Nils - Der Sportler
von EviAngel
„Nils Klose bitte zum Dekanatsbüro, Nils Klose bitte!“, schallte es durch den Hörsaal, Nils war peinlich berührt, bewegte sich nicht. Der Dozent überblickte die Studentenschar, er fragte:
„Ist Herr Klose anwesend?“
Nils zeigte auf.
„Na los, ab zum Büro, worauf warten Sie?“
Nils schob seine Unterlagen zusammen, stopfte sie in den Rucksack, kämpfte sich durch die Stuhlreihe zum Aufgang und verschwand, von allen angestarrt, mit hochrotem Kopf durch die obere Tür.
Er meldete sich im Vorzimmer, die Dekanats-Sekretärin sprach in die Gegensprechanlage:
„Herr Klose wäre jetzt da.“
Die Tür zum Büro des Dekans öffnete sich, Lucas Vater kam ihm entgegen. Er trat dem Ehemann der Dozentin, dem Dekan entgegen, dem, der über sein künftiges Leben ein entscheidendes Wörtchen mitzureden hatte. Dem, dessen Frau er in dessen Bett gevögelt hatte, die Frau, die ihm nach wie vor nachstellte.
„Herr Klose!“, begrüßte ihn der hohe Mann mit ausgestreckten Armen, „Herr Klose, unser Retter! Der hehre Fels der den Abgründen des menschlichen Charakters trotzt, der gefeit ist gegen jede Versuchung!“
Nils kam sich vor als wäre er im falschen Film. Der Dekan umarmte ihn, sein voluminöser Bauch drückte fest gegen Nils, die Arme umschlangen ihn und drückten ihn erstaunlich kraftvoll. Nils achtete ängstlich darauf, mit seinem Gesicht Abstand zu dem begeisterten Mann zu halten, die Euphorie schien ihn um die Fassung gebracht zu haben. Nils musste einschreiten, nicht dass der hektische Mann ihm vor lauter Begeisterung noch einen Kuss aufdrückte. Er versuchte ihn auf Distanz zu schieben. Der schien das nicht zu bemerken, fuhr fort in der euphorischen Stimmung Nils zu befingern.
„Mann, was sind Sie für ein Kerl!“, begeisterte sich der Dekan weiter, hielt Nils auf Armeslänge von sich, drückte ihn erneut, packte ungläubig die Oberarme von Nils.
„Gott im Himmel, Mann, was haben Sie Muskeln!“
Er packte kräftig zu, begeisterte sich immer mehr.
„Sie sind ja nicht nur ein Modellathlet, sie sehen ja auch noch aus wie einer. Mann Gottes, Sie sind ein Segen, Sie schickt der Himmel!“
Er zerrte ihn in sein Büro.
„Kommen Sie, kommen Sie, sie müssen erzählen wie das war, wie sich die Vorgänge in Götzis abgespielt haben. Nehmen Sie Platz, setzen Sie sich. Möchten Sie etwas trinken? So erzählen Sie schon, sagen Sie etwas!“
Der hohe Mann schob mit großem Schwung und Elan den dicken Bauch hinter seinen Schreibtisch, nahm dort Platz, verschränkte die Hände ineinander, stützte die Ellbogen auf der Schreibunterlage, das Kinn auf den Händen ab, schaute Nils mit erwartungsvoll funkelnden Augen und triumphalen Lächeln auf den Lippen an. Er erwartete offensichtlich einen ausführlichen Bericht über Götzis zu hören, war schon im Vorhinein von dem zu erwartenden Triumph begeistert.
Nils kam der Mann vor als sei er auf Dope, wie aufgedreht. Er fühlte sich überfahren und schaute den Dekan still an.
Man muss sich das Bild vor Augen führen. Dieser gutaussehende, großgewachsene und über die Maßen muskulöse junge Mann schaute den Dekan aus den blauen Augen mit ernstem Gesicht einfach nur an. Nils war beeindruckend, seine ganze Erscheinung strahlte Souveränität und Überlegenheit aus. Das berührte den Dekan mehr als er sich zugestehen wollte.
Dabei wusste Nils nicht genau, wie er sich dem Dekan gegenüber verhalten sollte. Es dauerte kurze Zeit, bis er es als das beste empfand, die Dozentin aus dem Kopf zu verbannen, einfach nur Student und Sportler zu sein. Der Dekan war der Dekan und Nils der Student, eine andere Beziehung zu dem Mann gab es nicht.
„Es ist für mich grandios gelaufen“, erzählte er, „nach dem ersten Tag befand ich mich überraschenderweise bereits unter den ersten Fünf. Dass ich dann als Vierter abgeschlossen habe, fand ich beinahe glück ...“
„Das meine ich nicht“, unterbrach der Dekan, „wie hat sich das mit dem Doping abgespielt und wieso sind Sie nicht auf den Verführer hereingefallen?“
Nils erzählte daraufhin, dass er den Zehnkampf als Fitnesstraining angesehen habe, zumindest zu Beginn. Es habe ihn sein Ehrgeiz und seine Sportlichkeit allerdings dazu gebracht alle anderen im Kader zu besiegen. Daraufhin schienen die den Ausweg aus den Niederlagen über Doping zu suchen.
Er persönlich lehne jedoch Mittelchen ab die zur Leistungssteigerung, Nahrungsergänzung oder wozu auch immer dienen sollten, die der Trainer den Athleten als notwendig und unumgänglich verkaufen wollte.
Letztendlich bestand offensichtlich die Absicht ihn mit hinein zu ziehen und in die Falle der Doping-Kontrolle des ersten Wettkampfes tappen zu lassen. Dass sie selbst hereingefallen wären, wäre ein Nebeneffekt gewesen, er habe es jedoch nicht darauf angelegt und darauf auch keinen Einfluss gehabt. Seine Kollegen seien vom Trainer fehl geleitet worden, sie täten ihm ein wenig leid.
Wie er denn auf die Idee gekommen sei, fragte der Dekan weiter, die Dozentin zu bitten, die Stoffe zu analysieren, was ja durch deren Verbindung zum BLKA erst zu der Aufdeckung der Straftaten geführt habe.
Nils erklärte ihm, dass er mit der Dozentin wegen Luca ins Gespräch gekommen sei und ihr einer Intuition folgend die Präparate zur Untersuchung überlassen habe.
„Eine glückliche Fügung und ein herausragender Athlet, herzlichen Glückwunsch nochmal“, meinte der Dekan, immer noch wie auf Droge, „Ich bin wirklich ganz aus dem Häuschen von ihren grandiosen Leistungen, Herr Klose. Trotz der widrigen Umstände haben sie sich dort behauptet und den Namen unserer Universität würdig vertreten, sehr würdig, wie ich meine. Tolle Leistung, wirklich.“
Nils wurde der Zusammenkunft langsam überdrüssig. In der Gegenwart hochgestellter Leute kam er sich verloren vor, er wusste nicht, was er sagen sollte. Am liebsten würde er zurück in die Vorlesung gehen.
