Meine roten Schuhe
von UDO MESSERSCHMIDT
Meine Schuhe liegen unter dem Bett und ich versuche, sie hervorzuholen. Kein einfache Sache wenn das Bett nicht höher ist als die Schuhe breit. Wie konnte das nur passieren, ausgerechnet meine roten mit den hohen Absätzen. Ja, jetzt fällt es mir wieder ein. Das Parkett, Martin hatte Angst um das Parkett. Nein, das stimmt nicht, dann wären sie gar nicht erst mit ins Schlafzimmer gekommen. Das mit dem Parkett war Fred, aber über Fred will ich jetzt nicht nachdenken, Fred ist ein Verlierer. Es muss der Alkohol gewesen sein. So hoch sind die Absätze gar nicht und offensichtlich sind sie auch parkettgeeignet, jedenfalls gibt es keine Spuren auf dem Parkett. Vielleicht sollte ich höhere Absätze haben. Und spitzere dazu.
Bis jetzt hatte ich mit meinen Schuhen nicht viel erreicht, ausser vielleicht, die Schuhe mit den Fingerspitzen weiter unter das Bett zu stossen. Je aussichtsloser meine Versuche werden, die Schuhe auch nur zu erreichen, umso weiter driften meine Gedanken ab. Ob wir es getan haben? Im Schleier des Rausches kann viel passiert sein. Nein, er hat seinen Schatz sicher nicht mehr versteifen können, er muss wenigstens drei Promille gehabt haben. Bei seiner Statur wird er sicher nicht so viel vertragen. Obwohl. Er ist eher der sportliche Typ. Vielleicht vertragen die mehr?
Gemessen an meinen Kopfschmerzen kann ich nicht weniger berauscht gewesen sein als er. Martin, mit dem ich es gern gemacht hätte, der Schwarm der Schule und er hat mich zu sich nach Hause mitgenommen. Seine Eltern sind im Urlaub. Da hätte er jede mitnehmen können. Aus allen Kandidatinnen het er ausgerechnet mich gewählt! Vielleicht lag das schon am übermässigen Alkoholkonsum? Wie kann er ausgerechnet mich, ...? Und dann hat der Alkohol meine ganz private Party mit dem König der Begierden so verrauscht, dass nichts blieb ausser diffusem Nebel.
“Du hast bestimmt Durst.“, hörte ich eine von einer langen Nacht ruinierte Stimme aus dem Nachbarzimmer. Es ist das Wohnzimmer, oder die Küche? Ob er mich sieht? Schlagartig wird mir klar was er sieht, falls er mich sehen kann, und reflexartig fliegt meine Hand zwischen meine Beine. Dort trifft sie mit einen Schlag auf zwei Erkenntnisse.
Erstens, ich habe einen Slip an, er könnte also nicht viel sehen und zweitens ist dieser Slip feucht. Nicht als hätte ich mich benässt sondern klebrig. Blut? Hat er es DOCH getan? Und ich war so besoffen, dass ich mich nicht mehr daran erinnern kann? Hat er es mit mir gemacht während ich bewusstlos war und wie eine Schildkröte auf dem Rücken lag? Das Schwein!
Hilflos blicke ich mich um, der Kopf schmerzt bei jeder Bewegung, und entdecke eine andere Tür, eine hinter der nicht Martin sitzt um sich an meinem Elend zu laben. Leicht schwankend steuere ich auf die Tür zu. Erst einmal weg aus dem potentiellen Blickwinkel und kontrollieren ob alles noch so ist wie es sein sollte. JA! Es ist das Bad. Als wäre ich vorher schon einmal hier gewesen findet meine Hand die Türverriegelung und schliesst ab, ohne dass ich es ihr sagen müsste.
