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Kommentare: 2 | Lesungen: 1957 | Bewertung: 8.63 | Kategorie: Sex Stories | veröffentlicht: 03.05.2021

Lona VI - Sexuelle Gefälligkeiten

von

Ich sitze hier auf Zypern, am Kai der Limassol Marina auf meiner Jacht und habe keine Ahnung, wie ich hier wieder wegkomme.


Wie ich hier hin und alles das gekommen ist? OK, der Reihe nach.


Zuletzt waren wir auf Kreta, Gerôme und ich. Dort verlebten wir einen wunderbaren Tauchgang nach dem anderen. In der Steilküste verbargen sich unendlich viele Grotten und Unterwasserhöhlen. Es war echt ein Traum. Wir kurvten immer von einer zur nächsten Empfehlung, holten uns Tipps überall und lebten einfach eine tolle Zeit. Gerôme und ich, miteinander und auf der wunderbaren Insel. War echt ein krasser Traum, von mir aus sollte er bis an mein Lebensende dauern.


Bis mein Liebster dann die krassest bekloppte Idee hatte und nach Zypern wollte. Ich wäre mittlerweile so seefest, meinte er dazu, dann sollten wir die östlichste griechische Insel erforschen. Auch für dort hatten wir einige Geheimtipps und andere Empfehlungen erhalten. Es sollte dort tausendmal schöner sein, als bereits auf Kreta.


Wir ließen uns den Floh ins Ohr setzen und eines Tages brachen wir auf nach Zypern. Ich fühlte mich sicher an der Seite des unfehlbaren Käptens, dem nie etwas Schlimmes passieren könnte, nie, nie, niemals.


Die Überfahrt war nicht so schlimm, mittlerweile wusste ich ja, wie mein Schatzi navigiert und dass all die komplizierten Gerätschaften des Schiffes uns mehr oder weniger automatisch zum Ziel brachten. Sobald ich auch nur den Anflug von Unsicherheit bei mir bemerkte, verlängerte ich die normale Lesezeit von zwei Stunden und las laut französische Romane und Erzählungen.


Auf Zypern bekamen wir tatsächlich einige Höhlen zu Gesicht, die unterschieden sich nicht nur kaum von den kretischen, sondern waren auch allesamt von Touristen verseucht. Nirgends gab es auch nur eine ruhige Minute, du konntest hinkommen, wo du wolltest, es war immer schon jemand da. In Deutschland gab es Weihnachtsferien, die Insel war übervölkert von deutschen Touristen, zumindest die Orte, die wir aufsuchten.


Frustriert saßen wir abends auf dem Achterdeck und ließen uns die laue Brise um die Nase wehen, die vom Meer her über den Hafen und hinauf ins Land wehte.


Gerômes Handy habe ich noch nie läuten hören, jetzt erklang eine Art Feuerwehrsirene, die uns beide zusammenschrecken ließ. Er suchte sein Handy und meldete sich. Er hörte nur einen Moment zu.


„Was?“, meinte er erschreckt. „Wie?“


Er hörte weiter zu, was man ihm erzählte, war aschfahl geworden.


„Ich komme!“, sagte er entschlossen und beendete das Gespräch.


„Mein Onkel und meine Tante sind tödlich verunglückt. Das waren unsere allernächsten und allerliebsten Verwandten, sie wohnen mit uns in einem Haus. Tante Helen war meine Patentante, die ‚marraine‘. Ich muss da hin!“


Er war erschüttert und aufgeregt. Er suchte mit zitternden Fingern im Tablet Flugverbindungen nach Frankreich und fand sie. Es gab einen Flug, für den er nicht genügend Geld besaß. Kurz entschlossen und voller Mitleid buchte ich den Flug auf seinen Namen, rief ihm ein Taxi, gab ihm noch Geld und weg war er. Es war klar, er würde in zwei bis drei Wochen wieder da sein. Bis dahin solle ich den Französischunterricht nicht vernachlässigen, gab er mir noch mit, bevor er von Bord ging.


„Geht klar, Käpten!“


Natürlich hielt ich mich an mein Versprechen, logisch. Zusätzlich zum Unterricht putzte ich das Schiff heraus, damit er es krass sauber wieder zu Gesicht bekommen würde. Es glänzte und war sauber bis in den hintersten Winkel, ich hab geputzt und gewienert und mit Polster- und Teppichreiniger gearbeitet, damit alles wieder so aussah wie neu. Dabei habe ich nicht vergessen, mindestens vier Stunden am Tag laut französische Bücher vorzulesen. Es war zwar keiner da, der zuhören und mich verbessern konnte, aber bei Wörtern, die mir nicht so geläufig waren, holte ich mir Rat aus dem Internet.


Alles lief prima, ich zählte bereits die Stunden, bis ich ihn wieder hier begrüßen und in seinen Armen liegen dürfte, bis, ja, bis mir Gerôme mitteilte, dass er die Tochter der Cousine seines Vaters wieder getroffen hatte, eine Jugendfreundin oder besser, eine Jugendliebe. Ganz begeistert erzählte er, dass sofort die große Liebe entbrannt wäre und sie sich mit Heiratsgedanken trügen.


„Du kannst mir glauben, Süße, das habe ich nicht geahnt, dass das so passieren würde!“


Es wäre auf keinen Fall jemals sein Plan gewesen, aber gegen die Liebe wäre er einfach machtlos.


Selbstverständlich wäre ich zur Hochzeit eingeladen.


Zack, Ende des Gesprächs, Ende unserer gemeinsamen Zeit.


Na, das kann ja nicht wahr sein! Ich rief ihn zurück. Er nahm das Gespräch an, ließ mich aber nicht zu Wort kommen.


„Süße, ich habe keine Zeit. Bitte akzeptiere meine Entscheidung, die Liebe ist einfach stärker als ich!“


„Aber ich …“, jedoch bevor ich zu Wort kommen konnte, hatte er mich bereits abgehängt. Alles bitten und betteln verhallte ungehört im Äther, er nahm meine Gespräche einfach nicht mehr an. Bis ich es dann akzeptierte und sauer auf ihn wurde.


Toll, gaanz toll hatte er das hinbekommen! Anstatt mich abzuholen, ließ er mich im Stich, hier in Limassol auf Zypern, auf meinem Boot, das gleichzeitig mein Zuhause war. Er hatte mich her gebracht, ließ mich schmählich im Stich, obwohl er genau wusste, dass ich selbst nicht vom Fleck kommen würde. Ich weiß selbst, wie man sich fühlt wenn man verliebt ist, man vergisst alles andere, sieht nur die Liebe, kenne ich ja aus den Filmen. Dass aber ich zu den Dingen gehörte, die er einfach so links liegen ließ, das wollte mir nicht in den Kopf gehen.


Mittlerweile war er seit mehr als sechs Wochen weg, wahrscheinlich bereits verheiratet und ich saß hier, mutterseelenallein. Da soll man nicht das arme Dier bekommen.


Mit dem Boot in der Fremde liegen zu bleiben, das war eine Suppe, die ich mir nicht selbst eingebrockt hatte, die ich nicht auslöffeln wollte und auch nicht konnte.


Es bestand natürlich die Möglichkeit, das Schiff Schiff sein zu lassen, in den Flieger zu steigen und nach Monaco zurück zu fliegen. Das kam aber für mich nicht infrage, dazu war das Boot zu wertvoll und außerdem war es mein Zuhause, das gibt man nicht so leicht auf.


So saß ich da seit fast sieben Wochen allein, ohne Ausweg und im heulenden Elend, als am Pier ein Mann rief:


„Ahoi, jemand an Bord?“


Der Mann war schon älter, so um die Vierzig oder Fünfzig. Er sah mich und fragte:


„Ist noch jemand an Bord?“


„Nein, sonst ist niemand hier!“ Er rief französisch und ich antwortete auch so. Mittlerweile bereitete es mir keinerlei Schwierigkeiten, gleich französisch zu denken, zu verstehen und zu antworten. Das wurde mir in dem Moment bewusst, deswegen war ich mega stolz auf mich, für den einen Augenblick.


„Richte doch bitte aus, dass wir heute Abend eine Party geben, es kann ein wenig lauter werden.“


Er deutete auf die große Jacht, die ein paar Liegeplätze entfernt lag.


„Wenn es passt, würde ich mich freuen, den Eigner und seine Leute bei mir begrüßen zu dürfen. Es geht um sieben heute Abend los. OK? Wirst du das ausrichten?“


Einerseits beruhigte es mich, dass ich immer noch so jung aussah, dass mich die Leute für ein Kind halten, andererseits beleidigte es mich auch. Allerdings war ich es gewohnt, nicht ganz für voll genommen zu werden, daraus mache ich mir in Normalform nicht allzuviel.


„Ich werde es ausrichten“, antwortete ich.


„Sehr schön, danke“, meinte er nur und zog ab.


In meiner Stimmung fand ich es beinahe zum heulen, dass man mich immer noch nicht ernst nahm. Andererseits, wenn man jetzt an dem heulenden Elend vorbei schaute und es hinter sich ließ, dann kam man unweigerlich zu einem wesentlich wichtigeren Punkt: war ich nun ein Party-Girl oder war ich das nicht? Die ganze Zeit wartete ich auf Gerôme, weil ich ihn für die ganz große Liebe hielt. Seit seiner Entscheidung, lieber eine andere zu lieben und auch noch zu heiraten, hing ich hier in Trauer herum und wartete darauf, dass eine Lösung vom Himmel fiel. Dabei war ich doch das Gegenteil von einem Trauerkloß! Bisher fiel mir in schwierigen Situationen immer etwas ein, wieso sollte sich nicht jetzt auch etwas ergeben? Zuerst einmal musste ich den Trauer-Modus verlassen.


Der größte Teil meiner Garderobe bestand aus Party-Kleidung, seitdem ich denken kann, war ich an jedem Wochenende auf mindestens einer Party. Natürlich war ich ein Party-Girl.


Das hat sich erst geändert, seitdem ich mit Gerôme unterwegs war. Seit der Abreise von der Werft seines Onkels war ich auf keiner Party mehr. Abgesehen jetzt von der bei Raymond. Dabei meine ich, dass das nicht unbedingt als Party gewertet werden konnte, das war eher eine Erotik-Veranstaltung, wenn man es nicht noch wesentlich deftiger bezeichnen wollte.


Als ich bei Erotik angelangt war, fiel mir auf, dass ich jetzt seit wie vielen Wochen nichts mehr hatte? Seit sieben Wochen? So lange war Gerôme weg und seitdem war ich mit keinem Mann mehr zusammen. Seitdem ich vierzehn oder fünfzehn war, ist es nicht mehr zu einer so langen Zeit ohne Sex gekommen. Da ist es ja kein Wunder, dass ich mich im Elend verkrieche. Es war keineswegs ein von mir ausgelöstes Elend, sondern viel eher ein Mangel an Glückshormonen, hervorgerufen durch akuten Sexmangel. Da kam mir eine Party natürlich Recht, selbst wenn nur alte Leute daran teilnehmen.


