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Lesungen: 1085 | Bewertung: 6.21 | Kategorie: Schwul | veröffentlicht: 28.10.2011

Kuschelwetter - Teil 8

von

Vorwort

Dieser 8. Teil ist der Beginn einer zweiten Staffel von „Kuschelwetter“. Er schließt nicht nur an die Ereignisse im vorläufig letzten Teil an, sondern beleuchtet auch einen Teil der Geschichte aus einer anderen Perspektive.

Kapitel 1 – Im Herbst 1976

An diesem Abend irgendwann im Oktober fühlte es sich schon etwas kühl an, zumindest für Maximilian. Der letzten Sommer war zwar ohnehin heiß genug gewesen, und das in weiten Teilen von Europa, aber das war lange vorbei. Ein Studienkollege von ihm trat in den großen Innenhof, auch für einen Moment weg von der tobenden kleinen Party und hinaus in die frische Abendluft. Er lehnte sich neben ihn an das Geländer.

„Oh, hallo Max, ist dir nicht schon kalt?“


„Es geht.“


„Was wäre ... nein ... stell dir vor“, setzte der andere fort, „was wäre, wenn du einfach durch einen Durchgang gehen könntest, und dem Winter entkommen?“


„Ja, durch den Zoll am Flughafen, oder was?“


„Nein, nein, du fährst ans andere Ende der Stadt, gehst durch einen Durchgang, von dem natürlich nicht alle wissen, und im nächsten Moment stehst du in einer blühenden Landschaft.“


„Was hast du bitte geraucht?“


„Ich greife nichts an, das man rauchen muss.“


„Gut, aber was ist das?“, sagte er und zeigte auf das halbvolle Glas in seiner Hand.


„Äh, mein zweites Bier?“

Beide lachten etwas, doch er glaubte immer noch, einen gewissen Ernst in seinem Gesicht zu erkennen. Als kalter Wind aufkam, klopfte er seinem Kollegen freundschaftlich kurz auf den Rücken. Fast etwas erschrocken zog er die Hand schnell weg, als der Gesichtsausdruck fast noch ernster wurde, aber dann gingen beide auch schon wieder hinein.

„Ein Bett im Kornfeld, zwischen Blumen und Stroh ...“, wurde gerade Jürgen Drews nachgegrölt, als sie hereinkamen, während zwei auf einem Sofa saßen und in ein Videospiel vertieft waren. Als einer von ihnen das kleine weiße Quadrat schon wieder verfehlte, ließ er den an einem langen Kabel hängenden Joystick fallen, sprang auf, und sah sich nach etwas zu trinken um. Die Frau mit den langen Haaren, die in einer Ecke lehnte, war Max auch schon einige Male auf dem Gang in der Uni aufgefallen, aber einerseits schien sie sich ohnehin schon sehr gut mit diesem Typen zu unterhalten, und andererseits waren es in letzter Zeit nicht unbedingt die Frauen, die seinen Pulsschlag erhöhten. Das wusste natürlich niemand, außer die paar Leute, mit denen er da und dort schon ein flüchtiges Abenteuer gehabt hatte.

Er stand allein mitten im Raum, als ein langsames Stück zu laufen begann, „Fernando“ oder so, und jemand auch noch ein paar der Lampen abdrehte. Der Typ, die Frau und noch zwei andere Paare traten in die Mitte des halbdunklen Raums und begannen langsam zu tanzen. Verlegen trat er zur Seite und sah sich in der nebenan liegenden Küche nach etwas zu trinken um. Hoffentlich würde bald laute und rockigere Musik kommen, dachte er sich.

* * *

Vielleicht hätte Max sich doch zurückhalten und nicht so viel trinken sollen, meistens tat er das ja auch, aber zumindest kam er auf seinem nächtlichen Heimweg an dieser öffentlichen Toilette am Rande des Stadtparks vorbei. Es war jetzt schon wieder einige Wochen her, dass er hier von einem Moment auf den anderen ein heimliches Abenteuer erlebt hatte, aber jetzt wollte er sich einfach nur an die Pissoir-Wand stellen und es laufen lassen.

