Liebestod im Kloster
von Susi M Paul
Trotz der vorgerückten Stunde hatte niemand ein Auge zugetan. Betend hatten die Mönche im Kapitelsaal, die Nonnen in ihrem Refektorium ausgeharrt. Als sie die Pferdehufe auf dem Pflaster hörten, strömten sie binnen Minuten auf dem Platz zwischen der Kirche und dem Frauentrakt zusammen.
Der greise Abt war geschwächt durch die lange Reise und bedrückt von der Nachricht, die er zu übermitteln hatte. Deshalb übernahm es der Vogt, den unanfechtbaren Beschluss des Generalkapitels zu verkünden: „Um des Seelenheils unserer geliebten Brüder und Schwestern willen ordnen wir an, dass künftighin keines unserer Klöster von Mönchen und Nonnen gemeinsam bewohnt werden soll, sondern jedes nur von einem Zweig des Ordens “
Ohne auf das enttäuschte Gemurmel und nicht wenige Ausrufe des Entsetzens zu achten, fuhr der Schutzherr fort: „Ihr wisst, euer Vater Abt und ich selbst hätten euch gerne eine andere Entscheidung aus St. Eustach mitgebracht. Aber ihr wisst auch, dass wir dort auf verlorenem Posten standen. Nun obliegt es mir, diese Anordnung umzusetzen.“
Er legte eine kleine Pause ein, räusperte sich und bestimmte dann: „Die Nonnen werden sich unverzüglich in ihren Bereich zurückziehen. Zur Sicherheit werden meine Leute die ganze Nacht über ihre Pforte bewachen und zusätzlich den Verbindungsgang kappen. Bei Tagesanbruch, nach der Vigil, werde ich sie persönlich nach Steinlinden führen.“
*
„Müller“, schnaubte er widerwillig ins Telefon, das ihn beim Abfassen eines dieser unsäglichen Berichte unterbrochen hatte.
„Herr Müller, sind Sie der für Kloster Eichmühlen zuständige Archäologe?“, erkundigte sich eine Frauenstimme. „Wenn ja, dann hätten wir etwas für Sie.“
„Wer ist wir?“
„Oh, Verzeihung! Samling, Julia Samling, Gerichtsmedizinerin. Aber keine Angst, unser Fall ist eher ein Fall für Sie. Ich erkläre es Ihnen, sobald Sie hier sind.“
Keine halbe Stunde später schüttelte er ihre Hand. Zwei Polizisten rollten die Absperrbänder auf, die sie um den vermeintlichen Tatort gezogen hatten, ansonsten strahlte die Ruine im abgelegenen Tal die übliche Herbstruhe aus.
„Ein Bauer ist heute früh mit seinem neuen Traktor auf dem Weg neben der Kirchenmauer eingesackt. Besser gesagt: Ein Reifen hat so etwas wie eine unterirdische Kammer zum Einsturz gebracht. Und als er hinuntergeschaut hat, hat er ein paar Knochen gesehen und die Polizei verständigt.“
„Der Geheimgang!“, kommentierte ihr Gegenüber trocken.
„Dann kannten Sie den schon? Schade, ich dachte, wir hätten da eine archäologische Sensation gefunden.
„Kennen ist zuviel gesagt, und Geheimgang eigentlich auch. In der Krypta der Kirche gibt es eine zugemauerte Tür. Wir haben immer schon vermutet, dass es früher einmal eine unterirdische Verbindung zu dem ehemaligen Gebäudekomplex für die Nonnen auf der anderen Seite des Weges gegeben hat. Eichmühlen, müssen Sie wissen, war in seiner Anfangszeit nämlich ein Doppelkloster. Die Männlein wohnten rechts, die Weiblein hinter einer zusätzlichen Mauer links von der Kirche. Außer bei den Gottesdiensten hielten sie brav Abstand, damit auch nichts passiert.“
„Aber mit einem Verbindungsgang, falls die fleischliche Versuchung doch einmal überhand nahm?“, kommentierte die Medizinerin die doppelklösterliche Geschlechtertrennung mit einem verständigen Lächeln.