House-Musik gibt es ja schon lange, die wird auf fast jeder Party gespielt, macht einfach gute Laune. Manchmal, wenn die Leute sehr alt sind, dann kommt auch schon mal der Vorläufer der Housemusik durch die Lautsprecher. Disco nannten sie es damals, aber danach kann man genau so tanzen und die Musik macht genau so gute Laune wie House. Mit Musik kenne ich mich eben aus, ist eines meiner Fachgebiete.


Es war davon auszugehen, dass es auch etwas zu essen geben würde, deswegen erreichte ich die Party-Jacht hungrig. Gerôme hatte sich einige nicht ganz billige Rotweine gewünscht, die lagen im Weinkühler meines Schiffes und gammelten vor sich hin. Aber Rotwein soll ja besser werden, wenn er liegt. Eine der teureren Flaschen überreichte ich als Gastgeschenk dem Typen, der mich heute morgen eingeladen hatte. Er schaute hinter mich, ob noch jemand kommt und sagte:


„Ach du bist es, wo ist denn der Eigner? Ist es dein Vater? Deine Eltern?“


Bin ich dazu auf der Welt, alte Leute aufzuklären? Nein, das bin ich nicht. Stattdessen grinste ich ihn an und erklärte:


„Die kommen nach. Ich heiße übrigens Lona und du?“


Er guckte dämlich, wohl weil ich ihn duzte, aber er hatte damit angefangen, also stand mir das auch zu.


„Hi Lona“, meinte er und musterte mich ausführlich von oben bis unten. Die Party-Klamotten heißen Party-Klamotten, weil man darin besonders sexy herüber kommt. Als er so glotzte, überlegte ich wieder einmal, ob ich mir die Brüste vergrößern lasse, da hätte er dann mehr zu schauen. Dagegen spricht einfach, dass die meisten Frauen, die das an sich haben machen lassen, es wieder rückgängig gemacht haben. Echt fühlt sich wohl anders an, als solch ein Silikonkissen. Über die Länge des Rockes sagte er nichts, er dachte sich sein Teil. Mir war es egal, was er dachte, ich schaute, ob man das Büfett oder etwas in der Art sehen konnte.


„OK Lona“, meinte er dann. Er war kein Franzose, das konnte ich heraushören, später erfuhr ich, dass er Kanadier war. Es war neu für mich, dass man dort französisch sprach, ich dachte, die sprechen da englisch.


„Nimm dir etwas zu trinken, Fruchtsäfte und Sprudel stehen hinter dem Tresen. Zu essen gibts hinten auf dem Tisch. Viel Spaß.“


Auf dem Oberdeck wurde getanzt, wie vermutet, zu House-Musik, aber krass laut und mega geil. Nachdem ich etwas gegessen und zwei Gläser Prosecco geschlürft hatte, warf ich mich ins Getümmel. Es tat mir echt gut, so unter Leuten zu sein. Der Eigner war ganz offensichtlich der Älteste an Bord, die anderen Leute waren alle so um die Dreißig, zumindest die meisten, extrem viele Girls darunter. Ein Typ war jünger, vielleicht vier-fünfundzwanzig, ein echt großer. Ich hab den so auf zwischen einsachtzig und einsneunzig geschätzt, so groß wie Odessa etwa. Das ist für mich eigentlich zu groß, ich bin ja manchmal genau einsfünfzig und manchmal ein paar Zentimeter größer, je nachdem, wer misst. Aber der war der einzige, der vom Alter her für mich infrage kam, außerdem sah der echt gut aus. Dunkle Haare und blaue Augen, darauf stehe ich ja. Nun, der fand auch Interesse an mir, wir tanzten immer in der Nähe, er musste sich anscheinend genau so austoben wie ich. Nach einiger Zeit gingen wir etwas trinken. Er stoppelte mit ein wenig Französisch rum und ich mit ein paar Brocken Griechisch, was man eben so aufschnappt beim Einkaufen und so.


Er verstand ein Wort nicht auf Französisch und ich kannte den griechischen Ausdruck nicht. Es machte mich fuchsig, dass ich mit ihm kein bisschen flirten konnte, weil wir die Sprachen nicht konnten. Flirten kann man natürlich auch mit den Augen, logisch. Es war ganz klar, dass ich ihn für mich gewinnen würde, auch wenn wir keine gemeinsame Sprache fänden. Die Sprachen der Körper miteinander sind auf der ganzen Welt gleich, da gibt es keine Verständigungsschwierigkeiten. Trotzdem regte es mich auf, mich nicht unterhalten zu können. Als ich dann zu allem Überfluss auch noch ein Glas umwarf, das ganz allein auf einem Barhocker stand, rutschte mir ein spontanes: „Ach, verdorri nochmal!“ heraus.


Er sagte voll überrascht:


„Du sprichst deutsch?“


„Eh, du auch?“


Er äußerte sich erstaunt und darüber freute ich mich sehr, denn es war leicht zu erkennen, dass wir aus der gleichen Ecke Deutschlands kamen. Denn er äußerte sein Erstaunen mit den Worten:


„Ja hömma, gibts doch nich! Ne Ruhrpott-Pflanze hier am Arsch der Welt!“


Er fragte mich nach meiner Herkunft, auf meine, auf unsere Art der Muttersprache:


„Eh, wo kommße denn her, Mann?“


„Aus Bochum, und du?“


„Herne, ich studier in Bochum. Gibts doch nicht!“


Wir strahlten uns an. Endlich mal eine positive Überraschung.


„Ich bin Sebastian, hier in Griechenland bin ich Sebastianos und wie heißt du?“


Naja, so kamen wir ins Gespräch, war echt spannend und super überraschend. Wer vermutet schon einen Muttersprachler hier am, äh, Achtersteven der Welt?


Wir tobten uns auf der Tanzfläche auf dem hinteren Deck aus, aßen und tranken noch etwas und kamen uns näher und näher. Erst als wir es mit den Augen bereits trieben, fragte er mich, wo ich denn herkomme, wo ich hier in Limassol wohne. Da zeigte ich es ihm.


„Da drüben, ich wohne auf der ‚Cupidon‘.“


„Wem gehört denn der Kahn? Ist das deiner?“


Ach, diese Ausdrucksweise. Mir wurde erst in diesem Moment klar, wie sehr mir das gefehlt hatte. Vor lauter Sprachwissenschaft hatte ich ganz vergessen, wie saftig, direkt und herzhaft unsere Sprache im Ruhrgebiet ist.


Arm in Arm gingen wir hinüber, um ihm meinen ‚Kahn‘ zu zeigen. Weit kamen wir jedoch nicht, noch auf dem Kai küssten wir uns. Wenn man sich so recken muss, weil der Kerl so groß ist, das soll ja gut für den Rücken sein, aber bequem geht anders. Arm in Arm schlenderten wir durch das Schiff, küssten uns häufig, bis wir zur Masterkabine kamen, da war es dann vorbei. So schnell, wie wir beide uns auszogen, so schnell kamen wir auch zur Sache. Es war mir unmöglich, mich zu beherrschen und meine Gefühle zu kanalisieren, als der Riesenkerl mit all seiner männlichen Dominanz über mich kam und in mich eindrang. Es war ein solcher Gefühleflash, dass ich vollkommen die Kontrolle verlor. Ich bekam einen so heftigen Orgasmus, ich weiß auch nicht, mir kam der so vor, als wäre es die heftigste Entladung, die man so haben kann. Mein Herz raste wie verrückt, mir war es egal, ob ich jetzt an nem Herzkasper sterbe oder nicht, es war sowas von geil, wie man das nicht beschreiben kann.


Als ich wieder so richtig bei Sinnen war, stopfte er sein Gesicht neben meinem Kopf ins Kissen und stöhnte mehr als er sprach, immer wieder: „Meine Fresse, eh! Meine Fresse, eh! Meine Fresse, eh!“


Er schaute mich an und behauptete:


„Das gibts doch nicht, eh!“


Doch, das gab es, ich konnte ihm jedoch nicht antworten, sondern musste ihn anstrahlen und küssen und anstrahlen und küssen. Was war ich glücklich.


Wir liebten uns die ganze Nacht hindurch und gleich nach dem Aufwachen nochmal. Es war unglaublich schön, was wir in dieser Nacht erlebten, ich war so glücklich, wie ein Mädchen nur sein kann.


„Erzähl mal, wie läuft das hier bei dir? Du liegst doch schon ein paar Wochen am selben Fleck.“


„Woher weißt du?“


„Mein Onkel ist der Hafenmeister, daher weiß ich das. Er hat einen Bootsverleih und eine Tauchschule, ich helfe ihm in den Semesterferien, da bekommt er etwas Luft bei seiner Arbeit und ich ein wenig Geld und natürlich geilen Urlaub. Jetzt, im Winter, nach den Weihnachtsferien ist so wenig los, dass er kaum aus seiner Wohnung heraus kommen muss. Ich kümmere mich um den Bootsverleih, die Tauchschule ist über den Winter geschlossen.“


Na, da erzählte ich die Geschichte mit Gerôme und dass er nicht wiederkommt und ich nicht weiß, wie ich hier wegkomme.


„Na, fahr doch einfach, für das Ding hier brauchst du keine Crew, das kannst du auch allein bewältigen.“


„Ja, nee“, mir war das peinlich, was ich ihm jetzt erzählen musste. „Ich hab keinen Führerschein für ein Boot, ich weiß nicht wie es geht und ich trau mich nicht aufs Meer raus. Ich hab schon überlegt das Boot zu verkaufen.“


„Im Winter kriegst du nichts dafür. Außerdem ist es nicht schwer, ein Schiff zu bedienen, du hast doch einen Autoführerschein oder?“


„Naklar, aber …“


„Das bedeutet, dass du ein grundsätzliches Verständnis für Technik besitzt, den Rest bringe ich dir bei, kein Problem.“


„Wie? Du meinst …? Ich kann doch nicht …. Wie soll denn … Es geht doch nicht, dass …“


Er sah amüsiert zu, wie ich mich wand und nicht wusste, was ich wollte.


