Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise ...
von aweiawa
© by aweiawa, 2012
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.
Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegen senden.
Diese vier Zeilen stammen aus dem Gedicht „Stufen“ von Hermann Hesse. Sie enthalten so unendlich viel Lebensweisheit und vermögen Trost zu spenden. Zudem stammen sie aus meinem Lieblingsgedicht und ich nehme sie zum Anlass, statt einer Textinterpretation, die jeden Leser nur verjagen würde, einige Episoden zu erzählen, die in irgendeiner Form mit diesem Ausschnitt aus Hesses Gedicht zusammenhängen.
Reisen bildet, und wer sich auf Reisen begibt, der kann etwas erleben, sagt der Volksmund. Doch dass diese Erlebnisse nicht immer dazu angetan sind, sich auch nach Jahren noch an ihnen zu ergötzen, soll die erste Episode belegen.
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Herr Santhrop macht Urlaub
Herr Michael Ignatius Santhrop genoss die Abgeschiedenheit seiner Zweizimmerwohnung im Frankfurter Westend, die er seit Jahren nur selten verließ. Er mochte die Menschen nicht, und erst recht keine Fremden. Dabei waren ihm Menschen anderer Länder und Hautfarbe keineswegs verhasster als seine nächsten Nachbarn. Doch es war für ihn evident, dass nirgendwo vernünftige und vor allem erträgliche Zeitgenossen zu finden waren. Also blieb er lieber zu Hause und ertrug die ihm bestens bekannte Dummheit der Menschen seiner unmittelbaren Umgebung, als sich der vielleicht noch größeren Borniertheit Unbekannter auszusetzen.
Doch dann gewann er dieses Preisausschreiben. Nicht den ersten Preis, auf den er spekuliert hatte, sondern den dritten. Eine Reise nach Isny im Allgäu, Vollpension, mit Familienanschluss. Ein sommerlicher „Traumurlaub“ auf dem Land.
Da er den ersten Preis, eine limitierte Sonderedition der Werke seines Lieblingsphilosophen Schopenhauer, nicht gewonnen hatte, haderte er mit sich und dem Schicksal.
„Michael Ignatius“, so pflegte er sich anzureden, „du bist ein Idiot! Warum nur hast du an diesem Preisausschreiben teilgenommen? Jetzt musst du in diesen unbekannten und mit Sicherheit übervölkerten Ort fahren, um das Landleben zu genießen! Wie kann man nur so blöd sein und den dritten Preis gewinnen?!“
Ja, es war entschieden, diesen Preis durfte er nicht verfallen lassen, auch wenn er sich nichts als Ärger davon versprach - denn einen Gewinn nicht in Anspruch zu nehmen, hätte zu sehr gegen sein Ethos verstoßen. Zudem war er als letzter Spross eines verarmten Adelsgeschlechts darauf angewiesen, zu nehmen, was ihm geboten wurde.
Sein Auto stand derzeit nicht zur Verfügung. Genau genommen war es nur noch ein Haufen Schrott, seit ein Lastwagenfahrer dem einem ständigen Duell gleichenden Fahrstil Herrn Santhrops getrotzt und sich dummerweise als der Stärkere erwiesen hatte.
So blieb ihm nichts anderes übrig, als mit dem Zug zu fahren. Ein Horrorszenarium, dem sich Herr Santhrop nur im äußersten Notfall aussetzte.
Ein Erste-Klasse-Abteil kam aus Kostengründen nicht infrage, also griff er auf die bewährte Sockenstrategie zurück. Dicke Strümpfe, Tag und Nacht getragen, mindestens zwei Wochen lang, schlugen selbst den hartnäckigsten und lästigsten Mitfahrer in die Flucht. Meist musste er nicht einmal zur ultimativen Waffe greifen und die Schuhe ausziehen, doch wenn der Zug überfüllt und infolgedessen die Anzahl der potenziellen Konkurrenten auf das Abteil recht hoch war, griff Herr Santhrop ohne Gnade zu diesem letzten Mittel.
Doch am Reisetag war der Zug nur halb gefüllt und Herr Santhrop konnte ohne ultimative Maßnahmen ein Abteil für sich beanspruchen. Als er in Isny den Zug verließ, war der Reisende fast gut gelaunt – ein seltener Zustand.
