Renate Berlin (Fortsetzung)
von Riba
Trotz der Kopflampe mussten sich meine Augen an das andere Licht hier erst einmal gewöhnen.
Erfahrungsgemäß soll man darauf immer Sorgfalt und Zeit verwenden und ich tat es auch diesmal.
Augen mal länger geschlossen halten, dann wieder auf…
Hier vorne konnte ja noch wirklich nichts passieren - hier war ausgeräuchert und es stank bestialisch nach Socke…alles eventuelle Getier war vertrieben; hinaus… oder - - - oder aber in rückwärtige Teile dieses 'Etablissements' geflüchtet?
Es roch natürlich je weiter ich hineinglitt desto mehr beruhigend, wenn auch bestialisch, nach dem Sockenrauch - Pesmy oder Georg? Nein, diesmal machten sie es mir wirklich schwer!
Es lief natürlich wieder stillschweigend unsere übliche Wette: Ob ich es wohl schaffte, anhand des Brandgeruchs den Besitzer der alten Socke herauszuriechen. Meistens tippte ich richtig...
Naja. Ein etwas absonderliches Völkchen sind wir Archäologen ja schon!
Ich geb's ja zu!!
Ich tippte auf Pesmy und sagte das halblaut so hinter mich über die Schulter.
Die beiden Herren gackerten hinter mir und schlugen sich auf Schenkel und Schultern, wie ich hörte.
"...big find...really big!..." und ähnliche, erwartungsvolle Rufe waren in dem hinter mir aufbrausenden Gejohle zu hören; zu allem Überfluss gab Emre im Chor mit anderen noch ein "Bismillah" nach dem anderen dazu - ALLE wussten natürlich mittlerweile von diesem unseren 'Ritual'.
Nämlich, dass immer dann, wenn ich mich irrte mit der Socke…..dass dann ein wirklich bedeutenderer Fund bevorstand...
Wie gesagt, ein besonderes Völkchen.
Man möge es uns verzeihen, diese kleinen Aberglaubereien und Neckereien, selbst wenn es um eventuelle Gräber oder ähnlich pietätlastiges geht - denn es ist oft wirklich kein Spaß und sogar gefährlich, in solchen Gelassen herumzukriechen.
Heute zum Beispiel beschlich mich - draußen waren sie nun endlich ruhig und warteten gespannt - das unheimliche Gefühl, dass es hier nicht geheuer war. Sehr langsam hatte ich mich vorgeschoben und ich war sicher erst so weit hier drin, dass meine Füße gerade so nicht mehr aus dem Schacht herausragten. Noch spürte ich Georgs Hand an meinen Füßen - -
wurde ich denn nun ganz verrückt??!!
Ging ja doch gar nicht!!
Sicher nur Einbildung!
Aber ein beruhigendes, schönes, gutes Gefühl war es doch.
Das dicke Wildleder unter meinen Fingerspitzen und Handflächen - diese Handschuhe hatte ich ganz neu, sie waren noch ganz jungfräulich - rutschte nicht ab auf der Sandsteinunterlage und so konnte ich mich gut vortasten und nachziehen. Die Reißverschlusszähnchen und die Knöpfe der Jacke kratzten am Boden und die Gürtelschnalle auch. Der Gang war derart eng, dass ich kaum mit meinem linken Arm nach unten langen konnte, um die Jacke über die Schnalle zu schieben!
Ganz eng hier!
Das Streulicht von hinten war jetzt völlig verschwunden; durch meinen Körper abgedeckt.
Nun war ich etwa auf der Hälfte der sieben Meter; die die Stange vorhin hier hineinsondiert hatte. Dort vorne war der ruß-schwarze Fleck, den der kokelnde Socken hinterlassen hatte und eine schmale, schwarze Spur führte von dort auf mich zu; vom Herausziehen dieser Räuchervorrichtung.
An der rechten Ecke des Schachtes, unten, waren im Licht der Helmlampe die kleinen, an den Enden weidenblattartig ausgefächerten Fühlorgane irgendeines Insektes zu sehen.
Sie bewegten sich.
Zwei Minifederchen...
Igitt!?!
Warum mache ich das hier überhaupt??
Weil es nichts Interessanteres für mich gibt!
Hm.
Aber nun hatte ich wirklich das bestimmte Gefühl, dass etwas nicht in Ordnung war!
Leise meldete sich die Angst - in meinem Job soll man die auch wirklich nicht ignorieren oder zu verdrängen versuchen.
Aber ich zog mich erst einmal dennoch weiter und holte den Spiegel aus der Brusttasche, streckte den Arm aus.