„Mann, Mädchen, mach dich doch nicht abhängig von so einem Kerl. Du bist ein so taffes und starkes Girl, du kannst alles schaffen was du willst. Ich bringe es dir bei. Es ist sowohl Praxis als auch Theorie nötig, aber das lernst du schon. Wie lange hast du denn Zeit?“


„Du meinst echt, ich soll …?“


„Logisch, um ein Schiff zu fahren brauchst du keine Raketenwissenschaft studiert zu haben, das kriegen wir hin. OK?“


„Wie soll das denn gehen? Wenn mich dann in Monaco jemand nach meinem Führerschein fragt, dann hab ich doch nix …“


„Von wegen!“, meinte meine Zufallsbekanntschaft, ein Grieche mit Wurzeln im Ruhrgebiet. „Mein Onkel ist anerkannter Prüfer, du bekommst einen international gültigen Führerschein, der gilt auf der ganzen Welt. Also, ja oder ja?“


„Was soll der denn kosten?“, mir fielen keine weiteren Einwände ein. Ich konnte schlecht sagen, dass ich einfach Schiss hatte, so ein großes Schiff zu bewegen und dafür die Verantwortung zu tragen. Damit fühlte ich mich überfordert.


Er schaute mir in die Augen und antwortete: „Da fällt mir schon etwas ein, wie wir das abrechnen, verlass dich drauf.“


Naja, da bekam ich natürlich Oberwasser, mit Flirten kenne ich mich aus.


„Huh, sag nicht, du willst sexuelle Gefälligkeiten von mir dafür?“


„Aber Hallo! Genau, Schätzchen, und wir fangen gleich mit der Anzahlung an!“


Er kam über mich wie der Hulk und wir liebten uns noch einmal mit aller Leidenschaft und aller Liebe, die wir füreinander aufbringen konnten. Er besorgte Baguettes und Fladenbrot, dazu fuhr er mit dem Schlauchboot zum Pier, mit dem er gestern Abend zur Party gefahren war.


Wir frühstückten in aller Ruhe und Gemütlichkeit. Danach ging es gleich an die Theorie. Darunter konnte ich mir nichts vorstellen, er erklärte es mir. Das war dann nicht mehr lustig, sondern es musste gepaukt werden. Er gab mir die Titel von drei Fachbüchern, die sollte ich mir runter laden, wenn es geht, aus denen könnte ich die Grundlagen erlernen. Sollten sie nicht herunter geladen werden können, dann sollte ich sie bestellen, eine Postadresse hier hätte ich ja wohl.


„Ja, nee“, sagte ich. Eine Postadresse hatte ich noch nicht, wozu auch? Er half mir eine einzurichten, das war mit seiner Hilfe schnell erledigt. Das Postamt war nicht weit weg, das kannte ich schon, daran kam ich jeden Tag beim Einkaufen vorbei. Er kam mit, übersetzte für mich und alles war im Lot.


Er verließ mich, um nach seinem Bootsverleih zu schauen, ich vertiefte mich in die Theorie der Nautik, eines der empfohlenen Bücher hatte ich herunter laden können. Es war schwierig, mir das einzutrichtern, was er mir aufgetragen hatte zu lernen.


Dass es da so viel zu wissen und zu beachten gab, hätte ich ja nie geahnt. Nachmittags kam er wieder an, wir arbeiteten gemeinsam die ‚zweite Rate‘ ab, um dann in die Praxis einzusteigen. Ich dachte, wir legen ab und fahren gleich los, aber nein, er erklärte mir die Instrumente.


„Wieviel Tiefgang hat dein Schiff?“


„Äh“, das wusste ich nicht.


„Bei vollem Tank knapp einsachtzig“, erklärte er mir, die Spezifikation des Schiffes entnahm er dem vierten großen Monitor auf dem Armaturenbrett. Es gab da noch ein paar kleine, aber zu denen kamen wir später.


Zum Tiefgang konnte ich etwas Senf dazu geben. Die Absicht, die von meiner Seite dahinter stand, war klar. Ich wollte ihn möglichst lange aufhalten, da ich befürchtete, dass er gleich das Boot fahren wollte und davor hatte ich Schiss. Kannte ich seine Fähigkeiten als Käpten? Nein, die kannte ich nicht. Im schlimmsten Fall trieb das Schiff irgendwo herum und wir kamen nicht mehr an den Liegeplatz zurück, weil er nicht so viel Ahnung hatte, wie er vorgab. Also quasselte ich los:


„Wir haben einen zusätzlichen Tank eingebaut, da passen achteinhalb Tonnen Treibstoff zusätzlich hinein. Jetzt sind die Tanks etwa halbvoll, etwas mehr als zwölf Tonnen sind an Bord.“


Klugscheißern kann ich auch und ein bissel was weiß ich über mein Schiff.


„OK, also dann wird der Tiefgang bei vollen Tanks etwas größer sein als serienmäßig angegeben. Wir brauchen also mindestens zwei Meter Wassertiefe, plus Sicherheitsabstand bei Wellengang. Siehst du hier das Echolot?“


So erklärte er mir ein Instrument nach dem anderen, das waren die kleinen Bildschirme, und rief immer wieder die Daten des Schiffes auf dem vierten Bildschirm ab. Da konnte man auch sehen, dass ich Recht hatte, die Tankanzeige zeigte zwölf Komma nochwas Tonnen Treibstoff an.


„Mehr als zwanzig Tonnen Fassungsvermögen! Das ist aber eine Menge, da wirst du eine sehr schöne Reichweite haben. Wieviel verbraucht denn das Bötchen?“


Das Bötchen! Frechheit! Aber typisch Ruhrgebiet.


„Bei zwölf Knoten etwa dreißig Liter pro Stunde“, gab ich schlau zur Auskunft. Das hatte ich bei Gerôme aufgeschnappt. Hab doch eine Menge gelernt bei ihm, das wurde mir in dem Moment bewusst.


„Da hast du eine gute Reichweite. Mit einer Tankfüllung kämst du von hier aus locker bis New-York. Ich würde hier nicht tanken, der Diesel ist an der Tanke da drüben viel zu teuer.“


Er schaute sich die Daten an und überlegte in der Zeit.


„Wer bezahlt denn das alles hier, wem gehört das?“


„Na, wer wohl und wem wohl?“, fragte ich so verführerisch wie möglich und streichelte ihm die breite Brust. Ich wollte ihm lieber noch eine sexuelle Gefälligkeit aufdrängen, als mich in Gefahr zu begeben, das Schiff nicht wieder an den Steg zu bekommen. Darauf ließ er sich jedoch nicht ein.


„Gleich, Schätzeken, gleich. Das hier sind die Strahlruder, siehst du die? Damit kannst du das Schiff seitwärts bewegen, am Bug mit diesem hier, rechts, links, Steuerbord, Backbord, und hiermit hinten, also achtern, genau auf die gleiche Weise.“


Er erklärte mir ein Bedienteil nach dem anderen. Zwischendurch bemerkte er:


„Das werden zu viele Informationen auf einmal sein. Mach dir nichts draus, wenn du nicht alles behalten kannst. Wir üben so lange, bis du es im Schlaf bedienen kannst.“


„So, jetzt starte mal die Maschinen“, befahl er mir, nachdem er mir die anderen Dinge erklärt hatte.


„Äh!“


„Nu mach schon“, ermunterte er mich geduldig. „So ein Schiff beißt nicht.“


Nunja, es brauchte schon einige Überwindung, einen nach dem anderen die Zündschlüssel umzudrehen und die Startknöpfe zu drücken. Der bekannte tiefe Klang der Motoren kam sehr sanft hier im Cockpit an, sie liefen ganz ruhig im Leerlauf, das Schiff tat keinen Mucks.


„Kennst du dich mit den Leinen aus?“


Jetzt wollte er tatsächlich die Verbindung zum Land kappen, das war mir nicht wirklich recht.


„Doch, mach mal, keine Sorge, ich habe das Patent für Große Fahrt. Du lernst auch für den Hochseeschifferschein. Und lass dir eins gesagt sein, es gibt für dich keine Abkürzung, nur weil wir uns kennen, ist logisch oder? Du musst alles lernen und das wissen, was verlangt wird. Klaro? Außerdem will ich, dass du das Schiff perfekt beherrschst, aus dem eff-eff. Ist das klar?“


Ich wollte immer noch nicht.


„Du willst nur möglichst viele sexuellen Gefälligkeiten von mir. Kennt man doch!“


„Pass auf Frollein, dass ich dich nicht gleich übers Knie lege. Jetzt mach bitte die Leinen los.“


Er gab nicht nach. Ich guckte ihn noch weiter an, aber er gab nicht nach.


„Na gut!“


Wie mit Gerôme geübt, löste ich die Leinen. Normalerweise stehe ich dann auf der Badeplattform und schaue zu, wie sich das Heck des Schiffes vom Steg löst. Hier geschah nichts. Seppi stand da und schaute nur. Ich wetzte hin zu ihm.


„Was ist?“


„Na, du bist der Käpten, du musst fahren.“


„Ich? Ich soll fahren?“


„Na logo. Ist ganz einfach, hier sind die Gashebel, dann mach mal.“


„Ich? Ich soll …?“


Es half nichts, ich musste mich damit beschäftigen, das Boot zu steuern. Ich gab ganz vorsichtig Gas, ganz-ganz vorsichtig. Das Schiff setzte sich tatsächlich vorwärts in Bewegung, weg vom Pier.


„Und jetzt?“


„Geradeaus in die Fahrrinne. Schau hin, wohin du fährst, achte darauf ob jemand kommt. Schau weit voraus.“


War wie beim Autofahren, man musste sich in den Verkehr einfädeln. Es kam niemand.


„OK“, meinte mein Fahrlehrer, „einmal wenden bitte.“


Es war nicht schwierig, das Boot fuhr immer noch sehr langsam. Ich drehte an dem Lenkrad, das Boot wendete.


„Sehr schön!“, lobte mich der Fahrlehrer. „Jetzt längsseits anlegen, mit der Backbordseite.“


Er hob dabei den linken Arm, damit klar war, welche Seite Backbord war. Das wusste ich aber auch so. Längsseits anzulegen war schwierig, man durfte nicht zu nah an die Kaimauer heranfahren und musste rechtzeitig stoppen. Das Schiff landete parallel zum Pier, aber viel zu weit weg. Seppi ließ mich, sagte nichts. Zum ersten Mal in meinem Leben benutzte ich die Thruster, wie er die Strahlruder nannte. Es war nicht ganz leicht, den Kahn parallel zu halten, der Bug reagierte leichter auf das Strahlruder als das Heck, aber nach etlichen Minuten hin und her hatte ich es raus. Das Bootfahren war nicht so schwierig, wie ich befürchtet hatte. Seppi ließ mich zwei Stunden üben, ablegen, im Hafen wenden, anlegen. Mal seitwärts, mal rückwärts.


Nunja, danach tranken wir etwas, ich verlockte ihn dazu, eine weitere Runde sexuelle Gefälligkeiten zu fordern, indem ich diese kleine Shorts trug, die ihn so anheizte. Zum Abend hin lud er mich in eines der zahlreichen Restaurants in der Nähe des Hafens ein.