Scharfer Urin-Gestank schlug ihm entgegen, als er die Tür zu dem kleinen Raum öffnete. Zigarettenreste lagen auf dem Boden, und den Mann, der höchstens zwei Meter entfernt von ihm stand, und das womöglich schon länger, versuchte er einfach nicht zu beachten, aber das rhythmische Stöhnen und Gemurmel aus der Kabine hinter ihm war ihm nicht entgangen. Zwar musste er wirklich dringend, aber bei ihm ging überhaupt nichts.

„Ja, gleich ...“


„Komm!“


„Willst du?“


„Ja, spritz mir alles rein!“

Er erstarrte, tat so, als ob er überhaupt nichts gehört hätte, doch anstatt dass er sein Bier loswerden konnte, richtete sich bei ihm nun langsam etwas auf. Ein letzter, lauter und langgezogener Schrei kam aus der Kabine, ein leichtes Zucken durchfuhr ihn, und er versuchte sich noch einmal gerade hinzustellen und seinen Blick nur auf die Wand vor ihm zu richten. Als er doch noch gegen seine Prostata ankämpfen konnte und die ersten Tropfen zu Boden fielen, stand der eine Typ direkt neben ihm. Ihre Blicke trafen sich, er überlegte noch einige Sekunden lang – um dann alles hastig und notdürftig in seiner Hose zu verstauen und einen raschen Abgang zur Tür zu machen.

Eine Viertelstunde später bei ihm zuhause musste es dann mindestens eine Minute gedauert haben, bis die Sache erledigt war, und er wünschte sich fast, jemand hätte dabei sein Gesicht gesehen. Jetzt, wo er ungestört und allein war, kamen ihm die Bilder von vorhin wieder in seine Gedanken, zeigten auch ihre Wirkung, und er begann damit, sich doch noch auf eine andere Weise zu erleichtern. Doch als es ihm kam, war es nicht das Erlebnis in diesem öffentlichen Klo, dass ihm durch den Kopf schoss. Außer darauf, sich in das Bett zu werfen, hatte er nicht mehr viel Lust. Noch im Halbschlaf fragte er sich, wie das mit dem Durchgang in eine blühende Landschaft gemeint sein könnte, und schlief in dieser Nacht jedenfalls recht gut.

* * *

Eisiger Wind pfiff Max entgegen, und seine Fingerspitzen waren trotz der Handschuhe eingefroren, als er an diesem Abend im November auf dem Weg zu seinem Studien-Kollegen war. Immerhin waren sie schon öfters zusammen in einer Vorlesung, und hatten schon mehrmals miteinander geplaudert. Ein etwas komischer Typ war er schon, fast so, als ob er wie besessen an einem Projekt arbeitete. Die Geologie Mitteleuropas, Eigenschaften bestimmter Gesteine, Höhlen und Felsformationen – einerseits interessant, andererseits fragte er sich immer noch, ob er nicht doch eine andere Studienrichtung einschlagen sollte. Was war es nur, das er ihm zeigen wollte?

„Hallo, setzt dich hin, möchtest du was trinken?“


„Ja, aber nichts so Heftiges“, sagte er und nahm auf dem Sofa Platz, in das man fast versinken konnte.


„Ganz schön kalt draußen, nicht?“


„Ja, ziemlich.“


„Gut, nur einmal eine Frage – möchtest du wirklich die nächsten 5 Monate mit diesem Fickwetter leben?“


„Also bitte, das heißt Kuschelwetter!“

Beide saßen nebeneinander, beim letzten Wort hatten sich ihre Gesichter ein bisschen verzogen, und Stille lag in der Luft.