Es gehört etwas Übung dazu, das Lampenlicht vom Kopf auf den Spiegel auszurichten und dann damit um die Ecken zu gucken und sehr beklommen war mir nun wirklich auch - egal, es musste gemacht werden!
Hier ging der Schacht nach rechts um die Ecke, war jetzt ganz deutlich zu sehen - vorziehen - Spiegel hin - ausrichten...
Ich weiß nicht, was zuerst kam:
Mein Angst-Schmerz in meinen Beinen oder das Realisieren, dass da ein Kribbelkrabbeln um die Ecke dort war, dass mir das Blut gefrieren wollte - mehr noch, hier SCHLÄNGELTE sich auch was herum!!!
Noch aber ging hier nichts auf mich los bis auf die vordersten Kakerlaken, aber die waren mir erstmal egal. Machten ja weiter keinen Schaden. Also nur ja den Mund fest zumachen!
Es war nun vielmehr wichtig, die Länge dieses rechten Schenkels des Schachtes abzuschätzen und dergleichen. Also ignorierte ich so gut es ging den immer stärker werdenden Schmerz in meinen Beinen und konzentrierte mich aufs Wesentliche.
Etwa fünf Meter. Gleiche Breite und Höhe wie hier, bei mir. Trocken, soweit sichtbar. Ganz hinten nicht mehr sauber gemauert und glattwandig, sondern wie eingebrochen. War da nicht auch ein Lichtschimmer?
Ich holte langsam und tief Luft um die Spannung niederzukämpfen, dann schaltete ich die Helmlampe kurz aus, kniff die Augen drei Sekunden zusammen, um gleich besser sehen zu können und riss sie wieder auf – stimmt! Diffuses Licht in der Nähe des 'Daches' des Schachtes, ganz dahinten.
Ein Pünktchen.
Schnell wieder die Lampe an!!
Die Schmerzen in den Beinen wurden unerträglich und ich bemerkte, dass ich bereits vor Angst zitterte.
"Raus!!"
rief ich vorsichtig-halblaut und in meinem Spiegel sah ich nun einige stärkere Bewegung in dem allgemeinen Gewimmel.
Zwar weiß ich, dass Schlangen wenn überhaupt, dann anders hören und Insekten meist gar nichts hören...aber dennoch war eine Reaktion zu sehen in meinem Spiegel.
Sicher hatten die Viecher ertastet, gefühlt, dass da ein Schalleffekt war und es kam Bewegung in die Sache!
Oder es lag am An und Aus des Lichts?
Egal!
"Raus!!!!!!!!"
schrie ich nun - ich glaube, ich habe noch niemals so laut geschrieen - meine Beine verbrannten in dem psychisch-imaginären Schmerz, der bei Angst immer da war und als ich endlich, endlich Zug auf dem Sicherungsseil fühlte und im Nu wieder ins Sonnenlicht blinzelte, krabbelte ich so schnell ich konnte in dem Graben erst einmal weg von dem 'Loch'.
Zwischen den Beinen der Umstehenden hatten sich meine Augen an die Helligkeit gewöhnt und ich erblickte behaarte, braune, staubige Waden, die mir erschreckt Platz machten...
Pesmy und Georg waren da und nahmen mich hoch. Mit zitternden Fingern löste ich den Halsriemen des Helmes, der mich am Atmen hinderte und mein darunter gepacktes Haar fiel mir ums Gesicht.
'Reiß dich zusammen, Berlin!'
befahl ich mir, war aber sehr froh, dass ich mich irgendwo hier festhalten konnte und...
"Viecher?" fragte Georg laut in mein Gesicht und strich meine Haare zur Seite.
Mein überdeutlicher Blick reichte ihm wohl als Antwort; und auch Pesmy, der meine Finger noch immer an seinen Hals gekrallt ertrug, rief nun den Einheimischen zu: "Snakes! . . äähm…Yilan! Yilani!!" und machte eine verdeutlichende, schlängelnde Armbewegung in deren Richtung.
Da hoben sich dann die nackten Waden hüpfend in die Höhe und während die cooleren unter den Grabungshelfern – darunter Hassan – Decken vor das Loch hielten, stoben die anderen den Staub auf und suchten zwischen ihren Beinen umher…
Natürlich hatten Pesmy und Georg verstanden: Wenn ich mich SO anstellte, MUSSTE es sich um Schlangen handeln.
Sonst ertrage ich ja alles. Aber irgendeine Phobie hat wohl jeder Archäologe - - gerade die!!
Pesmy und Georg trugen mich aus dem Graben unter das Sonnensegel hinüber.
Pesmy entfernte sich mit dem alten Mann - Mustafa, tatsächlich einem Onkel von Emre - wieder Richtung Schacht.
Natürlich hatte ich mich ziemlich gleich wieder beruhigt. So ist eben der Job - schließlich kam so etwas immer wieder mal ähnlich vor.
