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Kommentare: 3 | Lesungen: 1588 | Bewertung: 8.56 | Kategorie: Sex Stories | veröffentlicht: 30.05.2021

Lona VII - Erotik-Party unterm Ätna

von

Das Handy gab einen selten gehörten Laut von sich, es rief jemand Fremdes an. Wir waren gerade im Begriff, den Ort namens Rose zu verlassen, um die Bucht von Kotor zu erobern. Dieser Anruf beendete quasi mein, unser friedliches Leben, denn er kam von niemand Wichtigerem als von meiner Mutter.


„Schatz, bist du immer noch in Monaco? Ja oder?“


Sie hat mich in meinem ganzen Leben noch nie Schatz genannt, immer nur Ilona oder Kind oder einfach Du. Wir hatten nicht wirklich viel miteinander zu tun, aufgewachsen bin ich bei Omama Ilona. Erst als die starb, da war ich dreizehn, da blieb meiner leiblichen Mutter nichts anderes übrig, als sich um mich zu kümmern. Dabei hat sie sich nicht wirklich gekümmert, sie hat mir ein Dach über dem Kopf gegeben und mich ernährt, das war es. Ein inniges Verhältnis zwischen uns kam nicht zustande. Man muss ihr zugute halten, dass sie erst fünfzehn war, als ich geboren wurde.


Bei uns in der Familie waren die Mädchen immer schon frühreif. Omama Ilona starb ganz tragisch mit vierundvierzig, ein paar Tage nach meinem dreizehnten Geburtstag.


Genug von den alten Sachen, meine Mutter nannte mich ‚Schatz‘, das konnte nur ein Versprecher sein, vielleicht nannte sie all ihre Liebschaften ‚Schatz‘ und war es gewohnt, Leute, die sie kannte, mit Schatz anzusprechen.


Meine gefühlte und geliebte mütterliche Bezugsperson war immer meine Omama. Die hat sich um mich gekümmert und mich umsorgt, Mutter habe ich immer nur mit dem Namen angesprochen. Aber jetzt sagte ich:


„Mama! Was ist passiert?“


Sie rückte gleich von dem vertrauten Ton ab und sagte gewohnt kühl:


„Was soll passiert sein? Ich telefoniere mit meiner Tochter, dazu braucht es keinen besonderen Anlass.“


Wann hatten wir zuletzt telefoniert? Doch, ich war schon in Monaco, also war es weniger als zwei Jahre her. Ich hatte sie per Whatsapp-Mail auf dem Laufenden gehalten, zumindest sie darüber informiert, dass ich auf einem Boot lebe. An das letzte Telefonat mit ihr konnte ich mich beim besten Willen nicht mehr erinnern.


„Ja, natürlich, ich freue mich über deinen Anruf“, erwiderte ich, gespannt darauf, was sie von mir wollte.


„So gehört es sich“, meinte sie geziert. Ich sah sie praktisch vor mir, in dem blauen, engen Businesskostüm mit den langen rotbraunen Locken und dem berechnenden Blick aus grünen Katzenaugen. Nein, wir waren uns nicht unbedingt sympathisch.


Sie war zum vierten Mal verheiratet oder zum vierten Mal geschieden, da war ich nicht auf dem Laufenden, interessierte mich auch nicht wirklich. Sie führte etwas im Schilde, das konnte ich durchs Telefon spüren, aber was?


Jule hatte auf meinen Wusch hin bereits die Leinen gelöst, das Boot trieb ganz sachte ohne Antrieb an der Kaimauer entlang. Mit dem Handy am Ohr startete ich die Maschinen und brachte das Boot ein Stück weg von der Mauer, etwas weiter bis ins Fahrwasser hinein. Hier war ganz schöner Betrieb auf dem Wasser, man musste schon aufpassen, dass man freie Fahrt hatte. Der starke Bootsverkehr war darauf zurück zu führen, dass der schnellste Weg auf die andere Seite der Bucht auf jeden Fall der Wasserweg war. Außen herum zu fahren würde bestimmt einen ganzen Tag oder gar längere Zeit in Anspruch nehmen, so tief ragte die Bucht ins Land hinein und so unwegsam war das Gelände. Aus dem Grund war viel Betrieb auf dem Wasser und man musste gut aufpassen, wohin man steuerte.


Nun wusste ich immer noch nicht, was Nadja zu dem Anruf bewogen hatte. Was wollte sie von mir?


„Kind, gib doch mal Antwort, du lebst doch noch in Monaco oder nicht?“


„Ja, Mama, da bin ich immer noch gemeldet, warum fragst du?“


Sie stutzte etwas, weil ich schon zum zweiten Mal ‚Mama‘ gesagt hatte, das kam sehr deutlich übers Telefon.


„Hast du auch das Bötchen noch?“


Bötchen, sie nannte mein Schiff ein Bötchen! Es war ein Grund um aufzubrausen. Wenn Jule nicht neben mir gestanden hätte, wäre ich gewiss ausfallend geworden. So bestätigte ich und fügte an:


„Damit bin ich gerade unterwegs, warum fragst du das alles?“


„Ich will wissen, wie es meiner Tochter geht, das ist der Grund“, meinte sie mit der gewohnten Kühle. Sie rückte nicht mit dem heraus, was sie wirklich wollte.


„Was meinst du, würde es dein Boot bis Mallorca schaffen?“


Wollte sie etwa herkommen? Mir schwante Fürchterliches.


„Leicht“, erklärte ich. „Im Moment bin ich allerdings damit in der Adria unterwegs, Montenegro, wenn dir das etwas sagt.“


„Montenegro? Das ist Ex-Jugoslawien, ist da nicht Krieg?“


„Nein, hier ist kein Krieg, hier ist es sehr friedlich.“


„Das kann täuschen, Kind, sei vorsichtig, es kann immer noch ein paar übrig gebliebene Soldaten geben, die nicht wissen, dass der Krieg zu Ende ist. Hört man ja immer wieder.“


Dass ich mir diesen Unsinn anhören musste, war mir fast zu viel. Sie sollte endlich mit dem herüber kommen, was sie wollte. Die Spannung zwischen uns war groß, in dem Moment. Sie wollte nicht mit dem herausrücken, was sie wollte und ich wollte mich nicht weiter ausfragen lassen, ohne zu wissen, um was es ging. So schwieg ich eisern, ich würde nicht von mir aus sprechen.


Sie erwartete wohl, dass ich etwas sagte, ich aber schwieg und würde weiter schweigen, von mir aus so lange, bis der Handyakku leer wäre.


„Kind“, hob sie endlich an, sich zu erklären. „Würdest du denn mit mir nach Mallorca fahren, mit deinem Boot? Du hast doch da eine Kajüte, in der man auch schlafen kann oder?“


„Sicher, Mama, für dich habe ich sogar eine eigene Außenkabine. Und jeden Abend gibt es ein Käptens-Dinner.“


„Machst du dich über deine arme alte Mutter lustig? Kind?“


Mir platzte der Kragen, etwas zu heftig erwiderte ich:


„Nein, ich mache mich nicht lustig. Derzeit befinde ich mich auf einer Tour in der Adria. Wenn du mich auf meinem Schiff besuchen kommen möchtest, dann bitteschön, du bist willkommen. Wann soll das denn stattfinden?“


„Kind, du hörst dich müde und gereizt an, schläfst du denn genug?“


Alter!


„Mutter!“, so hatte ich sie noch nie genannt. Sie wollte auch nicht Mutter genannt werden, sie käme sich dann so alt vor. „Du bist willkommen, wann soll das denn stattfinden?“


„Du würdest mich aber nach Mallorca bringen?“


In den sauren Apfel würde ich wohl beißen müssen. „Ja, sicher“, brachte ich über die Lippen.