So ganz langsam kapierte ich, dass ich mir selbst helfen, dass ich selbst mit dem Schiff von hier wegkommen und nach Hause fahren konnte. Das war ein mehr als cooles Gefühl, viel mehr als cool.


Wenn einem so viele Steine vom Herzen fallen, wie mir in den nächsten Tagen, dann wird einem ganz leicht ums Herz. Ich dachte teilweise, ich könnte schweben, so leicht kam mir alles vor. Seppi übte mindestens zwei Stunden am Tag mit mir, so lange, bis ich beinahe im Schlaf das Schiff anlanden konnte. Nach und nach brachte er mir jede Menge Knoten bei, die ich üben musste, auch wenn er nicht da war. Ganz großen Wert legte er darauf, mir zu zeigen, wie man ein Schiff richtig verankert. Auf der Hafenseite des Schiffes ließ er mich zwei Anker auswerfen, das Schiff rückwärts fahren, bis die Anker fassten, die Winschen auf Leerlauf stellen, das Schiff rückwärts an den Steg bringen, die Anker festziehen und dann am Pier mit mindestens zwei Leinen befestigen. Besser waren es vier Leinen, um ganz sicher zu gehen, und dann sorgfältig festholen, bis sich die Fender einbeulten.


Dadurch, dass ich mit dem Boot so viel hantierte, wurde mir bewusst, wie schwer es war, es wog beinahe einhundert Tonnen. Das war etwas anderes als ein Auto, zumal das Wasser ein gutes Gleitmittel darstellte, auf dem man nicht einfach eine Vollbremsung hinlegen konnte. Wenn sich das Schiff einmal bewegte, musste man sehr aktiv eingreifen, um es zum Stillstand zu bringen.


Wenn Seppi arbeiten ging, nutzte ich die Zeit, um weiter Französisch zu lernen. Es wird mir keiner glauben, aber das Interesse an Sprachen ging so weit, dass ich mir sogar deutsche Bücher herunter lud.


Beispielsweise Rosamunde Pilcher. Man mag mich auslachen, aber ‚Wolken am Horizont‘ habe ich verschlungen. Was mir beim Lesen nochmals deutlich gemacht wurde, war, wie viel Dialekt und Umgangssprache ich zu sprechen gewohnt war. Normalerweise rede ich so, dass man mich versteht, dass man das hinein interpretieren kann, was ich sagen will. Wenn man auf die Satzstellung achtete und darauf, in ganzen Sätzen zu sprechen, das war deutlich mühsamer, als einfach drauf los zu quasseln, aber es war auch sehr viel schöner. Ich will jetzt nicht sagen ästhetischer, das Wort würde nicht zu mir passen, aber so etwas Ähnliches meine ich.


Französisch lernte ich weiter, obwohl ich den Gerôme mittlerweile zum Teufel wünschte. Monaco sah ich als meine Heimat an, dort sprach man Französisch, also musste ich auch Französisch sprechen, und zwar ordentlich.


Zusätzlich zu den Büchern las ich französische und deutsche Zeitungen. Politik war nicht so uninteressant, wie ich immer dachte. Mich damit zu beschäftigen, verbesserte mein Verständnis für Vieles, sowohl im Weltgeschehen, als auch im privaten Umgang mit Menschen. Zusätzlich blätterte ich noch in einem Wissenschaftsmagazin, da fand ich ebenfalls den einen oder anderen Artikel, der mich interessierte. Alles das geschah online, ist ja logisch.


Seppi legte ein hohes Tempo vor, was das Lernen anbelangte. Er meinte tatsächlich, weil ich so schnell lerne, könnte er sich das leisten. Mich machte das verlegen, denn ich wusste sicher, dass ich nicht besonders klug war. Er kam jeden Tag, ich freute mich immer schon. Für ihn ließ ich mir neue Extensions einbauen, die hatten zwischenzeitlich etwas gelitten und eine Erneuerung war nötig. Mit den neuen sah ich wieder so aus, wie ich es mir vorstellte, Seppi war auch begeistert.


Naja, es war abzusehen, was irgendwann passieren würde. Eines Tages war es dann so weit, er ließ mich aus dem Hafen herausfahren. Viel zu früh, wie ich fand, ich musste noch so viel lernen.


„Keine Angst, Schätzchen, du kannst das. Fahren und anlegen kannst du, das üben wir noch ein bisschen, aber im Prinzip kannst du es und hast es kapiert. Ich bringe dir jetzt das Navigieren bei, dazu brauchen wir freie Sicht. Außerdem haben wir zwei noch etwas vor.“


Was wir noch vorhaben könnten, das verriet er nicht. Mit Sex konnte es nichts zu tun haben, denn den hatten wir gerade hinter uns. Was könnte das sein, was wir noch vor haben? Logisch war ich neugierig darauf zu erfahren, was mich da erwartete. Erst einmal musste ich uns aber aus dem Hafen heraus bringen. So weit war ich bis dahin noch nicht gefahren, es klopfte mir ein wenig das Herz, als wir durch die Hafeneinfahrt schauen und das offene Meer sehen konnten. Seppi schaute stur gerade hinaus, als ich ihn fragend und zweifelnd anblickte und von ihm ein Einlenken erbetteln wollte. Nee, er ließ sich nicht beirren, ich musste wohl weiter machen. Aber er war ja da, es war Unsinn, Angst zu haben.


Trotzdem hatte ich welche, was sollte ich machen?


„Es ist normal, dass du Angst hast“, sagte er, als wenn er wüsste, was mich beschäftigte. „Angst ist gesund, die hütet dich vor unbedachten Handlungen. Die sollte dich nicht am Handeln hindern, sondern sollte sich nach und nach in Respekt vor der See, dem Schiff und dem Wetter verwandeln. An deinen Fähigkeiten brauchst du nicht zu zweifeln. Du hast ein gutes Gespür für das Schiff, du behandelst es mittlerweile wie ein Teil von dir selbst. So ist es ideal, so sollte es sein. OK, jetzt gib mal Gummi!“


Er meinte damit, ich sollte Gas geben, ich sollte schneller fahren, ich schaute zurück. Im Hafen war es so wunderbar, wieso mussten wir jetzt …


„Nu, mach schon!“, meinte er locker. „Ich will doch mal sehen, wie schnell der Kahn ist. Was macht der? Fünfzehn, zwanzig Knoten? Höchstens, oder?“


„Ha, zwanzig Knoten, das wüsste ich aber!“ Jetzt hatte er mich bei der Ehre meines Schiffes gepackt. Entschlossen schob ich die Gashebel bis zum Anschlag. Das Schiff machte den bekannten Satz in die höhere Geschwindigkeit. Er musste sich festhalten und rief gegen den Maschinenlärm:


„Ja leck mich doch am Arsch!“


Es ging voran, das kannte ich ja schon. Die zwanzig-Knoten-Marke überquerten wir wie nichts, es ging rasend schnell vorwärts.


Er hielt sich immer noch krampfhaft fest, ich lehnte am Fahrersitz, ganz gemütlich. Er rief:


„Was … wo geht das denn hin, das Scheißding? Was habt ihr damit gemacht?“


„Sind andere Motoren drin und mir hat der Onkel vom Gerôme sonen komischen Effekt eingebaut, Larsen oder so.“


„Lürssen Effekt? Echt jetzt? Kenn ich, hab ich aber noch nie gesehen. Meine Fresse, wo geht der Kahn denn hin?“


Mittlerweile hatten wir auch die fünfunddreißig überschritten. Es ging weiter bis eben über vierzig.


„Nee, das würde ich nicht glauben, wenn ich es nicht selbst sehen würde.“ Seppi, der Schiffsfachmann bewunderte mein Boot.


Die Maschinen waren deutlich zu hören, sie liefen so lange mit hoher Drehzahl, bis Seppi genug hatte. Das Land war bereits seit einiger Zeit außer Sicht.


„OK“, sagte er, die Fahrt ging runter, die Maschinen wurden leiser. „Wird wohl bei Volllast eine Menge Sprit brauchen. Aber was geht der Kahn ab, leck mich fett!“


„So, Süße“, meinte er. „Jetzt bring uns mal zurück.“


Für mich war es logisch, bei der schnellen Fahrt hatte wir eine breite Spur im Wasser hinterlassen. Angst hatte ich merkwürdigerweise keine. Ich wendete und fuhr auf der gleichen Spur zurück, auf der wir hergekommen waren. Darauf nahm ich die Kompasspeilung und bestimmte so den Kurs, den wir nehmen mussten, um nach Hause zu kommen. War nicht schwierig.


„Clever!“, lobte er mich. „Schau mal hier auf den Karten-Plotter. Hier siehst du Zypern und hier die Marina von Limassol, siehste? Darauf tippst du jetzt, mach mal.“


Ich tippte darauf, ein schwarzer Punkt erschien. „Sehr schön, jetzt schaltest du den Autopiloten ein. Hier, der Hebel.“


Es war nicht schwierig, seinen Anweisungen zu folgen. Das Boot fuhr gerade auf der Spur zurück, die wir auf der Hinfahrt hinterlassen hatten. Der bekannte rote Punkt stellte das Schiff dar. Zwischen den beiden Punkten erschien eine Linie mit der Anzeige der Entfernung in Seemeilen und die Dauer der Fahrt bei der Geschwindigkeit, die wir gerade fuhren. So war das einfach. Er zeigte mir die Funktionen, wie man den Kurs ändert, wie man vor Fahrtantritt die Strecke vermisst und den Kurs festlegt. Man konnte auch ein Gebiet umfahren, beispielsweise, wenn dort eine Sturmwarnung bestand. Das Gerät war ähnlich wie ein Autonavi, nur eben mit freier Routenplanung.


Er zeigte mir auch, wo man über den Seefunk den Wetterbericht laufend durchgesagt bekam.


„Ist eine Menge zu lernen, Schätzchen, aber das kriegen wir hin. Wir üben es so lange, bis du es im Schlaf beherrschst.“


Was ich alles lernte, im Leben hätte ich nie gedacht, dass mich das Verhalten als Käpten eines Schiffes bei Sturm interessieren könnte. Hier musste ich es lernen. Seppi war da unnachgiebig, ich musste den ganzen Theorie-Quatsch lernen.


„Ich hoffe, dass du nie in einen Sturm gerätst. Wobei, das Mittelmeer ist eigentlich eine etwas größere Badewanne. Hier wirst du das Verhalten bei Sturm nicht brauchen, aber wer weiß, vielleicht kommst du ja mal in die Nordsee. Wenn da Sturm ist, dann gute Nacht Marie, da hilft nur beten.“


Wir hatten den Hafen bereits in Sicht, da gab er die Anweisung:


„45 Grad nach Steuerbord, bitteschön“, er fügte den zu steuernden Kompasskurs gleich an: „Ostnordost 67,5 Grad.“


„Aye-aye, Käpten!“


Es ging nicht anders, ich musste ihn glücklich angrinsen. So langsam reifte in mir die Zuversicht, dass ich mein Schiff tatsächlich selbst nach Hause, nach Monaco fahren könnte.