Und es gibt ja auch eigentlich nichts Tolleres!!! Wer Abenteuer will, muss mit so was eben klarkommen. Trotz Phobie.
Eigentlich wunderte es mich im Nachhinein, dass ich ein derartiges Tohuwabohu verursacht hatte. Normalerweise stecke ich so was schneller weg und stelle mich nicht so an. Zumindest merken nur meine besten Bekannten und Freunde, DASS es mir überhaupt was ausmacht!
Ich war wohl etwas zarter besaitet seit gestern; das Erdbeben und noch so einiges waren mir eben nicht in den Kleidern hängen geblieben...
Irgendwie war mir meine Hysterie von eben ein wenig peinlich - nichtsdestotrotz genoss ich aber Georgs streichelnden Hände.
"’s isch ja älles guet!" raunte er immer wieder sanft, während er den Reißverschluss der Jacke öffnete und sie mir zusammen mit den Handschuhen auszog.
"Chascht du nicht doch etwas abgekriegcht vielleichcht??" fragte er besorgt und strich forschend an meinen nun unbekleideten Armen herum.
Ich schüttelte den Kopf und schmiegte mich kurz an ihn, dann war ich wieder ganz zu Atem gekommen.
"Es sind mindestens zwei Schlangen. Frag mich nicht, welche genau!! Das andere Getier ist wahrscheinlich vernachlässigbar.
Aber der Schacht ist voll davon; auf ganzer Länge. Vielleicht fünf Meter nach rechts - dann ist er wohl eingebrochen. Von Oben scheint etwas Licht hinein. Wo mag das herkommen?"
Georg klopfte und strich mir den Staub des Schnittgrabens von meinen Hosenbeinen.
Faszinierend fand ich das! Trotz allem, was eben passiert war - eigentlich gar...
ja, erregend!
Ich fragte mich noch kurz, was wohl in mich gefahren war!
"Sei mal nicht so grob!" gurrte ich leise und griff seine Hand, führte sie sanft an meinem Bein entlang.
Irritiert guckte er mich an.
"Du merkscht da doch nichchts, oddr?"
"Stimmt, aber sehr schön ist es doch!"
und ich führte seine große Hand an der Innenseite meiner dünnen Hühnerbeinchen hinauf bis in meinen Schritt...
Ich WOLLTE das jetzt so!!!
Und wenn es noch so unpassend war!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Wenigstens dieses eine Mal!!!
Wenn auch nur kurz...
Wie wenn es kein Morgen gäbe.
Aber HEUTE Abend!!!! nahm ich mir fest vor.
Und ich erinnerte mich an 'gefühlvollere' Zeiten dort unten, und wie das so war, damals...
nur war es JETZT seelisch vielleicht sogar ungleich erregender!
Mit hochrotem Kopf hob mich Georg aus seinem Schoß und setzte mich auf die Bank.
“Wo das Lichcht herkchommen mag?? Von der Sonne…von wo denn auch sonscht?!“
murmelte er und guckte etwas abwesend auf seine Hand.
"Ich...ich sollte wohl Pesmy berichchten und helfen gehen, oddr!"
stellte er betreten fest und entfernte sich.
Puh!!
Ich griff nach der Kühlbox mit dem Ayran und dem Wasser und holte mir ein ordentliches Quantum heraus; schenkte mir ein und trank in tiefen Zügen.
Nachdenklich fuhr ich mir mit meiner freien Hand an den Beinen entlang.
Richtig schön, wenn es Georg tat!
Aber jetzt, bei mir?
Ich kniff mich, schrubbte mit den Fingerknöcheln fest über den Hosenstoff - SO machte es mich eher wütend und ich - kniff weiter, dachte an meinen Traum letzte Nacht.
Wieder gehen?
Jaja. Sowas träumt jeder wie ich hie und da immer mal wieder.
So ein Schwachsinn!
Absolut unmöglich!!
Was für Groschenromane!!!
Aber es zeigte: Ich war wirklich im Ausnahmezustand.
Und mein Schweizer? Eigentlich unerreicht, wie er mit mir im Ausnahmezustand umgehen konnte…oder lag es an seinen Befindlichkeiten, dass er immer das Richtige machte?? Immerhin, das eben war ja wohl wieder…
…also, schon bemerkenswert, fand ich!
“…von der Sonne. Von wo denn auch sonscht!“
……
Eine Hand legte sich auf meine - Pesmy.
"Oh, Rena-Dear! Was tust du tun?"
Kopfschüttelnd nahm er meine Hand fest in seine und streichelte mir über die Fingerknöchel. Die waren vom Reißverschluss meiner Hose und den Nieten an den Seitennähten, von eben doch etwas aufgeschrappt.