Der Dekan schaute ihn einige Zeit still an, er schien sich zu sammeln, der Eindruck, dass er aufgedreht sei, verflüchtigte sich.
„Herr Klose, wir haben uns natürlich darüber Gedanken gemacht, wie wir weiter verfahren, wie wir Sie weiter unterstützen, wie wir Ihnen dabei helfen können, Ihren Sport als Spitzensportler weiter zu betreiben. In der Geschichte unserer Universität gab es noch nie einen Olympiasieger. Sie wären der erste, darauf zielen wir ab. Verstehen Sie?“
Nils wollte lieber in die Vorlesung zurück als den wirren Fantasien des hohen Mannes beizuwohnen. Er, ein Handballer, und dann Zehnkampf-Olympiasieger, der Gedanke war absurd.
„Kommen Sie doch bitte mal mit“, meinte der Dekan entschlossen.
„Öh!“, wollte Nils den normalen Einwand vorbringen, dass Zehnkampf nicht seine Sportart sei. Er wollte unbedingt vermeiden Gegenstand irgendwelcher Hoffnungen und ehrgeizigen Ziele zu sein, Handball war sein Sport. Dass er an einer Olympiade teilnehmen könnte, war für ihn völlig aus der Welt, dazu fühlte er sich nicht berufen.
Der Dekan ließ ihm jedoch mit seinem lebhaften Temperament keine Chance, den Einwand vorzubringen. Er leitete ihn durch das Büro, aus dem Gebäude heraus, wieselte vor ihm zum Parkplatz, nötigte ihn in das Auto der Dozentin, „mein Auto wird gerade von meiner Frau benutzt, sie wissen ja von ihrem verletzten Fuß“, und fuhr mit ihm zur Sportanlage.
Auf dem Weg dorthin erklärte er:
„Wir haben uns Gedanken darüber gemacht, wie wir Ihnen möglichst optimale Trainingsbedingungen schaffen können. Uns ist die Idee gekommen, Sie mit den Spezialisten gemeinsam trainieren zu lassen. Vor allem bei den technischen Disziplinen wird Ihnen das sicher helfen, wenn sie gemeinsam mit den Sportlern trainieren, die sich auf diese eine Sportart konzentrieren. Was meinen Sie?“
Sie stiegen auf einem der Zuschauerparkplätze aus und strebten einer Tribüne zu. Kurz vor der Treppe die zur Tribüne hinauf führte, blieb der Dekan stehen. Seine Aufgedrehtheit war vollständig verschwunden, er stellte sich Nils gegenüber.
„Wie geht es Luca?“, fragte er. Es schien ihm peinlich, einem völlig Fremden die Frage nach dem Wohlergehen des eigenen Sohnes zu stellen, gleichzeitig schwang echte Sorge mit.
„Es geht ihm gut. Er und seine Freundin waren während der Semesterferien bei uns. Wir sind sehr gut befreundet und …“
„Luca hat also tatsächlich eine Freundin?“
Die Frage klang sehr überrascht, als wenn eine Freundin für Luca ein völlig abwegiger Gedanke wäre.
Nils gab ein wenig an: „Und was für eine. Sie wird oft gefragt, ob sie ein Model sei. Sie sieht toll aus und ist fast so schlau wie Luca. Ein tolles Mädchen und ein tolles Pärchen.“
'Außerdem ist sie super im Bett!', dachte er. Wenn er an Clarissa dachte, tauchte in seiner Erinnerung als allererstes ihr Gesicht im Orgasmusrausch auf, wie sie aussah, wenn sie wirklich abging. Eine Frau voller Leidenschaft, Temperament und voller sinnlicher Erotik. Kein Vergleich mehr zu dem eingeschüchterten Mädchen von damals, in der Schule. Wenn er an ihre Schüchternheit zu dem Zeitpunkt dachte als er sie entjungferte, musste er lächeln. Allerdings wusste sie schon damals genau was sie wollte, sie verlor schon damals ihr Ziel, trotz großer Angst, nicht aus dem Auge. Clarissa war einfach ein tolles Mädchen, etwas ganz Besonderes.
Der Dekan freute sich sichtlich.
„Das freut mich“, bestätigte er Nils' Eindruck. Er wieselte wieder los, die Treppe hinauf, „das freut mich wirklich.“
Er blieb wieder stehen.
„Ich würde sie gern kennen lernen, seine Freundin, können Sie das arrangieren?“
„Ich will sie gerne darauf ansprechen. Ihre Frau deutete so etwas an, dass Sie gern Kontakt zu Luca hätten. Ich habs ihm mitgeteilt, er hat jedoch abgelehnt.“
„Ja, hat sie mir erzählt“, meinte der Dekan bedrückt. Sie betraten den unteren Tribünenblock, ein einzelner Mann saß dort und schaute den Leichtathleten zu, die im Stadion trainierten.
Der Dekan begrüßte den Mann mit Handschlag.
„Wilfried, das ist Nils Klose“, stellte er Nils vor.
Der Mann sah ehrfurchtgebietend aus. Obwohl er einen entspannten Eindruck vermittelte, schien er energiegeladen und voll konzentriert. Einer von den hohen Herren, vor deren Umgang Nils sich fürchtete.
„Herr Klose, das ist unser Rektor Professor Sander.“
'Alter Schwede!', dachte Nils, er reichte dem Rektor die Hand. Der stand förmlich auf, starrte Nils neugierig an.
„Schön Sie kennen zu lernen, Herr Klose. Danke dafür, dass Sie sich nicht haben verführen lassen. Sie haben unsere Ehre gerettet.“
„Aach!“, meinte Nils, winkte ab, als sei es nicht der Rede wert gewesen.
Für Nils war es ein Martyrium mit den beiden hochgestellten Herren an einem Ort zu sein und in deren Focus zu stehen.
„Herzlichen Glückwunsch nochmal zum Erreichen der Olympia-Qualifikation.“
'Häh?', dachte Nils und schaute entsprechend.
„Bitte, nehmen Sie doch Platz.“
Nils setzte sich neben den Rektor, der Dekan flankierte ihn.
„Sagen Sie nicht, sie wüssten es nicht? Na, ohne Betreuung ganz allein auf sich gestellt ist ein Sportler natürlich ohne Informationen, logisch“, meinte der Rektor, „umso höher muss man die Leistung bewerten, die Sie erbracht haben. Die Olympianorm für den Zehnkampf liegt bei 8.200 Punkten, Sie haben in Götzis 8.237 Punkte erzielt.“
Die Punkte waren für Nils völlig uninteressant gewesen, ihn interessierte allein das Abschneiden während der einzelnen Wettbewerbe.