„Ja, wenn man es feiner ausdrücken will … na dann, Prost!“

„Was ich sagen wollte, hast du schon einmal das Gefühl gehabt, von der Kälte in ein großes Kaufhaus zu gehen, und wie in einer anderen Welt zu sein?“


„Ja, so lange sie noch keinen Eintritt verlangen ...“


„Und jetzt stell dir vor, du könntest durch einen Durchgang gehen, wo du von hier aus fast mit dem Bus hinkommst – und du bist wirklich in einer anderen Welt. Sonnenschein, immer angenehm warm, sexuelle Freizügigkeit“, sagte sein Bekannter und grinste etwas, „niemand schreibt dir vor, was du machen sollst ...“


„Hört sich an wie diese Hippie-Gegenden in Indien.“


„Ja ich weiß, das klingt alles komisch, aber schau dir das einmal an. Ich habe es sonst noch niemand gezeigt, aber bei dir ...“

Für das vergilbte Buch, das die beiden durchblätterten, fand er praktisch nur ein Wort – faszinierend, aber was davon sollte er glauben? Es lockte es ihn fast schon, für die paar Kilometer zu dem Ort, der auf einem losen Blatt skizziert war, nach einem Taxi Ausschau zu halten, weil um diese Zeit kaum noch etwas an den Stadtrand fuhr, aber es war ja doch nur in etwa so, wie ein Horoskop allzu wörtlich zu nehmen. Selbst bei alten Märchen war durchaus auch immer etwas Wahrheit dabei, aber vielleicht war es ja einfach nur eine ungewöhnliche Gesteinsformation.

Die beiden tranken aus, gingen langsam durch den Raum, ohne etwas zu sagen, und Max blickte, geistig etwas abwesend, beim Fenster hinaus. Die Hände, die er auf einmal auf seinen Schultern spürte, fielen ihm erst Momente später wirklich auf, zwar zuckte er kurz zusammen, wurde dann aber ganz ruhig, auch als die Hände ein bisschen weiter wanderten.

„Ist dir das unangenehm?“, sagte die Stimme seines Studienkollegen hinter ihm.


„Ich … also ...“

Stille lag in der Luft, in der die Hände ein Stück weiter wanderten, und sich nun ein ganzer Körper von hinten an ihn presste.

„Kann ich dir etwas sagen?“, sagte Max. „Also vor einem Monat, bei dieser Party – da habe ich mir vorgestellt, mit dir zu tanzen.“


„Oh, wirklich?“

Langsam machten beide zusammen ein paar Schritte, drehten sich zueinander, und ohne dass irgendwelche Musik lief, probierten sie eine Tanzhaltung einzunehmen und einige Tanzschritte zu machen. Vielleicht war es auch nicht unbedingt Zufall, dass sie knapp neben dem Bett stolperten, und sich fallen ließen.

„Das sollten wir noch üben“, sagte er zu seinem jetzt nicht mehr so unbekannten Kollegen.

Dessen Hand berührte ihn wieder an der Schulter, wanderte diesmal aber weiter hinunter, immer weiter, noch ein Stück. Max drehte sich zu ihm hinüber, so dass sie sich direkt tief in die Augen sahen, und schickte auch seine Hand auf die Reise.

„Ich traue mich nicht“, sagte er, als er ihm nicht wirklich fest in den Schritt gegriffen hatte, und eine feste Ausbuchtung zu spüren glaubte.


„Weißt du was? Wenn du willst, kannst du heute auch über Nacht bleiben, es ist ja schon recht spät.“


„Dann könnten wir ja morgen zusammen zu dieser Stelle fahren.“

Es waren mehrere Minuten, die sie einfach so nebeneinander lagen – bis sie sich wieder anblickten.

„Ok“, hauchte sein Kollege, „bleib einfach liegen und entspann dich.“

Max half ihm, fast unbewusst, mit dem Verschluss der Gürtelschnalle, als er sich daran zu schaffen machte, und störte sich nicht daran, dass ihm die Hose ausgezogen wurde. Nur noch in einem Unterhemd und Unterhose lag er da, als er wieder eine Hand an sich spürte, die von außen seine aufkommende Erektion betastete. Ganz langsam strichen einige Finger über den Stoff, immer wieder, irgendwann die ganze Hand. Er war es selbst, der sich nach den immer fordernderen Griffen unter den Stoff die Unterhose auszog, und nun einfach so mit einem Steifen auf dem Bett eines anderen Mannes lag, den er bisher nur wenig persönlich kannte, zu dem er aber ein großes Vertrauen spürte. Er hatte auch schon das Gerede mitbekommen, dass sich auf dem Männerklo auf der Uni so manche Sachen abspielten, aber es war ihm immer undenkbar vorgekommen, sich dort nach jemand umzusehen. Was wäre, wenn ihn jemand sehen und dann alles herumerzählen würde?