Er sagte weiter nichts.
War einfach nur da und untersuchte die neuen Kratzer an meiner Hand.
"Hör mal, Pesmy...ich wollte ohnehin noch mal mit dir reden wegen gestern Abend, also heute Nacht..."
Er sah auf, sagte aber immer noch nichts. Sein Blick forderte auch nichts. Seine eigentlich wasserhellen Augen waren nur etwas sehr verdüstert.
"Ich...wir...also Georg und ich... - - …und du..." stotterte ich herum.
Dann gab ich es für den Moment auf.
"Du musst nicht tun das! Auch sprechen nicht." sagte er einfach und legte meine Hand in meinen Schoß.
Hatte er eben neben mir gehockt oder gestanden, so setzte er sich aber jetzt wenigstens hin; neben mich.
"Haben wir eben zwei Natters oder artgleiches aus den Loch jagen. Zwei ganzes Eimers voll mit Krabbel-bugs - Georg macht mit andere Mann gerade weiter. Recht gebiegtes, elastisches Flacheisen, damit wir können um Ecke hindurch. Dann wackeln und nächste Socke räuchern - und heraus kommen bugs!
Fangen alle ein…"
Ich schlug die Augen nieder und seufzte.
"Hör du zu!" sagte er bestimmt und berührte meinen Oberarm.
"Ist einfach, wirklich! Pah! Georg - ganz einfach! Du weißt doch auch sehr genau schon selb! Und ich...ICH..."
jetzt wurde er ziemlich dumpf und leise, näherte sein Gesicht aber meinem, "I...ich bin Freund von Georg und dir. Ich immer bin da. Ist nicht genug, ist aber gut so. Okay??
Rest ist mein Sache."
Ein leichtes Hüsteln war hinter uns zu hören, gerade als...
na, ich hatte wohl einen von Pesmys Stirn-Küssen wie gestern Nacht erwartet. Der hatte mir so gut gefallen...
Schnell nahm ich mich wieder in die Gewalt.
Denn das Hüsteln kam von einem in einen zerknitterten, hellgrauen Anzug gekleideten Menschen, der sich als "Tunc Jeremek; Anadolu Kazimaki Arkeologe Inspekter" vorstellte. Also als Inspekteur oder Aufseher der türkischen Altertümerbehörde, zuständig für Anatolien.
"Günaydin! Merhaba!" grüßte ich strahlend und mit verbindlicher Geste; innerlich aber resignierend-gottergeben und rückte mich auf meiner Bank zurecht.
Ämter bedeuten immer Unbill!
Schnell zupfelte ich mir das helle Halstuch um die Haare. Kopftuch ist in der Türkei eigentlich verfemt seit Mustafa Kemal Atatürk und in öffentlichen Behörden verboten, jedoch - - - ‚Anatolien ist groß und die Hohe Pforte ist weit!’ heißt es; in Abwandlung des ur-russischen Sprichwortes.
Dieser hellgraue Anzug da vor uns verkörperte schließlich die „Naturgewalten“ derer man als Archäologe in allen Ländern gewärtig sein muss – gerade vor allem in denen des „fruchtbaren Halbmondes“, also jener Gegend, in der die ersten Hochkulturen entstanden sind; grob gesagt ein Bogen von Ägypten hoch über die Levante, zum Euphrat und Tigris hinüber und wieder hinunter bis zum Indus…
In jenen Ländern ist heute Filz und Beamtenwillkür leider, leider oft eine Alltäglichkeit – die Türkei macht hier eine löbliche, wenn auch nicht ganz umfassende Ausnahme - dennoch, ein Beamter hier, das hatte nichts Gutes zu bedeuten…ich bin überhaupt eigentlich überzeugt davon, dass die Westeuropäer und vor allem wir Deutsche und Österreicher die Bürokratie erst von den ‚Türken-vor-Wien’ gelernt haben. Aber das Original ist immer perfekter als die Kopie! Der sogenannte „Amtsschimmel“ ist ganz sicher eigentlich ein echt türkischer Vollblut-Husàn!!
Pesmy brachte die schriftlichen Unterlagen, die behördlichen Genehmigungen, die ‚Digging Permits of the European Union…’ und alles sonst noch Notwendige aus dem Stahlschrank.
Viele wichtig aussehende Formulare mit noch wichtiger aussehenden Stempeln legte er dem Beamten vor.
Ziemlich eine halbe Stunde nervte uns der offensichtlich jeglichem Humor völlig abholde Herr Jeremek; Pesmys Türkisch- und Arabischkenntnisse kamen uns sehr zupass. Ich konnte ja nur einige Floskeln und was man als allerwichtigste Dinge so braucht.