„Aha“, meinte er, ohne besondere Begeisterung.
„Logisch dass die Sportwelt auf einen solchen Ausnahmeathleten aufmerksam wird. Diese Aufmerksamkeit kommt nun auch unserer Universität zugute. Für Fälle wie Ihren gibt es besondere Fördermittel. Sie brauchen nur zu sagen was sie wollen und sie bekommen es.“
„Watt?“, meinte Nils überrascht, „Sie meinen, wenn ich ein Paar neue Laufschuhe brauche, dann bekomme ich die von Ihnen?“
Der Rektor wand sich verlegen, Nils schien die Zusammenhänge nicht verstanden zu haben.
„Dass Ihnen die Ausrüstung gestellt wird ist selbstverständlich, dafür sorgen die Ausrüster. Sie bekommen Unterstützung von der Sporthilfe, die greifen Ihnen finanziell unter die Arme. Im Dekanatssekretariat wird man Ihnen mit den Anträgen helfen.
Was ich meine sind die Trainingsmöglichkeiten. Wie können wir die für Sie optimieren?“
Nils fühlte sich überfahren, mit solcher Aufmerksamkeit war von ihm aus nicht zu rechnen. Er kam sich wieder so linkisch und ungeschickt vor.
„Mit den anderen Leichtathleten zu trainieren, den Spezialisten, wie der Herr Dekan das vorgeschlagen hat, das scheint mir sinnvoll zu sein“, meinte er lahm.
„Aber Zehnkämpfer haben doch ganz andere Voraussetzungen und Ziele oder sehe ich das falsch?“, mischte sich der Dekan ein.
„Ja, na sicher“, begann Nils zu fachsimpeln, „aber die Sportarten sind ja die gleichen, Hochsprung ist Hochsprung, fünfzehnhundert Meter sind fünfzehnhundert Meter. Von den Spezialisten kann ich bestimmt etwas abschauen.“
Er überlegte kurz, was sein Gnömchen an seiner Stelle sagen würde. Wahrscheinlich würde sie nun einen Scherz einflechten, um sich auf Augenhöhe mit den Großkopferten zu bringen. Er fügte an:
„Außerdem würden sie mich sicher zu Höchstleistungen zwingen, ich werde nur sehr ungern besiegt.“
Die beiden Herren lächelten über den kleinen Scherz, der Rektor fasste ihn an der Schulter:
„Ein gesunder Ehrgeiz bringt einen immer weiter, daran ist nichts wofür man sich schämen müsste.“
Nils kam sich wieder wie ein Ministrant vor. Er konnte anstellen was er wollte, er war und blieb das Landei.
Gazelle fiel ihm ein und sein Trainer.
„Österreicher haben mir in Götzis geholfen, als meine Mannschaft abgereist war. Ziemlich selbstlos sogar, denn den größten Teil ihrer Mannschaft habe ich hinter mir gelassen. Vielleicht können Sie den Trainer abwerben? Mit dessen Hilfe könnten Sie hier wieder eine Zehnkampfmannschaft aufbauen.“
„Ach? Wie heißt denn der Trainer?“, fragte der Rektor interessiert.
Nils erzählte es ihm, auch das mit Gazelle, Josef Lindner, und dass beide an der Uni Wien trainierten.
„Interessant!“, meinte der Rektor und wechselte einen Blick mit dem Dekan, „Österreicher sagen Sie? Uni Wien?“
„Wir wollen schauen, wie wir Ihre Trainingsmöglichkeiten verbessern können, welchen Trainer wir anheuern.
Gibt es sonst noch etwas, mit dem wir Ihnen das Leben erleichtern können, damit Sie optimal trainieren können?“
„Eigentlich nicht, die Trainingsmöglichkeiten sind super, die Zeit, die mir das Studium lässt, kann ich so optimal nutzen.“
„Über das Studium machen Sie sich keine Gedanken“, warf der Dekan ein, „Sie bekommen jede Unterstützung, auch so viel Zeit wie Sie benötigen.“
Nils schwirrte der Kopf als sie sich vom Rektor verabschiedeten und dem Auto des Dekan zustrebten.
Der Dekan fuhr nicht gleich los, als sie im Auto saßen.
„Eine ganz private Sache noch, Herr Klose“, er schaute geradeaus durch die Windschutzscheibe, „Es ist wirklich sehr privat und ich weiß nicht so recht …“, er riss sich zusammen und meinte entschlossen: „Meine Frau wird sich sicher um Sie bemühen, ich kenne mittlerweile ihr Beuteschema. Und, äh …“
Er blickte zu Nils, der schaute ertappt geradeaus.
„Oh! Es ist bereits passiert!?“, rief der Dekan.
Nils weigerte sich zu sprechen. Jetzt würde wahrscheinlich die Welt für ihn untergehen. Gott, was war das peinlich. Wie konnte er sich nur auf die alte Schnepfe einlassen?
„Machen Sie sich nichts daraus“, hörte er den Dekan sagen. Nils blickte ihn ungläubig an.
„Na, schauen Sie nicht so. Meine Frau und ich lieben uns, wir würden uns nie verlassen, undenkbar. Sexuell haben wir uns allerdings nichts mehr zu geben, war von Vornherein nicht unser stärkster Anziehungspunkt. Ich weiß, dass sie sich an der Universität mit Frischfleisch versorgt“, er machte eine kurze Pause, „Oh, verzeihen Sie.“
Er fuhr fort: „Ich finde meine Entspannung woanders. Es macht mir nichts, wenn Sie es meiner Frau besorgen. Nur eine Bitte habe ich, versuchen Sie es so einzurichten, dass wir uns in meinem Haus nicht begegnen.“
Er schaute zu Nils, streckte seine Hand aus.
'Alter Schwede!', dachte Nils. Seine Gefühlsachterbahn, erst gelobt, dann erwischt, dann akzeptiert worden zu sein, verwirrte ihn, die Unsicherheit ließ ihn verlegen sein. Er schlug bei dem Dekan ein, weil der die Hand weiterhin in seine Richtung streckte.
„Agreement unter Männern!“, meinte der Dekan zufrieden und startete das Auto. Das Thema schien durch zu sein, Nils kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.
An einer roten Ampel schaute ihn der Dekan seltsam an.
„Wie ist ihre Augenfarbe? Blau, wie ich sehe. Bei Farben verlasse ich mich auf meine Sekretärin, die weiß immer was passt.
Kommen Sie bitte morgen nach zwölf Uhr in mein Büro. Hier haben Sie meine private Handy-Nummer, rufen Sie mich bitte an, bevor Sie sich auf den Weg machen. Ich habe eine Überraschung für Sie.“
Nils fand, dass es der Überraschungen an dem Tag überreichlich gab, er würde gern in sein ruhiges Studentendasein eintauchen und keine solch großkopferten Verbindungen pflegen müssen.
