PARTAGAS
von Jason King
***
PARTAGAS. Diesen Namen hatte ich noch nie vorher gehört.
Hätte mir Günter Jauch die Frage bei „Wer wird Millionär?“ gestellt, hätte ich auf eine exotische Fischart im Amazonasgebiet oder einen neuen Autotyp von Seat getippt und wäre mit nur 500 € nach Hause gegangen. Es sei denn, ich hätte einen Telefonjoker genommen.
Diesen angeblich wohl schmeckenden Zigarrentyp hatte sich ein guter Bekannter zu seinem 50. Geburtstag gewünscht. Also besorgte ich zehn dieser Qualmstengel im Europacenter. Denn dort gibt es alles. Bei uns auf dem Dorf gab es so was jedenfalls nicht. Als ich die Verkäuferin im dortigen Tabakladen danach fragte, schaute sie nur ungläubig. Wahrscheinlich dachte Sie, ich wolle für mein Aquarium eine exotische Fischart im Amazonasgebiet.
Im letzten Moment erreichte ich am frühen die kleine Postfiliale in unserem kleinen Dorf. Die Öffnungszeiten dieses Dienstleistungsunternehmens sind für einen ehemaligen Großstädter mehr als gewöhnungsbedürftig. Hastig füllte ich den Päckchenaufkleber aus. Die Adresse hatte ich mir vorher auf einen Schmierzettel geschrieben. Als Absender schrieb ich aus Jux einfach „Jason King, Department S“ drauf und übergab der Angestellten verschmitzt mein kleines Präsent zum Frankieren.
Als die junge Dame den Inhalt des Aufklebers überflog, kam sie urplötzlich ins Stocken. Kannte sie etwa den Adressanten? War er doch ein Deutschlandweit bekannter Schriftsteller.
Sofort färbte sich ihr zierliches Gesicht, die Wangen erröteten zusehend. Ihre Verlegenheit war konnte sie nicht leugnen. Was hatte sie nur?
„Was muss ich nun als Porto bezahlen?“
Ich wurde ungeduldig. Schließlich wollte ich ihre Arbeitszeit nicht über Gebühr strapazieren. Und Heimweh hatte ich auch.
„Sie wissen, dass das Päckchen nicht dem Regeln der Postbeförderung für gefährliche Stoffe entspricht?“ stammelte sie unsicher.
„Partagas? Ein gefährlicher Stoff?“ fragte ich betroffen.
Sicherlich kann Rauchen tödlich sein. Aber das das schon in den Regeln der Postbeförderung Berücksichtigung fand. Dahinter konnte nur Brüssel stecken. Hätte ich meinem Bekannten doch nur ein paar Zierfische geschickt. Aber das hätte den Regeln der Postbeförderung wahrscheinlich auch nicht entsprochen.
„Nein. Der Absender!“ Meinte sie, weiterhin ihre Verlegenheit nur schlecht überspielend.
„Was ist damit?“ Noch einmal warf ich einen prüfenden Blick auf das Päckchen.
„Hmm. Stimmt. Es fehlt die Postleitzahl.“
„Sie sind Jason King?“ Platzte sie da auf einmal staunend heraus.
Nun wurde ich knallrot. Woher kannte sie Jason King? Auf Grund ihres Alters konnte sie unmöglich den Strahlemann und Serienhelden aus den frühen Siebziger Jahren kennen. Oder sie hatte einen Fernsehempfang, der über DVB-T und Kabelnetz hinausging.
„Hmm.“ Murmelte ich bejahend in meinen Jason King- Bart.
Freudig leuchteten ihre grün-braunen Augen. Sie brauchte nichts sagen. Augen sagen mehr als Worte. Bloß woher kannte Sie Jason King? Doch nicht etwa…
Sofort bekam ich einen trockenen Mund. War sie eine der anonymen Damen, die im Internet herumgeisterten und meine Geschichten lasen. Meinen „Bestseller“ bei sevac hatten inzwischen über 13.000 User angeklickt und vielleicht einige sogar gelesen. Und wenn sie auf diesen Seiten surfte und meine Geschichten kannte, dann stand sie ja vielleicht auf…
„Tut mit leid. Wir schließen jetzt. Nun schreiben Sie schon Ihre Postleitzahl drauf!“ Unterbrach sie meine wilden Gedankengänge.