Nur, verhonepipelt hat uns der Herr Beamte dennoch - als Pesmy nämlich mit halbem Blick zu mir hin ohne besondere Betonung bemerkte: "What a XXX!" hüstelte er mit einem vernichtenden Blick sehr unmissverständlich.
Konnte er also DOCH Englisch; und dabei hatte Pesmy noch nicht einmal ein allgemein gebräuchliches englisches Schimpfwort verwandt!
Nun wollte Herr Jeremek natürlich auch noch das Grabungsfeld selbst inspizieren.
Mit aufforderndem Blick erhob er sich und ging zunächst in Richtung des Zufahrtsweges. Da stand sein 'Sahin', ein türkischer Stufenheck-Mittelklassewagen; ein VW-Lizenzbau, gleich dem „Jetta“. Dort holte er eine Spiegelreflexkamera und kam wieder herbei. Pesmy war zu ihm getreten und Herr Jeremek guckte nun mit Glotzaugen auffordernd zu mir.
Ich hob entschuldigend die Hände und lächelte verbindlich - er aber missverstand dies und sah nun sehr gestreng und ungnädig in die Runde.
Pesmy versuchte zu erklären - allein, das interessierte Herrn Jeremek nicht. Er würdigte Pesmy keines weiteren Blickes sondern glotzte weiter sehr auffordernd zu mir hinüber.
Was sollte ich denn nun tun, Mensch!
Jetzt zog er gar drohend ein Notizbuch aus der Innentasche des Anzugjacketts und zückte wichtig einen Kugelschreiber.
Na, immer nur drauf! dachte ich...
Gut, dass gerade Emre herbei gerannt kam!
Pesmy hielt ihn auf, damit er einige klärende Worte bezüglich meiner Person an den Beamten richten solle, hörte dann aber Emre an.
Dann rief der Engländer zu mir hin:
"Dein Hügel hat ein noch zweite Loch!..."
Er kam schnell heran und nahm mich hoch. Wie so oft schon seit Jahren warf er mich einfach über seine Schulter und rannte.
Nun endlich schien Herr Jeremek zu kapieren, dass ich gerade eben wirklich nicht hatte einfach so mitkommen können!
Er hastete uns nach.
…………
Macrovipera lebetina
Pesmy trug mich, Herrn Jeremek hinter uns herrufend im Schlepptau, am Schnittgraben vorbei und hinauf auf den Hügel.
Also doch nicht der Schacht von eben. Sondern irgendetwas AUF dem Hügel oben - und dort hatten sich auch gerade alle Grabungshelfer versammelt.
Ich sah Georg mit der Alu-Klappleiter hantieren.
"Du hascht noch etwas Zeit. Geht's dir denn auch wirklichch ein wäänigch besser?"
Sein kurzer, aber sehr mitfühlender und tiefer Blick traf mich im Gedränge um uns herum.
Ich nickte und rupfte das ‚Kopftuch’ wieder hinunter auf meinen Hals…schließlich war DAS jetzt Arbeit.
Und nicht Herr Jeremek war wichtig!
Pesmy nötigte Mustafa herbei, damit dieser sich weiter um den wichtigtuerischen Herrn Jeremek kümmern sollte. Mustafa war hier der Älteste – offengestanden wirkte er sogar so alt und faltig, aber auch so erfahren, als habe er bereits Schliemanns Troja-Ausgrabung geleitet - also eine Respektsperson für alle Einheimischen einschließlich seines Neffen Emre, es war beileibe nicht seine erste Grabungskampagne und er war gerade genau der richtige Ansprechpartner für den Beamten.
Pesmy setzte mich behutsam am Rande des Schnittgrabens nahebei ab und ließ sich neben mir nieder.
"Ich für dich noch holen muss etwas?"
"Na, lass mal noch, wer weiß, was uns genau erwartet! Danach richten wir uns dann..."
Ich konnte gerade nicht weiterreden, obwohl ich lieber erstens über anderes und zweitens noch sehr viel zu sprechen gehabt hätte...
Eine seltsame Spannung war gerade zwischen uns, die mir das Reden verbot.
Ziellos sah ich vor mich hin, während die anderen die Leiter und alles andere richteten; der Graben war leer bis auf die Schuhschachteln, mit denen die ‚Bugs’ abtransportiert worden waren, und die rußigen Reste der Socken.
Herr Jeremek stand einige Meter abseits und beschattete seine Augen mit der Hand.
Es war nach dem Mittagsgebet; die Sonne stand fast senkrecht über uns.
Wäre das neue Loch nicht dazwischen gekommen, hielten wir jetzt normalerweise alle Siesta - naja, wir Archäologen wohl nicht gerade, aber wenigstens würden wir unter dem Sonnensegel die Kleinfunde diskutieren.