„Vermutlich gibt es für den eine ganz profane Erklärung“, umschiffte der Archäologe erst einmal reichlich humorlos die frivole Anspielung. „Die Schwestern wollten wahrscheinlich bei Schnee und Regen trockenen Fußes zum Beten kommen. Ob er auch für sündige Techtelmechtel benutzt worden ist“, setzte er dann doch hinzu, „wer weiß das schon? Irgendwann scheint er eingebrochen und verfüllt worden zu sein, zumindest größtenteils. Wir haben ihn nicht ausgegraben, weil er uns zu uninteressant erschien.“
„Jetzt dürfen Sie aber drin herumbuddeln. Wir haben für den Anfang einen kleinen Raum zu bieten, knapp einsfünfzig auf einsfünfzig. Die Polizei hat schon die Steine herausgeklaubt, die heute früh hineingefallen sind.“
„Vermutlich ein einfaches Tonnengewölbe.“
„Vermutlich. Spannend ist aber, was wir dort gefunden haben. Die Knochen, die der Bauer von oben gesehen hat, gehören nämlich zu zwei Skeletten. Die Schädel und Teile der Brustkörbe stecken in einem Berg von Schutt, den wir nicht angerührt haben. Möglicherweise ist das auch die Todesursache gewesen: ein Unfall. Oder jemand wollte sie für immer verschwinden lassen. Was den Todeszeitpunkt angeht, bin ich überfragt. Aber der Zustand der Knochen, ein paar Stoffreste, die zu Kutten gehört haben könnten, und zwei Metallkreuze im unteren Brustbereich haben mich zu der Mutmaßung veranlasst, dass wir den oder die Mörder nicht mehr zu suchen brauchen, selbst wenn es sich um ein Verbrechen gehandelt haben sollte. Die beiden waren ziemlich sicher Klosterinsassen und sind vor Jahrhunderten gestorben. Wie gesagt: ihr Fall.“
„Herzlichen Dank für die vorläufige Diagnose.“
„Moment! Das Wichtigste und Merkwürdigste kommt noch. Die Skelette lagen nämlich nicht neben-, sondern übereinander. Und zwar, man höre und staune, unten ein Mann und oben eine Frau, wenn ich die Beckenknochen richtig vermessen habe. Melden Sie sich mal bei mir, wenn Sie dafür eine schlüssige, möglichst eine schlüpfrige Theorie entwickelt haben!“
*
„Pater Gerhart, darf ich euch eine Frage stellen?“
Erstaunt blickte der Mönch auf. Seit zwei Monaten verrichtete Schwester Klara den Regeln gemäß schweigend ihren Dienst als Sakristanin. Noch nie hatte sie es gewagt, das Wort an ihn zu richten. Und auch jetzt schien sie mehr mit dem Zusammenfalten des Altartuchs beschäftigt als mit ihrem Anliegen.
„Was möchtest du denn wissen?“
Wie um Zeit zu gewinnen, beendete sie zunächst sorgfältig ihre Arbeit und wandte sich dann langsam zu ihm um.
„Heute Morgen habt ihr in der Predigt über die Keuschheit gesprochen, über die Stelle im Evangelium, wo es heißt: ‚Wer es fassen kann, der fasse es‘, und darüber, dass wir, die wir den Weg der Enthaltsamkeit gewählt haben, von Gott eine besondere Gnadengabe empfangen haben.“
„Das ist richtig. Hat dir daran etwas missfallen?“
„Oh nein!“, begann sie, stockte, senkte die Augen zu Boden, um sie nach einem kurzen Moment wieder zu erheben. Er konnte an ihrem Gesichtsausdruck erkennen, dass sie darum rang, die richtigen Worte zu finden. „Oder vielleicht doch“, fuhr sie zweifelnd und unsicher fort. „Ich meine… Ich wollte…“, stammelte sie.
„Bist du sicher, dass du nicht lieber mit deiner Mutter Priorin oder mit deinem Beichtvater darüber sprechen möchtest?“, warf Pater Gerhart ein, dem schwante, dass seine Helferin auf eine äußerst delikate Angelegenheit hinauswollte.