„Gut“, meinte sie zufrieden. „Du hast aber genug Platz für mich und Diego?“


Wer um Himmels Willen war Diego? Als ich noch bei ihr wohnte, hatte sie häufig so einen kleinen Fiffi, den sie überall mit hin schleppte. Zuerst einen weißen, zuletzt einen braunen, mit einer dämlichen rosa Schleife im Haar. Dass man einen so kleinen Köter Diego nannte, hatte natürlich etwas. Aber bittesehr, für die hochwohlgeborene Frau Mutter war mir kein Aufwand zu groß. Es waren zernagte Schuhe und Hundepipi auf dem Teppichboden zu befürchten.


„Dein Diego ist hoffentlich stubenrein?“, wagte ich zu bemerken. Darüber war sie empört.


„Also Kind, dein loses Mundwerk hast du aber noch nicht abgestellt!“


„Sagst du mir jetzt bitte freiwillig, wann und für wie lange du her kommen möchtest?“


„Was bist du denn so gereizt, mein Kind? Hast du wieder Party gemacht und kommst wenig zum Schlafen? Du bist kein gutes Kind, aber das weißt du ja.“


Ich sah sie vor mir, die Empörung schlechthin.


„Mutter, ich fahre und darf nicht telefonieren, bitte rufe mich später nochmal an.“


„Das kommt ja gar nicht infrage. Du wirst doch für deine leibhaftige Mutter ein paar Augenblicke Zeit haben!“


Man konnte sie beinahe schnauben hören vor lauter gerechter Empörung über die schlechte Behandlung. Sie fuhr erst nach einigen Augenblicken fort:


„In einer Woche habe ich Urlaub, da könnte ich kommen. Dann bist du aber wieder in Monaco, nicht wahr? Man fliegt nach Nizza und fährt von da nach Monaco, nicht wahr? Kannst du uns vom Flughafen abholen?“


Das Tablet lag griffbereit, damit suchte ich den nächstgelegenen Flughafen. In einer Woche sagte sie. Bei dem Tempo, das wir vorlegten, wären wir, Jule, das Schiff und ich, in einer Woche in Kroatien.


„In einer Woche können wir uns in Split treffen, Kroatien. Split hat einen eigenen Flug …“


„Das ist Ostblock, Ilona, da bekommen mich keine zehn Pferde hin. Afghanistan, Pakistan, Albanien, Kroatien, alles ehemaliger Ostblock und immer noch im Kriegszustand. Nein.“


„Mutter, Pakistan und Afghanistan ist Asien, Kroatien ist ein friedliches, wunderschönes Land, es ist Europa, hier kannst du überall mit Euro bezahlen.“


Das wusste ich nicht, ob man in Kroatien mit dem Euro bezahlen kann, war aber jetzt auch egal.


„Nein, Kind, auch wenn kein Krieg ist, so will ich deren Armut nicht sehen, nein danke. Nachher bestiehlt man mich oder noch Schlimmeres, nein, wirklich nicht. Du wirst dich doch innerhalb einer Woche in friedliche Gegenden begeben können?“


Irre, echt irre!


„Da bleibt noch Koper, in Slowenien …“


Ihre Ablehnung war durchs Telefon fühlbar, mit der künstlichen Pause jetzt ärgerte ich sie ein wenig. Wie kann man so ignorant sein?


„Slowenien?“ fragte sie entsetzt.


„Oder Triest, das ist Italien“, fügte ich ein wenig schadenfroh hinzu.


„Ja, warum sagst du das nicht gleich? Triest? Italien? Kommt man von da aus nach Venedig? Da muss ich unbedingt nochmal hin. Also, Triest? Wo denn da?“


„Im Hafen, Nadja, im Hafen. Mein Schiff schwimmt auf dem Wasser.“


„Du bist wieder so gereizt, Ilona, du bekommst ganz gewiss zu wenig Schlaf. Eine Mutter spürt so etwas!“


Nur mit Mühe unterdrückte ich ein Lachen. Von meinen Belangen hatte sie im ganzen Leben noch nichts gespürt, jetzt durchs Telefon fest zu stellen, dass ich übermüdet sei, war ein ganz schlechter Witz.


Wir verblieben so, Triest in einer Woche, und beendeten das Gespräch. Um in einer Woche in Triest zu sein, mussten wir uns durch Kroatien hindurch beeilen und sogar abkürzen. Das fand ich schade, aber vielleicht konnten wir mit Nadja an Bord wieder zurück und uns die kroatische Küste anschauen.


Jule stand die ganze Zeit neben mir. Es sah so aus, als wenn sie dem Gespräch gefolgt wäre und alles mitempfunden hätte, was ich empfand. Sie sah verängstigt aus.


„Kannst du auch Hund zubereiten?“, fragte ich sie, um ihr die Angst zu nehmen. Sie verstand sofort, sie griente schräg und erzählte:


„Ich habe mal auf einem vietnamesischen Dampfer angeheuert, die haben echt alles gegessen, alles. Die hatten Gerichte mit Schlangen, mit Affen, Fledermäusen. Nichts was flog, schwamm, lief oder kroch war vor denen sicher.“


Sie schaute verträumt aus dem Fenster und meinte dann halb im Scherz und halb ernst:


„A Rezept für Aff hob i in meiner Sammlung, das würde wohl auch auf Hund passen. Wia grous is da denn?“


Schau an, die Jule, sie konnte auch Scherze machen.


„Der letzte war so ein kleiner Fiffi, gerade mal zwei Hände voll.“


„Mei, do ko a Rezept für a Brathändl bassen. Konn kommen, des Viech!“


Je ausgelassener sie wurde, desto stärker kam das Bayrische durch. Ich fand sie echt süß, die Jule.


„OK, Jule, jetzt sind wir in der Bucht von Kotor, lass uns mal schauen, was uns hier erwartet.“


Malerisch wäre deutlich untertrieben. Die bewaldeten Berge, in der Ferne gar felsig und mit Schnee bedeckt, die schmale bebaute Fläche gleich am Ufer, es war wirklich malerisch. Wir fuhren erst langsam, an der Küste längs, Richtung Süden. Wir erreichten die Stadt am Rande dieses Armes der Bucht, Tivat. Es lockten uns die zahlreichen Sonnenschirme, die bunt und malerisch Gastronomie verkündeten.


„Brauchen wir etwas?“, fragte ich Jule.


„Jo-mei, bisserl einkaffn würd bassen.“


Es gab ein Lokal, das hieß Red Lobster, es lag direkt am Strand mit einem winzigen Anlegesteg davor. Ganz sachte fuhr ich darauf zu, das Echolot im Blick, ganz, ganz sachte schlich ich mir heran. Wir hatten nur etwa 20 Zentimeter Wasser unter dem Kiel, als wir längsseits gingen. Jule legte das Boot an die Leine. Als wir einigermaßen gesichert waren, sprang ich auf den Steg, rannte zu dem Red Lobster und fragte nach, ob wir dort für zwei Stunden oder etwas länger liegen bleiben durften. Die Verständigung funktionierte auf englisch.


„Der Steg ist für unsere Gäste“, gab der Wirt Bescheid, es dauerte etwas, bis ich verstand, was er sagen wollte.


Ich kramte meine Englischkenntnisse hervor und sagte:


„Wir wollen haben Lunch, später.“


Dabei hoffte ich, dass ‚Lunch’ sowas war wie Mittagessen. Es gibt Lunch-Pakete, bei Pauschalreisen, die sind als Ersatz fürs Mittagessen gedacht oder?


„OK“, erklärte er sich einverstanden. „Wie viele Personen?“


„Zwei Personen“, zur Verstärkung zeigte ich mit den Fingern, zwei.