Diese neue Möglichkeit aber änderte das. Und, wie gesagt, bei solchen Löchern kam ich eben ins Spiel…’meine Männer’ drückten sich da immer erfolgreich drum herum…keiner wollte bei so was der Erste sein…eigentlich ja DOCH, aber uneigentlich?
Angst haben die aber natürlich NIE!!!
Es ist eben wie immer.
Wir Frauen müssen es richten…
Von Howard Carter ist schließlich ebenfalls bekannt geworden, dass er sich beim Betreten von Tut-ench-Amuns Grab buchstäblich in die Hose gemacht und die Tochter Lord Carnarvons vorgeschickt haben soll…!
Pesmy saß noch neben mir.
Noch wurde er nicht gebraucht und noch waren die Vorbereitungen mit der Leiter in vollem Gange.
Etwas Zeit.
Ich nahm mich zusammen und begann auf Englisch, auch gerade um Pesmy zu ermutigen, ebenfalls sprechen zu können wie im der Schnabel gewachsen war.
"Ich möchte gerne, dass du mit mir sprichst.
Jetzt.
Ich möchte gerne weiterleben können und glücklich sein wie jetzt. Das kann ich nicht, wenn ich merke, dass du auf der Strecke bleibst."
Pesmy sah mich nicht an.
Dennoch war unzweifelhaft all sein Dasein in meine Richtung gewandt.
Fast körperlich konnte ich das fühlen.
Er holte tief Luft.
"Es fällt sehr schwer. Aber wenn du das brauchst, Rena - na, hast sicher Recht, ich brauche das auch und es muss ja mal raus."
Er machte eine Pause.
"Rena - Dear ... ich liebe dich. Schon immer und auch schon vor eurem Unfall. Und danach noch mehr.
An einem Abend, damals in Portugal, kurz vor eurem Sturz von der Brücke ein paar Tage später, waren Georg und ich allein. Soweit ich weiß, warst du da mit Anna Lucia bei deren Eltern in der Nähe zuhause eingeladen...
Ich hatte mir vorgenommen, Georg von meinen Gefühlen zu erzählen. Schließlich ist er mein Freund und wozu hat man die! Ich AHNTE ja nicht, dass auch er…!
Ich druckste also ein wenig herum und auf einmal sagte ER dann enthusiastisch: 'Bevor du noch weiter herummachst und nichts herauskommt, verschiebe es auf später. Aber ICH habe dir was zu erzählen!'
Georgs Augen leuchteten, wie ich es noch nie gesehen habe. Und er erzählte...von DIR.
Hätte genau auch MEIN Vortrag sein können, der Mistkerl!!
Aber ich spürte, merkte, fühlte schon nach seinen ersten Sätzen genau, ganz genau, dass es das für mich nun war."
Pesmy machte eine Pause und ich bemerkte einen leisen Schmerz in seiner Stimme, der ich noch nachhorchte - - und in meinen Beinen.
Angst??
Wo sollte DIE denn jetzt herkommen?
Ich sah ihn an. Im Profil wirkte sein Gesicht noch schärfer geschnitten, noch englischer.
Wirklich hübsch eigentlich, sogar sehr! Mit leiser Besorgnis bemerkte ich den ordentlichen Sonnenbrand, der sich in den letzten Minuten bereits auf seinem Nasenrücken gebildet hatte - normalerweise achtete er auf so etwas sehr.
Neben ihm lag sein breitkrempiger Hut; den nahm ich und reichte ihm den. Er erwachte wie aus einem Traum, nahm den Hut dann aber und setzte ihn auf.
Ein kurzer, undefinierbarer Blick zu mir, dann fuhr er fort:
"Ich habe es zwar übers Herz gebracht, ihm sehr spät an diesem Abend doch noch zu erzählen, was ich für dich empfinde; ich habe aber gleich einleitend gesagt, dass ich zurückstehe.
Was ER nun wieder so nicht wollte und vehement widersprach.
Aber...naja, wie heißt es: Der liebe Gott und ich, wir haben uns geeinigt.
Ich WEISS, dass DU es sein sollst. Sagte ich ihm."
Er räusperte sich und fuhr sich über die Augen.
"Diese ganze Situation führte dazu, dass er genauso wie ich - wie soll ich sagen? Ja, dass wir eben gefühlsmäßig einen großen Bogen um dich machten in den darauf folgenden Tagen. DICH scheint das irritiert zu haben, dass wir so waren...und Georg und ich merkten das und ermutigten uns gegenseitig, nun die Initiative zu ergreifen.
Keiner tat es.