Ein Taxi war bald gefunden, und der bedauernswerte Chauffeur war heilfroh, dass sein Fahrgast auf der Rückbank Platz genommen hatte. Trotz weit geöffneter Fenster dem Ersticken nahe, nahm er am Ziel sein Geld mit spitzen Fingern entgegen. Der Plan, auf dem schnellsten Weg zum nahegelegenen Fluss zu fahren, dort sein Taxi zu versenken und es anschließend als gestohlen zu melden, verflüchtigte sich genauso schnell aus seinem Hirn wie der Gestank aus dem Auto.
Da stand nun Herr Santhrop, seinen Koffer in der Hand, vor dem einsamen Bauernhaus. Landleben und Familienanschluss erwarteten ihn, und der Schweiß stand ihm auf der Stirn.
„Ah, da bist du ja! Wir haben dich schon erwartet.“
Die Begrüßung des jungen, dreisten Burschen wirkte auf den bis dato immer noch leidlich gut gelaunten Herrn Santhrop wie ein den Lodenmantel lupfender Exhibitionist auf eine Nonne. Nichts hasste er mehr, als die Anbiederung des Du bei der ersten Begegnung. Schon gar nicht von solch einem Dreikäsehoch wie diesem primitiven Bauernlümmel. Die dargereichte Hand ignorierte er geflissentlich und trat in die gute Stube.
Ein Blick in die Runde bestätigte seine schlimmsten Befürchtungen. Die Jungbäuerin, kaum 30 Jahre alt, die nur mit Mühe ihre wild durcheinander krakeelenden Bälger im Zaum halten konnte, stieß ihm ein herzhaftes „Grüß Gott!“ entgegen, während eine am Ofen sitzende, verhutzelte Alte lediglich ein debiles Grinsen für ihn übrig hatte.
Diese Art der Begrüßung empfand er als blasphemische Verhöhnung seiner Person, also bellte er los:
„Wo ist mein Zimmer?“
Die betroffenen Gesichter hoben seine Laune ein wenig, doch die Ausstattung des Gastzimmers ließ seine Züge endgültig entgleiten. Hellblau gestrichene Wände, dieses verhasste Kreuz mit dem masochistischen Menschenfreund an der Wand, und zu allem Überfluss ein Baldachin über dem Bett. Eine Folterkammer hätte nicht abschreckender wirken können. Wie sehnte sich Herr Santhrop nach seiner Kammer mit den grau gestrichenen, kahlen Wänden.
„Ruhe wohl“, verabschiedete sich der Bauerntrampel und hatte bereits auf dem Absatz kehrt gemacht, als Herr Santhrop noch mit dem Ausfeilen von Flüchen beschäftigt war.
„Du selten blödes Arschloch!“, polterte er als Letztes, wobei offen blieb, ob er damit seinen Gastgeber, diesen Bauerntrampel, oder gar sich selbst titulierte.
Die überfällige Dusche nebst intensivster Bearbeitung der Füße mittels einer Wurzelbürste sollte die letzte Aktivität des Herrn Santhrop an diesem Abend gewesen sein. Vollkommen erschöpft stürzte er ins Bett und sank sogleich in einen tiefen Schlaf, aus dem er allerdings nach kurzer Zeit wieder erwachte.
Schweiß stand auf seiner Stirn und er brauchte geschlagene fünf Minuten, um festzustellen, was so gravierend anders war als zu Hause und ihm den Schaf raubte.
Diese grässliche Stille! Kein Ton, kein Laut, kein Hupen eines Autos. Nichts als diese unheilschwangere Abwesenheit von Lärm jeglicher Art. Als Herr Santhrop endlich begriffen hatte, sprang er mit beiden Beinen zugleich aus dem Bett.
Leiderprobt aus früheren geschäftlichen Aufenthalten in Hotels im ländlichen Raum, führte Herr Santhrop diesmal eine selbst komponierte CD mit sich, die ihm gegen die unerträgliche Stille eine hartgeschmiedete Waffe zur Seite stellte. Aufnahmen des Verkehrslärms am Kamener Kreuz zur Rushhour, unterlegt mit dezentem Panzerkettengerassel vom Truppenübungsplatz Haunstein-Simmersdorf und angereichert mit einer Prise Lokalkolorit des nächtlichen Frachtflug-Verkehrs auf der Startbahn-West, waren Argumente, gegen die keine noch so perverse Stille ankam.