Wir fuhren parallel zur Steilküste, er suchte einen bestimmten Platz.


„Fahr mal langsam und jetzt näher an die Küste. Das hier ist das Echolot, es ist mit dem Kartenplotter verbunden. Wenn das Wasser zu flach wird, dann gibt der Plotter Alarm. Du kannst aber selbst sehen, wie viel Wasser noch unterm Kiel ist, siehst du hier?“


Er suchte einen bestimmten Platz.


„Jau, hier sind wir richtig, lass uns hier mal Anker werfen. Die beiden vorderen werden ausreichen.“


Er kroste hinten in einem der Fächer herum, während ich vorschriftsmäßig ankerte. Er kam mit den Taucherausrüstungen angeschleppt, meiner und der von Gerôme.


„Du willst mit mir tauchen?“


„Naklar, keine Sorge, ich bin ausgebildeter Tauchlehrer, mit Diplom!“


„Na, ich weiß ja nicht!“, tat ich so, als wenn ich zögere. War nur Spaß, ehrlich, war nur Spaß. Die Zuversicht, mein Schiff eigenhändig nach Hause bringen zu können, machte mir gute Laune und mich auch übermütig.


„Pass auf, Frollein!“, meinte er. Er verstand den Spaß.


Gerômes Neopren-Anzug war ihm zu klein, da musste die Badehose zum Tauchen reichen. Was mir auffiel war, dass er die Anker nicht kontrollierte. Er vertraute darauf, dass ich sie ordnungsgemäß angebracht und kontrolliert hatte. In dem Moment wurde mir klar, dass ich die Verantwortung hatte, dass ich dafür zuständig war, dass immer alles richtig erledigt wurde. Dass er mir das zutraute, machte mich stolz und gab mir weitere Zuversicht.


Im Wasser führte er mich bis an den steil abfallenden Felsen der Steilküste. Es öffnete sich direkt unter der Wasseroberfläche eine Höhle, in die tauchte er hinein. Es ging nur ein paar Meter weit hinein, da tauchten wir auf und erreichten einen sehr lehmigen und schmierigen Strand. In der Höhle war es nicht dunkel, es waberte ein bläuliches Licht von den Wänden zurück, die Sonne schien durch das Wasser hier hinein. Nein, unheimlich war es nicht, nur sehr seltsam. Und ich hatte meinen Großen hier und war mit ihm allein. Das sah er wohl ähnlich, er beugte sich zu mir runter und küsste mich.


„Das hier ist ein Süßwasserzufluss, wenn es einige Tage regnet, dann kommt hier Oberflächenwasser aus dem Berg und bringt den Lehm mit. Daher der Schlamm. Aber soll ja gut für die Haut sein.“


Sprachs, und begann mich auszuziehen.


„Die Haut muss natürlich da ran kommen, sonst nutzt der Lehm ja nichts!“


Es war schwierig, mich aus dem einteiligen Neoprenanzug zu schälen, ich half ihm nicht dabei. Er wusste ja mittlerweile, dass ich darauf stehe, ausgezogen zu werden.


Nunja, natürlich schaffte er es nicht ganz ohne meine Hilfe, aber er kriegte es hin, dass ich so richtig scharf war, als er dann endlich über mich kam. Himmel, was war das gut ihn zu spüren. Wir allein in der Höhle mit dem flackernden Sonnenlicht, das sich mit den Wellenbewegungen an den Wänden spiegelte und das Licht mehr als diffus hielt, der kühle, weiche Lehm unter mir. Die Lust, der nahende Orgasmus brachte mich so weit, dass ich dachte, meine Schädeldecke hebt ab und fliegt davon. Sein Gefühl für mich, die eigene Hitze und seine obendrauf, das war fast zu viel für mich, es fehlte nicht viel und ich wäre komplett verrückt geworden.


Schwer atmend kamen wir wieder zu Sinnen, mein Orgasmusruf und sein Urschrei hallten noch in der Höhle nach. Schwer atmend legte er sich neben mich.


„Leck mich am Arsch!“, meinte er.


„Du gehst vielleicht ab, Alter!“ Fand ich geil, dass er es geil fand, ich fands auch geil mit ihm.


„Wo nimmst du das nur her? Ich denke jedes Mal, das wäre mein Ende, ich denke immer, du würdest mir den Stift abbrennen, so heiß bist du. Ist ja Wahnsinn!“


Er war mit mir zufrieden, das war cool.


Als wir zurückschwammen, zogen wir eine Spur von Lehmschlamm wie Schleier hinter uns her. Um den Anzug nicht auch noch von innen mit Lehm zu beschmieren, schwamm ich komplett nackig hinter meinem Seppi her. An Bord waren wir sauber, nur der Anzug und seine Hose wiesen noch Lehmspuren auf.


„Du bist echt ne geile Schnecke“, sagte er. „Sowas wie dich gibts eigentlich nicht. Du kannst einen Mann echt fertig machen.“


Ich nahm das als Kompliment, ich finds geil, wenn ein Mann meine Art von Sex zu schätzen weiß.


Wir unternahmen jede Menge Touren miteinander in den nächsten Tagen. Er gab mir Ziele vor und ich musste den Kurs ausbaldowern, das Ziel in Koordinaten angeben und den Autopiloten damit füttern. Um mich auch im Notfall zurecht zu finden, schenkte er mir ein kleines GPS-Gerät, ein batteriebetriebenes Handgerät, und eine Seekarte vom Mittelmeer, die aus sechs großen Blättern bestand. Selbst wenn die Elektronik durch irgendeinen Zufall komplett ausfallen sollte, so könnte ich mit dessen Hilfe immer meinen Standort ermitteln. Von dem Standort aus konnte ich dann mithilfe der Karte zumindest den Kompasskurs, wenn nicht gar die Zielkoordinaten bestimmen und mit dem batteriebetriebenen Gerät von der Schiffselektronik unabhängig manövrieren.


Den Zielort wählte er meist so, dass wir dort tauchen konnten. So lernte ich eine ganze Reihe von sehenswerten Tauchgründen um Zypern herum kennen, wie auch verschwiegene Plätzchen, in denen wir die Gebühren für den Bootsführerschein abarbeiteten. Sex mit ihm war einfach geil, wahrscheinlich hauptsächlich deshalb, weil wir so sehr viel füreinander übrig hatten. Männer reden ja nicht darüber, was sie fühlen und machen sich auch keine Gedanken darüber. Es war aber deutlich zu merken, dass er sehr stark für mich empfand.


Zwei Abende, bevor er wieder nach Bochum fliegen musste um sein Studium fortzusetzen, die Semesterferien neigten sich dem Ende zu, da sagte er so schöne Sachen über mich, dass mir heute noch die Tränen kommen, wenn ich daran denke.


„Du bist einfach ne tolle Frau“, legte er los. „Du bist klein und zierlich, dir nimmt man dein Alter nicht ab und dir sieht man auch nicht an, wie stark und wie klug du bist.“


Ich und klug! Da wusste ich gleich, dass er nur Schmand erzählen würde. Dabei gefiel mir ganz gut, was er erzählte, musste nicht stimmen, aber hörte sich gut an, tat meiner Seele gut.


„Du hast ein so schönes, beinahe noch kindliches, zartes Gesichtchen, so schmal, mit den großen blauen Augen, mit denen du so unschuldig einen Mann anschauen kannst, um ihn in Wahrheit knallhart zu verführen. Das merkt er aber nicht, denn du schaust so unschuldig aus, dir glaubt man alles. Jemand, der dich genau anschaut und deinen wundervoll geschwungenen, extrem sinnlichen Mund sieht und dir beim Sprechen zuschaut, der müsste eigentlich merken, was du für eine Rakete bist.


Dann hast du eine drahtige, beinahe knabenhafte Figur, wunderbar geformt, mit allem dran und an den richtigen Stellen, du bewegst dich so dynamisch, dass man gleich merkt, die Frau ist nicht zu bremsen.


Du wirkst manchmal in den ersten Stunden, in denen man dich kennen lernt, wie besessen nach Sex. Erst später merkt man, dass das nicht die Sehnsucht nach Sex ist, die dich treibt, sondern es ist deine Art zu lieben. Du liebst so intensiv, so selbstlos, dass es jedem Mann mit Grütze im Kopf das Herz öffnet und letztendlich den Verstand raubt. Dich muss man lieben, geht gar nicht anders.


Du bist ein wundervolles und äußerst liebenswertes Girl. Komm, wir fahren mit dem Schiff nach Bochum und du bleibst in meiner Nähe. Ich komme jeden Tag auf dein Schiff, wir leben da zusammen und wenn ich fertig bin mit dem Studium, dann machen wir mit dem Schiff hier eine Weltreise.


Na, was meinst du?“


Es hörte sich fast an wie ein Heiratsantrag. Aber geht ja nicht, ich bin hier und er in Bochum, außerdem bin ich zu jung und dann mit dem Schiff nach Bochum? Wie soll das gehen?


Darauf kann man als Mädchen ja nur eine Antwort geben, ich küsste ihn. Der Kuss wurde immer heißer und heißer, naja, dann haben wir noch einmal Liebe gemacht.


Wunderbare Worte, stimmts? Aber heiraten kommt für mich nicht infrage, in Bochum leben und auf dem Rhein-Herne Kanal auf meinem Schiff wohnen, das war auch nicht das, was ich mir vorstellte.


Mit ihm Liebe zu machen war allerdings einfach genial.


Am nächsten Tag musste ich zum Hafenmeister, der nahm mir die Prüfung ab, Seppi wartete so lange auf dem Schiff auf mich. Ich musste vor dem Hafenmeister, einer Frau, die irgendeinen wichtigen Posten inne hatte und einem Abgeordneten der Stadt eine schriftliche Prüfung ablegen, dann hat mich der Hafenmeister für die mündliche Prüfung ausgefragt. Nichts von dem, was er mich fragte, konnte mich in Verlegenheit bringen. Dank Seppi war ich so gut präpariert, er hatte mir alles beigebracht, dass ich wirklich total cool bleiben konnte. War eigentlich echt super, die Prüfung. Die Frau und der Politiker verabschiedeten sich, ich war mit dem Onkel allein.


„In der Theorie bist du wirklich Spitzenklasse, ne volle Eins mit Sternchen. In der Praxis hat dir Sebastianos alles beigebracht, was du zum Führen eines Schiffes brauchst, das hat er mit mir besprochen. Dein theoretisches Wissen ist exzellent, da gibt es nichts zu meckern. Du bist wirklich die Musterschülerin, wie mein Neffe behauptet hat.


