Kuschelwetter Teil 10
von MarcLelky
Kapitel 1 – Die große Baustelle – Herbst 1998
Leicht nervös blickte der Herr im dunklen Anzug noch einmal zur geschlossenen Tür des Besprechungsraumes, ging langsam ein Stück zum Fenster und wieder zurück, um dann vor der Projektionswand zu einer Erklärung auszuholen.
„Wie Sie wissen, wurde beim Bau der U-Bahn etwas entdeckt. Ein Kilogramm des Materials entspricht mindestens der Energiemenge von einem Jahr Sonneneinstrahlung auf der gesamten Erdoberfläche. Mindestens, wenn nicht noch viel mehr.“
Während er die dargestellten Diagramme erläuterte, ließ Angelina ihren Blick über die Anwesenden am großen Tisch schweifen. Es war jetzt schon eine Weile her, dass sie von der Stadtverwaltung als Beraterin engagiert worden ist, zumindest stand das auf den ganzen Papieren, die sie unterschreiben musste. Sie wusste, dass es um viel mehr ging, als man ihr sagen wollte, denn sie wurde zwar auf die Baustelle gelassen, aber nicht in den Schacht hinunter. Viel mehr als ein abgebrochenes Studium konnte sie nicht vorweisen, aber es war sie gewesen, die die Struktur dieser festen weißen, leicht durchsichtigen Substanz erkannt hatte. Jahrelang war von etlichen Fachleuten nur herumgerätselt worden, bis sie nachweisen konnte, dass sich ohne großen Aufwand elektrischer Strom daraus gewinnen ließ, und es völlig ungefährlich war, sogar wenn man es in der Hand hielt.
Ihre Blicke kreuzten sich kurz mit denen des jungen Mannes, der schräg gegenüber saß, er hatte schon öfters gemeinsam mit ihr die ach so geheimen Sitzungen besucht – aber es war die Frau neben ihr, die sie schon seit längerer Zeit faszinierte. Dabei wusste sie nicht sehr viel von ihr, außer ihren Namen, Eva, vom Aufkleber auf ihrer Mappe, und dass sie gerade erst 22 war. Gesagt hatte sie fast nie etwas, aber es war allein schon ihr Blick, ihre ganze Ausstrahlung, die sie in ihren Bann zog, und es war nicht die erste Frau für sie, bei der sie das so erlebt hatte. Zwar interessierte sie sich auch für Männer, wenn sie süß und freundlich waren, aber ...
„Können Sie mir folgen, Frau …?“, wurde sie auf einmal gefragt.
„Ja“, unterbrach Angelina, „die Substanz kommt in kleinen Stücken vor, und die nächsten Versuche, es weiter zu teilen, werden wahrscheinlich wieder erfolglos sein.“
„Aber es müsste doch jetzt schon genug sein“, sagte jemand.
„Es ist nie genug!“, wurde der Vortragende etwas lauter, und Stille folgte.
„Wir haben viel unternommen, aber trotzdem keine weiteren Stücke gefunden“, setzte der Vortragende fort. „Die Leute fangen an, Fragen zu stellen, wir haben die Presse immer mehr am Hals. Wir können niemand mehr erzählen, dass wir im Jahr 1998 immer noch am Einbau eines Aufzugs arbeiten, wenn es in allen anderen Stationen schon längst einen gibt.“
Stille.
„Die Mittel sind uns entzogen worden, es ist aus!“
Ein Raunen ging durch die Menge, gefolgt von halblautem Gemurmel.
„Es sei denn, wir können bis Ende des Jahres noch Fortschritte vorweisen, ansonsten war es das. Das ist, was ich Ihnen sagen wollte.“
Angelina wollte schon ein „Aber ...“ einwenden, doch das ging im allgemeinen Gemurmel unter, als alle aufstanden und ihre Unterlagen ordneten und verstauten. Die Verdunkelung an den Fenstern lichtete sich wieder, und als alle auf den Gang strömten, blieb die Frau, die neben ihr gesessen war, noch etwas stehen. Sie war kleiner und noch eine Spur schlanker als sie, und die beiden hatten sich schon öfters angelächelt, aber viel mehr auch nicht. Jedenfalls schien ihr leicht schüchtern und zurückhaltend wirkendes Wesen gar nicht so recht zu ihrer gewagten, langhaarigen Frisur zu passen.
„Und ...“, sagte sie mit halb abgewendetem Blick zu Angelina.