Doch ach, ein grässlicher Fluch zerriss die nervenzerrüttende Stille. Der Akku des mitgebrachten tragbaren CD-Players war leer und eine Steckdose gab es im ganzen Zimmer nicht.
So verbrachte Herr Santhrop die Nacht, mit Kopfhörern auf den Ohren, einem schwarzen Nachthemd bekleidet und auf der hölzernen Klobrille sitzend, in der Etagentoilette. Seine geliebten Klänge im Ohr entschlummerte er trotz der unbequemen Stellung in kürzester Zeit.
Wie gerädert wachte er gegen drei Uhr auf und stolperte durch das völlig dunkle Haus.
Atembeschwerden und Schweißausbrüche waren Grund genug, die Stellung aufzugeben und das Heil in der Flucht zu suchen. Den Koffer, den er zum Glück noch nicht ausgepackt hatte, in der Hand, marschierte er los. Keine Minute länger ertrug er dieses Haus. Lieber in seiner Frankfurter Wohnung auf Jahre lebendig begraben sein, als diese Folter auch nur eine Minute länger aushalten zu müssen!
Dass es in diesem vermaledeiten Haus keine Lichtschalter gab, die sich im Dunkeln finden ließen, trieb ihn zur Weißglut, und als er sich bis zur Treppe vorgearbeitet hatte, wäre er beinahe hinabgestürzt.
„Denen werd ich’s zeigen“, steigerte sich seine Wut gegen das Haus und dessen Bewohner. Unten angekommen, öffnete er in vollkommener Dunkelheit den Koffer, ertastete die Plastiktüte, in der seine Socken geruchssicher verstaut waren, und zerriss den Kunststoff - ein Haifischlächeln stahl sich in sein Gesicht, obwohl die Geruchsnerven Alarmsignale zum Gehirn sandten. Ohne Abschiedsgeschenk würde er nicht verschwinden!
Mit ausgestrecktem Arm und spitzen Fingern ergriff er die qualmenden Socken, kniete sich auf den Boden und kroch in die Richtung, in der er den Wohnzimmerschrank vermutete.
Den heftigen Schmerz, der ihn bei der Kollision mit einer spitzen Kante desselben überfiel, ignorierte Herr Santhrop mannhaft, lediglich ein leiser, ellenlanger Fluch ließ sich nicht unterdrücken. In unbeirrbarer Erfüllung seiner Mission stopfte er die stinkenden Socken derart tief unter den Schrank, dass sie von niemandem zu sehen sein würden
Kaum hatte er sein Werk vollbracht, durchzuckte ein plötzlicher heftiger Schmerz seine Rechte. Wie von Taranteln gestochen fuhr er hoch, schleuderte die Maus, die sich in seinen Finger verbissen hatte, quer durch den Raum und rannte zu seinem Koffer, um diesen ungastlichen Ort auf dem schnellsten Weg zu verlassen. Leider hatte er vergessen, dass ihm dabei der Tisch im Weg stand, und als er mit dem empfindlichen Körperteil, das die Schöpfung unseligerweise genau in Tischhöhe angebracht hat, gegen dessen verflucht spitze Ecke stieß, stürzte er vor Schmerzen schreiend zu Boden, schlug mit dem Kopf auf den harten Fliesenboden und ... erwachte im Bezirkskrankenhaus von Isny. Um sein Bett herum wuselten kleine Kinder, eine Frau, die ihm vage bekannt vorkam, zupfte an seiner Bettdecke herum, und als ihm die laute Stimme des Bauerntrampels mit einem „Grüß Gott, Herr Santhrop“ ins Ohr dröhnte, versuchte er zu fluchen, doch er brachte keinen Ton hervor. Durch den Unfall waren seine Stimmbänder gelähmt.
Ein Arzt trat ein und wandte sich an den Wortlosen:
„Herr Santhrop, ich habe eine gute Nachricht für Sie. Familie Huber hat sich bereit erklärt, sie bei sich zu Hause aufzunehmen und zu pflegen. Aus ärztlicher Sicht ist das für sie das Beste.“
Dann wandte er sich an das Bäuerlein:
„Sehen Sie, Herr Huber, seine Augen füllen sich mit Tränen der Dankbarkeit.“
An einem Preisausschreiben, das stand fest, würde Herr Santhrop nie wieder teilnehmen.