„OK“, erklärte er sich einverstanden. „Die Küche ist ab zwölf Uhr geöffnet. Wollen Sie hier essen oder mitnehmen?“


Der Bursche konnte viel besser Englisch als ich, das ärgerte mich. Wir einigten uns darauf, dass wir im Restaurant essen wollten.


Jule und ich holten den Elektroroller hervor und fuhren zu zweit mit dem Ding zum Supermarkt. Das letzte Mal, als der Roller zwei Personen tragen musste, saß Gerôme vorn und ich hinten. Jetzt saß ich vorn und Jule hinten. War nicht ganz einfach, das Gleichgewicht zu halten, aber funktionierte mit einigen Wacklern beim Anfahren, und machte nach einiger Zeit sogar Spaß.


Jule kaufte ein, mir war es egal, ich legte unseren Ernährungsplan in ihre Hände. Auf dem Rückweg vom Supermarkt entdeckte sie ein Fischgeschäft das sinnigerweise Montefisch hieß. So stand es angeschlagen, auf Montenegrinisch und auf International. Jule unterhielt sich mit dem Inhaber auf italienisch, das ging extrem flüssig und war schön anzuhören. Auf dem Rückweg entwickelte ich einen Plan.


„Jule“, hob ich an, als wir, auf dem Schiff angekommen, gemeinsam die Einkäufe verstauten.


„Jule, du bringst mir italienisch bei und ich dir französisch, was hältst du davon?“


„OK“, erklärte sie sich einverstanden. „Miassn mia in der Boazn do essn?“ Sie deutete auf den Red Lobster, damit ich wusste, was mit ‚Boazn‘ gemeint war.


„Ja, hab ich ihm versprochen. Lass mal, wird bestimmt gemütlich.“


Wir fuhren noch eine weitere Runde durch die Stadt, sehenswert, eindeutig. Wir fuhren so lange kreuz und quer, bis der Roller anzeigte, dass die Batterie bald zu Ende sein würde. Erst fand ich den Weg nicht, als dann das Meer an der rechten Seite zu sehen war, da fand ich rasch meine Orientierung wieder. Wir schlossen den Roller an das Ladegerät im Schiff an und gingen den vereinbarten Lunch genießen.


Nach dem wirklich köstlichen Lobster-Gericht, das auch Jule sichtlich genoss, fuhren wir los, um weitere Teile der Bucht zu erkunden. Eine relativ schmale Durchfahrt öffnete sich an Steuerbord, beide Ufer waren dich bebaut, es fuhren Fähren von einer Seite zur anderen.


Die Durchfahrt verengte sich mehr und mehr, bis sich vor uns eine seeartige Bucht öffnete. Wunderschön zwischen den bewaldeten Hügeln und schroffen Bergen gelegen. Montenegro erschien mir als ein höchst lebenswertes Land, ich verliebte mich sogar ein wenig. Die Landschaft war einfach toll.


Wir übernachteten in einer Bucht vor Anker. Von Land wehten Musikfetzen herüber, die auf eine Party hindeuteten. Ich hatte keinerlei Bedarf nach einer Party und dem Lotterleben, das ich in Monaco gelebt hatte. Das, was ich hier erlebte, völlig unabhängig auf dem Schiff, mit Jule als Crew und als Freundin, das war viel mehr, als mir eine Party jetzt bieten könnte. Wir saßen auf dem Vordeck, auf der kleinen Bank direkt bei den Ankerwinschen, schlürften Prosecco, knabberten von Jule selbst hergestelltes Popcorn, betrachteten den klaren Nachthimmel mit den Milliarden Sternen, die sich im Wasser spiegelten, schwiegen sehr freundlich und hatten die Welt im Döschen.


Jule und ich harmonierten ganz wunderbar. Sie stellte sich in extremem Maße auf mich ein. Als ich den Entschluss fasste, zu Bett zu gehen, sagte sie:


„Jo, i bin aa miad“ und stand gleichzeitig mit mir auf. Weder hatte ich etwas gesagt, noch mich bewegt. Wie sie den Entschluss mitbekommen hatte, weiß ich nicht. Zu dem Zeitpunkt ging ich noch davon aus, dass die Gleichzeitigkeit des Entschlusses ein Zufall gewesen wäre.


In den nächsten Tagen erkundeten wir die gesamte Bucht von Kotor, fuhren wieder hinaus und erreichten kroatische Gewässer. Als erste Stadt entdeckten wir Cavtat, eine Stadt aus weißen Häusern mit roten Dächern. Vom Ufer ausgehend ging die Bebauung den Hügel hinauf, wunderschön. Die Stadt lag gleich an zwei Buchten, am Ansatz einer Halbinsel. Die Uferlänge Kroatiens ist gigantisch lang, zerklüftet, voller Abwechslung und sehr, sehr schön. Jule und ich verliebten uns gleichzeitig in diese wunderschöne Gegend und in dieses wundervolle Land. Das Meer, leuchtend blau, kristallklares Wasser, die Natur grün, die Häuser weiß mit roten Dächern und die Menschen nett und ganz besonders gastfreundlich.


Die Gastfreundschaft erlebten wir später erst, jetzt sahen wir die abwechslungsreiche Küste mit den zahlreichen, vorgelagerten, dicht bewaldeten Inseln und die schmucken Siedlungen entlang der Wasserlinie.


Hier konnte man an Land gehen, wo man wollte, alles war gepflegt, auf Gastlichkeit und Fremdenverkehr eingestellt.


In aller Ruhe, mit gebührendem Respekt vor der grandiosen Schönheit, fuhren wir dicht an der Küste entlang und sogen mit allen Sinnen die Eindrücke dieser wundervollen Landschaft auf, und was der Mensch aus ihr gemacht hat.


Der Anblick von See aus auf Dubrovnik war atemberaubend. Wir erreichten die Stadt, indem wir zwischen dem Festland und einer vorgelagerten Insel hindurch auf die Stadt zuhielten. Vor lauter Ehrfurcht vor der Ästhetik stellte ich den Antrieb ab und ließ das Boot mit geringer Fahrt treiben.


Hier atmete alles, jeder Stein, jeder Hügel und jedes Haus Geschichte. Die alte Stadtmauer, die dahinter dicht gepackten weißen Häuser mit den leuchtend roten Dächern, wunderschön.


Jule bemerkte, das es etwas Besonderes gab, sie kam aus der Küche und bestaunte mit mir die Schönheit des Augenblicks. Von der Sonne hell beleuchtet lag die Stadt dort und wartete auf uns.


„Jo, Himmiherrgott …“, stammelte Jule, „Jo, i werd varückt.“


Uns blieb zu unserem grenzenlosen Bedauern keine Zeit mehr, hier an Land zu gehen, wenn wir pünktlich in Triest sein wollten. Auch jetzt schon würde es recht knapp werden. Ich rechnete pro Tag mit zwölf Stunden Fahrt. Es lagen noch sechsundzwanzig Stunden Fahrzeit vor uns. Dafür blieb uns der Rest von heute und der morgige Tag, wenn wir Nadja pünktlich empfangen sollten.


Wir fuhren, bis die Dämmerung so weit fortgeschritten war, dass man nichts mehr sehen konnte. Wir ankerten in einer flachen Bucht vor dem Nationalpark Kornati.


Früh am nächsten Morgen fuhren wir los, immer mit Blickrichtung auf das wunderschöne Land, für dessen Eroberung uns leider keine Zeit blieb. Das bedauerten wir sehr. Dass wir mit Nadja hierher zurückkehren könnten, lag zwar im Bereich des Möglichen, aber war doch sehr unwahrscheinlich. Ich schwor mir, hierher bei erster Gelegenheit zurück zu kommen. Hier war es einfach wunderschön.


Pünktlich um Neun am vereinbarten Tag legten wir in der Marina des Triestina della Vela an, dem Jachtclub von Triest.