„Ja, was denn?“
„Wie … wird das wohl weitergehen?“, sagte sie und spielte leicht nervös mit ihren Fingern.
Beide waren nun allein auf dem Gang, auf den durch die Fenster das Licht der September-Sonne fiel.
„Haben … also ich meine … hast du heute schon etwas vor?“, sagte Eva zu Angelina, die nicht wirklich älter als sie aussah. Diese blickte ihr direkt in die Augen und reagierte mit einem erfreuten Gesichtsausdruck und langen Lächeln.
„Wir wäre es, wenn wir noch etwas trinken gehen?“, antwortete sie nach ein paar Sekunden auch mit Worten.
„Mit den anderen?“
„Ich weiß nicht – mit der ganzen Männerrunde, die nur ihr Bier saufen wollen?“
„Also ich trinke schon ganz gern manchmal eines“, wendete Eva ein.
„Ja, wenn dann würde ich auch fast lieber mit dir allein.“
„Ach so?“
„Ich weiß da ein nettes Lokal am Wasser – also so lange es noch schön warm ist ...“, sagte Angelina und war fast schon dabei gewesen, sie an der Hand zu nehmen.
Sie durchschritten die breite Passage, die vom Geschäftsviertel aus zum Flussufer führte, und die Straße und die U-Bahn-Trasse überwand. Der Nachmittag war schon weit fortgeschritten, doch die Sonnenstrahlen vermochten immer noch genug zu wärmen. Ein paar Schwäne zogen ihre Runden, und viele Leute lagen in den Grünflächen herum oder saßen in den Gastgärten der Lokale, vielleicht ahnend, dass alles schon ein paar Tage später vorbei sein könnte. Auch Eva hatte wohl schon einmal zwei Frauen gesehen, die ganz beiläufig Händchen hielten und die Uferpromenade entlang gingen, aber sie sah doch lieber nicht direkt hin, und ging noch ein Stück weiter weg von Angelina.
Die beiden nahmen im Garten eines Lokals Platz, an einem der Tische zwischen den großen, alten Kastanienbäumen. Zwar waren sie fast allein hier, niemand saß in ihrer Nähe, aber trotzdem nahm schon bald jemand ihre Bestellung auf.
„Glaubst du wirklich, dass sie das Projekt abbrechen werden?“, sagte Eva.
„Wäre ja nicht die erste Investitions-Ruine … was die da schon verbaut haben“, antwortete Angelina, nachdem sie sie doch etwas nervös umgesehen hatte, ob sie auch wirklich allein waren.
„Stimmt es jetzt … dass da Kilometer von Betriebsgleisen verlegt worden sind, die im Nichts enden?“
„Ha ha, Betriebsgleise – ich weiß nicht wie du drüber denkst, aber das ist so wie der Aufzug, an dem die seit Jahren bauen. Oh, wir wollen jetzt doch überall einen einbauen, und nachträglich dauert es eben länger.“
Eva saß da und schob ihre Hände langsam über den Tisch. „Ist dir das Farbbalken-Bild am Ende der Präsentation aufgefallen?“, setzte sie fort.
„Ein Testbild, ja und?“
„Mit dem Text 'Ostküste' in ein paar Sprachen?“
„Jetzt wo du es sagst – hat wirklich wie von einem Fernsehsender ausgesehen. Aber welche Ostküste?“
Der Kellner von vorhin, dessen knappe Arbeitskleidung wirklich nicht viel verbarg, brachte ihr Bier und warf den beiden ein Lächeln zu. Doch zumindest Eva beachtete ihn kaum, weil sich ihre Blicke schon die ganze Zeit viel zu sehr auf ihr Gegenüber konzentrierten. Erst nach einer Weile nahm sie zaghaft ihr Glas in die Hand, sie prosteten sich zu, plauderten über alles, das ihnen zu der ganzen Geschichte einfiel, und auch Angelina spielte mit ihren Fingern auf der Tischplatte herum und wunderte sich fast, dass Eva nichts dabei fand, als sich ihre Hände öfters einmal berührten.