„Oh nein!“, kam es wieder als Antwort, diesmal fast brüsk. Dann sagte sie mit so leiser Stimme, dass er Mühe hatte, die Schwester zu verstehen: „Ich meine, ich habe es schon versucht, aber Mutter Jutta hat mich gar nicht ausreden lassen und mir eine Woche strenges Fasten auferlegt. Und der ehrwürdige Pater Augustinus, ihr kennt ihn, wurde als unser Beichtvater ausgewählt, weil er sich den Ruf eines Eiferers für die unbedingte Keuschheit erworben hat.“
Wieder blickte sie eine Weile zum Boden, bis ein Ruck durch ihren Körper ging. Sie hatte sich entschieden, die Gelegenheit zu nutzen.
„Ihr müsst wissen, Pater Gerhart, dass ich bereits verheiratet war, mit Graf Ulrich von Ulrichstein. Doch nach einem Jahr verunglückte er bei einem Ausritt. Da Gott uns keine Nachkommen geschenkt hatte, beschlossen mein Schwager und meine Schwiegermutter, mich in dieses Kloster zu stecken, um sich ihrer Verantwortung für mich zu entledigen.“
„Und du fühlst dich nicht berufen für ein Leben als Ordensfrau?“, half Gerhart ihr auf die Sprünge, als der Redefluss wieder zu versiegen drohte. „Du glaubst, dass der Weg der Enthaltsamkeit nicht dein Weg ist?“
„Ihr sagtet heute Morgen“, fuhr Schwester Klara ausweichend fort, „dass Mönche der Gnade Gottes noch viel stärker bedürften als wir Nonnen. Ihr Leib und ihre Natur, sagtest du, bescherten den Männern ein ums andere Mal das schändliche Erlebnis der fleischlichen Lust mit ihrem Ausfluss. Wenn dies bei Nacht geschehe und ohne ihr Zutun, trügen sie daran zwar keine direkte Schuld. Aber der Hang zur Sünde sei dadurch umso größer, als sie diesen flüchtigen Augenblick einer verderblichen Verzückung immer wieder erleben, so als ob Satan selbst sie stetig in Versuchung führen wolle. Die Natur von uns Frauen, sagtet ihr, kenne zwar den anderen Ausfluss, aber gerade nicht diesen wiederkehrenden Lockruf der Wollust, weshalb wir leichter die Gefahr für unser Seelenheil umschiffen könnten.“
„Das ist richtig, das sagte ich, und zwar, weil darin, wenn sie auch in anderen Punkten unterschiedlicher Ansicht sind, Theophrast von Alexandrien, Gundobald von St. Liuben und selbst der große Guillaume von St. Etienne übereinstimmen.“
„So, tun sie das?“, murmelte Schwester Klara nachdenklich vor sich hin, erinnerte sich an die Wonnen, die die tiefe, warme und allzu oft ohne ihr Zutun feuchte Einkerbung zwischen ihren Schenkeln ihr schon beschert hatte, und wagte es schließlich, ihre Zweifel auszusprechen.
„Ich glaube, Pater Gerhart, was diese drei in ihrer Weisheit über die Natur der Frauen und die Lockungen des weiblichen Fleisches sagen, mag vielleicht für einige meiner Mitschwestern gelten. Doch was soll ich sagen, die ich die Verzückung der Wollust so oft an meinem eigenen Leib erfahren habe? Und die ich nun gezwungen worden bin, Keuschheit zu versprechen. Dabei fühle ich mich viel zu schwach, gegen die Versuchung anzukämpfen! Wie kann ich so leben, ohne mich ständig zu versündigen. Auf der einen Seite muss ich Enthaltsamkeit versprechen. Auf der anderen Seite knete ich beinahe jede Nacht an dem Knoten der Verzückung und reibe verzweifelt die vom Verlangen träufelnde Spalte der Lüsternheit, bis ich in die süßen Krämpfe des sündigen Leibes verfalle, um endlich zur Ruhe zu kommen. Sagt mir, wie kann ich so zum Seelenheil gelangen?“
„Schwester Klara, was sagst du mir da? Was willst du von mir? Ich bin nur ein einfacher Mönch, der selbst mit der Versuchung ringt. Mir wurde die Aufgabe zugewiesen, die Messe zu lesen und die Kirchenlehrer zu studieren. Wie soll ich, der ich nicht in den Dienst der Führung der Seelen eingewiesen wurde, dir eine Antwort geben? Was kann ich dir anderes raten, als im immerwährenden Gebet die Gnade Gottes zu erflehen?“
„Nichts anderes habe ich in den letzten Monaten getan“, antwortete die Sakristanin mit verzagter Stimme. „Auch kann ich nichts von euch verlangen. Aber darf ich euch wenigstens inständig darum bitten, in euren Büchern nachzuschlagen, ob dort Trost und Hilfe für mich verborgen sind?“
Schweigend schüttelte er den Kopf. Doch als sie sich mit gesenktem Haupt auf den Weg zur Krypta machte, um durch den unterirdischen Gang ins Refektorium im Nonnentrakt zu eilen, da hatte Pater Gerhart ein Einsehen mit ihr.