Erst als wir angelegt und die Gebühren für einen Tag entrichtet hatten, fiel mir auf, dass der Flughafen nicht in Triest lag, sondern unweit der Stadt Monfalcone, einer Nachbarstadt.


Damit Mutter nicht unwirsch wurde, weil sie Taxifahrten hasste, legten wir wieder ab und landeten eine Stunde später im Jachtclub von Monfalcone. Da war es aber bereits weit nach neun Uhr, Mutter wollte anrufen, wenn sie gelandet war. Es tat sich nichts.


Um zwölf Uhr rief ich sie an.


„Ja, nein, Kind, wir müssen das verschieben, ich kann erst in der nächsten Woche kommen. Dringende Geschäfte, du verstehst.“


„Wie jetzt? Du kommst erst nächste Woche?“


„Ja, Kind, geht nicht anders. Es ist wirklich dringend. Ich habe auch jetzt keine Zeit, also dann.“


„Warum hast du nicht angerufen?“


„Ja, Kind, dafür hatte ich nun wirklich nicht den Kopf. Ich muss los. Bis in einer Woche.“


Zack, weg war sie. Entgeistert berichtete ich Jule, was die Verrückte sich geleistet hatte. Wir bedauerten zutiefst, für so eine launische Diva die Küste Kroatiens sausen gelassen zu haben. Nein, was wir uns ärgerten.


Mir kam eine Idee, wie wir die Wartezeit sehr sinnvoll nutzen konnten.


„Jule, bist du schon mal getaucht?“


Sie verneinte.


„Dann lass uns das mal angehen, Tauchen ist etwas ganz Wunderbares!“


Wir kehrten zurück nach Kroatien, nach zwei Stunden warfen wir Anker, die Bucht, die ich ausgesucht hatte, lag ein wenig abgelegen, eine Steilküste mit vorgelagerten groben Felsblöcken. Hier war es so gut wie irgendwo sonst, um Jule die ersten Schritte unter Wasser beizubringen.


Ich ging bei ihr so ähnlich vor, wie Gerôme das mit mir begonnen hatte. So vorsichtig wie er brauchte ich allerdings nicht vorzugehen, denn Jule hatte keine Angst. Sie vertraute mir blindlings, ohne zu zögern setzte sie alles um, was ich ihr empfahl. Wie Seppi es mir vorexerziert hatte, achtete ich zuallererst auf unsere Sicherheit und forderte auch Jule auf, immer zuerst an die eigene und die Sicherheit der Mittaucher zu achten.


Nach der ersten halben Stunde war sie begeistert. Sie stellte sich viel geschickter an, als ich damals. Ich lobte sie, natürlich, ich wusste von mir, wie sehr Lob dich beflügeln kann.


Wir legten eine Pause von zwei Stunden zur Regeneration ein, in der wir uns einen schöner gelegenen Ankerplatz suchten. Dort tauchten wir wieder. Nach etwa einer Stunde unter Wasser wirkte Jule müde. Wir kletterten an Bord.


„Dass es so schee is, unter Wasser, damit hob i net grechnet. Nee, ist das schee, nee.“


Mit glänzenden Augen berichtete sie, was sie alles gesehen hatte und wie überrascht sie war, dass Tauchen so leicht und so schön sei. Aber jetzt sei sie wirklich KO.


Wir beendeten den seltsamen Tag bei einem fantastischen Abendessen im Restaurant Pergola in dem kroatischen Städtchen Zambratija.


Am nächsten Morgen war Jule kaum zu halten, sie wollte unbedingt die Unterwasserwelt besichtigen.


Wir fuhren weiter, der Küste entlang, südwärts. In einer Bucht direkt an der Steilküste ankerten wir und gingen Jules neuer Passion nach. Sie hörte auf jedes Wort, achtete auf jedes Handzeichen. Mit ihr zu tauchen machte Spaß, obwohl es total befremdlich war, mich in der Führungsrolle zu sehen. Jule vertraute mir ihr Leben an, ohne darüber nachzudenken und ohne sich selbst abzusichern. Es war eine große Verantwortung für mich, unser beider Risiko abzuschätzen und so weit wie möglich zu minimieren. Trotz dieser verantwortungsvollen Aufgabe war genügend Zeit und Emotion übrig, um die Unterwasserwelt zu bestaunen und die Schönheiten und Kuriositäten zu betrachten und zu genießen.


Mittags bereitete uns Jule einen ihrer wundervollen Salate. Sie erzählte ohne Punkt und Komma begeistert von unserem Ausflug unter Wasser. Der Kompressor lief, die Flaschen wurden neu befüllt. Im Schapp befanden sich noch zwei Sätze Tauchausrüstung in Reserve, die mir Seppi über seinen Onkel besorgt hatte, die benutzten wir am Nachmittag.


Wieder ein wunderbares Erlebnis.


Abends dann fragte Jule, wie es sei, in eine Höhle hinein zu tauchen. Auf Zypern und auf Kreta hätte ich Höhlen gekannt, hier an der Küste nicht. In den nächsten Tagen fanden wir keine Höhle, in die man hätte hinein tauchen können, obwohl wir sehr intensiv suchten. Jule war nach wie vor begeisterte Taucherin, sie war ganz intensiv bei der Sache, sog alles auf, was ich über die Taucherei wusste. Es war toll, wie schnell sie lernte. Einerseits bedrückend und andererseits berauschend war das bedingungslose Vertrauen, das sie mir entgegen brachte. Wenn ich sagte: ‚links‘ oder ‚tue dies und niemals das‘, so folgte sie aufs Wort. Es bedeutete natürlich, dass ich bei dem, was ich sagte, sehr genau aufpassen musste, weil sie jedes Wort ohne zu hinterfragen, für bare Münze nahm.


Zur gebotenen Zeit rief ich Nadja wieder an. Darauf reagierte sie sehr unwirsch.


„Natürlich, Kind, was denkst du von mir? Selbstverständlich bleibt es dabei. Ich bin morgen früh um neun Uhr auf deinem Flughafen. Obwohl ich dafür so extrem früh aufstehen muss! Eine Zumutung, das!“


Sich über Nadja und ihre bescheuerte Logik aufzuregen hatte ich mir als Jugendliche abgewöhnt, nun lernte ich sie wieder kennen und musste diesen leidensvollen Weg noch einmal gehen. Sie hatte sich den Flug selbst heraus gesucht, bei wem sie sich jetzt über den frühen Zeitpunkt beklagte, blieb ihr Geheimnis.


„Am Flughafen nimmst du dir ein Taxi, aber bevor du losfährst, rufst du mich an, ich beschreibe dir den Ort, an dem wir zu finden sind.“


Das schien ihr zu kompliziert zu sein oder sie wollte von mir keine Anordnungen annehmen. Mir war es egal, sie drückte mir noch ein: „Du bist kein gutes Kind!“ ins Ohr und beendete das Gespräch. Es tauchten erste Zweifel auf, ob das mit uns beiden auf einem Boot gut gehen könnte.


Jule sah gespannt auf das, was sich in meinem Gesicht abspielte. Zur Beruhigung zwinkerte ich ihr zu. „Wird schon schiefgehen“, beruhigte ich sie und mich.-


Sie fuhr mit dem Taxi vor. Als sie ausstieg, wirkte es, als ob sie es dem Kai übel nahm, dass er da tatenlos herum lag und sich nicht vor ihr verneigte. Majestätisch wie eine Königin schritt sie auf die Gangway zu und schickte sich tatsächlich an, mein Schiff mit ihren hochhackigen Straßenschuhen zu betreten. Ich eilte ihr entgegen.