Erst als sie aufstanden, realisierten sie so wirklich, dass es schon ziemlich dunkel war, und die bunten Lampen beim Eingang nun schon eingeschaltet waren. Es war etwas kühler geworden, und viele schon wieder nach Hause gegangen, aber noch nicht wirklich kalt, auch nicht in einem Jäckchen aus dünnem Stoff. Eva kramte noch etwas in ihrer Handtasche, doch Angelina wusste, dass sie auch nur einfach dastehen und die letzten Strahlen der versinkenden Sonne und die gelb und rötlich schimmernden Wolken sehen wollte. Sie kam näher, machte zwei Schritte seitwärts – und berührte ihre Hand. Eva machte überhaupt nichts, außer ihren Blick starr auf das Wasser hinaus zu richten, bis sie doch den Fingern nachgab, die sich um ihre klammern wollten. Sie gingen ein paar Meter nebeneinander, und obwohl die Umklammerung um Evas Hand gar nicht so stark war und sie sich leicht wieder hätte lösen können, tat sie es nicht.
„Und, fahren wir mit der U-Bahn?“, fragte Angelina und sah noch einmal nach der Uhrzeit.
„Was, möchtest du schon nach Hause?“
„Nein, ich meine zur Endstation.“
Sie sahen sich an, zögerten – und gingen nach einem Schulterzucken in Richtung der nächsten Station. Nach ein paar Metern nahmen sie sich wieder an der Hand.
* * *
„Spinnst du?“, sagte Eva halblaut, als Angelina nach ein paar Blicken in jede Richtung den Baustellen-Zaun mit der Stoffabdeckung darüber aus dem Standfuß hob und etwas zur Seite schob.
„Um die Zeit ist keine Stationsaufsicht mehr da, und Bauarbeiter schon gar keine.“
Sie machte einen Schritt ins Halbdunkel auf den staubigen Boden, ihre Begleiterin kam nach ein paar Sekunden Herumzappeln doch nach und stellte das Gitter zurück. Außentüren waren immer noch keine eingebaut, so dass sie einen Blick in den finsteren Schacht werfen konnte, doch die Ruftaste leuchtete nach einem Druck darauf. Nach endlosen Sekunden vernahmen sie ein tiefes Rumpeln, ein Motor begann zu surren – und eine beleuchtete Kabine mit sich öffnenden Glastüren stand vor ihnen.
„Und jetzt?“, fragte Eva. „Der fährt nirgends hin.“
Angelina ging voraus, bemerkte das Tastenfeld, das aus nicht viel mehr Tasten als denen für zwei Stockwerke und den Notruf bestand – und drückte schnell so etwas wie eine Kombination hinein.
„Was … woher?“
„Sagen wir es so, ich habe … meinen Charme spielen lassen.“
Nach einer ruckartigen Bewegung ging es abwärts, zwanzig Sekunden lang, dreißig – und nicht weniger abrupt blieben sie stehen und wurden auf einen mit kaltweißem Licht beleuchteten Gang entlassen. Sie kamen auf einen Bahnsteig aus kahlem Beton, daneben ein tief liegendes Gleis, überall standen Baumaterialien und Geräte herum. Fast unwillkürlich kam Eva auf Angelina zu und berührte etwas mehr als nur ihre Schulter, kam näher zu ihr, weil es doch etwas kühl und ziemlich dunkel war. Die Oberweite, die sie eine Sekunde lang berührte, war nicht viel fülliger als bei ihr selbst, aber trotzdem spürte sie deutlich, was hier vorhanden war. Mit einem Ruck wollte sie ihre Hand wegziehen, wurde aber mit sanftem Druck festgehalten.
Sie drehten sich zueinander, sahen sich länger als nur ein paar Sekunden tief in die Augen, ihre tiefroten Lippen höchstens zwanzig Zentimeter voneinander entfernt. Evas rechte Hand strich langsam von Angelinas Schulter über ihren Rücken, fast schon wollte sie ihren Kopf etwas zur Seite drehen …
Angelina trat an die Kante des Bahnsteigs und starrte in die Dunkelheit auf beiden Enden. Zumindest an einem konnte sie einen schmalen Fußweg erahnen, der neben den Schienen verlief. Sie wusste, dass es kein Betriebsgleis sein konnte, jedenfalls keines, das zu einer Abstellhalle führte oder unterschiedliche Linien verband, aber warum hatte man es um Unmengen Geld gebaut, nur um ein paar Brocken eines seltsamen Materials zu transportieren? Um diese Zeit sollte wirklich niemand mehr hier sein, und die Bilder der Überwachungskameras liefen auch ins Leere, aber trotzdem kam ihr alles etwas zu einfach vor. Hatte sie etwas an sich, das sie vor unangenehmen Erlebnissen schützte, mehr als ihre Ausstrahlung, mit der sie wohl zur Not zumindest fast alle Männer und auch so manche Frau ablenken konnte?
