Pia und die Bäuerin 1
von caliban66
„Simone, nun trink doch, ich habe kein Fläschchen für dich dabei.“
Pia saß auf einer Parkbank und versuchte, ihre Tochter zu stillen, doch die quengelte in einer Tour, saugte aber nur so schwach, dass so gut wie keine Milch kam.
„Mein Gott, das ist doch nicht so schwer!“, stieß Pia gepresst hervor. „Gestern hast du es doch noch hinbekommen.“
Vielleicht war es der Ortswechsel, der Simone zugesetzt hatte. Mutter und Tochter befanden sich im Allgäu, etliche hundert Kilometer von zuhause weg. Der Hausarzt hatte den Aufenthalt empfohlen, denn Simone hatte einen hartnäckigen Husten, der wohl allergischen Ursprungs war. In den Bergen oder am Meer gibt sich das meist, hatte er empfohlen, und so war Pia mit ihrer Kleinen ins Allgäu gefahren, das Meer hatte sie schon zu oft besucht. Ohne ihren Mann, denn der hatte das Weite gesucht. Seine Freiheit war ihm eh wichtiger als sein Kind, fand Pia. Zum Glück war ihre Mutter Martina mitgefahren. Sie war Frührentnerin, hatte grenzenlos Zeit und liebte ihre Enkelin bedingungslos. Ein Umstand, den Pia zu schätzen wusste. Gerade hielt sie allerdings im Hotel ihren Mittagsschlaf und Pia war mit ihrer Tochter allein unterwegs.
„Kloppts nich?“
Pia blickte auf und schaute in das Gesicht einer älteren Frau, deren reichlich vorhandenen Falten sich zu einem grinsenden Ausdruck verzogen hatten. Was sie mit ihrem Ausspruch gemeint hatte, konnte Pia nur ahnen. Diesen Dialekt verstand sie als Norddeutsche nur näherungsweise.
„Die Kleine trinkt heute ganz schlecht, dabei habe ich genug Milch für Zwillinge.“ Die aufgerissenen Augen der Alten signalisierten immerhin, dass sie Pia verstanden hatte. Sie klebten förmlich an Pias Busen, der gerade frei lag, da Simone es vorzog, den Kopf zu heben und die Sprecherin anzustarren.
„Jo mei, muscht hoalt dei Milch onderwärts loswern“, war die Antwort, die Pia kaum verstand.
„Könnten sie ein bisschen mehr Hochdeutsch reden, ich verstehe sie kaum.“
Die Bäuerin, denn das war sie wohl, lachte sie an.
„Oh, a Reigschmeckte, aber klar, ich kann auch anders redn, hob emmerhin in Ulm die Schule besocht.“
„Danke, was wollten Sie wissen?“
„Wenn d`Milch so fließen dut und koiner sie dringt, muss ma was dagegn dun. Sonscht bekommst du an Milchstau, un dann hascht du an Mordsproblem.“
„Aber Simone ist so aufgeregt wegen des Ortswechsels, sie will nicht trinken. Was soll ich also Ihrer Meinung nach tun? Nächste Woche trinkt sie bestimmt wieder.“
„Komm met, do hinden is mei Bauernhof. Bin grod mitm Fahrrad herkumma, wollt nachm Stier auf der Weide schaun. Do hob I di gsehn mit deim Rieseneuter.“
Als Pia sie indigniert anschaut, korrigiert sich Resi sogleich. „I mein mit deim ippigen Busen, und dem Madl, das nit Drinken wui. Mir han einen großen Ziegenstall, da wern mir das Richtige für dich findn.“
Pia war froh, dass die Bäuerin den Rieseneuter zurüchgezogen hatte und sich jetzt um ein besseres Hochdeutsch bemühte, obwohl es immer noch sehr fremd klang. Immerhin vermittelte das Du der Bäuserin mehr Nähe als ihr eigenes distanziertes Sie, doch sie brachte es nicht über sich, ihrerseits zum Du zu wechseln.
Sie nahm Simone, die sowieso nicht trank, endgültig von der Brust und legte sie neben sich auf die Bank. Erst dann verstaute sie unter den interessierten Blicken der Bäuerin ihre immer noch heftig tropfende Brust im Still-BH.
„Wie heißen Sie denn? Sie sind so nett und ich möchte Sie mit Namen anreden.“
„I bin die Resi. Un wie heischt du?“
„Ich heiße Pia. Ich frage mich gerade nur, was wir im Ziegenstall sollen. Ich fürchte, da wird es ein bisschen streng riechen.“
Resis Gelächter war ansteckend, auch wenn Pia nicht recht verstand, was denn gerade so lustig war.