In Sicherheit, für mich allein, ziehe ich den Slip aus, ich fühle seine schwere Feuchtigkeit aber ich wage nicht die Augen auf ihn zu richten. Was würde ich sehen? Welche Wahrheit erschliesst sich mir wenn ich die Augen öffne? Doch schnell verliere ich das Gleichgewicht und so bleibt mir wohl nichts übrig als meine doch Augen zu öffnen.
Es ist kein 'Blut im Schuh’, aber Sperma. Also doch! Doch wieso kein Blut? Das verstehe ich nicht, wenn das Sperma ist müsste da auch Blut sein. Ein Finger zwischen die klebrigen 'Lippen der Scham' gesteckt und ... nichts.
Wo gestern noch die Jungfräulichkeit Widerstand leistete, ein nichts, nur noch ein Loch. Panik schäumt in mir auf. Ich, keine Jungfer mehr und ich war nicht dabei? Ein Kerl hat sich einfach eine Jungfrau geschnappt und sie im Suff gevögelt? Am Ende hat er das Geschenk gar nicht bemerkt? Den geheiligten Vorgang der Entjungferung, für den ich mich aufgespart und den ich perfekt geplant hatte, einfach die Gosse herunter gespült?
Apropos gespült. Ich muss mich duschen! Egal was war, davon muss ich mich reinigen! Und das tue ich auch. Heiss und ausgiebig. Als ich fertig bin sind die Kopfschmerzen nur noch halb so stark. Den Slip kann ich so nicht anziehen, der erhält eine provisorische Wäsche und bleibt zum Trocknen am Handtuchhalter hängen. "Etwas Wasser?" höre ich Martin aus dem Wohnzimmer rufen und stelle fest, dass ich seinem Ruf früher oder später folgen muss. Also lieber früher, denn einen Fön um den Slip zu trocknen finde ich nicht und unhöflich will ich auch nicht sein. Zu dem Mann der mich ... Das werde ich ihm nie verzeihen!
Da kommt es mir gerade recht, dass auch die Haare nass sind. Das gibt mir einen Vorwand nach dem Fön zu fragen ohne zu erklären wieso. Und so wie ich aussehe, mit nassen Haaren und zerknitterter Bluse wird mir Martin sicher nicht auf die Pelle rücken. Noch besser! Da hängt ein frisches Hemd von Martin, das ist deutlich länger als meine Bluse und verdeckt meine Blösse viel besser. Und es ist total unattraktiv. Sehr gut! Perfekt! Nur etwas Selbstvertrauen wegen des 'unten ohne mit einem Mann allein'-Gefühls. Doch mit meiner Mischung aus Panik und Wut sehe ich da kein Problem.
"Ja!" rufe ich zurück, "Gleich!" rufe ich noch hinterher. Und gleich passiert es auch. Konzentriert auf mein Gleichgewicht, die Kopfschmerzen und nicht zuletzt den Fön, begebe ich mich möglichst gelassen ins Wohnzimmer.
Plötzlich fühle ich mich wohl wie ein Küken in einem warmen Nest. In diesem Wohnzimmer steht nicht einfach eine Flasche Mineralwasser und zwei Gläser, Martin hat den Tisch gedeckt als sei eine Prinzessin zu Besuch. Ausser dass auf meinem Platz zusätzlich eine Kopfschmerztablette liegt. Aber das spricht noch mehr für ihn.
Mein Selbstvertrauen und die Wut beginnen mit dem Restalkohol zu verdunsten.
Jetzt nach dem Fön zu fragen wäre da schon ziemlich undankbar, besser wir frühstücken erst einmal. Für mich etwas irritierend ohne Slip, doch Martin scheint es tatsächlich nicht zu bemerken. Also ist alles in Ordnung. Smalltalk ist angesagt und nicht zu laut. Stimme und Gehör leiden noch unter der vergangenen Nacht. Und der Kopf! Normaler Weise frühstücke ich eher süss, Marmelade und Schokolade sind aufgedeckt. Nur zieht mich heute eher Ei und Speck an. Mit Schnittlauch und Paprika. Dagegen kann Süsskram jetzt nicht bestehen. Während ich mir die Eier samt Speck auf den Teller schaufele wundere ich mich über mich selbst und wieder stellt sich die Frage, wie konnte ich so etwas wichtiges verpassen, wenn es sogar in mir passierte? In mir! Irgendwie wird mir warm bei dem Gedanken. Werde ich rot? Ich versuche mich an meine bleich machende Panik von eben zu erinnern, doch dazu ist es in der Wohnküche viel zu angenehm.