Mit entschlossenem Blick schritt sie auf die kleine Treppe am Ende des Bahnsteigs zu, und Eva folgte ihr. Dafür, dass es immer kühler wurde, waren sie viel zu leicht angezogen, aber es fühlte sich noch erträglich an, wie ein zu kühler Abend an einem Tag im Mai in einem Sommer-Röckchen oder einer kurzen Hose. Das Gleis führte in einer leichten Kurve nach links, während sich der Weg geradlinig in einem kleinen, schwach beleuchteten Tunnel fortsetzte, und Angelina stehen blieb. Sie blickte zurück, Eva stand direkt hinter ihr, ihre Hände fanden sich ohne Worte, und sie gingen gemeinsam weiter.
Tageslicht tat sich vor ihnen auf, schwach zwar, aber immer noch viel heller als die Tunnelbeleuchtung. Waren das Schneeflocken? War das massives Eis, auf dem sie standen, hinter ihnen ein kleiner Berg oder eine schräge Wand aus grobem Beton? Als Eva von hinten auf ihre Begleiterin stieß, und sich Momente später noch enger an sie drückte, spürte sie fast keine Kälte mehr, obwohl der Wind gerade vorhin noch scharf und eisig war.
Mit vorsichtigen, langsamen Schritten gingen sie noch etwas weiter – bewegte sich die große Fläche weiter vorne, die unter der geschlossenen Bewölkung und im leichten Nebel zu sehen war? Die beiden jungen Frauen standen an einem Meer, an einer Küste aus Eisschollen und mit ein paar Zentimetern Schnee, und auch wenn sich der Horizont im Nebel verlor, so musste es noch endlos weitergehen.
„Was ist das? Wo …?“, fragte Eva.
„Jedenfalls kein unterirdischer Raum, keiner den ich kenne.“
„Gehen wir lieber zurück.“
„Es sollte kalt sein, sollte, aber so kalt ist es gar nicht, nicht so wie es aussieht.“
„Vielleicht … weil … es ist nur so ein Gefühl, aber wenn du hier bist ...“
Angelina drehte sich wieder zu Eva um, sah ihr in die Augen, strich dabei einige Male durch ihr langes Haar, sie kamen näher aufeinander zu, noch näher – und ihre Lippen trafen aufeinander, warm und etwas feucht, und nicht kalt. Beide drehten sich etwas, als ob sie tanzen würden, ihre Handflächen auf dem Rücken der anderen. Eva spürte die fremde Zungenspitze, die sich den Weg in ihren Mund bahnen wollte, presste zuerst noch ihre Lippen fest zu – doch dann ließ sie sich einfach fallen, fallen in die Arme ihrer Begleiterin.
Hand in Hand gingen sie mit schnellen Schritten zurück, zurück zum kleinen Tastenfeld an der kahlen Wand, das ihnen die Aufzugs-Kabine wieder herbeiholen sollte. Angelina drückte einfach die 'nach oben'-Taste, wartete, probierte andere Kombinationen – nichts. Ihre Begleitung trat mit den Füßen hin und her, bewegte wieder nervös ihre Finger, um dann auch wieder umzudrehen. Ein weiteres Mal gingen die beiden den Bahnsteig entlang, und wieder die kleine Treppe hinunter, folgten aber nun den Schienen.
Es war Eva, die ein Stück vorausging und den Zug zuerst entdeckte, der vor ihnen stand. Direkt vom Boden aus war der Einstieg sehr hoch, doch sie zog sich nach einem Zucken ihrer Schultern mit einem kurzen Ruck nach oben auf die schmale Trittstufe. Sie riss an den Griffen der beiden Türflügel – und beide schoben sich nach einem kurzen Zischen zur Seite. Oben stehend, reichte sie Angelina die Hand, auch sie zog sich hoch, und sie gingen beide durch das Wageninnere, das schwach beleuchtet war. Hinter der letzten Tür verbarg sich ein Steuerpult, und sie konnten auf die Gleise sehen, die sich in einem weiten Bogen durch den Tunnel wanden. Angelina sah sich kurz um, um dann einige Schalter auszuprobieren.
„Kannst du damit fahren?“, fragte Eva.