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Nicht jede Reise endet in einem derartigen Fiasko, sonst wäre die Fremdenverkehrsindustrie schnell am Ende. Im Allgemeinen verbinden wir mit einer Reise nicht Mühsal und Bedrängnis, sondern Spaß und grenzenlose Freiheit. Doch dass diese nicht immer über den Wolken zu finden ist, sondern manchmal viel näher in Wald, Feld und Flur, wird die nächste Episode vor Augen führen. Doch Vorsicht, lasst euch nicht aufs falsche Gleis locken.
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K139-5
„Entschuldigen Sie bitte, darf ich Ihren Namen erfahren?“
„Natürlich, ich heiße … äh, Jaqueline. Und Sie?“
„Elsa. Ich hätte eine Bitte an Sie, Jaqueline.“
„Ja, was kann ich für Sie tun?“
„Könnten Sie ein bisschen zur Seite rücken, ich fühle mich so beengt.“
„Ach kommen Sie, hier ist es doch nicht eng. Sie sollten mal sehen, wie es bei uns zu Hause zugeht. Da ist der Platz hier drinnen ja fast ein Luxus.“
„Noch enger als hier? Da bekäme ich ja überhaupt keine Luft mehr. Und dieses entsetzliche Ruckeln macht mich noch wahnsinnig.“
„Ja, das stört mich auch, Elsa. Das wäre ein Grund, sich zu beschweren.“
***
„Sagen Sie mal, wissen Sie, wohin wir fahren, Jaqueline?“
„Nein, ich habe keine Ahnung. Ich kenne mich in der Welt nicht aus, bin selten von zu Hause weggekommen.“
„Mir ist überhaupt nicht wohl. Jetzt sind wir schon so lange unterwegs, es ist heiß hier drinnen und ich habe Durst.“
„Mir scheint, Sie sind ganz schön verwöhnt, meine Beste. Immerhin haben wir ein Fenster, durch das ein wenig Luft hereinkommt, und wir können hinausschauen. Etwas Interessanteres kann ich mir nicht vorstellen. Schauen Sie doch nur, diese Farben! Eine ist dabei, die habe ich noch nie gesehen.“
„Wie kann man eine Farbe noch nie gesehen haben? Ich glaube, Sie wollen mich verarsch... Oh, entschuldigen Sie bitte.“
„Nur nicht so zimperlich, Elsa. Aber ich sage die reine Wahrheit, wie heißt denn die Farbe, in der diese große Fläche da draußen gestrichen ist?“
„Meinen Sie mit Fläche etwa diese Wiese da?“
„Wiese heißt sie also!?“
„Aber Jaqueline, Sie werden mir doch nicht einreden wollen, dass Sie noch nie eine Wiese gesehen haben?“
„Hab ich wirklich noch nie, aber ... sie gefällt mir, diese Wiese. Irgendwie bin ich ganz verliebt in sie.“
„Sie ist grün.“
„Grün? Ich dachte Wiese.“
„Die Farbe. Sie heißt Grün.“
„Oh, hört sich toll an, dieses Wort. Grüüüün, das kann man sich auf der Zunge zergehen lassen. Grüüüün. Es klingt irgendwie … saftig“
***
„Jaqueline, darf ich Sie etwas fragen?“
„Aber natürlich, Elsa. Ich unterhalte mich gerne mit Ihnen. Sie sind nett und wissen so viel.“
„Ach, machen Sie mich bitte nicht verlegen! Aber was ich fragen wollte: Haben Sie Kinder?“
„Oh ja, viele.“
„Und das Jüngste, ist es noch bei Ihnen?“
„Nein, natürlich nicht. Warum fragen Sie?“
„Weil meines verschwunden ist. Vor drei Tagen. Wie all die anderen zuvor.“
„Aber das ist doch ganz normal. Wenn sie geboren sind, verschwinden sie wieder.“
„Und trotzdem fällt es mir so schwer. Ein halbes Jahr ist so kurz!“
„Ich weiß, wie lange ein halbes Jahr ist, aber was hat das mit den Kindern zu tun?“
„Na, so lange bleiben sie doch bei einem.“
„Aber Elsa, jetzt wollen Sie mich verarschen! Wer hat so was schon mal gehört?“
„Wieso machen Sie sich über meine Trauer lustig, Jaqueline? Habe ich Ihnen was getan?“