Hier hast du dein internationales Kapitänspatent. Natürlich für Freizeitboote, nicht für die Gewerbeschifffahrt.


Glückwunsch. Allzeit gute Fahrt und stets eine glückliche Heimkehr.“


Er überreichte mir eine Urkunde und einen scheckkartengroßen Ausweis, auf dem die Klassen aufgeführt waren, die ich fahren durfte.


„Für die meisten Binnengewässer brauchst du eine eigene Lizenz, die wollen Geld dafür haben, dass du ihre Wasserstraßen befährst, das ist deren Hauptanliegen.“


Man kann sich ja vorstellen, wie stolz ich darauf war, diesen Ausweis erworben zu haben. Da ich nicht wusste, was ich sagen sollte, fragte ich Seppis Onkel ganz dämlich:


„Wieso sprechen Sie eigentlich so gut deutsch?“


„Ich war dreißig Jahre auf’m Pütt, Prosper Haniel. Jetzt haben sie auch den zugemacht. Ein Jammer, echt.“


Achso, Bergmann, dann wusste ich das jetzt auch.


Mit dem Ausweis und der Urkunde in der Hand stellte ich mich freudestrahlend meinem Schatzi. Wir mussten gleich Liebe machen, logisch. Wir verbrachten eine wundervolle letzte Nacht zusammen auf meinem Schiff.


Morgens fuhr ich ihn in sonem ganz alten Renault von seinem Onkel zum Flughafen. Das Auto hatte eine unwahrscheinlich gewöhnungsbedürftige Schaltung, das hatte so eine Art Krückstock im Armaturenbrett stecken, damit wurde geschaltet.


Logisch, dass ich meinen Seppi bis in die Abflughalle begleitete. Der Abschied war dann kurz und sehr, sehr schmerzhaft, wir winkten uns noch zu und weg war er.


Auf der Rückfahrt verbrauchte ich ein ganzes Paket Papiertaschentücher. Die Tränen wollten und wollten nicht versiegen.


Nunja, vielleicht sehen wir uns ja mal wieder.


Am nächsten Morgen wollte ich aufbrechen. Vor lauter Reisefieber war ich so früh wach, dass ich als allererste Kundin beim Bäcker war und frisches Fladenbrot und ein paar Süßigkeiten kaufte. Die hatte ich echt nötig. Als ich zum Hafenbüro kam und meinen Aufenthalt bezahlen wollte, meinte der Onkel, es sei alles bezahlt, Seppi hätte ja mit mir abgerechnet, ich sei nichts schuldig.


Prima. Um kurz nach acht Uhr stach ich in See. Den Kurs nach Kreta hatte ich ausgearbeitet und in den Routenplaner eingegeben, es konnte nichts passieren, der Autopilot würde mich sicher ans Ziel bringen.


Der Wind war gering, nicht ganz Windstärke drei. Es gab eine sanfte Dünung, das Schiff fuhr ruhig mit den eingestellten zwölf Knoten. Ich ließ es entspannt angehen, es lagen etwa sechsunddreißig Stunden Fahrzeit vor mir, in der Zeit würde ich nicht großartig zum Schlafen kommen. Wie jeden Tag nahm ich mir ein französisches Buch vor. Meine Kenntnisse waren so weit fortgeschritten, dass ich sogar Filme auf französisch streamen konnte. Dass ich mal etwas so ausgiebig und umfangreich lernen könnte, hätte ich mir nie träumen lassen und mir auch nicht zugetraut. Es machte mich zufrieden und ich fühlte mich durchaus bedeutend, eine bisher unbekannte Art von Selbstbewusstsein gab mir Rückenwind. Ich, als Kapitänin eines ziemlich großen Bootes, allein auf großer Fahrt, bilde mich in Fremdsprachen, hörte sich super an. Es hatte einen ganz besonderen Klang, Lona und Bildung, bisher passte das nicht zusammen. Jetzt aber, mit den Sprachkenntnissen, dem Bootspatent und alles, jetzt konnte man es zusammen in einem Satz nennen. Diese Erkenntnis gab mir Zuversicht. Jepp, ich würde das schaffen, was ich mir vorgenommen hatte, das stand fest.


Wenn nur die Natur nicht gewesen wäre!


Es begann damit, dass es eine Sturmwarnung für das östliche Mittelmeer gab. Das beunruhigte mich nicht weiter, ich befand mich auf dem Weg in den Westen, was im Osten passierte, konnte mich nichts angehen. Außerdem klangen mir noch die Worte Seppis im Ohr, dass das Mittelmeer eine etwas größere Badewanne sei, in der es keine wirklichen Stürme geben könne.


Zur Vorsicht verstaute ich die Auflagen der Sonnenliegen auf dem Vordeck in das dafür vorgesehenen Schapp, die Korbmöbel auf dem Achterdeck schob ich unter den Tisch, sodass sie fest saßen. Auf der Flybridge zurrte ich die Abdeckungen über die Instrumente und auch als Schutz über die Windschutzscheibe.


Die Persenning über das Dinghy bereitete mir Schwierigkeiten, weil der Wind kräftig zunahm und mir das eine Ende immer wieder durch die Finger flutschte. Letzten Endes siegte meine Zuversicht, alles schaffen zu können. Der Erfolg gab mir recht, die Persenning saß am Ende stramm und fest.


Zur Sicherheit flitzte ich noch durch die Kabinen, ob auch alle Fenster geschlossen waren. Auf dem Weg zurück ins Cockpit nahm ich mir eine lange Hose mit und einen Pulli. Wann hatte ich zum letzten Mal eine lange Hose getragen? Jetzt jedenfalls half sie mir, denn es wurde ganz schön frisch.


Es war schon lange kein freundliches Wetter mehr hier draußen auf See, am Horizont verdunkelte sich der Himmel zusehends. Aber, das Mittelmeer war ja nur eine etwas größere Badewanne. Die Stürme hier waren ja gar kein Vergleich zu denen anderswo, in der Nordsee zum Beispiel. Sollte ich mir Sorgen machen? Kein Mensch auf Gottes weiter Erde hatte weniger Grund, sich Sorgen zu machen als ich, so dachte ich.


Na, dann ging es aber los. Es kam eine Regenbö auf mich zu, die ich schon von Weitem ausmachte. Zur Vorsicht schloss ich die Türen zum Oberdeck achtern, denn es wurde mir wirklich zu ungemütlich. Der Regen kam näher, als er mich erreichte, prasselte er gegen die Fenster, die Scheibenwischer hatten emsig zu tun. Es wurde so dunkel, dass ich nicht mehr sah, wohin wir fuhren. Es gab zwei starke Scheinwerfer auf der Gerätebrücke über der Flybridge. Deren Schalter waren mir nicht geläufig, die musste ich erst suchen. Als sie die anstürmenden Wellenberge beleuchteten, hätte ich sie am liebsten wieder ausgeschaltet, so beängstigend war die Masse Wassers, die da auf mein Schiff und mich zuraste.


Die Höhe der Wellen nahm immer weiter zu. Der Wind und damit die Wellen kam aus West-Südwest, er nahm weiter zu und drehte langsam südwärts, bis er sich bei Süd-Südwest einpendelte. Bei meinem strikten Westkurs nahm das Schiff die Wellen schräg von vorn. Dadurch machte das Boot ganz unangenehme Bewegungen. Durch die schräg aufprallende Welle, die es hinaufklettern musste, krängte es nach Steuerbord, auf dem Kamm angelangt, neutralisierte sich die Krängung und das Schiff stürzte sich schräg ins Wellental, dabei krängte es stark nach Backbord, unten angekommen schoss es in die nachfolgende Welle, schwang über nach Steuerbord, erklomm die nächste Welle, schwang zurück nach Backbord. Dazu ging es heftig rauf und runter. Die Stabilisatoren hatte ich längst schon ausgefahren. Ihre Wirkung war unbestritten, nur gegen die Macht des Sturmes und der Wellen befanden sie sich auf verlorenem Posten. Das Schiff rollte wie verrückt, ich hatte alle Mühe, mich auf meinem Platz am Ruder zu halten.


Wenn so ein Sturm in einer Badewanne aussah, dann wollte ich nicht wissen, wie es bei einem Sturm auf offener See aussah.


Selbstverständlich war ich zuversichtlich, logisch. Meine Jacht war ja kein Ruderboot, sondern ein seetüchtiges Schiff, das sich von einem solchen Stürmchen nicht kleinkriegen ließ. Die Warnung wurde mittlerweile für den gesamten Mittelmeerraum ausgerufen, der Sturm richtete in Italien und Griechenland bereits massive Schäden an.


Der Wind nahm mehr und mehr zu, er heulte um das Schiff herum, der Regen peitschte beinahe waagerecht gegen die Fenster, es war echt unheimlich. Zum Lesen kam ich schon lange nicht mehr, denn wenn das Schiff solche Korkenzieherbewegungen macht, dann ist man voll damit beschäftigt, sich fest zu halten und die Bewegungen so weit wie möglich mit allen Muskeln aufzufangen und auszugleichen. Die Wellen wurden höher, mittlerweile wurden sie alle von weißen Schaumkronen geschmückt. Das Boot krachte immer lauter und lauter in die Wellen hinein. Zusammen mit Gischt und Regen flog beinahe so viel Wasser durch die Luft, wie es unter dem Kiel gab. Ich nahm Fahrt heraus, dadurch wurde das Rollen noch stärker. Ich sah ein, dass man in solch einer Situation nicht stur auf seinem Kurs beharren durfte. Wenn es gegen die See ging, dann war es notwendig, nachzugeben, denn gegen die Naturgewalten kam ich mit dem Schiff nicht an. Ich lenkte ein, wechselte den Kurs und nahm somit die Wellen frontal. Da ging es leichter, das Rollen schaltete ich damit beinahe aus.


Die Haltbarkeit des Rumpfes trat nach und nach in den Mittelpunkt meines Interesses. Ich meinte, lauter und lauter werdendes Knistern zu vernehmen, wenn das Boot in die anstürmenden Wellen krachte, der Rumpf schien an seine Belastungsgrenze zu gelangen. Der Wind und die Wellen machten keinerlei Anstalten, abzuflauen und weicher und freundlicher zu werden, im Gegenteil. Der Windmesser stand auf elf Beaufort, man soll es nicht für möglich halten, Windstärke elf in einer Badewanne. So langsam wurde mir klar, dass auch ein Sturm im Mittelmeer einer war, den man als Skipper zu fürchten hatte.


Im Heck knatterte etwas, ich dachte, dass dort der Rumpf nachgab und wollte gleich hin rennen. Als ich den Scheinwerfer einschaltete, der das Achterdeck beleuchtete, sah ich das brodelnde Wasser dort und die heftigen Bewegungen der Badeplattform. Wenn ich dort hinunter ging, war die Gefahr riesig, dass ich über Bord ging, bei diesen wilden Bewegungen. Um fest zu stellen, woher das Geräusch kam, musste ich mich sichern.