Kurzum kritzelte ich meine VISA- Geheimnummer auf den Aufkleber. Eine andere Zahl fiel mir partout nicht so schnell ein. Ich war zu durcheinander.
„Das reicht nicht. Wir haben in Deutschland seit 1992 fünfstellige Postleitzahlen.“ Meinte sie nur grinsend. Auch meine Verlegenheit schien ihr nicht entgangen zu sein.
Nachdem ich spontan eine „1“ dazusetzte ging dann alles seinen postalischen Gang und das Ostpaket hiermit auf Reisen zur Nordseeküste. War es vor 20 Jahren nicht noch anders herum? So änderten sich die Zeiten.
„Ich habe jetzt Feierabend.“ Meinte die freundliche Angestellte, wieder mit diesem freudig leuchtenden Blick. Der bestimmt trotzdem als Aufforderung zu verstehen war, dass ich die kleine Filiale verlassen müsse.
Jetzt musste ich also handeln. Mir irgendwas einfallen lassen, um nicht diesen Faden von „Jason King“ verloren gehen zu lassen. In meinem Kopf ratterten diverse Szenarien ab. Sollte ich sie zum Essen einladen? Oder gar zu mir nach Hause?
Während sie das Licht im Hinterraum löschte, nahm ich all meinen Mut zusammen: „Was halten Sie davon, wenn ich Sie zum Griechen einlade? Als Anerkennung für Ihre Beratung sozusagen.“
Eine noch blödere Begründung konnte mir aber wirklich nicht einfallen. Aber meine Idee kam offenbar bei ihr an. Das Leuchten in ihren Augen nahm ich schon als Zusage zur Kenntnis, während sie mich zum Ausgang bat.
Erst draußen als sie die Ladentür zuschloss konnte ich die junge Dame in voller Größe bewundern. Sie mochte vielleicht 22 Jahre alt sein und kam auf eine Höhe con ca. 1,70m. Ihre schulterlangen blond gefärbten Haare wurden auf einer Seite von einer breiten roten Strähne durchzogen. Ihr rundes Gesicht mit den breiten Wangen ließ mehr auf russische Abstammung schließen. Dafür sprach sie aber akzentfrei deutsch.
Bekleidet war sie der kalten Witterung entsprechend mit einem wadenlangen schwarzen Mantel mit breitem Kragen und hautengen schwarzen Jeans, die in kniehohen hochhackigen schwarzen Stiefeln endeten und ihre schlanke Figur mehr als notwendig betonten.
Seit wann übten Frauen, die Hosen und keinen kurzen Rock trugen, eine so starke Faszination auf mich aus? Hatte sich so sehr mein Geschmack geändert? Wurde ich älter? War es die Ungewissheit, ob und was für Strumpfhosen sie bei dieser Kälte unter ihren Hosen trug. Oder einfach nur die Neugier, welchen „Jason King“ sie denn nun kannte?
Inzwischen steuerten wir auf den Griechen auf der gegenüberliegende Straßenseite zu. Kam sie nun meiner Einladung nach? Innerlich war ich aufgewühlt ohne Ende.
Kurz bevor wir die Restauranttür erreichten verlangsamte ich merklich mein Tempo. Sie hingegen ging im gewohnten Schritttempo weiter.
„Nun, ich dachte…“ stammelte ich als ich direkt vorm Griechen stand und sah ihr fragend hinterher.
Als sie sich umdrehte, sah ich wieder dieses freudige Leuchten in ihren Augen.
Doch sie sagte nur: „Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend!“
So ein Tiefschlag! Das war doch nicht ihr Ernst? Hatte ich mich so in ihr getäuscht? Sagen Augen doch nicht mehr als Worte? Oder war ich wirklich so leichtgläubig gewesen, eine so junge Dame würde eine Einladung von mir annehmen?
„Woher kenne Sie denn nun Jason King?“ rief ich ihr noch hinterher.
Doch da stieg sie schon an ihrem Golf und startete durch. Beim Abbiegen in die Hauptstraße winkte sie mir noch einmal freundlich zu. Ich war so verstört, dass ich noch nicht einmal auf ihr Nummernschild achtete. Aber für mich war damit klar: ich musste unbedingt am nächsten Tag ein paar Partagas verschenken. Und zwar per Post.