Großkopfert fand er einen herrlichen und sehr passenden Ausdruck für die ach so bedeutenden Menschen.
–
„Ich hab den Rektor getroffen!“, teilte Nils dem Gnömchen telefonisch auf dem Weg zurück in den Hörsaal mit.
„Spinnst du, mich während der Vorlesung anzurufen?“, flüsterte seine Süße.
„Musste ich dir erzählen, wir sehen uns später.“
Nils schlich sich in die Vorlesung hinein, nahm leise und unauffällig in der hintersten Reihe Platz.
Der Dozent sah ihn trotzdem.
„Ach, da sind sie ja wieder Herr Klose. Sie sind doch der Zehnkämpfer, der als einziger ohne Doping zum Wettbewerb angetreten ist, stimmts?“
Alle Köpfe drehten sich zu Nils, alle gafften ihn an.
Gott wie peinlich!
„Sie haben auch die Olympia-Norm geschafft, wie man hört, herzlichen Glückwunsch!“, der Dozent begann auf das Pult zu klopfen, die Studenten fielen ein, das gesamte Auditorium klopfte ihm Beifall. Wahrscheinlich nicht das gesamte Auditorium, dachte Nils für sich, die drei Zehnkampfkollegen unter den Jura-Studenten würden ihm wohl nicht gratulieren.
Nils wand sich unter den Blicken und der Aufmerksamkeit so vieler Menschen, sein Kopf glühte.
„Ja, ok“, beendete der Dozent den Beifall, „wir waren beim Familienrecht, Sorgerecht des unverheirateten Vaters. Bisher war es so, dass eine solch arme Wurst das Recht besaß für das Kind zu zahlen, er besaß kein Recht auf das Kind, er durfte es nur mit der Einwilligung der Mutter sehen. Nach dem Urteil des BVG, das erstmals vom OLG Hamm umgesetzt wurde, hat nun der leibliche Vater das Recht …“
Die Aufmerksamkeit der Studenten wendete sich dem Lehrstoff zu, nur Anna Breisiger hielt Nils im Blick.
Nils versuchte, den Blick der Kommilitonin zu ignorieren, er kramte seine Unterlagen aus dem Rucksack und schrieb eifrig mit.
„Wie du hast den Rektor gesehen? Was wollte der?“, fragte das Gnömchen, als sie sich in der Mensa trafen.
„Die bieten mir außergewöhnliche Trainingsmöglichkeiten an, haben mich gefragt, wie ich trainieren wollte. Sie erwarten von mir, dass ich an der Olympiade teilnehme. Ich glaub, die haben sie nicht mehr alle. Ich bin Handballer!“
Das Gnömchen kicherte über ihr liebstes Landei.
„Aus dir wird ja doch noch was!“, meinte sie mit Koboldblick, legte gleich die Hand besänftigend auf seine, um ihn am Aufbrausen zu hindern, „Was soll denn aus deinem Studium werden? Sollst du ein Freisemester einlegen oder wie läuft das?“
„Keine Ahnung! Die meinen, ich solle mir darüber keine Gedanken machen, was immer das heißt. Sportsachen brauche ich mir auch nicht mehr zu kaufen, das würden alles die Ausrüster besorgen, was immer auch das heißt. Die drehen am Rad, nur weil ich einmal so eine Leistung erbracht habe. Was ist denn, wenn ich das nicht mehr bringe? Ich würde mir lieber meine Sportsachen selbst kaufen und von einer Handballkarriere träumen.“
Das Gnömchen schaute den Lieblingsriesen voll überbordender Zuneigung an.
„Bist du nicht mittlerweile zu groß und zu schwer für einen Handballer?“, fragte sie nach ein paar Sekunden, in denen sie ihrem Gefühl nur durch den Blick Ausdruck gab.
Nils wand sich verlegen, das war wirklich ein wunder Punkt. Durch das intensive Zehnkampftraining, das damit verbundene Krafttraining und die vielen unterschiedlichen Sportarten besaß er extrem viel Muskelmasse, er wog deutlich über einhundert Kilo. Hinzu kam, dass er zwischen fünfzehn und neunzehn Jahren noch einen kräftigen Wachstumsschub erlebt hatte, von den damals einsfünfundachtzig war er mittlerweile auf über einsfünfundneunzig gewachsen. Die Größe war für einen Handballer noch nicht viel zu groß, jedoch das hohe Gewicht alles andere als ideal.
Sollte er noch einmal abspecken, Muskelmasse abbauen, um seine Figur für den Handball kompatibel zu gestalten? Dazu fühlte er sich außerstande. Er sah wie ihn die Menschen anschauten, vor allem sein Gnömchen, auch Clarissa und Natalia, die waren begeistert von seiner Figur, darauf wollte er nicht mehr verzichten. Durch seine Erscheinung, durch die Form seiner Gestalt, die von den dominanten Muskeln geprägt war, fühlten sie sich wohl bei ihm, auch andere Frauen fühlten sich von ihm angezogen. Die bewundernden und begehrlichen Blicke wollte er weiterhin genießen können. Auf die Muskeln wollte er nicht mehr verzichten, die gehörten zu Nils Klose.
„Die nächsten Spiele finden in Tokio statt, stimmts? Da war ich schonmal“, berichtete das welterfahrene Gnömchen, „die Stadt und die Leute werden dir gefallen. Obwohl, könnte sein, dass du mit deiner Größe ziemlich häufig aneckst“, das Gnömchen kicherte gemein.
Nils fragte entsetzt:
„Du sprichst jetzt aber nicht auch noch japanisch oder?“
„Nein, nur ein paar Brocken. Ist komisch zu lernen, aber interessant. Ich würde gerne nochmal hinfahren. Komm, streng dich bisschen an, dann fahren wir in vier Jahren nach Tokio.“
„Streng dich ein bisschen an! Hömma! Du hast leicht reden!“, brummelte Nils vor sich hin. Die endlich einmal ausgesprochene Erkenntnis, dass es wegen seiner Figur nicht zum Handballer des Jahres reichen würde, vermieste ihm die Laune. Er fühlte sich nach wie vor als Handballer, Zehnkampf war sein Fitnessprogramm. Wenn man Zehnkampf ernsthaft betrieb, dann war er etwas für elitäre Wichtigtuer, das war nicht er, nicht Nils. Da war er lieber Landei als Zehnkämpfer, lieber Mannschaftssportler, statt eingebildeter Egomane. Jedoch schien ihm die Entscheidung abgenommen worden zu sein.
Am nächsten Tag dachte er gerade noch rechtzeitig an seinen Termin mit dem Dekan, rief ihn nach der Vorlesung um 12:30 Uhr an.