„Moin Nadja, ziehe bitte die Schuhe aus. Das Schiff nur barfuß oder auf Socken oder Bordschuhen betreten.“


„Was?“ fragte sie empört. Die Königin von Saba empörte sich über ganz normale Alltagsgepflogenheiten auf einem Schiff, weil sie nicht mit dem Plebs gleichgestellt sein wollte.


„Was hast du für eine Schuhgröße?“, fragte ich sie, um ein anders Thema anzuschlagen.


In dem Moment sah ich den weizenblonden Riesen in hellgrauem Anzug auftauchen. Er trug zwei Riesenkoffer und sah so aus, als ob er zu Nadja gehören würde. Aus seinem ebenmäßigen, trotzdem blöde wirkenden Gesicht blickten mich ausdruckslose Augen an, von einer Farbe, wie ich sie schon einmal bei einem Huskie gesehen hatte.


„Das ist nicht dein Ernst!“, beschwerte sie sich.


„Doch ist es, Jachten werden nur barfuß, auf Socken oder in Bordschuhen betreten. Was hast du für eine Schuhgröße?“


Mit abschätzigem Blick betrachtete sie die Situation. Ich stand auf der schmalen Gangway, ohne Gewalt anzuwenden kam sie nicht an mir vorbei.


Seufzend ergab sie sich in das Unvermeidliche, zog die Schuhe aus und hielt sie in der Hand.


„Ist dir das so recht?“, fragte sie, als ob es eine von mir erdachte Schikane wäre.


„Willkommen an Bord“, erwiderte ich und ließ sie ein. Der Riese mit den zwei Koffern und den leeren Augen wollte ihr folgen, ich blieb auf der Gangway stehen und blickte auf den Weizenblonden.


„Das ist Diego, mein Begleiter. Wir sprachen darüber, du erinnerst dich?“


So ein Riesenbaby und ich dachte, Diego sei ihr Fiffi. Der Typ war vielleicht fünfundzwanzig, gute zehn Jahre jünger als Nadja. Naja, von mir aus!


„Schuhe!“, sagte ich nur.


Der Typ guckte verständnislos drein. Bei mir machte sich der Verdacht breit, dass sich in der weizenblonden Birne und hinter den leeren Augen nichts befand, was der Rede wert sein könnte. Ein solcher Begleiter sah Nadja ähnlich, der war bestimmt gut im Bett, es heißt ja, dumm fickt gut.


„Schatz, sei so gut!“, nahm ihm Nadja die Entscheidung ab, was zu tun sei.


An Bord begrüßte uns Jule in einer Art, das Nadja sie sofort als Bedienstete identifizierte.


„Holen Sie bitte die Reisetaschen aus dem Taxi. Schatz“, wandte sie sich an mich, „Bezahle doch bitte das Taxi, ich habe kein italienisches Geld dabei.“


„Hier ist die Währung ebenfalls Euro, du kannst ihn mit deinem Bochumer Geld bezahlen. Jule ist meine Freundin und keine Dienstmagd. Lass Diego die Taschen holen.“


Entrüstet schaute sie mich an, sie machte deutlich, dass sie meine Reaktion als ungebührlich empfand. Diego stand da und wartete ab, was passierte. Nadja befahl ihm, das Taxi zu bezahlen und die Taschen zu holen. Während der Anweisung an Diego behielt sie den strafenden Blick auf mich bei. Er wusste erst nicht, was er mit den Koffern tun sollte, setzte sie ab und tat wie befohlen.


Na, das soll etwas werden mit uns hier an Bord. Auf Schwierigkeiten mit Nadja war ich gefasst, dass sie sich allerdings derartig kapriziös gab, damit war nicht zu rechen.


Als alles Gepäck und auch Diego an Bord war, standen wir auf dem Oberdeck herum. Nadja schaute sich um.


„Das ist ja eine richtige Jacht, Kind, davon hast du ja überhaupt nichts erzählt.“


Sie bremste ihre Begeisterung und wurde wieder die Königin von Saba:


„Jetzt zeig uns unsere Kabine, ich will mich frisch machen.“


„OK, ich darf vorgehen?“


„Welche Schuhgröße hast du, Nadja?“, fragte sich sei beim Hinuntergehen über die Schulter. „Vielleicht passen dir Sneakers von Jule.“


„Ich werde doch keine Schuhe von jemand anderem tragen, schon gar nicht von dieser Person!“


Es würde mich interessieren, ob sie diesen Eigensinn und das dämliche Getue irgendwann einmal ablegen würde. Es schien ihr aber wichtig zu sein, für eine Königin gehalten zu werden und sich wie eine zu benehmen.


Wir legten ab und verließen den Jachthafen. Nach einer Viertelstunde kam sie ins Cockpit. Sie trug ein blaues Marinekostüm mit goldenen Knöpfen und weißen Applikationen. Der Rock war meiner Ansicht nach für eine Königin deutlich zu kurz, eine Bemerkung darüber verkniff ich mir. Sieh an, sie trug Sneakers, farblich passend, versteht sich.


„Wer steuert denn?“, fragte sie mich. Ich stand am Ruder und sie fragte, wer steuert.


„Lass uns auf die Flybridge gehen“, schlug ich vor, „von da hat man eine bessere Aussicht.“


Sie folgte mir die Treppe hinauf. Auch dort befand sich ein Ruder, darüber staunte sie nicht schlecht.


„Sag nicht, du bist die einzige, die hier das Schiff steuert!“, sie empörte sich, weil sie es mir nicht zutraute.


„Doch, das siehst du richtig. Jule ist für die Hausarbeit zuständig und ich für das Boot.“


„Du kannst das?“, fragte sie entgeistert.


„Ja, natürlich.“


Sie schaute sich ein paar Minuten auf der Flybridge um, betrachtete die vorbei ziehende Landschaft. Wie gewohnt zuckelten wir gemächlich an der Küste entlang. Wir näherten uns der Stadt Grado, eine historische Stadt auf einer Insel, die wollte ich mir gern anschauen. Dazu fuhr man in die Flussmündung hinein, umrundete die Stadt um hinter ihr anzulegen, dort gab es einen Jachthafen.


Wir fuhren so dicht unter Land, wie es möglich war, das Ufer und die Häuser und andere Bebauung waren gut zu sehen. Jule kam zu uns auf die Flybridge, wir betrachteten die langsam vorbei ziehende Stadt.


Nadja deutete ein anderes Fahrziel an:


„Auf der Karte habe ich gesehen, dass Venedig nicht weit weg ist. Lass uns da hin fahren, da war ich schon mal.“


„Wollen wir nicht erst Grado anschauen?“


„Grado kenne ich nicht, Venedig dagegen, das hat einen ganz anderen Klang. Das lohnt sich bestimmt. Mit der eigenen Jacht nach Venedig, das hätte ich mir nicht träumen lassen.“


Ich gab die Route nach Venedig in den Plotter ein, Jule suchte Venedig auf dem Tablet. Sie kam auf die Marine-Seite, dort stand auf englisch, dass die Lagune wegen Hochwassers gesperrt sei. Auf der Seite der Stadt Venedig wurden Bilder vom überschwemmten Markusplatz gezeigt.


„Schau hier, Mama“, ich zeigte Nadja die Bilder. Sie guckte befremdet, weil ich sie mit ‚Mama‘ angesprochen hatte. Sie schaute zu Jule und wieder zu mir.


„Was ist das für ein Unsinn“, meinte sie empört. „Die Lagune gesperrt. Das willst du mir doch bloß weis machen!“


„Nein, stimmt schon so“, wagte ich zu widersprechen. „Sie haben einen flexiblen Deich gebaut, der die Lagune bei Hochwasser absperrt. Außerdem ist bei diesem Wetter Fahrverbot in der Lagune für Schiffe unserer Größe. Auch motorisierte Gondeln dürfen nicht fahren.“


Jule zeigte mir auf dem Tablet die Lagune und wies auf die Stadt, die am Nächsten lag.