Es war ein entschlossener, aber dennoch nicht sehr fester Griff, den er im nächsten Moment spürte, ganz anders als diese hektischen Begegnungen mit irgendjemand zuvor. Fast raubte es ihm den Atem, er musste tief durchatmen, und es entkam ihm ein halblauter Schrei. Sein Studienkollege, der neben ihm am Bettrand saß, machte beharrlich weiter, und als er mit den Fingern seiner anderen Hand über den ganzen Körper von Max strich, erlebte er ein Gefühl, das ihm bisher ziemlich fremd gewesen war.

Die Lage spitzte sich zu, es war langsam schwierig, ruhig zu bleiben. Als sich ein Mund über ihn stülpte, hob ihn das in ganz andere Höhen und er glaubte, dass es nun jeden Moment so weit sein musste – aber das Gefühl blieb, und er konnte sich noch beherrschen. Es war etwas, das tief in seinem Inneren begann und zu einem bebenden Ausbruch wurde, als es dann doch kein Zurück mehr gab, er sich einfach in der feuchten, warmen Höhle ergoss. Reglos lag Max da und hatte immer noch die Augen geschlossen, als er noch etwas auf ihn klatschen spürte und ein tiefes Durchatmen und Stöhnen hörte.

In dieser Nacht schlief er noch viel besser.

* * *

War es gestern noch gegangen, so war Max heute trotz Wintermantel so richtig kalt. Der Himmel bestand auch nur noch aus einer grauen Schicht, während sich vor ein paar Tagen noch einzelne Sonnenstrahlen gezeigt hatten. Immerhin tauchte der Bus nach ein paar Minuten auf, in dem an diesem frühen Vormittag nicht allzu viele Fahrgäste unterwegs waren. Sie sahen noch einmal gemeinsam auf die Karte. Die zwei nicht allzu weit auseinander liegenden, angezeichneten Punkte mussten höchstens einen Kilometer von der Endstation entfernt sein.

„Was bauen die da schon wieder?“, fragte sich Max beim Aussteigen.


„Das muss schon die U-Bahn-Station sein, da bist du dann in der halben Zeit hier, wenn du schnell genug durch die Gänge gehst.“


„Der eine Punkt – ist der nicht ziemlich genau dort, wo die Baustelle ist?“


„Ja, aber die Quellen dazu sind sowieso unsicher … gehen wir einfach weiter zu der anderen Stelle.“


„Na gut“, meine Max, und war sich immer noch nicht sicher, ob es eine gute Idee war, bei diesen Polartemperaturen hier herumzulaufen. Aber was hätte er an diesem Tag sonst schon vorgehabt?

Vorbei an den letzten Häusern dieses Wohngebietes am Waldrand, gingen sie den leicht geschwungenen Weg entlang. Sie sahen sich kurz um, ob sie allein waren, hielten sich für einen Moment an der Hand – um dann etwas zu lachen und sich wieder zu trennen. Die letzten welken Blätter hingen noch an manchen der Laubbäume, und eine plötzliche eisige Windböe ließ die Spitzen der hohen Nadelbäume einander berühren und erzeugte ein knirschendes Geräusch. Er fragte sich, wie lange er noch hier herumlaufen sollte – bis er in einem Berghang etwas sah, das ein aus Natursteinen gemauerter Eingang zu einem Keller sein konnte, oder auch einfach eine natürlich Höhle oder ein zufälliger Steinhaufen. Die Felsspalte dort war so groß, dass man sich gerade hineinstellen konnte.

„Ist es das?“, fragte Max, und bekam nur ein Kopfnicken als Antwort.