„Lass uns in einigen Tagen noch einmal darüber sprechen“, rief er ihr nach, „vielleicht gibt es einen Ausweg.“
*
Der Prior hatte ihm ohne weitere Nachfragen die Erlaubnis gewährt, der neuen Sakristanin die Einzelheiten der Liturgie zum Patronatsfest des Klosters zu erklären. Ihn drückten an diesem Tag ganz andere Sorgen. Schließlich stand die Zukunft des Konvents auf dem Spiel.
„Habt ihr auch schon die Gerüchte gehört, dass heute die Gesandtschaft vom Generalkapitel zurückkehren soll“, fragte denn auch Schwester Klara ganz aufgeregt, ohne den großen Kerzenständer aus der Hand zu legen, den sie gerade polierte.
„Ja, und sie werden schlechte Nachrichten mitbringen“, erwiderte Gerhart bekümmert. „Aller Voraussicht nach ist das Ende der Doppelklöster beschlossene Sache. Ihr werdet sehr bald zu den Nonnen nach Steinlinden geschickt und die dortigen Mönche kommen hierher nach Eichmühlen. Wir werden uns also nicht mehr wiedersehen. Lass uns daher keine Zeit verlieren.“
„Du hast etwas herausgefunden?“, fragte Klara voller Hoffnung.
„Nun, leider nicht viel, was dir in deiner Seelennot helfen würde. Ich fürchte, wenn Gott dir nicht bald die Gnade der Enthaltsamkeit schenkt oder wenn sich vor dem Ablegen der ewigen Gelübde kein anderer Ehemann für dich findet, der die Glut deines vor Begehren brennenden Fleisches lindert, dann wird dich die Sünde immer wieder einholen. Allerdings, wenn dir dies als Trost gilt, gibt es über den Grad der Sündhaftigkeit deines geheimen Tuns Uneinigkeit in den Schriften, die ich konsultiert habe. Aber gehen wir Schritt für Schritt voran. Ich möchte erst einmal begreifen, wovon die Kirchenlehrer und Theologen überhaupt sprechen, wenn sie von den Gelüsten des Weibes sprechen, denn meine Kenntnis um die Natur der Frauen ist verständlicherweise begrenzt.“
„Was möchtest du wissen?“
„Paulus sagt, der Mann solle seine Pflicht der Frau gegenüber regelmäßig erfüllen und ihr beiliegen. Dein Mann hat dies wohl häufig getan, da du das letzte Mal davon gesprochen hast, dass du oft die Verzückung der Wollust am eigenen Leib erlebt hast.“
„Oh ja“, begann Klara, in ihrer Erinnerung zu schwelgen, „Graf Ulrich verstand sich wahrlich darauf, die ehelichen Pflichten nicht nur zu erfüllen, sondern sie zu einem Quell der Freude für mich zu machen. Und auch ich war nur allzu gerne dazu bereit, ihn bei Laune zu halten und gleichzeitig immer so auszulaugen, dass keine Gefahr bestand, dass er der Unzucht mit anderen Frauen verfallen würde. Kaum ein Tag verging, ohne dass er nicht schon beizeiten damit begann, mir in den Nacken zu beißen oder mit seinen starken Händen meine Brüste zu wiegen, um mich gebührend vorzubereiten. Lagen wir dann im Bett, unterließ er es nie, mich so lange zu liebkosen, bis der Freudentau aus meiner Pforte rann und ihn zum Aufspringen einlud.“
„Der Freudentau?“, fragte Gerhart verwundert.