„Kommen Sie nur“, meinte der Dekan, anscheinend wieder auf Droge, „Kommen Sie nur!“, meinte er aufgedreht.
Nur mäßig neugierig betrat Nils das Dekanatsbüro.
„Sie sollen gleich durchgehen, Herr Klose“, meinte die Sekretärin zur Begrüßung und griente ihn an wie ein Honigkuchenpferd. Nils Zustand als Unwohlsein zu beschreiben als er das Büro des Dekans betrat und mit offenen Armen begrüßt wurde wäre eine gelinde Untertreibung.
„Herr Klose, herzlich willkommen, nehmen Sie Platz“, meinte Lucas Vater nach einer neuerlichen Umarmung, „Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Kaffee, Tee? Ach nee, Sportler trinken so etwas nicht, nicht wahr? Was möchten Sie haben?“
„Nichts, danke“, meinte Nils. Im Rucksack trug er immer eine Flasche Wasser bei sich, die reichte ihm für den Durst zwischendurch. Dauernd etwas konsumieren zu müssen war ihm fremd. 'Auf die Art entsteht ein dicker Bauch', dachte er für sich.
„Also“, hob der Dekan an, wuselte voller Energie hinter seinen Schreibtisch und warf sich mit Schwung auf den federnden Sessel, „Ich brauche Ihre Kontoverbindung, einige Sponsoren und die Sportförderung werden Ihnen eine monatliche Apanage zukommen lassen. Damit Sie sich um ihr Ein- und Auskommen nicht sorgen müssen und Ihre gesamte Konzentration auf das Training richten können.“
Nils verstand noch nicht so recht, er schaute überrascht.
„Sie haben doch einen Führerschein?“, fuhr der Dekan fort, ohne Nils die Möglichkeit zu geben, die Nachrichten einzeln zu verarbeiten.
'Den muss ich aber jetzt nicht nach Hause bringen oder?', fragte sich Nils bang.
„Na sicher“, meinte er. Apanage? Was sollte das jetzt sein? Hatte was mit Brot zu tun oder was sollte das 'pan' mitten im Wort?
„Na, dann kommen Sie mal mit, wird Ihnen gefallen.“
Nils trabte hinter dem zappelnden Dekan her, ein großes Fragezeichen im Hirn. Es ging hinunter auf den Parkplatz.
Der Dekan blieb neben einem Auto stehen.
„Hier, das ist Ihrer!“, meinte er, schaute den Studenten erwartungsvoll an.
„Watt?“, meinte Nils, völlig von den Socken.
Der Dekan hielt ihm grinsend einen Autoschlüssel hin, drückte dabei auf einen Knopf an dem Ding. Das Auto machte ein Geräusch, es entriegelte sich. Der Dekan öffnete die Fahrertür, meinte:
„Voila!“
Nils war völlig verblüfft.
Der Dekan legte eine Mappe auf das Dach des Fahrzeugs.
„Hier die Zulassung, eine Tankkarte. Diese Mineralölgesellschaft fühlt sich geehrt, wenn Sie an ihren Tankstellen tanken, sie übernimmt auch die Rechnung. Hier eine Anmeldung für ein Fahrsicherheitstraining des Autoherstellers, die Teilnahme ist Grundvoraussetzung dafür, dass Sie das Auto benutzen dürfen. Das Fahrzeug ist auf eine Münchner Brauerei zugelassen, deren Besitzer würde sich freuen, wenn Sie ihn besuchen kämen.“
„Watt?,“ meinte Nils, immer noch fassungslos.
„Ja, nun steigen Sie schon ein, das ist Ihr Auto!“
Es handelte sich um einen blauen Z4, ein Sportwagen mit ellenlanger Haube, ein echtes Macho-Auto, wie es zu niemandem besser passen könnte als zu Nils.
Nils hockte sich hinters Lenkrad, das Innere des Fahrzeugs roch neu.
„Um Ihnen das Auto zu erklären und alles einzustellen, erwartet man Sie beim Hersteller, Sie kennen doch den Vierzylinder, oder? Strecke ist ins Navigationssystem eingegeben, sie brauchen nur hier drauf zu drücken. Glaub ich.“
Er langte an Nils vorbei und tippte auf den kleinen Bildschirm.
„Man muss wahrscheinlich erst die Zündung einschalten, aber Sie finden das schon. Gute Fahrt.“
„Ich soll jetzt?“, meinte Nils, „Und meine Vorlesung?“
„Man muss die Feste feiern wie sie fallen, Herr Klose, machen Sie sich keine Sorgen, genießen Sie Ihr Leben.“
Nils war völlig perplex. Das Auto schien Automatik zu haben, es dauerte einige Zeit, bis Nils den Schalthebel in die richtige Stellung brachte, um das Auto losfahren zu lassen. Es war eine geile Kiste, wie er sich zugestand, der Motorsound, das Gefühl hinter dem Lenkrad, der Blick auf die Motorhaube, ein Hammer das Teil.
Am Ziel angekommen, hielt ihn der Pförtner an, Nils öffnete die Tür, weil er den Knopf für das Fenster nicht gleich fand.
„Tag Herr Klose!“, begrüßte er ihn mit Namen, Nils wunderte sich im Moment über nichts mehr, „Sie möchten bitte dort vorn parken und in die Verwaltung gehen, die hohen Herren warten bereits auf Sie.“
Die hohen Herren? 'Alter Schwede!', dachte Nils.
Es erwartete ihn ein Herr in dunklem Anzug, der bei seinem Anblick in helles Strahlen ausbrach.
„Herr Klose?“, er schüttelte ihm die Hand, „Michael Sailer, Vertriebschef Inland.“
Er starrte Nils an wie ein lila Schaukelpferd, als könne er nicht glauben was er sah.
„Sie sind Herr Klose?“, er schien von Nils Äußerem begeistert zu sein.
„Schön Sie zu sehen“, er stellte ihm drei weitere Herren in etwas legerer Arbeitskleidung vor, es seien Entwicklungsingenieure, die ihn gleich in sein Auto einweisen würden.
Sailer ging zu einem fast leeren Schreibtisch, sprach in eine Gegensprechanlage: „Ich bitte Frau Sauer zu mir, bitte umgehend.“
Er wendete sich, weiterhin strahlend, dem Besucher zu.
„Herr Klose, ich freue mich sehr, Ihnen zu begegnen. Ich freue mich ebenfalls darüber, dass Sie unser Fabrikat nutzen. Ein Zehnkämpfer mit seiner sportlichen Vielseitigkeit passt natürlich ganz hervorragend zu unserem Image.“
Bei dieser offiziellen Rede wurde es Nils ganz anders. Er stand hier in schlabbrigem Sweat-Shirt und einer ollen Jeans zwischen diesen gut gekleideten Herrn und musste sich eine solche Rede anhören. Dass er eigentlich kein Zehnkämpfer wäre, sondern Handballer, das verkniff er sich angesichts der pompösen Umgebung.