„Wir können dich und, äh, Diego“, der stand mittlerweile in weißer Tenniskleidung mit weißen Sportschuhen bekleidet hinter uns und guckte mit seinen blöden Huskie-Augen dumm aus der Wäsche. „In Lido di Jesolo könnten wir euch absetzen und in drei oder vier Tagen in Chioggia wieder abholen. Ihr fahrt in der Zwischenzeit mit dem Bus oder dem Taxi nach Venedig. Ihr solltet Anglerhosen bereit halten. Darin könnt ihr bequem über den Markusplatz waten. Ist bestimmt ein einmaliges Erlebnis.“


„Es ist eine Unverschämtheit von dir, dich so über mich lustig zu machen!“, beschwerte sie sich.


„Ich mache mich nicht über dich lustig, ich zeige dir nur die sinnvollsten Möglichkeiten auf. Nach Venedig kannst du leicht immer mal hin kommen, aber eine private Kreuzfahrt durch die Adria bekommst du nicht so oft geboten.“


Sie empörte sich über den unverschämten Ton, darüber, dass ich ihr zu widersprechen wagte, darüber, dass sich Venedig die Frechheit ihr gegenüber herausnahm und sich einfach überschwemmen ließ, darüber, dass die Lagune nicht befahrbar war und was weiß ich noch alles, was ihre Empörung hervorrief. Letzten Endes war ich diejenige, die es ausbaden musste:


„Was du dir für einen Ton deiner leiblichen Mutter gegenüber herausnimmst, ist schon mehr als eine Frechheit!“


Draußen zog die wunderbare Landschaft vorüber und sie meckerte und nörgelte und war nicht bereit, die Unbilden der Natur zu akzeptieren.


Wir zuckelten weiter, der Küste längs, mit knapp sieben Knoten. Mit der Geschwindigkeit kam man voran, hatte trotzdem Zeit genug, sich die Gegend anzuschauen.


„Schneller fährt dein Boot nicht, oder?“


„Doch, aber so sieht man sehr viel von der Landschaft. Ist es nicht schön hier?“


„Mir ist das zu langsam. Da dauert es ja ewig bis Mallorca.“


„Musst du denn wirklich nach Mallorca?“


„Natürlich, ist ein Muss! Mit der eigenen Jacht in den Hafen von Palma einlaufen, das ist das Tollste, was man erleben kann!“


Verträumt schaute sie in den Himmel. Sie stellte sich vor, als Königin mit der eigenen, königlichen Jacht in den Jachthafen von Palma einzulaufen, die jubelnde Menge an den Seiten, die bunte Fahnen schwenkten und sie willkommen hießen.


Ganz langsam wagte ich es, am Verstand meiner Erzeugerin zu zweifeln.


„Zeig mal, wie schnell das Boot fahren kann!“, mit den Worten wollte sie mich herausfordern.


„Es braucht dann sehr viel mehr Sprit“, wagte ich einzuwenden.


„Ach, das wird schon nicht so viel sein, Kind, das zahle ich dir.“


Jule und ich wechselten einen Blick, ich beschleunigte das Boot auf die bewährten zwölf Knoten.


„Ja“, begrüßte Nadja den etwas stärkeren Fahrtwind. „Das sieht doch schon viel besser aus!“


Nach einer Viertelstunde, in der sie sich erst am Fahrtwind ergötzte und als sie davon genug hatte, sie mit Diego schmuste, meinte sie:


„Kind, was gibt es zu essen? Du hast nicht nur Fertiggerichte oder?“


Was für eine Frechheit oder?


„Nein, keine Fertiggerichte“, erwiderte ich, so trocken wie möglich. „Jule und ich sind Vegetarier. Wir haben frischen Salat und Nudeln an Bord.“


„Frischen Salat und Nudeln?“, fragte sie entgeistert, um dann der gerechten Empörung Raum zu geben. „Das ist ja wohl nicht dein Ernst! Du lädst Gäste ein und zwingst sie, Salat zu essen?“


„Salat ist gesund, macht satt und setzt nicht an“, gab ich zu bedenken, weiterhin ernsthaft auf die Führung des Schiffes konzentriert. Dabei war der Autopilot eingeschaltet, ich könnte genau so gut in den Salon gehen und fern sehen. Aber ich wollte schon auch meine Wichtigkeit als Kapitänin heraus streichen, deshalb blieb ich konzentriert am Ruder stehen. Jule rührte sich nicht, ich glaube, sie wusste wie zwischen Nadja und mir der Hase lief. Meine Reaktionen auf Nadjas Benehmen waren wirklich kindisch, aber mich gegen Nadja zu behaupten war sehr schwierig. Sie war wie immer kalt und berechnend, dabei allerdings nicht so schlau, wie ich sie in Erinnerung hatte. Natürlich war ich vor ihr auf der Hut und wollte mir keinesfalls die Butter vom Brot nehmen lassen.


„In fünf Stunden sind wir in Chioggia, da können wir in ein Restaurant gehen und etwas essen.“


„In fünf Stunden erst?“, fragte sie in einem Ton, als wenn ich sie mit Hunger foltern wollte. Darauf zu antworten, verkniff ich mir.


Wir passierten die Einfahrt zur Lagune von Venedig, die gelbe Absperrung war deutlich zu sehen, Nadja nahm sie mit einem unwirschen „Hmpf!“ zur Kenntnis.


Mir gefiel nicht, wie Diego Jule betrachtete. Zuerst fragte ich mich, ob da Eifersucht eine Rolle spielen könnte, aber das war natürlich Blödsinn. Streng genommen war Jule Crew und es gingen mich ihre privaten Beziehungen nichts an.


Diego schaute sich Jule an, wie ein Löwe seine Beute, ein Albino-Löwe. Sie war vor einem Übergriff durch ihn nicht sicher, das wurde mir klar. Um mich machte ich mir keine Gedanken, wenn er unbedingt die Tochter seiner Freundin vögeln wollte, so würde ich ihm schon gut Bescheid geben, da war ich selbstbewusst genug, um ihn mir vom Leib zu halten. Außerdem stand mir das Druckmittel zur Verfügung, Nadja alle seine Handlungen petzen zu können. Von mir würde er schon die Finger lassen, aber Jule war nicht sicher vor ihm.


„Fünf Stunden!“, hob Nadja wieder an, in einem Ton, als sei es eine Unverschämtheit von mir, ihr so etwas zuzumuten. „Fünf Stunden, was macht man denn in der Zeit?“


„Frag mal Diego, dem fällt bestimmt etwas ein, mit dem ihr euch die Zeit vertreiben könnt.“


Der Blick, der mich daraufhin traf, hätte mich eigentlich töten müssen. Er prallte ab, den hatte ich bereits in der Kindheit aushalten müssen. Die grünen Katzenaugen werden bei solch einem Blick zu schmalen Schlitzen, aus denen die tödlichen Blitze hervor spritzen wie der Korken aus einer geschüttelten Prosecco-Flasche.


In einem Satz fasste ich die beiden Möglichkeiten zusammen:


„Also, ihr ladet uns in ein Restaurant in Chioggia ein oder wir essen leckeren gemischten Salat mit einer Vinaigrette nach dem Rezept von Jules Oma.“


„Wir sollen euch einladen?“ fragte sie im ersten Augenblick, noch aufgebracht durch meine anzügliche Bemerkung. Sie beruhigte sich und sagte:


„Abgemacht, in fünf Stunden gibts Essen in Dinges, wie heißt das Kaff? OK, wir laden euch ein.“


Sie schaute sich um, was es zu tun gäbe, ich schlug vor:


„Du kannst dich ein wenig in die Sonne legen, entweder auf dem Vorschiff oder hier oben auf der Flybridge. Bist noch ein wenig blass vom Winter oder?“


Den Vorschlag nahm sie an. Sie nahm ihren Albino mit aufs Vorschiff, er in der Badehose und sie im Bikinihöschen, ohne zu fragen, oben ohne. Hatte immer noch eine gute Figur, meine ..., äh, Nadja.