„In der Theorie schon.“
Mit einem Mal wurde es im Innenraum heller, Scheinwerfer erleuchteten den Tunnel, und das ganze Gefährt begann sich mit einem Ruck in Bewegung zu setzen. Eva klammerte sich zuerst noch an die Wand hinter ihr, schlang ihre Arme aber dann doch von hinten um Angelina, die konzentriert vor den Bedienelementen stand.
Der gebogene Tunnel musste wieder in den anderen gemündet sein, denn nach einer Weiche ging es gerade weiter – und vor ihnen wurde es hell. Sie fuhren im Freien, alles war von grellem Weiß erfüllt, links und rechts endlose Weiten aus Schnee und Eis, oder was immer es war, und sie wurden schneller. Fast war es so, als ob jedes Gefühl für Zeit und Entfernung einfach ausgeblendet war, sie nicht wussten, ob sie immer noch mit 15 km/h oder fast so schnell wie ein Flugzeug unterwegs waren, es gab keine Anhaltspunkte, nichts.
Ein Signal leuchtete auf, piepste aggressiv, und ohne dass Angelina viel gemacht hätte, wurden sie langsamer. Sie konnten nur noch ein paar Meter weit sehen, nachdem der Zug anhielt, dann endeten die Schienen einfach, und weiter vorne verlor sich alles im endlosen Weiß. Der Motor stellte sich ab, dafür war das Pfeifen des Windes zu hören, der immer wieder Schneeflocken am Fenster vorbeitrieb. Auch die Schalterstellung für Rückwärts brachte den Zug nicht wieder in Bewegung, und auch die Innenraum-Beleuchtung wurde nicht wieder hell.
Eva kauerte sich auf den Boden, die Hände über dem Gesicht, war fast zu einer kleinen Kugel zusammengerollt. Ihre Begleiterin beugte sich nach unten und strich mit einem Finger über ihre zarte, glatte Haut, die von der viel zu knappen Kleidung nicht verdeckt wurde. Erst als sie ihre ganze Hand nahm, blickte sie auf.
Die Tür ließ sich mit einem kräftigen Ziehen an einem der Griffe öffnen, und Angelina sprang, sich mit einer Hand an einer Griffstange festhaltend, auf die Eisfläche neben den Schienen. Für sie fühlte es sich immer noch nicht so kalt an, wie es aussah, doch Eva, die nach ihr herunterkletterte, zitterte. War es nur dieser Händedruck, der das im nächsten Moment auch schon wieder beendete, oder erst der Kuss, mit dem sie fast überfallen wurde? Hände umklammerten sie, der angedeutete Kuss knapp vor ihrem Gesicht wurde zwei Sekunden später zu einem wirklichen, und nun bemerkte sie auch die Sonne, welche die graue Wolkenschicht durchdrungen hatte, und ihre Haut wärmte.
„Glaubst du, das ist alles …?“, fragte Eva und zeigte auf den weißen Boden.
„Das ist nichts als Eis, aber ich bin mir sicher, knapp darunter ist alles voll mit dieser Substanz – oder das meiste ist erst dort, wo keine Schienen mehr liegen und noch niemand war. Vielleicht soll es in dieser Welt bleiben, und ...“
„In dieser Welt?“
Hinter ihnen lag eine weißgraue, dunkle Landschaft, in der außer dem Schienenstrang nicht viel zu erkennen war, vor ihnen kam immer mehr das Blau des Himmels zum Vorschein. Sie nahmen sich an der Hand, gingen weiter, dort, wo sich die Gleise fortsetzen müssten. Nicht viel mehr als fünfzig Meter weiter kam es Angelina so vor, als ob es starken Gegenwind gab, es steil bergauf ging, obwohl die Stelle ziemlich flach war – und Eva blieb stehen.
„Ich kann nicht weiter“, sagte sie.
„Ich zeige dir, wie wir weiterkommen“, hauchte Angelina einen Moment später. „Möchtest du mit mir … weitergehen?“
Eva schloss die Augen zur Hälfte und nickte langsam, als sie von vorne berührt wurde, sich ein Paar Hände an sie presste und von oben nach unten an ihr herabwanderten. Wieder hatten ihre Lippen die ihrer Kollegin berührt, und ihre Zunge forderte Einlass. Im selben Moment spürte sie eine Hand an ihrem Hosenbund, die nicht dort halt machte, sich durchzwängte, tiefer ging. Die fremde Zunge drang tiefer in sie ein, genauso wie die Hand, die sich in der Innenseite ihrer Unterhose vergraben hatte. Sie musste tief durchatmen, ihren Kopf nach oben reißen, sah in den blauen Himmel über sich – und ein Gefühl, als ob sie gerade zusammen einen Widerstand überwunden hatten, eine unsichtbare zähe Masse, durchfuhr sie, als sie in den Armen von Angelina in einen kleinen Schneehaufen fiel.