„So nannte er das Öl der Begierde, das sich in meinem Leib zu sammeln beginnt, sobald ich an die Freuden der fleischlichen Vereinigung denke. Ach, wenn ihr wüsstet!“, seufzte sie, denn sie spürte, wie alleine die Erinnerung an die vergangenen Liebkosungen durch ihren Mann die Tropfen der Sehnsucht unter ihrer Kutte fließen ließen. „Und dieser Freudentau benässt dann die breite Einkerbung in meinem Körper, schon bevor sich diese ganz öffnet, um den ersehnten, starken, dicken Pflock einzulassen.“
„Und dann?“, fragte Gerhart sichtlich verwirrt, denn die Beschreibung der erwartungsfrohen Nässe im aufnahmebereiten Schlauch der Frauen ließ sein in solchen Dingen gänzlich ungeübtes Füllrohr auf überaus unschickliche Art und Weise anschwellen.
„Dann pflegte er auf mich aufzuspringen, seine steinharte Keule der Leidenschaft in mich hineinzutreiben und mich damit zu durchdringen. Dabei zupfte er an den empfindlichen Enden meiner Brüste, als wären sie ein wohlklingendes Musikinstrument, und in der Tat verfiel ich dabei immer in einen ganz eigenen Gesang, den ich nur anstimme, wenn mich das Verlangen des Fleisches mitreißt. Doch leider hatte das Anstürmen meines Mannes oft einen Makel. Seine Begierde war wie ein Donnerhall, der laut heranrollt, aber schnell wieder verstummt. Kaum hatte er sich in mich versenkt, grollte er auch schon auf, gab mir von seinem klebrigen Nass, was er zu geben hatte, und ließ ermattet von mir ab, um in Sekunden in einen tiefen Schlaf zu verfallen.“
„Ohne dass die vollendete Verzückung dich ergriffen hätte?“
„So ist es. Da also mein Mann zu diesem Teil der Pflichterfüllung meist nicht in der Lage war, hielt ich es für recht und billig, mich auf ihn zu legen und die Lippen meiner begehrlichen Furche an einem seiner Schenkel zu reiben, bis die wollüstige Ekstase mich schier des Verstandes beraubte. Dies tat ich selbstverständlich nur, um bei mir selbst jeglicher Gefahr der Unzucht mit einem anderen Mann, der diesen Makel vielleicht nicht aufgewiesen hätte, entgegenzuwirken. Das war doch nicht sündhaft, oder?“
„Das war nur allzu verständlich und als Teil der ehelichen Pflichterfüllung im Sinne des heiligen Paulus keineswegs sündig“, urteilte der staunende Mönch ohne zu zögern, obwohl er sich nicht wirklich sicher war, was Paulus über diesen Fall geschrieben hätte. „Obgleich…“, schob er deshalb nach einer kurzen Bedenkpause nach.
„Obgleich?“, forderte Klara ihn auf weiterzusprechen, während ihre rechte Hand auf der Höhe ihrer linken Brust seltsam kreisende Bewegungen vollführte.
„Obgleich Theophrast von Alexandrien, auf den unser Mitbruder Augustinus sich zu beziehen pflegt, auch dies bereits verurteilt, stellt doch für ihn jegliches Aufflammen von Wollust gewissermaßen den Urgrund der Sünde dar. Um wieviel sündiger, sagt er, wirke dann erst die vollendete Verzückung. Ginge es nach ihm, wäre jeglicher Ausfluss des Mannes ein Werk des verderbten Fleisches, selbst der unfreiwillige und der, der Nachkommen zu zeugen sucht. Und nur dieser letztere könne durch Werke der Andacht gesühnt werden, schreibt Theophrast, während die anderen männlichen Ergüsse und in noch viel stärkerem Maße die gänzlich unnütze und skandalöse Verzückung der Frau notwendigerweise den Weg zur ewigen Verdammnis wiesen.“
„Davon habt ihr aber bei eurer Auslegung des Evangeliums vor ein paar Tagen nicht gesprochen.“
„Nun ja, gegen Theophrast gibt es bei den Theologen gewichtige Einwände. Guillaume von St. Etienne etwa verweist darauf, dass Gott den Menschen wegen des Sündenfalls von Adam und Eva bestraft habe: Der Mann soll im Schweiße seines Angesichts sein Brot verdienen, und die Frau wird mit Schmerzen gebären. Was Gott dem ersten Menschenpaar und damit uns allen jedoch nicht genommen habe, sei die fleischliche Verzückung bei der Zeugung. Guillaume geht also davon aus, dass die sinnliche Begierde und die Wollust dem Mann und der Frau mit dem Schöpfungsakt mitgegeben wurden und daher Gottes ureigener Wille seien. Allerdings, führt er aus, gelte dies nur für die Fleischeslust bei der Vereinigung zum Zwecke der Fortpflanzung, da, wie wir wissen, Gott den Onan gestraft habe, als er seinen Samen auf die Erde fallen und verderben ließ.“
„Soll das heißen, dass ich, die ich nicht in Schmerzen gebären werde, auch keine Wollust erfahren darf? Oder bin ich von der Verdammung durch die Selbstbefleckung befreit, weil ich ja keinen Samen verderben kann?“, fragte Klara, deren vorbereitende Ausflüsse bereits die zarte Haut der Innenseite ihrer Schenkel benetzten.