Dann war euer Unfall und du wolltest keine Besuche und warst fast ein Jahr außer Gefecht. Bis Aleppo.
Und da - Oh, Rena! Du warst NOCH wunderbarer und liebenswerter geworden!!"
Er verschluckte sich und hustete - und grinste dann, als er, zu mir hinsehend, mein perplexes Gesicht sah.
"Ich war immer dein Freund und will nun nie MEHR sein für dich. Jetzt, wo du und Georg..., also, JETZT schon gar nicht mehr.
Und das ist so richtig und reicht mir. Ich wäre glücklich, wenn ich euch beide auch weiter so eng als Freunde haben könnte.
Wenn du es willst...
So. Und das war’s."
schloss er einfach und sein Blick war ernst und gespannt, aber ganz tief hinten in diesen Augen war auch sehr deutlich, wie erleichtert er jetzt war, dass er mir das alles gesagt hatte.
Mein Blick verschwamm zwar etwas in meinen Tränen, aber ich ruckelte mich zu ihm hin, nahm sein Gesicht und küsste ihn wie er gestern Abend mich, herzlich und - ja, liebevoll - auf die Stirn.
Beide atmeten wir wie vorsichtig auf und sahen uns lange an.
"Lütfen...!!!"
rief laut und gestikulierend Emre vom Hügel herab. Es konnte wohl jetzt losgehen!
Pesmy nahm mich noch sanfter als sonst zu sich hoch. Seine doch eigentlich normalen Berührungen brannten wie Feuer durch mein T-Shirt! Er selber schien auch zu merken, dass gerade etwas Besonderes vor sich ging, zwinkerte mir aber verlegen-schelmisch zu und schlug die Augen nieder.
Schon bei seinen ersten Schritten ließ dass Gefühl dann nach; er sah mich wieder an und flüsterte fast entschuldigend:
"Ich kann nichts dafür. Aber du musst dir wirklich nichts daraus machen. Wir beide wissen, wo du hin gehörst!"
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Georg hatte die Leiter in abgewinkelter Stellung aufgeklappt und auf der Hügelspitze über ein Loch gestellt.
Diese Vierteil-Klappleitern aus Aluminium sind sehr praktisch; gerade bei solchen Gelegenheiten wie wir sie jetzt antrafen kann man sie den Gegebenheiten des Geländes optimal anpassen.
Im oberen Knick der Leiter hing bereits die Rolle, durch die mein Sicherheitsseil lief. Unter diesem Knick - wie ein auf dem Kopf stehendes V - war genügend Platz für mich.
"Helm mit Lampe, Jacke, kleiner Steiggurt, Gürtel, Handschuhe!" sagte ich zu Pesmy, aber Emre stand schon bereit mit den Sachen. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass er an Pesmy und mir vorüber gekommen sein musste!
Mussten wir aber abwesend gewesen sein!
Na, ich schlüpfte in meine Sachen und warf einen Blick in das Loch. Georg wedelte mit einer Stablampe an meinem Kopf vorbei und dozierte:
"Ich halte es für eine Zisterne - zugegeben, eine wirklich sehr große! Leicht oval, über fünf Meter an der breitesten Stelle, schätze ich. Wie tief kann man nicht sehen. Das müssen wir noch loten; die Stange reicht nicht bis zum Grund von hier oben aus.
Also über sieben Meter tief! Und zumindest teilweise sogar noch dicht, denn siehst du, ab etwa vier Metern Tiefe ist der Wasserspiegel."
Ich leerte sorgfältig alle Taschen, denn es würde sicher eine nasse Angelegenheit werden. Den Akku und den Ersatzakku für die Kopflampe steckte ich zunächst in die Brusttaschen der derben Jacke. Dann packte ich sie aber doch an den Helm, klemmte sie hinter den Gummiriemen – je höher, desto besser! Zur Sicherheit klebte sie Georg noch mit etwas Tape dort an.
Die Kuppel der Zisterne war seltsam geformt; nach oben bauchiger als andere, die ich kannte, und nicht alle Bereiche konnten jetzt abgeleuchtet werden.
Wie geschmolzenes Zinn lag der Wasserspiegel unter mir, von den nachrieselnden Sandkörnchen nur ganz leicht bewegt.
Ja, das war wieder ein 'Loch für mich'!
Sicherheitshalber ließ ich aber dennoch mein „großes Geschirr“ herbeischaffen, also dieses zusätzliche Oberkörper-Gurtsystem. Wenn ich ja gleich frei hängen musste, war mir das auf Dauer damit sicherer als nur im Dülfersitz oder nur mit kleinem Beckengurt und Gürtel.
Also legte ich nun dieses Geschirr zusätzlich an, zurrte die Klemmen fest und hängte am Gürtel und dann vor meiner Brust die Karabiner mit der Leine wieder ein.