„Aber Elsa, die Kinder kommen doch sofort nach der Geburt weg. Das war noch nie anders. Sie wollen doch nicht wirklich behaupten, dass ...“
***
„Eben waren Sie noch so traurig, liebe Elsa, und nun lächeln Sie zufrieden. Woran denken Sie?“
„Erinnerungen, Jaqueline, das sind Erinnerungen.“
„Sie Glückliche. Woran haben Sie gerade gedacht, ich möchte mich mit Ihnen freuen.“
„An den Vater meiner Kinderchen.“
„Was ist das, Vater meiner Kinderchen?“
„Aber Jaqueline?! Haben Sie nicht eben noch gesagt, Sie hätten auch Kinder gehabt? Viele sogar?“
„Schon, aber ich verstehe Ihre Ausdrucksweise nicht.“
„Hannibal heißt er, der Wilde, wie ich ihn immer bei mir nenne. Es war himmlisch mit ihm. Wer hat Ihnen denn die Kinder gemacht, Jaqueline, wie hieß er und wie sah er aus? War er groß und kräftig?“
„Darüber möchte ich nicht reden!“
***
„Jaqueline, darf ich fragen, wie alt Sie sind? Mir scheint, Sie sind viel jünger als ich. Obwohl ich ja gar nicht gut im Schätzen bin.“
„Ich bin ziemlich genau fünf Jahre alt, und Sie?“
„Elf. Aber ich muss mich wundern, mit fünf schon auf Reisen. Bei uns zu Hause geht niemand vor seinem zehnten Lebensjahr auf Reisen.“
„Was?! Elf?! Es ist an mir, sich zu wundern, denn ich habe noch niemals jemanden in Ihrem Alter getroffen. Und Sie sehen noch so blendend aus, Elsa, mein Kompliment.“
„Sie schmeicheln mir, Jaqueline!“
„Nein, im Gegenteil. Ihr Haar glänzt wunderbar, und meines … ist stumpf. Wie haben Sie das nur geschafft?“
„Ich glaube, das liegt am Essen. Denn im Winter werden meine Haare auch etwas stumpf. Da gibt es ja auch kaum frische Sachen.“
„Ich weiß zwar nicht genau, was Sie mit frischen Sachen meinen, Elsa, doch daran wird es liegen. Wenn ich zurück bin, werde ich danach fragen. Nach frischen Sachen.“
***
„Ach Elsa, ich muss Ihnen etwas gestehen, es liegt mir auf der Seele, seit wir uns kennen gelernt haben.“
„Nur heraus damit! Drüber reden ist allemal besser, als es in sich zu vergraben.“
„Es ist mir peinlich, aber eigentlich … heiße ich gar nicht Jaqueline, sondern K139-5. Doch ich finde, das klingt nicht halb so gut wie Jaqueline ... oder Elsa.“
„Aber wie sind Sie ausgerechnet auf Jaqueline gekommen?“
„Nun, ich habe eine schreckliche Vorliebe für schöne Klänge. Und auf dem Weg zum Bahnhof hörte ich von draußen eine Stimme, die rief: ‚Jaqueline, du bist eine blöde Kuh!’. Ich weiß nicht, was blöd bedeutet, doch es klingt genau so schön wie ‚grüüün“. Und Jaqueline erst ... der Name ist ein Juwel. So hab ich mich, als Sie so unvermittelt nach meinem Namen fragten ...“
„Mir gefällt Jaqueline auch sehr gut, und ich werde mir den anderen Namen gar nicht merken. Für mich werden Sie immer Jaqueline sein.“
„Oh danke, meine Liebe. Sie sind nicht nur klug, sondern haben auch ein gutes Herz.“
An dieser Stelle fand die Unterhaltung zwischen Elsa und K139-5 ein abruptes Ende, denn der Schlachthof war erreicht, und es blieb nicht einmal Zeit, sich vernünftig zu verabschieden.
***
So könnte diese Geschichte enden, doch die Alternative gefällt mir besser. Deshalb vergessen wir den letzten Abschnitt und machen an der Stelle mit dem guten Herzen weiter.
Ohrenbetäubender Lärm ... quietschende Bremsen ... ein Wagen springt aus dem Gleis, fällt um ... Holzwände splittern, dass die Fetzen fliegen.