„Wie es scheint, hast du einen scharfen Verstand, den du vielleicht besser für die Heilung deiner Seele als für die Befriedigung der Begehrlichkeiten deines Leibes einsetzen solltest“, meinte Gerhart, und zum ersten Mal im Verlauf des Gesprächs lächelte er dabei und vergaß für einen kurzen Moment die wachsende Begierde des Teils seines Körpers, der immer härter wurde.
„Habe ich denn eine andere Wahl, wo mich doch mein Leib drängt, seinem Sehnen nachzugeben?“
„Nun, wir werden sehen. In unserer Bibliothek steht auch das Werk Gundobalds von St. Liuben, Schüler des großen Guillaume. Er sagt, der Samen des Mannes werde bei der Vereinigung in den Bauch der Frau eingepflanzt, um dort zur Frucht des Leibes heranzureifen. So wie man nun die Aussaat über den Winter aufbewahrt, ohne sie anzutasten, um im nächsten Herbst wieder die Feldfrüchte einsammeln zu können, so darf auch der Mann seinen fruchtbringenden Samen nicht beliebig oder gar um eines kurzen Lustgewinns willen vergeuden. Wenn er sich aber wie Paulus entschließt, um des Himmelreiches willen der Welt zu entsagen, so bewahrt er ihn dafür auf, nicht irdische, sondern ewige Früchte zu erlangen. Deshalb begeht eine große Sünde derjenige, der, um allein die fleischliche Wollust zu erlangen, seinen Samen wegwirft. Es sei denn, die Natur selbst sorgt, gegen seinen Willen, des Nachts für eine regelmäßige Erneuerung der Vorräte.“
Einen kurzen Moment hielt er inne und dachte daran, dass ihm dies in den letzten Tagen dreimal widerfahren war, deutlich häufiger als zu Zeiten, in denen er sich mit weniger heiklen Themen beschäftigt hatte. Doch nicht um ihn ging es, und so fuhr er fort.
„Die Frau hingegen, wie du vorhin bereits gesagt hast, steuert keinen Samen bei, sondern bringt nur den des Mannes zur Reife. Logischerweise ist deshalb ihre Wollust für die Zeugung unnütz. Daher kann die fleischliche Verzückung bei ihr, in welcher Ausgestaltung auch immer, keine schwere Sünde sein, sondern nur ein leichtes Vergehen. Und zwar immer dann, wenn sie durch ihren geräuschvollen furor Anstoß erregt oder sie sich durch die Beschäftigung mit ihrer Triebhaftigkeit von ihren eigentlichen Aufgaben ablenken lässt.“
„Aber ist es nicht gerade so, dass das lüsterne Sehnen des Leibes uns von der Verrichtung unserer Aufgaben abhält, während ich, wenn ich die heimliche Verzückung erreicht und dem Körper zu seinem Recht verholfen habe, umso freudiger meinen Pflichten nachkommen kann?“
„Dies mag durchaus sein und dies mag auch für andere Frauen gelten. Doch warte ab, denn Gundobald führt seine Argumente noch fort. Legen allerdings Nonnen in unzüchtiger Weise Hand an ihr Geschlecht, schreibt er, um die leibliche anstatt der geistigen Verzückung zu erlangen, so sei dies sündig, weil sie damit gegen ihre Bestimmung und ihre Gnadengaben handeln.“
„So meint ihr also, es sei mein Schicksal und Gottes Wille, meinen Körper mit Abstinenz zu kasteien, obgleich ich zum Leben in diesem Kloster gezwungen wurde und ich fühle, dass Gottes Beistand nicht ausreicht, um meiner Begierde Einhalt zu gebieten?“, fasste Klara niedergeschlagen die Ausführungen des Paters zusammen.