Wortlos rafften sie sich auf, sahen noch einmal zurück, gingen weiter – und nach einer kleinen Bergkuppe traten zwischen dem Schnee und Eis immer mehr Büsche und kleine Bäumchen hervor. Sie waren keine zehn Minuten gegangen, als überhaupt keine weißen Flächen mehr zu sehen waren, dafür umso mehr Wiesen und Bäume, die saftig grün aussahen, und nicht blass und mitgenommen wie nach einem langen Winter. Überhaupt war der manchmal zu spürende leichte Luftzug nun wirklich warm, und die Sonne, wenn auch schon etwas tief stehend, schien vom wolkenlosen Himmel. Angelina glaube etwas Schweiß auf ihrer Stirn zu spüren, und wischte sich mit der Hand ab. Sie entdeckte einen kleinen Bach am Rande des Waldes, neben dem sie gingen, streckte ihre Hand hinein – warm. Das Blätterdach der Bäume bildete eine kleine, geschützte Fläche, während sich vor ihnen eine weite, grüne Ebene aus Wald und ein paar Wiesen dazwischen auftat. Eva setzte sich auf den Boden und lehnte sich zurück in das weiche Gras.
„Glaubst du, das Wasser ist sauber genug zum Trinken?“, fragte sie.
„Ja, ist nur ein bisschen warm – aber warte“, sagte Angelina und deutete auf die Felsblöcke hinter ihnen, zwischen denen Wasser hervorsprudelte. Sie stand auf, probierte es, lockte Eva mit einer Handbewegung zu sich. „Das ist richtig schön kühl.“
„Das heißt, wir könnten auch etwas baden, wenn das Wasser in dem Bach angenehm warm ist?“, fragte Eva nach einer Weile, in der sie knapp nebeneinander gelegen waren.
„Ja, wenn du möchtest.“
Angelina legte ihr Jäckchen ab, mit dem es ihr ohnehin fast schon zu heiß zwar, fühlte noch einmal die Temperatur, um dann auch ihre Schuhe auszuziehen und ihre Hose zu öffnen. Als sie bemerkte, dass sie Eva, noch komplett angezogen, direkt anstarrte, hielt sie kurz inne. „Und, hast du Angst?“
Sie streifte ihre Hose ab, während Eva auch ihre Jacke auszog. Auch ihren BH öffnete sie sogleich, so dass sie nur noch in ihrem knappen Slip dastand.
„Was ist denn?“, fragte sie in Richtung Eva, die in Strumpfhose und BH auf dem Boden saß und etwas hin und her blickte, während sie ihre Finger unruhig bewegte.
„Ich kann nicht.“
„Wenn du möchtest, dann kannst du auch – und wenn du willst, kannst du mir ja hier helfen.“
Eine halbe Minute später stand Eva auf, sah Angelina in die Augen, legte eine Hand auf ihre Schulter, und die andere auf ihr Höschen. Noch einmal sah sie sich in alle Richtungen um, aber da war niemand außer ihnen, nur das leise Blätterrauschen, das Plätschern des Wassers, der leichte, warme Luftzug und die Strahlen der Sonne, die in den Halbschatten vordrangen. Sie atmete tief ein, um dann kurz die Augen zu schließen und ihre Hand Zentimeter für Zentimeter unter den Stoff vordringen zu lassen. Ihre Finger tasteten sich über die glatte Haut ihres Gegenübers – bis sie auf eine kleine Wölbung und etwas Feuchtigkeit trafen. Noch einmal holte sie tief Luft, um dann mit einem Finger noch weiter vorzudringen und in der feuchten Grotte zu versinken.