Er trat vorsichtig hinein, tastete die Wände etwas ab, sah sich um. „Ungewöhnlich wirkt das jetzt nicht auf mich, für unsere Gegend – aber andererseits ...“


„Ich war schon einige Male hier, habe mir das genau angesehen, und – ich sage dir das jetzt einmal so – habe etwas gespürt, etwas war anders. Aber es ist nichts passiert, es hat einfach etwas gefehlt.“


„Vielleicht habe ich gefehlt“, sagte Max, und blickte in die Augen seines Begleiters.

Dieser stand kurz mit etwas offenem Mund da, sagte nichts – und schmiegte sich im nächsten Moment von hinten an Max und legte langsam seine Arme um ihn. Wirklich viel konnte er durch die Winterkleidung nicht spüren, aber trotzdem baute sich auf seinem Gesicht ein Lächeln auf, und ein Gefühl ging durch ihn, das noch etwas anders als gestern Abend war. Sie sahen sich an, blickten einander noch tiefer in die Augen, ihre Lippen kamen einander näher – doch Max hielt inne.

„Was ist?“, bekam er zu hören.


„Meine Hände, es ist, als ob … und überhaupt, es fühlt sich wärmer an!“


„Wirklich?“

Ein zweites Paar Hände, jetzt ohne Handschuhe, legte sich auf seine, fühlte auch die Wärme, die auf einmal entstand, glaubte auch fast, den Fels durchdringen zu können. Als Max wieder ein intensives Kribbeln durchfuhr, drehte er sich zu seinem Kollegen, umarmte ihn für einen Moment – und küsste ihn, küsste ihn so lange und so fest, wie er noch nie einen Mann geküsst hatte. Für einen kurzen Augenblick wurde ihnen schwarz vor den Augen, als sie sich noch einmal fest aneinanderdrückten und umarmten, doch dann waren sie nur noch von wärmenden, grellen Sonnenstrahlen umgeben, und sie blickten auf ein Meer.

Kapitel 2 – Begegnungen in der Gegenwart

Es waren jetzt schon ein paar Monate, die ich in der Stadt an der Südküste verbracht hatte. Zuerst machte ich noch ein paar Telefongespräche und verfolgte gespannt die Nachrichten, wenn sich die Grenze zwischen unseren Welten für eine Weile öffnete und die Funkwellen durchließ, lachte schadenfroh über die angekündigten Tiefdruck-Gebiete – doch irgendwann wollte ich nichts mehr davon wissen.

Als Angelina und Alejandro einen Tag nach unserem Funkkontakt in der Stadt ankamen, verbrachten wir die Zeit oft gemeinsam am Strand, tanzten durch endlose Nächte unter farbigen Lichtschlangen, erkundeten gemeinsam die Gegend, und landeten am Ende doch immer wieder zu dritt im Bett, obwohl ich fast lieber auch einmal wieder sie oder ihn für mich allein gehabt hätte. Dieses Kraut, das mindestens ein paar Wochen lang völlig unfruchtbar machte, Männer auch, gab es hier schließlich reichlich. Doch als sich eines Tages sie und Ina näher kennenlernten, die Frau, die mir hier an der Anhöhe über der Stadt als erste begegnet war, begann für sie ohnehin eine aufregende Affäre.

Bei dem einen oder anderen Abenteuer, das ich mit der Zeit hatte, gingen manche sehr intensiv ab, als ob es tatsächlich so etwas wie eine Kraft verleihende Injektion war, die sie von mir bekamen. In meiner Welt hätte ich mir garantiert schon die schlimmsten Sachen eingefangen, aber an der Südküste gab es womöglich nicht einmal diesen leichten Hautausschlag, oder sie streuten diese anderen Blätter, die dagegen halfen, schon überall ins Essen. So wie Angelina die Stelle aus dem Buch interpretiert hatte, konnte es wirklich ich sein, der dieser Welt nun neuen Zusammenhalt verlieh, es war die Rede davon, dass spätestens so etwa alle 30 Jahre eine neue und genau hier her passende Person ankommen musste. Niemand konnte sagen, ob es wirklich ich war, aber seit meinem Sprung in dieses Ding bei der Westkante gab es keine Stürme und keinen kalten Wind mehr, nichts. Manchmal regnete es ein bisschen, so dass nicht alles austrocknete, aber sonst war es einfach nur perfekt – vielleicht zu perfekt.