„Ich sagte dir bereits, dass ich ein Mann des Buches bin, kein Beichtvater. Überdies ein Mönch, der von Zeit zu Zeit selbst der sündigen Versuchung des Leibes erliegt. Welche Antwort kann ich dir also geben?“
„Vorher, als ich über meinen Mann sprach, habe ich euch etwas verschwiegen“, wich Klara der Frage aus, während ein leichtes Strahlen in ihrem Blick die Enttäuschung fortwischte, so als ob sie in eben diesem Moment eine Eingebung bekommen hätte. „Es gab nämlich Tage, an denen er mir nicht zu erkennen gab, dass er mir am Abend beiliegen wollte. Oft geschah es dann, dass ich ihn nur anzuschauen brauchte, und schon benetzte der Freudentau die verborgenen Blütenblätter meiner Liebesblume. Dann pflegte ich mich an ihn heranzuschleichen, schnell seine Hand zu ergreifen und sie unter meinen Rock zu führen, auf dass er die untrüglichen Vorzeichen meiner Wollust ertaste.“
Noch während sie sprach, hatte sie Gerharts Hand ergriffen. Der ließ, baff vor Verblüffung und Furcht, die Sakristanin gewähren. Noch nie hatte er, der schon in frühen Jugendjahren ins Kloster kam, die nackten Schenkel einer Frau gesehen, wie sie nun zum Vorschein kamen, als die Nonne ihre Kutte und das Untergewand hochhob. Und noch viel weniger hatte er den Haarbüschel zwischen den Beinen eines Weibes berührt und darunter die zarte, glatte, durch den Nektar der Begierde schlüpfrige Haut an den weichen, fleischigen Rändern der Spalte. In diese drangen seine Finger, geführt durch Klaras unnachgiebigen Griff, nun überdies auch noch ein und wurden der Hitze ihres Verlangens gewahr.
„Was tust du da?“, rief er aus, als er nach der ersten Erstarrung zu einer Reaktion fähig war. „Weiche von mir, Versucherin!“
Seine Taten straften allerdings die Worte Lügen. Seine Hand verweilte in der verbotenen Blüte, ohne Anstalten zu machen, sich aus dem feuchtwarmen Kerker der Schuldverstrickung zu befreien, und sie blieb auch im zartesten Zugang zum Leib der Nonne stecken, als Klara bedächtig die ihre zurückzog.
„Begreift ihr, wenn ihr über den Freudentau streicht, welche Macht die Versuchung über mich hat?“, fragte sie voller Verzweiflung. Und dann, ein wenig ruhiger: „Wisst ihr, dass ihr meinem Mann ähnelt? Die gleichen grünen Augen, die dichten Augenbrauen, die gleichmäßige Nase, sogar das Grübchen in eurer Wange, wenn ihr lächelt. Und nun, wenn die Gerüchte stimmen, soll ich auch noch von euch fortgerissen werden; fort von dem Mann, der in mir in diesem Gefängnis die Erinnerung an die glücklichen Tage mit Graf Ulrich aufrecht erhalten hat.“
„Aber was soll ich denn tun?“, fragte er kläglich mit drei seiner Finger in dem Gefäß der Freuden von Schwester Klara und seinem eigenen Freudenspender zum Platzen angespannt.
„Ich möchte, Pater Gerhart“, antwortete sie mit fester Stimme, die keinen Zweifel daran aufkommen ließ, wie ernst es ihr damit war, „dass ihr mir heute Abend, wenn die Gesandtschaft ankommt und niemand auf uns achtet, hier beiliegt, da
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Kommentare
Kommentare: 76
Sehr interessant geschrieben. Gibt es davon auch eine Fortsetzung?
Gruß Martin«
Kommentare: 208
Eine interessante Geschichte, mit keinem HappyEnd. Der einzige Malus an der Geschichte.«
Kommentare: 86
hoedur
Kommentare: 279