Im Schapp neben der Crewkabine wusste ich einige Seile. Eines davon holte ich von unten herauf, band es am Fahrersessel fest und das andere Ende schlang ich mir um den Leib. Jetzt kamen mir die geübten Knorten zuhilfe, die ich im Hafen als überflüssig empfunden hatte. Am Seil festgeklammert ließ ich mich zu dem Geräusch hinunter. Innerhalb von Sekunden war ich nass bis auf die Haut. Als ich die Quelle des Geräusches erreichte, war es nur die Persenning des Dinghys, von der hatte sich eine Ecke gelöst und knatterte lautstark im Wind. Vom achteren Oberdeck aus nach vorn geschaut, sah ich die anrollenden Wellen, sie waren bedeutend höher, als das Schiff. Es war irre, wie hoch und monströs eine solche Welle sein kann.


Mein treues Boot stampfte, hob sich hoch in den dunkelgrauen Himmel, stürzte in das nächste Tal, um sehr tief in die anstürmenden Wogen einzutauchen. Der gesamte Rumpf ächzte und stöhnte, allein die Geräusche waren beängstigend. Wenn man sich die Wellen anschaute, die im Halbdunkel auf uns zurasten, dann rutschte einem bereits bei dem Anblick der vom Gischt weißen Monster das Herz in die Hose. Das Schiff bewegte sich so heftig, dass ich fast zehn Minuten brauchte, um mich von dem Achterdeck gegen das Schlingern und Stampfen zurück zum Fahrersessel am Seil zurück zu arbeiten. Mich hier zu behaupten, verlangte alle Kraft von mir. Wenn es nicht so beängstigend gewesen wäre, dann wäre es ein gewaltiges Schauspiel, vor dem man sich demütig und respektvoll verneigte. Zum Verneigen fehlte mir allerdings die Zeit, ich fürchtete mich wie verrückt, musste jedoch trotzdem die Verantwortung für mein Schiff tragen. Mit Mühen zerrte ich mir die nasse Kleidung vom Körper und schlang mich in die Decke, die auf der gepolsterten Sitzbank neben dem Cockpit lag.


Es stand für mich fest, dass es nur eine Frage der Zeit wäre, bis sich wegen der Dauer der extremen Belastung mein Schiff in die Einzelteile auflösen würde. Wenn irgendetwas brechen würde oder der Rumpf an irgendeiner Stelle nachgäbe, dann wäre ich verloren, das stand für mich fest.


Badewanne, das Mittelmeer nur eine etwas größere Badewanne! Seppi, komm du mir unter die Finger!


Wenn das Schiff sich in einem Wellental befand, dann verschwand es komplett darin. Mir erschienen die Wellen höher zu sein als das Schiff. Das Maß, wie hoch das Schiff aus dem Wasser ragte, konnte man in den Spezifikationen nicht nachlesen, so konnte ich nicht genau bestimmen, wie hoch die Wellen waren. Das war mir auch egal, denn ich musste zusehen, dass und wie ich mein nacktes Leben erhielt.


Das Radar war einigermaßen unbrauchbar, denn die Wellen reflektierten teilweise die Radarstrahlen oder ließen sie nicht hindurch, jedenfalls war der ganze Apparat sinnlos. Nach einiger Zeit weckte der Karten-Plotter, des GPS-Gerät, meine Aufmerksamkeit. Der rote Punkt, der meinen Standort bezeichnete, wurde langsam aber sicher in Richtung der türkischen Küste abgetrieben. So langsam nun auch wieder nicht, wir machten fünf Knoten Fahrt über Grund, rückwärts, mit Wind und Wellen, auf die türkische Küste zu. Im ersten Moment war ich versucht, mehr Gas zu geben, das wäre aber bei diesen Wellen Selbstmord. Also musste ich es treiben lassen und hoffen, dass der Sturm in absehbarer Zeit abflauen würde.


Der unternahm jedoch keinerlei Anstalten dazu. Das Gegenteil schien mir der Fall zu sein, die Wellenhöhe nahm noch zu, der Windmesser gab den Geist auf.


Wie war das noch? Das richtige Verhalten bei Sturm?


In einem der Bücher war das Beidrehen behandelt worden. Im Gedächtnis kramend kam ich nicht weiter, dazu stressten mich die Umstände zu sehr. In meiner Erinnerung schien es mir so, als hätte ich es in dem Buch gelesen, das ich mir aufs Tablet heruntergeladen hatte. Das Tablet lag auf der Sitzbank neben mir. Um dort hin zu gelangen, vom Fahrersitz aufzustehen, die drei Meter herüber zu torkeln, das Tablet zu fassen und zum Fahrersessel zurück zu gelangen, dauerte geschlagene zehn Minuten.


Da stand es. Man wendete, kehrte den Wellen das Heck zu, bei kleiner Fahrt rückwärts. Wenn ich bei diesen Wellen, bei diesem Sturm wenden würde, dann würden mich die Wellen kentern lassen oder erschlagen. Quer zu diesen Wellen? Keine Chance. Ich würde nicht einmal einen Versuch starten.


Was nun, Lona?


Wenn man sich die Wellen so ansah und sie mal nüchtern betrachtete, ohne die Angstbrille, dann beobachtete ich, dass sich ab und zu eine Welle brach. Wenn sie sich genau vor oder gar über dem Schiff brach, dann war sekundenlang nicht zu sehen, ob wir noch schwammen oder bereits unter Wasser gedrückt worden waren. Immer jedoch kämpfte sich mein tapferes Boot an die Oberfläche zurück. Sekunden danach ergab sich anstelle der Welle eine weiß schäumende, in sich brodelnde, aber im Grunde genommen ebene Fläche. Sie blieb lange genug eben, um darauf ein Wendemanöver einleiten zu können. Es müsste sehr schnell gehen. Um optimal schnell drehen zu können, müsste ich Bug- und Heckstrahlruder benutzen und gleichzeitig die Drehung mit voller Maschinenkraft unterstützen. Es müsste die eine äußere Schraube vorwärts und die innere rückwärts laufen und zwar mit voller Kraft.


Den Plan hatte ich rasch gefasst, jetzt musste ich nur noch darauf warten, dass sich ein solcher Brecher in meiner Nachbarschaft ereignete. Dabei schaute ich in der Hauptsache nach links, einen Brecher auf der Steuerbordseite bekam ich dadurch nicht mit. Egal, der nächste kommt bestimmt. Dann sah ich die sich brechende Welle backbord voraus, zehn Meter seitlich. Mit aller Kraft steuerte ich auf die Fläche zu, die gleich eben werden würde. Da, der Brecher überschlug sich, die erhoffte Fläche entstand. Das Boot drehte sich unter voller Maschinenkraft leichtfüßig wie eine Ballerina auf der Stelle. Rechtzeitig zur nächsten Welle fuhr ich geradeaus, im rechten Winkel zu den Wellen. Die kamen nun von hinten. Der Beschreibung im Fachbuch folgend, stellte ich beide Maschinen auf kleine Fahrt zurück.


Das Ergebnis war verblüffend. Die Wellen besaßen immer noch die gleiche Höhe und die gleiche Wucht. Anstatt sich dagegen an zu stemmen, ritt sie mein schönes Boot ganz gelassen ab. Ließ sich hinten anheben, die Welle rauschte unter ihm hindurch, es senkte sich gelassen in das nächste Tal hinab und ließ sich von der folgenden Welle wieder hinaufheben. Alle Bewegungen verliefen geschmeidig und beinahe sanft ab. Wunderbar.


Dass das Boot nun noch stärker abtrieb, Richtung türkischer Küste, das vernachlässigte ich in meinem überanstrengten Hirn.


Durch die starke Schaukelei über die letzten Stunden war ich wirklich erschöpft. Dagegen besaß dieses gleichmäßige Auf und Ab etwas Einschläferndes, Beruhigendes, wie eine Wiege. Die Gefahr des sofortigen und brutalen Scheiterns und damit die Lebensgefahr war vorüber, es machte sich Müdigkeit bei mir bemerkbar, die nicht mehr zu beherrschen war. Wirklich und wahrhaftig, ich legte mich auf die Sitzbank neben dem Cockpit und schlief beinahe sofort ein.


Trotz des Höllenlärms, den der Sturm verursachte, wachte ich erst nach zirka zwei Stunden tiefen und erholsamen Schlafes wieder auf. Dank der Umstände, der immer noch heftig heulende Sturm und die starken Schaukelbewegungen, war ich sofort wach. Laut Kartenplotter war die türkische Küste ein erhebliches Stück näher gerückt. Die Nähe war noch nicht beunruhigend, jedoch musste ich sie im Auge behalten. Am Liebsten hätte ich jetzt einen heißen Kakao getrunken, aber in dem Moment, bei dieser Schaukelei ein Heißgetränk bereiten zu wollen, war aussichtslos. Erst einmal kämpfte ich mich in meine Kabine, um mir etwas Warmes anzuziehen. Von da aus bis zum Kühlschrank, holte mir die Flasche mit dem Fruchtsaft und torkelte damit zurück zum Cockpit.


Die Wettervorhersage über Seefunk verkündete Sturm bis zwölf Beaufort, Süd-Südwest.


Was Sie nicht sagen!


Erst nach acht Uhr morgens setzte die Dämmerung ein. Niedrig fliegende Wolken sausten mit einem Affenzahn über den Himmel, Gischt und Regen flogen durch die Luft. Mich ängstigte das alles nicht, auch die nach wie vor schiffshohen Wellen hatten ihren Schrecken für mich verloren. Mein Schiff wurde nun nicht mehr über Gebühr beansprucht, wir trotzten dem Sturm und der Natur nicht, sondern nutzten ihre Kraft, um uns sanft schaukeln zu lassen. In dem Zustand, in dem wir uns nun befanden, Heck voraus, kleine Fahrt rückwärts, konnte uns die See nicht schockieren, ihre Kraft verlief ins Leere.


Gegen Mittag, nach knapp vierundzwanzig Stunden heftigen Sturmes, schien es mir, als flaue er ab. Ich traute der Ruhe so lange nicht, bis es sich wirklich aufhellte, das Heulen nachließ, nach und nach die Wellenhöhe deutlich abnahm. Die See schien nicht mehr so wütend, sondern besänftigt zu sein.


Die Karte zeigte mir, dass wir viel näher an Rhodos getrieben worden waren, als wir Boden in Richtung Kreta gut gemacht hatten. Der türkischen Küste waren wir bis auf wenige Kilometer nahe gekommen, aber Rhodos war sehr gut erreichbar. Ich stellte es mir schrecklich vor, als kleines blondes Mädchen in einen türkischen Fischereihafen einzulaufen, deswegen wollte ich unbedingt Rhodos ansteuern.