„Ich hoffe auf eine gute und lange Zusammenarbeit“, fuhr der Vertriebschef fort. Er konnte offensichtlich nicht den Blick von Nils abwenden.
„Gott im Himmel, was sind Sie für ein Mann, leckts mi am Oarsch!“, brach es plötzlich aus ihm heraus, „Wie groß sind Sie?“
Nils lächelte, endlich eine menschliche Regung die er verstand.
„Eins sechsundneunzig“, antwortete er grinsend.
„Gott, diese Stimme!“, er packte Nils Oberarm, „Diese Muskeln! Mei Liaba! Und alles nachweislich ohne Anabolika. Reschpeckt!“
Die Tür öffnete sich und eine aufwendig gestylte Vierzigjährige betrat den Raum.
„Frau Sauer“, begrüßte sie der Vertriebschef, „darf ich Ihnen Herrn Klose vorstellen?“
Frau Sauer gab Nils die Hand und musterte ihn unverhohlen. Sie war eine schlanke Blonde mit ziemlich dynamischem Auftritt, etwas kleiner als die Dozentin, ihr Händedruck war fest und ausdauernd.
„Was halten Sie von ihm?“, fragte der Vertriebschef.
Frau Sauer hielt Nils Hand fest, schaute ihn nach wie vor forschend an.
„Mit dem Gesicht und einem solchen Sportler lässt sich natürlich etwas anfangen“, meinte sie, starrte Nils weiterhin an.
„Sie sind eine Schönheit, Herr Klose!“, ergänzte sie für Nils.
Er kam sich albern vor, wie ein Schaustück. Er verfluchte den Dekan, dass er ihn hergeschickt hatte. Was sollte der Mist? Er brauchte kein Auto, er war Student, benutzte die öffentlichen Verkehrsmittel kostenlos, wozu das Auto, wozu der ganze Auftritt?
Frau Sauer bemerkte seinen Unmut, schloss messerscharf darauf, was den Besucher störte.
„Verzeihen Sie Herr Klose“, sie gab ihm die Hand zurück, „Ich bin Leiterin der Werbeabteilung. Mit einem Gesicht und einer Figur wie ihrer, mit diesem sportlichen und sauberen Hintergrund, sind Sie eine ideale Werbefigur für uns. Darüber müssen wir beraten. Darf ich ein paar Fotos von Ihnen schießen?“
Sie zückte ihr Smartphone und lichtete den verlegenen Nils mehrere Male ab.
'Alter!', dachte der verzweifelt.
„Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?“, fragte der Vertriebschef.
„Ja, nee!“, stammelte Nils, raffte sich zusammen und antwortete: „Ich muss zur Vorlesung, wollte mich nur in das Auto einweisen lassen.“
„Achja, Sie studieren ja nebenher, Jura, nicht wahr? Juristen können wir im Betrieb immer brauchen. Herzlich willkommen bei BMW. Die Herren Ingenieure zeigen Ihnen jetzt ihr Auto, allzeit gute Fahrt!“
Nils war froh, aus dem Büro heraus zu können. Zwei der Ingenieure verabschiedeten sich vor der Bürotür, einer begleitete Nils zu seinem Auto. Er erzählte ihm die Grunddaten des Fahrzeugs, zeigte ihm die vielen Funktionen der Elektronik.
„Ich habe für mich eine Kurzanleitung entwickelt, alle Funktionen habe auch ich nicht immer im Kopf. Die habe ich Ihnen eingeschweißt unter den Fahrersitz gelegt, hier, sehen Sie, beide Seiten. Falls Sie eine Frage haben, die hier nicht behandelt ist oder wenn Sie nicht zurecht kommen, dann scheuen Sie nicht mich anzurufen. Meine Nummer steht auf der Kurzanleitung hier oben, sehen Sie? Ist meine direkte Durchwahl. Also, allzeit gute Fahrt.“
Nils war entlassen und froh, den Trubel los zu sein.
Der Pförtner sah ihn kommen und winkte ihn gleich durch. Nils hielt an der nächsten Bushaltestelle und rief das Gnömchen an.
Die flüsterte wieder empört wie gestern, weil er sie während der Vorlesung anrief. Sie verabredeten sich für später in der Mensa. Kaum saßen sie, da platzte Nils mit der Neuigkeit heraus.
„Was hast du?“, fragte das Gnömchen ungläubig, „Die haben dir ein was geschenkt? Ein Auto? Du willst mich veralbern!“
Sie glaubte es erst, als er ihr den Schlüssel auf den Tisch legte.
„Was ist eine Apanage?“, fragte Nils sein gebildetes Gnömchen.
„Eine Apanage ist eine finanzielle Zuwendung, monatlich oder jährlich. Warum?“
„Sowas wollen sie mir zukommen lassen, damit ich keine Sorgen habe und mich auf den Sport konzentrieren kann. Mir ist das, der gesamte Aufwand, total unheimlich.“
„Die wollen dir Geld …?“
„Zeig mal das Auto“, verlangte das Gnömchen energisch. Sie rannten mehr als sie gingen zum Parkplatz.
„Was für eine geile Kiste!“, meinte die Kleine begeistert, „Lass mich mal fahren!“
Das winzige Gnömchen richtete sich den Fahrersitz und die Spiegel, die Positionen speicherte Nils gleich in die Elektronik ein, als sie endlich richtig saß. Er zeigte Michelle wie die Schaltung funktionierte, die Kleine fuhr los.
„Du liebe Güte!“, meinte sie begeistert, „Der geht aber ab!“
„Ja“, bestätigte Nils nicht ohne Stolz, „Hat dreihundertfünfzig PS.“
„Boh eh!“, meinte das Gnömchen beeindruckt. Sie fuhr sehr konzentriert und vorsichtig, so wie es Nils von ihr kannte, jedoch total begeistert und freudig erregt.
„Das Auto ist auf die Hopfen-Brauerei hier in München zugelassen, der Direktor würde mich gerne kennen lernen, meint der Dekan. BMW will mit mir eine 'Sauberer Sport'-Kampagne machen, zusätzlich die Apanage, von der der Dekan geredet hat, was bedeutet das alles?“
Sie mussten an einer roten Ampel warten, das Gnömchen überlegte angestrengt.