Was sie sich dann erlaubte, war allerdings jenseits dessen, was ich von ihr erwartet hätte. Sie fummelte nach einiger Zeit an Diego herum und er an ihr. Nach einigem Gefummel beging sie die Geschmacklosigkeit und wurschtelte in Diegos Hose herum. Damit noch nicht genug, zog sie ihm die Hose ein Stück herunter, holte den mittlerweile großen Dödel heraus und wichste ihn in aller Ruhe. Sie betrachtete dabei das Gesicht ihres weißhäutigen Albino-Lovers. Schlussendlich blies sie ihm sogar den Schwanz. Ganz öffentlich, hier, vor unseren Augen.


‚Das kann doch wohl nicht wahr sein!‘, dachte ich, aber es war wahr. Sie hielt sich dran, der Weizenblonde wurde nach einiger Zeit unruhig, wenn ich es richtig wusste, dann stand er kurz davor. Nadja zupfte ihm die Hose über den ausgefahrenen Lust-Lümmel und zerrte ihn am Cockpit vorbei in die Kabine.


„Des glabst net!“, meinte Jule, die atemlos dem Frevel zugeschaut hatte.


„Nee, das kann man auch nicht glauben!“


Die Beiden tauchten erst wieder auf, als wir in Chioggia anlegten.


Das anvisierte Restaurant war rasch gefunden. Jule bestellte für mich und sich einen Salat mit Gambas. Nadja suchte vergeblich nach Pizza auf der Karte. Letzten Endes fragte sie Jule und die beriet sie. Der Albino, der einen etwas abgeschlafften Eindruck machte, bekam ein Riesensteak serviert, Nadja nahm eine ausgefallene Pasta mit Putenfleisch.


„Sind Gambas vegetarisch?“, fragte sie mich anzüglich.


„Nein, wir essen aber ganz gern Fisch und andere Meeresfrüchte. Da sind wir nicht konsequent vegetarisch. Aber Rind- und Schweinfleisch gibt es bei uns nicht.“


„Meine Tocher ist Fleischereifachverkäuferin“, unterrichten sie laut ihren Albino. Die Bemerkung war allerdings für Jule gedacht, um mich bei ihr in Misskredit zu bringen. Der Albino reagierte nicht. Ganz offensichtlich hatte er mit seinem Steak genug zu tun. Fleisch essen beanspruchte die paar Hirnzellen anscheinend dermaßen, dass keine Kapazitäten mehr für die Verfolgung der Unterhaltung übrig blieben.


Auf die Provokation musste ich etwas erwidern.


„Wusstest du, dass Nadja überhaupt nichts gelernt hat? Sie tut immer nur so, als ob sie Ahnung von Immobilien hätte, dabei hat sie das niemals gelernt. Nichts hat sie, keinen Schulabschluss, keine Berufsausbildung, nichts.“


Scheinheilig fragte ich Nadja, deren Augen bereits vor Wut beinahe gelblich erschienen:


„Stimmt doch so, Mama, oder?“


Voller Wut knallte sie das Besteck auf den Teller. Sie wollte mich lautstark zurecht weisen, besann sich, wo sie war, warf mir zentnerschwere, absolut tödliche Blicke zu, tätschelte dem Albino die Hand, der verständnislos aufblickte und meinte:


„Das weißt du besser, Schatz, habe ich recht?“


Der Albino schaute sie verständnislos an, nickte dann und aß weiter.


Der hatte ich es gezeigt. Der Triumph hinterließ allerdings einen schalen Geschmack. Wirklich souverän war meine Vorgehensweise nicht, einer Kapitänin eigentlich nicht würdig.


Jule zwinkerte mir zu als ich sie anblickte, so, als wenn sie meine Gedanken gelesen hätte.


Der Abend verlief nicht harmonisch, Jule und ich waren für uns, Nadja und Diego hatten sich im Salon breit gemacht und sahen fern. Um fern zu sehen würde ich nicht durch die Gegend fliegen und mich auf ein Boot begeben, dass durch die Adria kreuzt. Aber es muss jeder wissen was er macht und was für ihn optimal ist, meine Mutter meinte das auf jeden Fall zu wissen. Jule und ich genossen die wunderschöne Adriaküste, sie übte mit mir dabei italienisch. Sie erklärte mir auf italienisch, was sie sah. Viele der Vokabeln und auch die Satzstellung war dem Französischen ähnlich, wurde allerdings deutlich anders ausgesprochen. Wenn ich ein Gesicht zog, aus dem sie schloss, dass ich etwas nicht verstanden hätte, erklärte sie es mir auf bayrisch. So lernte ich zwei Fremdsprachen gleichzeitig.


Am frühen Abend erreichten wir den Hafen von Ravenna, wir machten in dem der Stadt vorgelagerten Fischerei- und Frachthafen fest.


Als wir es uns fest vertäut am zugewiesenen Liegeplatz gemütlich gemacht hatten, war es bereits dunkel. Wir aßen Brot mit diversen Käsesorten und Jules selbstgemachten Obstsalat. Nadja war noch eingeschnappt von meiner Bemerkung am Mittagstisch oder gab uns zu verstehen, dass ein solch einfaches Abendessen ihr als Königin keineswegs angemessen war oder sogar beides. Das Essen verlief schweigend, Jule und ich verstanden uns ohne Worte, wir amüsierten uns über Nadjas Verhalten. Der Albino hatte keinen Gesprächsbedarf oder war mit dem Essen ausreichend beansprucht.


Am nächsten Morgen gingen wir, Jule und ich, sehr früh zum Fischereihafen, dort gab es fangfrischen Fisch, frisch vom Fischerboot, direkt am Großmarkt. Den Tipp hatte sie gestern Abend vom Hafenmeister bekommen.


Jule kannte sich aus und kaufte für uns ein. Mir war nicht bekannt, ob der Königin von Saba Fisch recht sein würde, sie hielt noch ihren Schönheitsschlaf.


Als wir ablegten, war es nicht einmal acht Uhr.


Um neun Uhr kam sie schlaftrunken im Morgenmantel ins Cockpit.


„Du hast schon abgelegt? Wir wollten nach Ravenna, shoppen!“


„Du willst nach Mallorca, da kann man auch shoppen. Sogar besser als in Ravenna.“


„Ich brauche aber neue Sachen!“, quengelte sie wie ein kleines Mädchen.


„Dann musst du früher aufstehen“, meine Ungeduld kam bei der knurrig vorgetragenen Antwort gewiss herüber.


Schmollend verschwand sie. Eine Stunde später kam sie wieder im Strandkleidchen und Höschen darunter. Der Albino trottete hinter ihr her.


„Was gibts zum Frühstück?“, fragte sie in einem Ton, wie Cleopatra ihren Haussklaven gefragt haben musste.


„Kaffeemaschine steht in der Küche, Baguettes und Croissants sind in dem Brotbeutel, Brotbelag und Marmelade im Kühlschrank. Es ist warm genug, ihr könnt auf dem Oberdeck frühstücken.“


„Was bist du denn so unfreundlich? Kann deine Dings, na, deine Dings, wie heißt die noch gleich? Kann die uns nicht das …“


„Jule, sie heißt Jule. Sie ist keine Dienstmagd. Wenn du dich nicht selbst bedienen willst, dann warte bis zum Mittag. Da ankern wir vor Ancona. Da kannst du uns wieder einladen.“


Sie reagierte trotzig wie ein pubertierendes Mädchen, warf den Kopf in den Nacken und verschwand in der Küche.