„Der Bock steht nicht im Stall, und Zieginnen riechen nicht“, gab Resi zum Besten. „Bei uns gibt es keine ranzige Milch, wir machen vorher Ziegenkäse draus. Kannst gerne mal probieren, der is fei guat.“
„Ach so, Sie haben sich einen Scherz mit mir erlaubt. Das mit dem Ziegenstall ist nicht ernst gemeint, Sie wollten mich nur auf den Ziegenkäse hinweisen. Ich liebe übrigens Ziegenkäse.“
Pia grinste die Bäuerin mit schiefem Gesicht an, während sie Simone wieder in den Kinderwagen verfrachtete.
„Wern mer olles sehn. Komm oifach mal mit.“
„Ja, gerne.“
Natürlich hatte Pia bemerkt, dass Resi ständig in ihren Ausschnitt spähte. Ihre Riesenmöpse quollen fast aus dem Kleid, und solche Blicke war Pia gewöhnt. Doch meist waren es Männer, die sich nicht beherrschen konnten.
Diese Resi trug ein Dirndl, das sicher seit Wochen nicht mehr gewaschen war. Es schnürte die dürren, faltigen Brüste zusammen und drückte sie oben heraus, aber sexy war eindeutig anders. Auch sonst hatte Resis Äußeres kaum etwas Anziehendes an sich. Und dennoch fühlte Pia sich widerwillig zu ihr hingezogen. Deren bestimmende Art weckte positive Erinnerungen in ihr. Seit Hanifa (siehe: Pia und Hanifa, vom selben Autor) eine neue Unterkunft gefunden und ihr Mann das Weite gesucht hatte, war sie ziemlich einsam gewesen. Zumal auch Carmen (siehe: Alter schützt vor Geilheit nicht, Teil 4 und 5, vom selben Autor) sich in letzter Zeit rar gemacht hatte. Die geile Damenclique beschäftigte sich derzeit wohl lieber mit Wilbert (siehe: Alter schützt vor Geilheit nicht, Teil 1 bis 3, vom selben Autor) als mit ihr. Doch die lesbische Ader von Pia stand seit Carmens Zuwendungen im Vordergrund. Wie sehr hatte sie zuletzt die exquisiven Zuwendungen von Hanifa genossen!
Diese Resi hatte zwar einige abstoßende Züge, doch Pias Möse bestand darauf, darüber hinwegzusehen, zu lange hatte sie auf externe weibliche Zuwendung verzichten müssen. Aber nein, der Verstand weigerte sich, sich derartigen blödsinnigen, nur durch lange Enthaltsamkeit induzierten geilen Vorstellungen zu unterwerfen.
Sie hat einen faltigen, ausgetrockneten Busen und der hängt ohne BH sicher gnadenlos herunter, signalisierten ihre Sinne. Aber sie trägt einen Push-BH, der diese dürren Hängetitten zusammenpfercht und dem Betrachter ein geiles Gehänge vorgaukeln soll. So was von völlig sinnlos! Das törnt kollosal ab! Doch so sehr Pias Verstand versuchte, die Oberhand zu behalten, ihre Möse bestand auf ihrem Mitspracherecht.
„Erscht nehmen wir a Brotzeit, damit wir Durchholtevermegn hobn.“
„Du meinst, wir sollten erst etwas essen?“, interpretierte Pia Resis Ansage dem Gefühl nach.
„Ständlich, i hob an mordsmäßgen Apptit. Oiverstanne?“
„Klaro“, versuchte sich Pia im Dialekt und erntete ein breites Grinsen.
„Guat, es gibt eigenen Ziegenkäs un selbstgmachte Blutworscht. Kanscht frei wählen.“
„Dann möchte ich nur Ziegenkäse mit Brot. Ich esse nur vegetarisch.“
„Vege – was? Un trotzdem hascht du Milch satt?“
„Es sprudelt nur so, aber Simone will lieber was Habhaftes.“
„Das werden wir scho hinbekommen. Muttermilch is ällwegs beliebt.“
„Da bin ich aber mal gespannt.“ Das war nur so dahin gesagt, denn eigentlich konnte Pia mit dieser Aussage überhaupt nichts anfangen. Ziegenmilch ist beliebt, oder Schafsmilch, das machte Sinn. Aber Muttermilch? Diese Resi war wohl wirklich nicht ernst zu nehmen. Wenn man sie genau betrachtete, war sie reichlich schmuddelig. Der derbe Rock wies Flecken auf, deren Herkunft Pia eher nicht ergründen wollte. Das Kopftuch, das sie trug, war sicher ein Erbstück ihrer Ururgroßmutter. Und ihre Zähne … grauselig. Da fehlten einige und die Zahnstellung: Garantiert hätte sich bei einer Zehnjährigen jeder Kieferorthopäde die Hände gerieben, aber bei Resi war wohl Hopfen und Malz verloren.