Das Liebespaar hatte nach dem Erfolg in Götzis drei Tage in den Bergen verbracht um Nils die Möglichkeit zu geben sich zu regenerieren. Das Gnömchen verlangte anlässlich der Ereignisse der letzten Tage von ihrem liebsten Landei Liebesbeweise in allen Lagen und zu jeder Zeit. Diese Gelegenheit nutzte Nils um bei seinem Gnömchen zu untermauern dass ihm die Dozentin nichts bedeutete. Er hinterließ einige sehr beeindruckenden Beweise seiner Leistungsfähigkeit. Sie waren kaum aus der Fürstensuite heraus gekommen, Nachrichten aus der Heimat interessierten sie da nicht, sie bekamen sie schlichtweg nicht mit.
Das Gnömchen machte ein pfiffiges Gesicht, „Ich weiß was!“, meinte sie, änderte zielstrebig die Fahrtrichtung. Sie fuhren an einem Zeitungskiosk vorbei, Michelle suchte einen Parkplatz, rangierte das Auto zwischen zwei riesig erscheinende SUV's.
„Watt is?“, fragte Nils.
„Komm mal mit!“, kommandierte die Kleine, sie stiegen aus, Nils trottete hinter ihr her. Sie erstand an dem Kiosk alle Sportzeitschriften, breitete sie auf dem Stehtisch eines Kaffeeausschankes nebenan aus.
„Hier!“, meinte sie, „dritte Seite: Dopingskandal!“
„Hier“, meinte sie aufgeregt, „Erste Seite, 'Der einzig saubere Sportler!“
Ein großes Bild zeigte Nils, wie er Brust an Brust mit Gazelle die Ziellinie überquerte, auf einem sehr kleinen Bild, eingeblendet in das große, war zu sehen wie er an der Brüstung hing und sich erbrach.
„Bis zum Äußersten, unser Mister Saubermann!“, las sie vor.
„Alter!“, ächzte Nils, dem es nachträglich peinlich war, sich dort in aller Öffentlichkeit erbrochen zu haben. Sie zeigten es auch noch auf der Titelseite!
„'Die Zukunft des deutschen Zehnkampfsportes!' 'Ein Saubermann auf dem Weg nach oben!' 'In der Weltspitze angekommen!' Junge, du hast eine echt geile Presse!“, lobte ihn das Gnömchen, „Kein Wunder, dass die dich alle haben wollen. Darüber müssen wir allerdings noch reden.“
„Worüber willst du mit wem reden?“
„Na, über die Apanage, mit allen die dich haben wollen. Wer sich mit deinen Federn schmücken will, muss sich dafür erkenntlich zeigen.“
Nils waren diese Gedankengänge, auf sich selbst bezogen, zu absurd.
„Gnömchen“, meinte er, „Gnömchen“, versuchte er abzuwiegeln, „hörmal, ich habs einmal gut gemacht, ein einziges Mal. Das heißt aber nicht, dass ich ab sofort Mister Universum bin, klaro? Ich habe an einem Wettbewerb in Ösi-Land teilgenommen und dort den vierten Platz belegt. Bei den deutschen Meisterschaften, wenn ich dort überhaupt antreten darf, werden sie mir die Hosen ausziehen. Da werde ich unter 'Ferner liefen' ins Ziel kommen.“
„Ja, leuchtet mir ein, Schätzchen“, meinte die Kleine die er über alles liebte. Sie sprach zu seinem Befremden jedoch von sehr weit oben herab.
„Schau mal, wie viele deutsche Zehnkämpfer vor dir ins Ziel gekommen sind? Einen Engländer sehe ich hier, einen Kubaner, einen Deutschen und dann? Wer kommt dann? Richtig, das Landei! Götzis ist das Mehrkampfevent schlechthin, die Besten der Welt treten dort an.“
„Woher willst du das denn wissen?“, meinte Nils unsicher geworden. Zehnkampf fand er bisher nicht interessant genug, um sich damit intensiver auseinander zu setzen.
„Du würdest bei den deutschen Meisterschaften um den Sieg mitkämpfen, verstehst du?“
Das Gnömchen blitzte ihn über den Stehtisch hinweg aus den braunen Augen erregt an. Sie bekam den kecken Gesichtsausdruck der gut zu den Koboldaugen passte und meinte:
„Du müsstest dich nur etwas mehr anstrengen, dann klappt das schon.“
Nils kapierte gleich, was seinem Gnömchen fehlte. Er versuchte die Kleine zu packen um ihr den Respekt einzuflößen, an dem es ihr mangelte, langte über den Stehtisch, auf den sie die Zeitungen ausgebreitet hatten, um sich die Kleine vorzunehmen. Michelle rannte blitzartig davon, suchte hinter einem Passanten Deckung, täuschte rechts, täuschte links, streckte Nils die Zunge raus und rannte davon. Das Pärchen tobte über die Straße, Nils rannte sich alle Unsicherheit und alle Zweifel aus dem Leib. Das Gnömchen ließ sich nach einiger Zeit fangen, himmelte den Großen an, verlangte, geküsst zu werden. Nach dem Kuss schmiegte sie sich an, sie hauchte, kaum hörbar: „Ich liebe dich!“
Arm in Arm gingen sie zum Auto zurück. Michelle nahm wieder hinter dem Steuer Platz, kontrollierte im Rückspiegel ihr Aussehen, zog die Lippen nach.
„Ich lass mir Visitenkarten drucken“, gab sie bekannt, „Sportmanagerin Michelle Dombrowski. Wir wollen doch mal sehen, wie viel den hohen Herrschaften dein Saubermann-Image wert ist.“
„Du meinst?“, meinte Nils unsicher, „Du meinst, wir sollen mit denen verhandeln? Irgendwie mehr verlangen? Oder wie? Nicht dass ich gar nichts kriege.“
„Da mach dir keine Sorgen, Schätzchen, dafür hast du jetzt eine Managerin“, beruhigte ihn seine Kleine selbstbewusst und manövrierte das niedrige Auto zwischen den SUV's heraus. Sie kam nicht weit, weil sie den fließenden Verkehr von der niedrigen Warte aus dem Sportwagen nicht sehen konnte. Nils griente süffisant, meinte: „Frau am Steuer!“, stieg aus und wies sie ein.
Er stand da und winkte sie in eine Lücke im Verkehr. Als er da so stand und winkte, war er sich mit einem mal klar darüber, dass er mit seinem Gnömchen gemeinsam unschlagbar war. Wenn sie beide zusammenhielten konnte nichts schief gehen, denn dann waren sie allen Schwierigkeiten und widrigen Umständen gewachsen. Sein Herz strömte über vor Liebe zu dem kleinen Mädchen. Er schwang sich auf den Beifahrersitz, verlangte nach einem Kuss von der Fahrerin, sie fuhren los.
Er erzählte von der Tankkarte, von dem Fahrsicherheitstraining auf der Rennstrecke, das eine Grundbedingung dafür war, dass er das Auto fahren durfte.