* * *

„Hallo – du bist Marcello, richtig?“, sagte eines Tages auf dem zentralen Platz jemand, der wie ein Student aussah, und für meinen Geschmack keine schlechte Figur hatte.


„Ja – kennen wir uns vielleicht?“


„Maximilian, Max … Also das ist schon unglaublich, ich bin jetzt praktisch schon Jahrzehnte hier, und vor einiger Zeit hat das mit diesen Unwettern angefangen, aber seit du hier bist ...“


„Ja, alle reden über mich, ich bin der große Held – aber schön langsam möchte ich auch einfach nur eine Weile meine Ruhe haben.“

Er drückte nicht sehr fest zu, als wir uns die Hände gaben, aber trotzdem war es so etwas wie ein starker Energiefluss, den ich von ihm zu spüren glaubte. Auch er blickte mich an, so als ob der Händedruck nicht das war, was er erwartet hätte.

„Moment, Jahrzehnte?“, setzte ich fort.


„Es ist jetzt 35 Jahre her, wie ich zum ersten Mal hier war.“


„Das heißt, also dann, Moment … aber das kann ja nicht sein!“


„Ich weiß, du denkst, ich bin höchstens 25 – aber ich bin 55.“

Ich stand nur mit offenem Mund da, stützte mich an einem Tisch ab, und setzte mich erst einmal.

„Also ich bin 34, und die meisten sagen, ich sehe aus wie 20 oder höchstens 24, aber ...“

Max setzte sich zu mir, und ohne dass wir noch etwas bestellt hätten, bekamen wir etwas auf den Tisch, das nach einem fruchtigen Cocktail aussah. Wir prosteten uns zu.

„Es war im November 1976“, holte er zu einer Erzählung aus, „wie ich zum ersten Mal durch das Portal gegangen bin. Ich habe das natürlich für ein Märchen gehalten, wie mir jemand davon erzählt hat, aber es war eiskalt – und im nächsten Moment kuschelig warm, und ich bin auf dem Hügel über der Stadt gestanden.“


„Und du hast hier jemand – ähm – kennengelernt?“


„Ja – einige“, schmunzelte er etwas, und berührte meine Hände. Sofort kam es mir vor, als ob sich alle meine Haare aufstellten.

„Es gibt ein paar Überlieferungen“, setzte er fort, „schon lange vor mir müssen Menschen hier hergekommen sein, haben sogar einmal Bahngleise verlegt ...“


„Ja, die kenne ich.“


„Ich bin ein paar Mal durch das Portal gegangen, wir haben alles mögliche Zeugs mitgenommen. Irgendwann hat es nicht mehr funktioniert, und der nördliche Teil der Landmasse war auch nicht mehr erreichbar, so dass ich eben hier geblieben bin. Kennst du die Geschichte?“


„Wie wäre es“, sagte ich, als ich bemerkte, dass er mir schon länger sehr tief in die Augen sah, und mit seinen Fingern ganz selbstverständlich meine Hände massierte, „wenn wir an den Strand oder so gehen, und das alles in Ruhe besprechen?“


„Gut!“

Neben dem kleinen Hafen erstreckte sich ein Strand aus feinem, sehr hellem Sand. Am Anfang gab es noch eine Promenade aus Holzbrettern, die etwas amateurmäßig gebaut, aber stabil wirkte, und eine Reihe aus kleineren Palmen, die vielleicht einmal jemand gepflanzt hatte, aber dann war es nur noch ein natürlicher Strand, der bis zum Horizont reichte. Schon öfters war ich ihn ein paar Kilometer entlang gegangen, aber ob jemand einmal die Stelle erforscht hatte, an der er in die Westkante überging? Wir gingen immer weiter und waren allein, über uns nur blauer Himmel und ein paar kleine Wolken. Unsere Sandalen hatten wir schon lange ausgezogen, und auch ich trug mein T-Shirt nur noch über die Schulter gehängt herum, so dass wir beide nur noch in kurzen Höschen herumliefen. Sein Oberkörper war vielleicht nicht perfekt, aber doch recht kräftig und ansatzweise muskulös, und das ewige Wetter wie in einem perfekten Mai oder Juni musste seine mitteleuropäische Haut schon vor langer Zeit in einem Farbton getaucht haben, der schon leicht an Zimt erinnerte.