Solche Auseinandersetzungen waren mir wirklich zu blöd, ich verzog mich auf die Flybridge, Jule kam auch und drückte mir eine Tasse heißen Kakao in die Hand. Wir verstanden uns ohne Worte. Um das Ziel, Ancona, in der Mittagszeit zu erreichen, musste ich etwas schneller als mit unserer Wohlfühlgeschwindigkeit fahren. Mir war jede Abkürzung recht, um sie nicht länger als unbedingt notwendig an Bord zu haben. Unser friedliches Leben wollte ich so schnell wie möglich zurück.


Wir eilten an der sehenswerten Küste entlang. Mir tat es um jede Stadt, um jeden Hafen und um jede Bucht leid, die wir im Geschwindschritt passierten. Hier würde ich mit viel Zeit und viel Muße wieder herkommen und mir all das anschauen, von dem wir jetzt nur einen flüchtigen Eindruck bekamen, das nahm ich mir fest vor.


Einen Vorteil hatte die schnelle Fahrt, für Nadja war es auf dem Vordeck wegen des Fahrtwindes zu zugig. Da konnte sie ihr unmögliches Benehmen hinten auf dem Achterdeck ausleben, da bekamen wir es nicht mit.


In weniger als einer Woche rundeten wir den Stiefelabsatz und erreichten die Bucht von Tarent. Wie lange dauert das denn noch?, fragte sie beinahe jeden Tag. Ohne Tarent in Sicht zu bekommen, querten wir die Bucht und bekamen erst wieder bei Brancaleone-Marina Land zu sehen.


„Was du alles kannst!“, wunderte sich Nadja. Sie gönnte ihrem Albino eine Pause und kam fast nackt hier oben auf die Flybridge, um einen flüchtigen Blick auf die Landschaft zu werfen. Die schien sie nicht sonderlich zu beeindrucken, ihr ganzes Interesse galt nur ihrem Ziel.


„Was meinst du, Kind, wann werden wir in Palma sein?“


Es war davon auszugehen, dass sie wusste oder zumindest ahnte, wie sehr mir diese Frage auf die Nerven ging. Ich habe mir ja geschworen, keinerlei Kraftausdrücke und möglichst wenig Umgangssprache zu benutzen, aber die nervtötende Frau und was sie mit mir machte, war nur mit unflätigen Ausdrücken zu beschreiben.


Kerl, was ging mir die Alte auf den Sack!


Einen Zwischenstopp würde ich mir allerdings nicht entgehen lassen, am Ätna wollte ich nicht einfach nur vorbei fahren. Das ist einer der aktivsten Vulkane der Welt, weiß ich von Wikipedia. Da kann man ja alles nachgucken was es gibt, einfach super.


„Du darfst uns jetzt auf ein schönes Abendbrot in dem einen Fischrestaurant da vorne einladen, das Lido Solaria, da können wir dann alles besprechen.“


Sie erklärte sich einverstanden. Wie sie sich in italienischen Restaurants benahm, war unter aller Kritik. Sie trug einen Bikini mit einem kleinen Strandröckchen darum und benahm sich dem Personal gegenüber, wie die Königin von Saba nicht hätte schlechter auftreten können. Furchtbar, die Frau. Dass sie sich so daneben benahm, war mir früher nicht aufgefallen, jetzt war es mir um so peinlicher.


Der Albino glotzte Jule so auffällig an, dass es selbst mir unangenehm auffiel. Sie hatte mir während der letzten Tage bereits mehrfach berichtet, dass er ihr oft unziemlich nahe kam.


„Noch drei Tage, Jule, dann sind wir die beiden los. Das wird ein Fest!“


Seit Nadja an Bord war, hatten wir keinen wirklich entspannten Moment, wir waren nicht tauchen, hatten nie Gelegenheit, einfach auf dem Achterdeck zu sitzen und den Nachthimmel zu genießen. Immer war irgendein Stress, irgendeine Unstimmigkeit an Bord, immer war etwas da, was den Frieden störte.


„Des werd a Fest!“, bestätigte sie.


Auf dem Weg vom Restaurant zurück nahm mich Nadja zur Seite und meinte in Verschwörermanier zu mir:


„Schatz, wenn wir jetzt Vollgas geben, dann sind wir doch schnell in Mallorca, oder? Morgen schon? So richtig mit Vollgas, volle Pulle? Ich zahl dir auch, was es mehr kostet.“


Süß! Was es mehr kostet! Als wenn ich auf die von Touristen verseuchte Insel freiwillig fahren würde! Das wüsste ich aber! Halligalli habe ich in Monaco satt und genug, und in bessere Qualität als es eine ‚Ballermann‘-Insel mir je bieten könnte. Sie aber wollte nur das bezahlen, was es mehr kostet, wenn wir schneller fahren.


Nee, also nee.


Wir fuhren am nächsten Morgen gleich los, nachdem Jule und ich gefrühstückt hatten. Die Herrschaften blieben bis mindestens neun Uhr in ihren Gemächern. Wir fuhren mit zwanzig Knoten Richtung Ätna, nach Catania. Den wollte ich mir auf keinen Fall entgehen lassen. Einen echten, tätigen Vulkan!


Sie kam hoch, um wieder zu quengeln. Irgendetwas war mit ihrem Albino, sie hatten sich wohl gezankt. Es ging um irgendeine Indiskretion, die er sich erlaubt hatte, dafür durfte er sie nicht vögeln, als Strafe. Dabei war das eine härtere Strafe für sie als für ihn, wie ich so süffisant für mich bemerkte. Außerdem wären wir wieder so früh unterwegs, sie wäre vom Maschinenlärm geweckt worden und konnte nicht mehr einschlafen. Und außerdem, wann wären wir endlich da? Ich sollte mich doch bitte beeilen, sie habe keine Geduld mehr.


Wie sehr diese Frau mich nervte, kann sich kein Mensch vorstellen.


Nach drei Stunden Fahrzeit sah ich den rauchenden Berg am Horizont auftauchen, ich rief Jule, damit sie das Schauspiel mit mir gemeinsam erleben konnte. Es war faszinierend. Ein hoher, schneebedeckter Bergkegel und oben heraus kamen dicke Rauchwolken. Mir wäre das zu unheimlich, direkt neben einem solch gefährlichen Objekt zu leben. Aber die Italiener waren da offensichtlich weniger besorgt.


Die Hafenmeisterei gab mir die Koordinaten meines Liegeplatzes durch, wir mussten tief hinein in den Hafen Catanias, an der Anlegestelle der Fähren vorbei, tief hinein. Wir konnten bequem mit dem Heck anlegen. Ich war noch damit beschäftigt, die vorderen Anker in den

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Kommentare


kiramaus
dabei seit: Okt '02
Kommentare: 28
schrieb am 04.06.2021:
»Es ist ein wirklich großes Lesevergnügen mit dieser Geschichte! Das ist von dir alles so lebendig, witzig und nachvollziehbar geschildert, dass ich in der ganzen Reihe von Lona immer wieder voll eingetaucht bin. Danke!«

pjean
dabei seit: Okt '04
Kommentare: 76
schrieb am 07.06.2021:
»So eine Zeitverschwendung. Das Wort ficken musste ich suchen...irgendwo in der Mitte. Ich habe nie Menschen beneidet, die so viel schreiben können. In der Kürze liegt bekanntlich die Würze...«

rainer44
dabei seit: Feb '03
Kommentare: 27
schrieb am 08.06.2021:
»Wie die komplette Serie: Klasse geschrieben und SUPER "zwischendurch" zu lesen! Pjean kann ich nicht verstehen, aber bitte: jedem das Seine.«



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