Es war Angelina, die in diesem Moment scharf einatmen musste, und Eva, die noch näher kam, ihre beiden Zungen aneinander reiben ließ, und die Unterhose mit beiden Händen nach unten zerrte. Ihre Gespielin schleuderte das Höschen mit einem Fuß weg, und machte einen Schritt in den Bach. „Komm!“
Eva zog hastig den Rest ihrer Sachen aus und legte sie neben den Felsen, folgte ihr, machte zuerst auch nur einen zaghaften Schritt hinein, um sich dann neben Angelina in das nicht allzu tiefe, warme und langsam fließende Wasser zu setzen. Sie sahen etwas auf die vor ihnen liegende Landschaft und bespritzten sich mit Wasser. Eva spürte eine Hand auf ihrer Schulter, spürte, wie sie langsam über ihren ganzen Körper strich, von oben bis unten, immer wieder. Sie rückte an eine Stelle, an der das Wasser noch etwas seichter war, und sie sich mehr zurücklehnen konnte, und fühlte, wie sich Angelina von der Seite her näher an sie drängte, und wieder über ihre Schultern und ihre Brust strich.
Im nächsten Moment lag sie auch schon über Eva und sah ihr tief in die Augen. Sie hielt sie nicht fest, drückte sie nicht nach unten – es war Eva, die sich an Angelina klammerte, sie noch näher an sich zog, ihre Brüste und die immer fester werdenden Spitzen einander berühren ließ. Es waren nicht nur ihre Oberkörper, die sich aneinander pressten und rieben, sich gegenseitig verschlangen. Die beiden küssten sich, immer wieder, immer schneller. Als Angelina ein Kratzen an ihrem Rücken spürte, hielt sie für einem Moment still, um sich dann umso fester wieder auf Eva zu stürzen, und sie für einen Moment mit beiden Händen auf die feinen Kieselsteine des Bachbetts zu drücken. Fast gleichzeitig entkam beiden ein Stöhnen – und plötzlich packte Eva ihre Partnerin fest an den Armen und drehte sich mit ihr um.
„Oh, das gefällt dir also?“, fragte Angelina.
„Ja!“, sagte Eva kurz und laut.
Sie brauchte kaum ihre Hände, um wieder den richtigen Punkt für ihr Näherkommen zu finden, spürte die fremde weibliche Knospe und die Spalten unter sich, konnte sich kaum halten, während sich zwei Paare von Händen unkontrolliert ineinander verschlangen.
Noch einmal stöhnte Angelina laut auf, schlug mit einer Hand ins Wasser, ein Zucken ging durch ihren Körper, noch einmal wurde Evas Gesicht nass, ein weiteres Mal bebte alles – bis sie schnell atmend im Wasser liegen blieb. Eva setzte sich neben sie, hielt fest ihre Hand, um mit der anderen bei sich selbst alles zu Ende zu bringen. Nur ein paar Momente später stützte sich Angelina auf, sah Eva in die Augen und setzte sich vor sie.
„Na komm, lehn dich zurück.“
Eva wurde etwas langsamer, ließ es zu, dass ihre Beine gespreizt wurden, und ihre Hand zur Seite gelegt. Sie schloss die Augen, als sie eine Zungenspitze an sich fühlte, und hob sich selbst noch etwas weiter aus dem Wasser. Fast wurde ihr schwarz vor den Augen, als die Zunge ein Stück in sie eindrang, während sich gleichzeitig zwei Finger an ihr zu schaffen machten. Angelina saugte sich für einen Moment fest, bewegte ihre Zunge noch etwas schneller – bis sich ein leise beginnender, spitzer Schrei löste. Wieder wurde alles um sie herum erschüttert, bis nur noch eine nackte, junge Frau übrigblieb, die nach Luft schnappte und beide Arme in die Fluten neben sich ausstreckte.
Angelina küsste sie noch einmal kurz, um ihr dann die Hand zu reichen und sie aus dem Wasser zu ziehen. Obwohl es fast schon dunkel war, und sie nur noch die letzten Sonnenstrahlen sahen, trockneten sie schnell an der Luft. Sie blieben erst einmal nackt an der geschützten Stelle unter den Bäumen liegen, weil es zwar immer dünkler, aber nicht kälter wurde.
„Wir sollten über Nacht hier bleiben, und morgen weitergehen“, sagte Angelina, und blickte in das Abendrot vor ihnen.
„Gut, wenn du es sagst“, erwiderte Eva, und legte ihre Hand auf den Rücken ihrer Begleiterin.