„Vielleicht sollten wir doch einmal immer weiter nach Süden fahren, und sehen wie es weitergeht. Die West- und Ostpassage ist jedenfalls seit ein paar Jahren zu“, sagte er, nachdem wir uns in den Sand gesetzt hatten, er sehr knapp neben mir.


„Was ist dort?“, wurde ich neugierig.


„Feuer, Hitze, kochendes Wasser – keine Chance. Die Schiffe sind bis jetzt immer wieder umgedreht.“

In meinen Gedanken bauten sich Bilder auf, wie es an dieser Stelle aussehen könnte, aber ich verdrängte es einfach wieder, während es für ihn fast schon selbstverständlich zu sein schien. Hatte ich mit der Vorstellung von glühender Lava, die das Ende dieser Welt markierte, doch nicht so unrecht gehabt?

„Und dieser Landstreifen im Süden? Wie nennt ihr es, das Unbekannte Südland?“, fragte ich.


„Dort gibt es irgendwann nur noch glühende Sand- und Steinwüste.“


„Vielleicht können wir das gemeinsam schaffen“, sagte ich, rückte noch näher an ihn und strich mit zwei Fingern über seine Beine, wobei mich wieder dieses Gefühl durchzuckte.

Es waren in diesem Moment auch nicht mehr nur meine Haare, die sich aufstellten. Seine Hand näherte sich langsam, ich fühlte, wie er mich langsam betastete, kurz innehielt – und mir die Hose ein paar Zentimeter hinunterzog. Auch ich berührte seine Badeshorts, bekam bald eine Ahnung davon, was darunter verborgen war – und im nächsten Moment verzog sich sein Gesicht ungefähr so, als ob ich ihm gerade heißes Wasser drübergeschüttet hätte.

„Was, so schnell?“, sagte ich.


„Nein … es ist nur ...“, versuchte Max ein paar Worte hervorzubringen, während er etwas nach Luft rang. Obwohl, mir war auch fast die Luft weggeblieben, als er mich noch kaum berührte.

„Ich glaube fast … also wir beide zusammen … so wie das einmal gehört habe, könnte es sein, dass es sich dann ins Unermessliche steigert“, sagte er nach ein paar Momenten.


„Weißt du was“, erwiderte ich und zog meine Hose selber noch ein Stück nach unten, „gehen wir doch einmal etwas schwimmen.“


„Ok“, sagte er, zog seine Hose aus, legte sie in den Sand, und machte ein paar Schritte in Richtung Meer. Ich sah ihn nicht direkt an und entledigte mich auch meines Höschens. Max wirkte auf mich fast so, als ob er früher einmal ein bisschen schüchtern gewesen, und nicht einfach so mit jemand nackt baden gegangen wäre, aber das schon lange abgelegt hatte.

Er ging einfach weiter durch die sanften Wellen, und es fühlte sich noch immer so warm an wie eine sehr seichte Stelle, die von der Hitze des Hochsommers auf angenehme Temperaturen aufgewärmt wurde. Dabei war es hier nicht brutal heiß, und das Wasser bald so tief, dass man schön darin schwimmen konnte. Fast gleichzeitig stürzten wir uns hinein, und schwammen etwas hinaus. Ob es Absicht von ihm war, dass er einige Male an mich anstieß?

Ein schönes Stück vom Ufer entfernt sah ich immer noch den Meeresboden aus fast weißem Sand unter mir, und es wurde wieder so seicht, dass ich stehen konnte. Eine Sandbank tat sich vor mir auf, die einmal gerade so aus dem Meer herausragte, und im nächsten Moment wieder von den Wellen überspült wurde. Ich machte ein paar Schritte, eine S

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