***
Diese junge Angestellte aus der DHL Filiale von voran gegangenen Abend ging mir den nächsten Tag nicht mehr aus dem Kopf. Hoffentlich hatte sie heute Abend auch wieder Dienst...
Noch vor Feierabend, die bösen Blicke des Chefs riskierend, stürzte ich aus dem Büro zum Europacenter.
„Zehn Partagas bitte!“
Die Verkäuferin lächelte. „Wollen Sie nicht gleich ein Abo?“
Und ab in die kleine Filiale in unserem Dorf. Als ich beim Griechen vorbei schoss, fiel mir sofort der rote Golf der jungen Angestellten auf. Es stand an der gleichen Stelle wie am Vortag. Sie war also da!
17.57 Uhr. Wieder schaffte ich es nur im letzten Moment in die Filiale. Doch meine Enttäuschung kannte keine Grenzen. Die junge Dame vom Vorabend war nicht zugegen. Ratlos blickte ich mich um.
Eine durchaus ahnsehnliche Dame, vielleicht ein wenig jünger als ich, stand hinter dem Schalter. Sie hatte ein rundes Gesicht mit ein wenig weit auseinander stehenden Wangenknochen und pechschwarzes glattes Haar, das hinten zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden war. Typisch russisch fiel mir im ersten Moment ein. Ihre randlose zierliche Brille war hoch modisch und stand ihr sehr gut. Sie trug passend zur eisigen Kälte draußen einen Schwarz-weiß gemusterten Pullover mit breit geschnittenen Kragen.
„Guten Abend! Können Sie mir einen Paketzettel geben?“ Eröffnete ich das Gespräch.
„Dort chinten, am Aufsteller.“ Antwortete sie mit Akzent. Volltreffer. Sie war eine Russin.
Eilig kritzelte ich den Aufkleber voll. Mehr aus Jux wieder mit Jason King als Absender.
Zwei Euro zwanzig herauskramend übergab ich der Angestellten das Päckchen. Diese musste beim Frankieren plötzlich schallend lachen.
„Sie können es wohl nicht lassen?“ Lachte sie nur. Freudig leuchteten dabei ihre grün-braunen Augen. Kam mir dieser Blick nicht irgendwie bekannt vor?
„Wie bitte?“ Ich schaute sie verstört an.
„Na, das mit dem Jason King als Absender…“
Sie also kannte Jason King auch? Mit aufsteigender Hitze im Kopf überlegte ich außerdem, woher sie denn wusste, dass ich gestern mit dem gleichen Jux hier aufgetreten war. Gab es denn das sogenannte Postgeheimnis gar nicht mehr? Wieder blickte ich in ihr rundes Gesicht mit den leuchtenden grün-braunen Augen. Hatte dieser Blick nicht wahnsinnig Ähnlichkeit mit der Angestellten von gestern? Doch die war bestimmt mindestens 20 Jahre jünger…
„So wir schließen jetzt! Außerdem chabe ich Chunger.“ Unterbrach sie all meine weiteren Überlegungen.
Chabe… Chunger…
Zu niedlich, dass Russen das „H“ nicht aussprechen können.
Diesen Wink mit dem Zaunpfahl nahm ich natürlich sofort auf. Und während sie das Licht im Hinterraum löschte, nahm ich wieder all meinen Mut zusammen: „Was halten Sie davon, wenn ich Sie zum Griechen einlade?“
Meine Idee kam offensichtlich bei ihr an. Das Leuchten in ihren Augen war nicht zu übersehen: „Gerne.“
Während sie mich vorsichtig zum Ausgang schob, schossen mir tausend Gedanken durch den Kopf. Hatte ich nicht irgendwo schon mal gelesen, dass Frauen nicht unbegründet einen Mann berühren. Dass man das als Anzeichen von Sympathie auffassen konnte.