“Sind Sie verletzt, Jaqueline?“
„Ich denke nicht. Was ist passiert?“
„Ich glaube, das war ein Gewitter. Da knallt es auch immer so laut.“
„Es ist gar nicht mehr eng hier, Elsa. Und da, schau mal, eine komische blaue Decke über uns.“
„Ach Jaqueline, das ist der Himmel. Wir sind im Freien. Da kenne ich mich aus. Komm, lass uns von hier verschwinden. Diese Enge will ich nicht wieder ertragen, und Durst hab ich auch.“
„Abe
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Kommentare
(AutorIn)
Kommentare: 214
aweiawa
@Leichtgewicht: Du kennst die meisten meiner Geschichten ja bereits. Ein paar kleinere habe ich noch in der Hinterhand, die werden dann in einem halben Jahr oder so hier erscheinen. Schön auch, dass du Herrn von Santhrop magst.
@Mondstern70: Und ein Küsschen zurück. Oder ein paar. :-) Uns verbindet ja vieles, und ich freue mich, dass dir diese Story gefällt.
@Musicus11de: Dein Nickname passt zu deinem Kommentar. Danke dafür.
@tom91207: Danke für deine gute Meinung.
@EviAngel: Roald Dahl ist mal so was von geschmeichelt. :-)
@immafo: Danke für das Riesenkompliment
@Chevalier: freut mich, dass es dir gefallen hat
@petri1x: Das freut mich sehr. Danke für den Kommentar.
@Andrea: Du weißt, wie sehr dein Kommentar mich freut, liebe Freundin.«
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Leichtgewicht
Und den Herrn von Santhrop mag ich ja eh.
Viele Grüße
vom Leichtgewicht (sanft lächelnd)«
Kommentare: 441
Mondstern
3-mal Ten Points und ein Küsschen als Zugabe
LG Mondstern«
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Mir fehlen mir schlicht die Worte.
Ich sage einfach nur ... Danke!«
Kommentare: 127
EviAngel
Toll auch, dass endlich einmal ein Einleser seine Möglichkeiten ausschöpft.
Gruß Evi«
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Laurent Chevalier
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andreashava
Wie gesagt: großes Kino, dem ich noch einmal 30 Putschen hinzufügen darf.
LG Andrea«
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Serenity
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Auden James
Mit Erotik haben diese Kurzgeschichten schon einmal gar nichts zu tun (allerhöchstens rudimentär noch die "Aufholjagd"), aber die vorangestellten und mittendrin immer wieder eingestreuten Kommentare des Verfassers, die nebenbei bemerkt in ihrer selbstgefälligen Art als vorgebliche Weisheiten zu den großen und kleinen Themen des Lebens nachgerade unerträglich sind, stellen das Ganze eindeutig in literarische Zusammenhänge und Bezüge zu Hesse, Claudius und Schubert her (denen angesichts der abgeschmackten Textinhalte ein philisterhafter Beigeschmack anhaftet). Somit ist der vorliegende Text also auch nur an literarischen Maßstäben zu messen - und erweist sich dementsprechend natürlich als grottenschlechtes und peinliches Machwerk!
Der Höhepunkt der Peinlichkeit ist wahrscheinlich bereits mit "Herr Santhrop macht Urlaub" erreicht, welcher Text dem Verfasser offenkundig nur dazu dient, sich selbst als moralischen Bessermenschen zu zeichnen, der im Gegensatz zu seinem Protagonisten natürlich alle Menschen liebt (was bekanntlich auch schon Erich Mielke von sich sagte); nebenbei stellt der Verfasser seine völlige Unkenntnis der Philosophie Schopenhauers unter Beweis, der ihm lediglich als Symbolfigur eines "Menschenfeinds" dient, der er natürlich überhaupt nicht sei, wie uns seine "liebe Freundin" Andrea in ihrer lächerlichen Lobhudelei oben unterrichtet.
Nur blöd, wenn ein angeblich so toller Menschenfreund wie der Verfasser in anderen Menschen, die ihm - warum auch immer - nicht passen, nichts weiter als "Unrat" sieht (s. sein Kommentar zu "Der Pianist und das Mädchen")! Aber diese selbstgerechte Verlogenheit paßt hervorragend zum Verfasser dieses unsäglichen Machwerks!
Kommentare zu den albernen Menschenkühen, dem guten Sünder auf dem Totenbett usw. erspare ich mir und dem geneigten Leser ...«