Kapitel 2 – Das Dampfbad – Die Gegenwart
„Guten Morgen!“, sagte Angelina, von der Seite her dicht an ihr jetzt schon länger dauerndes Abenteuer Ina gekuschelt, und streckte sich noch einmal, bevor sie ihre Hand wieder um sie legte. Obwohl das Bett an einer Stelle stand, an der einem nicht sofort die grellen morgendlichen Lichtstrahlen direkt ins Gesicht schienen, so sah sie doch den deutlichen Kontrast, den ihre südländische Haut zur nordischen ihrer freundschaftlichen Gespielin bildete. Wieviele Tage waren es nun schon, die sie fast immer gemeinsam aufwachten, und sie erst einmal zart über die Haut von Ina strich, bevor sie ohne jede Hektik aufstanden?
„Glaubst du, Marcello ist schon in der Ostküsten-Stadt?“, fragte Ina, die sich auf den Rücken gedreht und das dünne Leintuch etwas zurückgezogen hatte, das die Decke für beide bildete.
„Ich mache mir fast Sorgen, weil ich nicht mitgefahren bin – aber ich habe einfach gespürt, dass er das schafft, dass es so sein sollte. Dem fällt immer etwas ein.“
„Heißt er jetzt wirklich Marcello? Der spricht ja kaum Italienisch.“
„Aber ein bisschen Spanisch – nombres son sonido y humo.“
„Was? Nein, warte, Namen sind … ach egal.“
„Ja, so in etwa“, antwortete Angelina und lachte ein bisschen.
Sie strich das Tuch beiseite, so dass Ina auch fast ganz nackt da lag, und trat in das helle Sonnenlicht. Mehr als nur einige Augenblicke lang ließ sie ihre Gefährtin ihren Körper von oben bis unten betrachten, für sie fast schon ein Ritual, um ihr vielleicht doch Lust auf nur ein bisschen mehr als Streicheln und Kuscheln zu machen. Sie mochte zwar auch Männer, und hatte sogar schon welche überredet, die sonst nur mit anderen Männern ins Bett gingen, aber es war lange nicht die erste Frau für sie gewesen, umgekehrt kam es ihr aber schon so vor.
Ina wartete schon etwas zappelnd vor dem Vorhang zum kleinen Nebenraum, um dann auch ihren Druck loszuwerden. Einmal waren sie sich versehentlich auf der Toilette begegnet, doch Angelina hatte nach einem kleinen Schreck nur gelächelt, Ina mit ihrem Blick fixiert, und es in Ruhe weiter laufen lassen.
Während sich Ina nach Zutaten für das Frühstück umsah und schon auf den Duft von Kaffee freute, den sie gemeinsam auf der Terrasse trinken würden, schaltete sie nebenbei ihren Bildschirm ein, der eine Verbindung zur Antennenanlage auf der Anhöhe über der Stadt hatte. Manchmal gab es ein internes Fernsehprogramm, bei dem sich jemand mit einer Kamera und einem alten Textgenerator herumspielte, aber so groß war die Stadt an der Südküste auch wieder nicht, dass sich die Neuigkeiten nicht auch so herumsprachen. Fast automatisch schaltete sie die Kanäle durch, bis sie bei einem aufmerksamer hinschaute. Es war nur ein Balkentestbild, ein schwaches, kaum erkennbares Signal, aber die zu erahnende Schrift darin weckte ihre Aufmerksamkeit.
„Schau dir das an“, sagte sie und lockte Angelina mit einer schnellen Handbewegung zu sich. Diese hatte es nicht besonders eilig, legte ihre Hände auf die Schultern ihres Gegenübers, und drehte den Kopf ein kleines Stück zur Seite. Inas Gesichtsausdruck schwankte zwischen Nervosität und Freude, aber sie ließ das Küsschen zu, und sogar ihre Zunge in Richtung ihrer Lippen gleiten. Ob sie immer noch glauben sollte, dass es sich mit Männern doch besser anfühlte?
„Das kommt mir bekannt vor“, sagte Angelina, als sie die Worte 'Costa del Este', 'East Coast' und 'Ostküste' im schwarzen Hintergrund über den Farbbalken lesen konnte. Beide hielten einander fest, als der Empfang schlagartig besser wurde, nur ein paar Sekunden lang, um dann wieder von Störungen überlagert zu werden.
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MarcLelky
Das Musik-Zitat am Ende ist vielleicht etwas unglücklich, nachdem ich die Nachrichten am nächsten Tag (!) nach der Einreichung nicht ahnen konnte, aber jetzt bleibt es eben so stehen.«
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Krystan
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