„Was die alles in Bewegung setzen um dich zu vermarkten ist schon enorm“, meinte das Gnömchen, „Lass mich nur machen“, meinte sie selbstbewusst, „Ich bin bei Chantal in die Lehre gegangen, die verhandelt immer so lange bis Blut kommt. Wir schaukeln das schon, mach dir keine Sorgen.“
Sie warf ihm einen schnellen Blick zu, sah, dass Nils verunsichert da saß, dass ihr Liebster mit der Menge an neuen Eindrücken überfordert war. In dem Zustand gefiel er ihr nicht, sie wusste jedoch einen Weg, auf dem sie ihm das normale Selbstvertrauen zurück geben konnte.
„Du brauchst dich nur etwas mehr anzustrengen, dann kriegen wir das schon hin! Nur ein kleines bisschen höher und weiter zu springen, ein wenig schneller zu lau …“
Nils gewann seine Sicherheit wieder, beugte sich mit entschlossenem Gesicht zu der Kleinen rüber, packte sie um sie zu maßregeln.
„Nicht!“, wehrte sie lachend ab, „Ich muss fahren!“
Nils beherrschte sich, „Pass auf du!“, drohte er zu ihr hinüber.
Er war froh, das Gnömchen zu haben. Sie kannte sich in der Welt aus, wogegen er hilflos den Gezeiten der Mächte ausgeliefert war. Und sie kannte sich in der Behandlung von Landeiern aus, auch darüber war er sich im klaren.
„Wo fährst du denn hin?“, fragte er nach kurzer Zeit.
„Na, nach Hause, was dachtest du denn?“
„Und parken? Wo willst du parken?“, wandte Nils ein, „Wir lassen das Auto einfach auf dem Uni-Parkplatz stehen und nutzen die öffentlichen Verkehrsmittel, wie immer.“
„Zur Wohnung gehören zwei Tiefgaragenstellplätze“, meinte das Gnömchen ruhig, „sie können dir sogar noch ein zweites Auto schenken. Wir nehmen das Auto selbstverständlich mit.“
„Tiefgarage?“, meinte Nils verständnislos.
„Tiefgarage, unter dem Haus, tief, unter, verstehst du?“, meinte das Gnömchen ungeduldig.
„Wo soll denn da eine Tiefgarage sein?“
„Wenn du aus der Haustüre herauskommst, einmal rechts ums Eck, da ist die Einfahrt zur Tiefgarage.“
„Häh?“, meinte Nils. Was sich hinter der Ecke verbarg hatte ihn noch nie interessiert, sie gingen immer links herum zum Marienplatz. Von hinten kam ihm ihr Haus fremd vor, das Gnömchen fuhr ganz vorsichtig und langsam auf die Rampe, die hinunter unter das Haus führte.
„Das Gitter kannst du mit dem Haustürschlüssel öffnen“, wies sie Nils an. Der sprang diensteifrig aus dem Auto, tatsächlich, das Gitter vor der Zufahrt hob sich. Als das Gnömchen hindurch gefahren war, ließ Nils das Gitter wieder hinunter, sprang unter dem Gitter her, stieg wieder in das Auto.
„Hier, siehste? Steht hier angezeichnet, drittes OG links“, wies sie ihn auf eine Tafel an der Wand hin. Sie musste einige Male rangieren, bis das Fahrzeug auf dem bezeichneten Platz stand.
„Geile Kiste“, meinte Michelle, das Auto betrachtend, „Müsste nur ein Cabrio sein, das wäre nochmal so geil.“
„Es ist ein Cabrio“, erwiderte Nils stolz, nahm dem Gnömchen den Schlüssel aus der Hand, drückte auf einen Knopf. Das stabil aussehende Dach knickte in der Mitte ein, ein Fach im Heck des Fahrzeugs öffnete sich, das zusammengefaltete Dach fuhr hinein, der Deckel schloss sich wieder.
„Nee, oder?“, freute sich das Gnömchen, „Geil!“, sang sie, „Komm, wir machen Liebe in der Karre!“
„Da kann ich nicht, das ist zu eng“, meinte Nils, „Ich weiß etwas Besseres.“
Er schnappte sich das Gnömchen, bugsierte es ohne große Kraftanstrengung auf die Kühlerhaube, riss ihr das Höschen unter dem Kleid hinunter, schob ihr den Obergeilen in die verlangende Möse.
„Ja!“, kreischte die Kleine, umarmte ihren Lieblingsriesen, keuchte vor Lust, von der Dominanz und Kraft des Liebsten atemlos. Sie gab Nils die Melkbewegungen der Unterleibsmuskeln zu spüren, verlangte von ihm Befriedigung, wollte seine Befriedigung herbeiführen.
„Ja!“, keuchte sie beinahe lautlos, suchte den Blickkontakt mit dem Liebsten, „Ja! Ich kann es spüren, ja!“
Ihren Höhepunkt teilte sie Nils durch ungeheure Hitze mit, die den Riesendödel umspannte, ihn zum Glühen brachte, sich von dort aus auf den Weg über das Nervensystem in Nils' Kleinhirn machte, alles Denken ausschaltete, ihm einen glühenden Orgasmus bescherte, in dessen Höhepunkt er der Liebsten das Samenopfer erbrachte.
„Mein Gott!“, stöhnte die Kleine, „Mein Gott!“
Sie strahlte den Herzallerliebsten an, richtete sich mit ihm auf, umarmte ihn, gab ihm die Größe ihrer Liebe zu verstehen.
Immer noch schwer atmend machten sich die Beiden auf den Weg in die Wohnung. Nils schleppte sich mit der Sporttasche und seinem Rucksack, Michelle mit ihrer voluminösen Handtasche mit allen Unterlagen ab. Sie passten mit ihrem Gepäck kaum in den winzigen Aufzug, mit dem sie zu ihrer Wohnung hinauf fuhren.
„Mein Gott“, meinte das Gnömchen, „Sonen Quickie auf der Motorhaube hatten wir aber noch nie, oder?“
„Nee, im Kombi haben wir es schon öfter erlebt, außen auf dem Auto noch nie. Ist ne geile Karre oder?“, Nils war nach dem Hormonausgleich wieder der souveräne Mann, wie ihn seine Umgebung schätzte, das Gnömchen himmelte ihn unverblümt an.
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Lieber Leser, wenn dir diese Geschichte gefallen hat, dann freut mich das, zu dem Zweck habe ich sie geschrieben. Bitte teile mir durch deine Bewertung und wenn es dir nicht zu viel Mühe macht durch einen Kommentar mit, ob sie dir gefallen hat oder nicht.
Danke dir.
Gruß
Evi Engler
© Evi Engler 2016
Kommentare
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Vielleicht treibt er es demnächst mit einer Vollschlanken.
Wieder super zu lesen - Danke«
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Danke für die tolle Geschichte !!«
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Wann kommt mal wieder was zu viert?«
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