Resi schob ein uraltes Fahrrad ohne Gangschaltung vor sich her, als Pia ihre Tochter im Kinderwagen verstaut hatte. Sie wackelte bedenklich hin und her, als sie vor Pia herlief. Für ihre Größe von sicher kaum 160 Zentimeter und ihr geschätztes Alter eine unerwartete Gangart.
„Ist es weit?“, fragte Pia, die sich bei dem angeschlagenen Tempo keine mehrere Hundert Meter zurückzulegende Entfernung vorstellen wollte.
„Noi, da vorn sixt scho den Schorrestoi.“
„Hä?“ Pia hatte kein Wort verstanden.
„Sorry, den Schornstoi.“ Resis Englisch war deutlich besser zu verstehen als ihr Hochdeutsch.
„Sach ma, wer is denn der Vadder von dem Kinderl? Is der auch hia?“, fragte Resi, während sie sich langsam dem Bauernhaus näherten.
„Nein, ich bin mit meiner Mutter hier. Der Vater hat gerade das Weite gesucht.“
„Jo mei, so sants, die Mannsbilder, wolln ihre sognannte Freiheit. An Schmarrn!“
„Mit dem habe ich jedenfalls abgeschlossen“, bestätigte Pia Resis schlechte Meinung von 'Mannsbildern'. „Er ist ein Idiot, ein Rassist und sowieso nichts für mich.“
„Klaro“, gab nun Resi mit Pias Worten zu verstehen, dass sie Verständnis für Pia hatte. „Und die werte Frau Mutter, wo ist die itzet?“
„Im Hotel, Mittagsschlaf halten, sie ist ja nicht mehr die Jüngste.“
„Städtere eben“, brachte Resi mit abfälliger Stimme hervor. „Mir sint glei do“, signalisierte sie der konsternierten Pia und wies mit dem Kopf auf die Hofeinfahrt hin.
Kaum zwei Minuten später traten sie durch eine niedrige Tür in das von außen durchaus herrschaftlich wirkende Haus ein. Allerdings war der damalige Architekt seinem Jahrhundert verhaftet gewesen. Die Decken waren niedrig, sodass man befürchten musste, sich bei einem Luftsprung den Schädel einzurennen. Die Decken waren mit einem dunklen Holz verziert, was ehemals wohl Reichtum und Verschwendung signalisieren sollte, jetzt aber nur noch für eine bedrückende Stimmung sorgte.
„Satz di“, forderte Resi ihren Besuch auf, als sie die Speisestube erreicht hatten. Pia trug Simone auf dem Arm und die Kleine schlief noch immer. Der Wechsel aus dem Kinderwagen in Pias Arme hatte sie nicht aufgeweckt. So arg appetittlich sah es in dieser Stube nicht aus. Das Wachstuch über dem rustikalen Tisch trug zwar keine Krümel, aber klinisch rein war es sicher seit Jahren nicht. Auch wenn die beiden kleinen Fenster nicht allzuviel Tageslicht hereinließen, Pia schauderte es und sie hätte sich am liebsten schnurstracks getrollt.
„Mei Blutworscht werschd megn“, kam ihr Resi zuvor und Pia ergab sich ins Unvermeidliche. Aus dieser Nummer kam sie so leicht nicht mehr heraus, jetzt, wo sie hier saß.
„Ich hätte aber lieber ihren Ziegenkäse probiert“, versuchte sie mit letzter Kraft, das Übel zu verkleinern.
„Kannscht habn, der ist allweil sauguat.“
Resi verschwand in der Speisekammer, sodass Pia Zeit hatte, den Raum etwas näher zu inspizieren. Etliche Bilder hingen an den Wänden, alle in dunklen Farben mit Motiven, die den Wald in seinen unheimlichen Momenten zeigten. Und völlig talentlos, alle wohl aus der gleichen Werkstatt. Man hätte Pia viel Geld zahlen müssen, damit sie sich eines davon an die Wand gehängt hätte. Ausladende Geweihe über den beiden Türen vervollständigten den grauenvollen ersten Eindruck. Am schlimmsten allerdings wirkte auf die zartbesaitete Pia der Eberkopf über dem Kamin. Zum Glück sah sie ihn erst jetzt, sonst wäre sie schon beim Eintritt laut schreiend geflüchtet. Auch jetzt jagte er ihr noch einen Schauder über den Rücken.
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