Bei nächster Gelegenheit wendete ich das Schiff. Unmittelbar danach, sofort als wir Fahrt in Richtung Rhodos aufgenommen hatten, traf mich ein Sonnenstrahl. Er kam durch die immer noch mit ziemlichem Tempo dahineilenden Wolken und verschwand eben so schnell, wie er gekommen war. Für mich war es ein Zeichen, dass jetzt alles gut werden würde.


Der Wellengang wurde sehr schnell ruhiger bis moderat. So war die Seefahrt auf der Badewanne Mittelmeer wieder angenehm. Bis Rhodos waren es zweieinhalb Stunden, die gaben mir Gelegenheit, das Schiff zu inspizieren. Die Reling am Bug war stark verbogen und das Schapp auf der Steuerbordseite, das, in dem sich die Auflagen für die Sonnenliegen befanden, war eingedrückt, die Auflagen fand ich wasserdurchtränkt dort vor. Ich legte sie zum Trocknen auf die Liegefläche. Das Boot musste wieder in seinen Ursprungszustand gebracht werden, die Schäden mussten repariert und das Schiff einmal komplett durchgesehen werden. Ich war nicht Fachfrau genug, um eventuelle Schäden in der Struktur fest zu stellen. Um das fachmännisch durchführen zu lassen, suchte ich im Internet eine Niederlassung des Bootsherstellers. Auf Kreta fand ich eine Werft, die Schiffe dieses Herstellers betreute. Man gab mir dort einen Termin in drei Tagen, ich möchte doch bitte Fotos der Schäden übermitteln, damit man sich ein Bild machen und unter Umständen Ersatzteile bestellen könne.


Prima, das waren gute Aussichten! Ich persönlich würde mich auf Rhodos restaurieren, richtig ausschlafen, frisches Obst und Gebäck kaufen, mich erholen und dann auf die Reise von sechs Stunden nach Souda auf Kreta machen.


Guter Plan.


Als ich dann Land in Sicht bekam, war es mir, als würden mir etliche Steine vom Herzen fallen. Man kann sich meine Erleichterung und meine Vorfreude wahrscheinlich nicht vorstellen. Ich kam mir vor wie einer der alten Seefahrer, Magellan oder James Cook, als das Land näher und näher kam.


Der Anblick der Hügel über der Stadt Rhodos, der Duft von Land, von Pflanzen und Erde wurde von mir beinahe als berauschend empfunden.


Der Hafenmeister der Rhodes Marina wies mir über Funk einen Liegeplatz zu, machte mich auf die Geschwindigkeitsbeschränkung im Hafen aufmerksam und wünschte mir eine gute Fahrt. Im Hafen langsam zu fahren war mir durch Seppi millionenfach eingetrichtert worden. Ich kam nicht auf die Idee, innerhalb eines Hafens schneller als zwei, maximal drei Knoten zu fahren. Das macht man einfach nicht.


Ich legte an, zwei Anker vorn, zwei Leinen zum Pier, verschloss die Tür und legte mich in die Masterkabine unter meine wundervolle Bettdecke. Es roch dort immer noch nach meinem Seppi und nach unserem Sex. Den Duft in der Nase, das Gefühl der Sicherheit, den Sturm überstanden, sicher im Hafen angelangt zu sein und die Müdigkeit ließen mich sofort in tiefen und traumlosen Schlaf fallen.


Als ich wach wurde, wusste ich erst einmal nicht wo ich war und welchen Tag wir hatten. Erst nach und nach kam ich so weit zu mir, dass ich realisierte, mehr als vierzehn Stunden geschlafen zu haben.


Wunderbar, alles war wunderbar.


Es war immer noch kühl, morgens um sieben, nach dem Sturm. Ich kleidete mich in die inzwischen trockene, lange Hose von gestern, marschierte am Büro des Hafenmeisters vorbei, es war noch geschlossen. Die Beleuchtung einer Bäckerei lockte mich. Ich erwarb zwei backfrische Croissants, und einen Ballen heimischen Frischkäses aus Schafsmilch, hockte mich aufs Achterdeck, trank heißen Kakao und aß dieses köstliche Croissant mit diesem ebenso köstlichen Frischkäse.


So gehörte sich das, mein Leben auf dem Mittelmeer, so war es richtig. Die Gefahren des Sturms verblassten bereits. Die Sonne schien, die Luft erwärmte sich zusehends, alles war wunderbar, ich, Kapitänin Lona, hatte einen lebensgefährlichen Sturm gut überstanden.


Ausgelassen wie ich war, wollte ich eine Stadtrundfahrt mit einem Taxi unternehmen. Wie schon einmal erwähnt, ich gebe nicht gern Geld aus, trotzdem wollte ich mir das zur Feier des Tages gönnen. Mittlerweile war das Büro des Hafenmeisters besetzt, er betrieb nebenher noch ein Versicherungs- und ein Maklerbüro. Wir rechneten ab, ich wollte bis morgen bleiben, den Versorgungsdienst brauchte ich nicht, vom Treibstoff waren noch mehr als zehn Tonnen im Vorrat, Frischwassertank noch beinahe voll, der Fäkalientank leer. Nein, einen Stromanschluss brauchte ich auch nicht, vielen Dank und eine schöne Zeit.


Mich so weit auf englisch zu unterhalten, hatte ich mittlerweile gelernt. Meine Englischkenntnisse waren jedoch meilenweit von dem entfernt, was ich inzwischen auf Französisch beherrschte.


Der Hafenmeister war so nett, mir ein Taxi zu rufen. Während ich darauf wartete, fragte er mich, wo ich während des Sturms gewesen wäre, in welchem Hafen ich das Ende dieses furchtbaren Sturmes abgewartet hätte. Mit Gesten bedeutete ich ihm, dass ich den Sturm draußen, auf See überstanden hatte. Das wollte er nicht glauben, es würden in griechischen Gewässern mindestens sechs Boote vermisst, drei weitere waren wohl definitiv verloren, sie wurden gekentert und/oder gestrandet aufgefunden, von den Besatzungen keine Spur. Wo ich denn her gekommen wäre? Ich zeigte ihm meinen Kurs auf der Seekarte an der Wand. Er meinte, ich sei direkt ins Sturmzentrum gefahren und schadlos durchgekommen. Er zweifelte immer noch, dass meine Schilderung der Wahrheit entsprach. Das war mir egal, das Taxi fuhr vor und ich begann mit meiner Sightseeingtour.


Am nächsten Morgen saß ich auf dem Achterdeck beim Frühstück. In Gedanken hatte ich bereits abgelegt und befand mich auf dem Weg nach Souda auf Kreta, der Ort, an dem die Werft lag, mit der ich am nächsten Tag einen Termin hatte.


Es rief mich eine Frauenstimme vom Pier.


„Ahoi Cupidon!“


Eine Rucksacktouristin stand dort mit einer Papiertüte in der Hand und winkte damit. Wenn ich es richtig sah, war das eine Tüte der Bäckerei, deren Croissant ich gerade verspeiste.


Sie rief in holperigem Französisch mit unverkennbar deutschem Akzent, ob ich sie mit nach Kreta nehmen könnte.


„Sprichst du deutsch?“, fragte ich zurück.


„Ja, sicher“, rief sie zurück, von der Sprache her eine Schweizerin.


„Ich fahre nach Souda, willst du dahin mit?“


„Ist mir recht, irgendwo auf Kreta, egal wohin.“


„OK“, winkte ich sie zu mir. „Herzlich willkommen. Ich will gleich ablegen, OK?“


„Sehr gut“, meinte sie und stellte sich mit Ursel vor. Sie trug eine abgeschnittene Jeans, derbe Springerstiefel, ein Top mit einem karierten Männerhemd darüber und einen grünen, verschossenen und prall gefüllten Rucksack mit einer Trinkflasche in der Seitentasche.


„Ursel“, stellte sie sich vor und gab mir die Hand. „Ich habe einen Bootsführerschein, ich kann dich ablösen.“


„Sehr schön, vielen Dank. Du kannst die Schuhe und das Gepäck in den Salon stellen. Hast du schon gefrühstückt?“


Sie verneinte, ich leistete ihr Gesellschaft, bot ihr einen Kaffee an und war gespannt darauf, was sie für eine Geschichte zu erzählen hatte. Aber erst wollte ich mich auf die Reise begeben, zum Plaudern hatten wir mehr als sechs Stunden Zeit. Weil ich eine wildfremde Person an Bord nahm, wollte ich sicher gehen, sie nicht zum Diebstahl zu verführen. Aus dem Grund legte ich alle wichtigen Papiere, mein Portemonnaie mit allen Bank- und Kreditkarten und alles was ich an echtem Schmuck besaß, in den bordeigenen Tresor. Das war eine Schublade, die etwa die Größe von zwei Schuhkartons aufwies. Sie öffnete sich seitlich in den Gang zur Masterkabine, wenn man in das Tastenfeld auf dem Armaturenbrett die richtige Zahlenkombination eingab.


Ursel half mir mit den Leinen, löste sie am Pier und schoss sie sauber an Deck auf. Die Frau kannte sich tatsächlich in der Seefahrt aus.


Wir tuckerten langsam aus dem Hafen heraus, sie kam zu mir ins Cockpit, nahm an dem kleinen Tisch Platz und schaute zu, wie ich das Schiff durch die Hafeneinfahrt manövrierte.


„In der Bäckerei haben sie mir erzählt, dass du nach Kreta fährst. Danke, dass du mich mitnimmst.“


„Gerne doch. Wo kommst du her?“


Sie begann zu erzählen. Ich schaute ihr zu, wie sie erzählte. Es handelte sich bei ihr um eine Berner Studentin, die sich ein Jahr Auszeit gönnte und einmal rum ums Mittelmeer trampen wollte. In der Türkei sei sie jedoch umgekehrt, das Leben als allein reisende blonde Frau unter Muslimen sei ihr zu gefährlich erschienen. Ihr neues Ziel war es, sämtliche Mittelmeerinseln zu bereisen, Rhodos sei bereits die vierte Insel auf ihrer Route. Nach Kreta werde sie weiter daran arbeiten, alle griechischen Inseln zu besuchen, zumindest alle die, die mit öffentlichen Fähren erreichbar wären.


Sie erzählte lebhaft, mit viel Körpersprac

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Kommentare


red-sam
dabei seit: Mai '01
Kommentare: 27
schrieb am 05.05.2021:
»... so ein Cliffhanger ...
Wann kommt der nächste Teil?«

bb75
dabei seit: Dez '00
Kommentare: 2
schrieb am 09.06.2021:
»Hab alle Teile bis hier verschlungen. Sehr schön zu sehen, wie sich die Geschichte entwickelt. Freue mich schon auf den nächsten Teil.«



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