Wenn nur nicht diese Kopfschmerzen wären, würde ich mich dann erwachsener fühlen? Die Tablette! Martin lächelt als ich sie schlucke.
Nach ein paar Minuten Gespräch stelle ich fest, dass wir smalltalken. Martin und Smalltalk, wo er das gelernt hat? Er erscheint wie ausgewechselt. Höflich, freundlich und, soweit ich das in meinem Zustand beurteilen kann, überhaupt nicht sexistisch. Er unterhält sich mit mir als würde er mich streicheln. Ich bemerke, wie mein Gedanken, wie in einem Brei, dem Gespräch nacheilen. Aber was ich registrieren kann ist einfach angenehm und, wie mir scheint, belanglos. Allmählich wirkt die Tablette und aus dem Brei der Unterhaltung wird ein Gespräch, small und belanglos. Einfach wunderbar. Wüsste ich es nicht besser, könnte ich Martin für schwul halten, so angenehm ist das Gespräch. Oder ist es seine Stimme? Ich bekomme das noch heraus!
Ohne es direkt bemerkt zu haben sind die Kopfschmerzen verschwunden, nur ein leichtes Schwindelgefühl ist zurück geblieben. Also frage ich lieber noch nicht nach dem Fön, ich müsste sonst laufen und das sähe momentan sicher noch nicht so toll aus. Ausserdem sind die Haare ohnehin schon fast trocken. Also wird es der Slip auch sein und die Haare föhnen kann ich später noch. Kein Problem. Ich wollte ja sowieso nicht attraktiv sein. Ich erinnere mich an den Slip, den ich nicht anhabe. Da kann eine Neufrau nicht unattraktiv genug ausschauen!
Meine Gedanken sind immer noch etwas zäh. Darum weiss ich momentan nicht was er gefragt hat. "Darf ich?" fragt er nach.
Die Unterhaltung war sittsam und entspannt. Ich konnte nicht einmal meine brennendste Frage einsteuern, wohl auch weil ich die Antwort vor gut eine halben Stunde selbst aus meinem Slip gewaschen habe. Aber wo ist die Erinnerung? "Ja, na klar." antworte ich in der festen Überzeugung, dass nicht sittenwidriges passieren wird. Einen kurzen Moment befallen mich Zweifel als Martin aufsteht. Leichte Gleichgewichtsstörungen hat er auch. Um ihm zu zeigen, dass ich Verständnis habe lächle ich ihm aufmunternd zu. Er lächelt zurück und kommt zu mir. Mir wird flau. Was habe ich ihm erlaubt zu tun? "Lehn' dich zurück!" sagt er und "Den Rücken gerade und den Kopf nach hinten". Neugierig und ängstlich zugleich tue ich wie Martin sagt, bis ich mich rückwärts an ihn gelehnt finde.
Er beginnt eine Kopfmassage, ganz sacht. Schlagartig fühle ich mich noch wohler und entspanne. Ich lasse mich darauf ein, mir hat noch nie jemand ein
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Kommentare
(AutorIn)
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UDO MESSERSCHMIDT
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chris44267
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bolle
aus meiner sicht passt die sprache aber nicht zum alter der jungen dame. und dass sie zunächst der meinung ist, opfer einer vergewaltigung geworden zu sein und sich dann von einem frühstück ohne rückfrage besänftigen lässt, fand ich merkwürdig.
mag aber jeder anders sehen.«
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