abgelegt und trug ein enges, ärmelloses T-Shirt, das bereits durch Öl verschmutzt war. Seine muskelbepackten Oberarme, welche durch zahlreiche Tätowierungen verunstaltet waren, fuchtelten in der Gegend herum.
„Diese Anlage hier ist zum Kotzen. Ich habe dem Ing. Breitfuß schon vor zwei Wochen gesagt, daß hier alles veraltet ist. Beim alten Kaiser war das vielleicht noch modern, aber heute ...“
Die Managerin versuchte zu beschwichtigen: „Wir haben für den Sommer eine neue Heizanlage budgetiert, daß wissen sie, also was soll der Aufstand?“
Der Mann schluckte. Heute hatte er sich bereits einiges von den Kollegen anhören müssen und er rastete aus.
„Verfluchte Kacke, was glauben sie wer sich hier tagtäglich den Arsch aufreißen darf, um den Schrott hier in Schwung zu halten, ich komme mir schon vor wie ein beschissener Rohrverleger,“ seine langen, dichten Haare wurden durch seine wilde Gestik nach vorne gespült. Er redete sich in Rage. Seine nicht vorhandene Schulbildung brach durch.
„Ich bin hier der Depp der Nation und muß mir den ganzen Tag von den Arschlöchern auf den Nerven rumtrampeln lassen, ich sage ihnen, lange mache ich das nicht mehr mit und ich werde den ganzen Scheiß ...“
Seine Augen brannten und sein dumpfer Zorn tobte wie ein gewaltiges Gewitter in ihm und ließ einfach nicht nach. Seine tellergroßen Hände griffen kräftig in seine Jeans, die sich hauteng um seine Oberschenkel spannte, und hinterließ weitere, dunkle Ölflecken. Insgesamt wirkte er wie ein gereizter Catcher – groß, agil mit viel Energie, aber gleichzeitig dumm und einfältig.
Er wollte den Satz noch beenden, brachte ihn aber nicht mehr über die Lippen, da ihm eine passende Formulierung einfach entfallen war. Heraus kam ein sinnloses Gestotter, das der Managerin peinlich wurde.
„Schauen sie das es wieder warm wird, und basta,“ erwiderte sie spitz und trocken. So eine Tonlage war inakzeptabel und es war klar, daß er das Unternehmen verlassen wird müssen. Der Versuch mit der Resozialisierung, für die sie sich vom Innenministeriums überreden hatte lassen, war gescheitert. Als ehemaliger Obdachloser und als ehemaliger Sträfling war er offensichtlich nicht in der Lage, sich anzupassen. Und gutes Benehmen kann man in diesem Alter wohl nicht mehr lernen. Sie fuhr fort: „und zum nächsten Ersten möchte ich sie hier nicht mehr sehen. Ich möchte das sie das Unternehmen verlassen.“
Er atmete tief und laut ein. Sein Gesicht nahm eine noch deutlich rötere Farbe an und seine Fäuste wurden geballt.
„Solche Weiber wie sie müßten mal ordentlich durchgeknallt werden. Dort wo ich herkomme, würde man ihnen zeigen, wo sie hingehören, bei mir gäbe es soetwas nicht ...“
Die Frau die für gewöhnlich Respekt genoß und überall mit übermäßiger Höflichkeit behandelt wurde schüttelte entsetzt den Kopf und hob ihren Zeigefinger und drohte ihm. „Wenn sie glauben hier mit mir weiter in diesem Ton ...“ weiter kam sie nicht.
Hart und unvermittelt packte er zu und umfaßte mit seinen kräftigen Fingern ihr Handgelenk und drückte ihre erhobene Hand an ihre Hüfte. Nah kam er ihr dabei.
Der Mann starrte s
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