Erst draußen als sie die Ladentür zuschloss, konnte ich sie in voller Größe bewundern. Sie mochte vielleicht Mitte Vierzig sein und war ungefähr 1,65m groß. Bekleidet war sie der kalten Witterung entsprechend mit einem wadenlangen schwarzen Mantel mit hoch stehenden Kragen. Unter dem Mantel trug sie allerdings einen engen Jeansrock, der eine Handbreit über dem Knie endete. Dazu fast kniehohe hochhackige schwarze Lederstiefel mit zwei großen Schnallen. Dazwischen schimmerten schwarz glänzende, blickdichte Strumpfhosen hervor.
Zielsicher steuerten wir auf den Griechen auf der gegenüberliegende Straßenseite zu. Kurz bevor wir die Restauranttür erreichten, verlangsamte ich merklich mein Tempo. Auch sie wurde langsamer. Höflich bat ich sie, vor mir das Restaurant zu betreten. Der alte Knigge, der besagte, der Mann müsse zuerst in eine Gaststätte gehen, hatte schon längst ausgedient.
Kaum hatte wir Platz genommen, standen auch schon zwei Gläschen mit tief gekühltem Ouzu auf dem Tisch.
„Empfehlen könnte ich Ihnen heute die Lammkeule mit Backkartoffeln und Okraschoten.“ Bemerkte noch der Kellner und trollte sich wieder.
Beim Studium der Speisekarte, die ungefähr 150 Positionen anbot, hatte zunächst jeder mit sich selbst zu tun. Zu groß war die Auswahl. Nach einer Weile entschied ich mich heimlich für die Bierteigtaschen mit Fetakäse als Vorspeise und Gyros mit Metaxasouce.
Es dauerte nicht lange, da stand auch schon der Kellner neben uns.
„Sie wünschen bitte!“ Höflicherweise schaute er zuerst Alexandra an.
Sie blickte noch einmal kurz in die Karte: „Also, ich chätte gerne einen Schoppen Dornfelder, als Vorspeise die Bierteigtaschen mit Feta und danach Gyros mit Metaxasouce!“
Oha! Na, das nannte ich ja einen Zufall. Bei 150 Gerichten hatten wir den gleichen Geschmack?
„Ja, das nehme ich auch!“ Fügte ich nur noch fasziniert hinzu und beobachtet den Kellner beim Einsammeln der Speisekarten.
Während unseres weiteren Gespräches fiel mir immer wieder auch die Duplizität unserer Bewegungen auf. Solche belanglosen Kleinigkeiten halt. Zum Beispiel, wenn ich zum Weinglas griff, tat sie es auch. Wenn sie sich unauffällig am Ohrläppchen rieb, machte ich es unbewusst auch. Das waren schon vermehrt Zeichen gegenseitiger Zuneigung.
Auch stellten wir fest, dass wir sehr viele gemeinsame Interessen hatten. Außer Eishockey vielleicht.
Beim Thema Internet war ich kurz davor zu fragen, woher sie nun Jason King kannte. Wenn es der Autor im Internet war, konnte ich mich vielleicht auf einen fesselnden Abend freuen.
Aber dazu fehlte mir einfach der Mut.
Dafür faszinierten mich aber ihre leuchtend strahlenden grün-braunen Augen. Die mir so bekannt vorkamen. Nun wollte ich es wissen.
„Sagen Sie, Sie sehen Ihrer Kollegin aber wahnsinnig ähnlich…“
Sie lächelte, wurde ein wenig rot. „Nun. Das ist meine Tochter Tamara.“
Nun wurde mir plötzlich vieles klar.
„Tamara. Ein hübscher Name.“ Log ich. „Und ein hübsches Mädchen.“ Fügte ich hinzu, um der Mutter ein wenig zu schmeicheln. Die mein Kompliment natürlich auch so verstand und verlegen lächelnd ins Weinglas schaute.
“Man nennt mich übrigens Jochen“ flüsterte ich ihr zu.
„ Alexandra.“
„Und woher kommst Du?“
„Aus Nikolskoje. Das liegt direkt an der Wolga, zwischen Wolgograd und dem Kaspischen Meer. Seit 1991 wohnen wir aber chier. Tamara wurde chier geboren. Kurz darauf starb leider mein Mann.“
„Das tut mir leid.“ Das meinte ich natürlich aufrichtig. Obwohl das natürlich schon eine sehr wichtige Information für mich war.
„Du sprichst aber sehr gut Deutsch.“ Lobte ich sie. „Besser als ich russisch.“
„Tui goworisch
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