Das Loch hatte etwa eine Fläche so groß wie eine aufgeschlagene Zeitung und war fast rund. Ich schwang mir langsam die Beine hinein.
Konzentrieren…
Etwas mehr Sand kam seitlich von mir in Bewegung und die Wasseroberfläche dort unten kräuselte sich, wie ich zwischen meinen Schenkeln hindurch sehen konnte.
"Zieht mich bitte etwas hoch, bis ich hänge!" bat ich, griff nach den erreichbaren Leitersprossen und zog mich über das Loch.
Als ich die Spannung meiner Leine fühlte, schaute ich zu den Männern am Seil - einer von Ihnen war Pesmy - und nickte.
Als sie mich hinunterließen, schaltete ich meine Lampe ein. Etwas diffuseres Licht umfing mich, als auch mein Kopf die Lochöffnung passiert hatte.
Es roch gut, gar nicht etwa muffig.
---
"Reicht mir mal die Stange hinunter!" rief ich nach oben.
Ich hing mit meinen Beinen bereits im Wasser, meine Hand hatte eben plätschernd wahrgenommen, dass es schön kühl war.
Ich roch daran, während oben hörbar Bewegung war. Nur Georgs Kopf war jetzt dort oben noch zu sehen. Das Wasser roch neutral.
Jetzt war die Stange da und wurde zu mir hinunter geführt. Alle Meter und an den Enden hatte sie eine Wicklung mit orangefarbenem Isolierband, so dass man Entfernungen sehen und feststellen oder wenigstens auf Sicht schätzen konnte.
"Etwas tiefer!"
Jetzt hing ich bis zum Nabel im Wasser.
Die Stange fand keinen Grund. Ich rief um weiteres Nachlassen des Seils und beugte mich hinunter. Die Stange und fast mein ganzer Arm waren im Wasser verschwunden – das Wasser schwappte an meinem Kinn…und ich stocherte weiter.
Endlich!
Grundberührung!
Ziemlich hart fühlte sich das sogar an, nur ganz wenig weicheres Material, vielleicht fünf bis zehn Zentimeter mächtig. Wenig Sediment also; hier muss es über Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende, sehr dicht gewesen sein…
Wirklich sehr groß und tief war die Zisterne.
Meinen Arm eingerechnet also fast zwölf Meter, davon fast acht Meter Wasser!!
An den Klebebandmarkierungen konnte ich abschätzen, dass ich etwa drei Meter tief sehen konnte. Das Wasser war ziemlich klar.
Ich richtete mich wieder auf und reichte die Stange nach oben. Dabei kam ich etwas ins Schwingen und dadurch reichte der Schein meiner Kopflampe nun in Areale der unregelmäßig geformten Kuppel, die ich vorhin nicht einleuchten konnte.
Aha!
Dort nämlich, etwas über mir, mündete vielleicht zwei Meter unter dem Eingangsloch ‚mein’ Schacht von heute Vormittag! Genau die gleichen Maße und die glatten Steine. Wohl ein Überlauf. Dort, in der Mündung, kräuselte sich der Körper einer kleinen Schlange, die ich nicht sicher benennen konnte…
neben mir plätscherte etwas leise - -
von oben hörte ich hallend Georgs Gebrüll und sofort schnitten alle Gurte des Geschirrs in meine Haut ein, so derb wurde ich nach oben gezogen!
Oben stieß ich sehr stark mit dem Kopf an die Decke; ich schloss vor Schmerz die Augen, lobte in Gedanken meinen Helm und sah Lichtblitze in meinen Augäpfeln.
Dann fühlte ich Sonnenschein, eine Menge Hände...
das Geschirr wurde mir abgeschnallt und ich sah Pesmys und Georgs besorgte Blicke.
Was war denn in die gefahren?
"Hast du die Schlange genauer gesehen??" fragte Georg hastig und schüttelte mich sogar! In seiner Erregung hatte er das sogar in Französisch gefragt - was außer mir hier wahrscheinlich kein Mensch verstehen konnte.
Mich überlief ein Schauer, schlimmer als heute Vormittag, als ich im Spiegel das Geschlängel sehen musste!
Was für eine Schlange??
„DU kannst die doch gar nicht gesehen haben an deinem Loch! Die war doch oben an der Einmündung des Überlaufs…“
"Im Wasser! Ich sags dir!! Eine Schlange! Ich habe die genau gesehen!!" Georg hatte sich nun wieder soweit in der Gewalt, dass er wenigstens wieder englisch sprach.
Mir wurde schlecht. Es mag vielleicht verwundern, gerade bei meinem Beruf - aber da bin ich wie Indiana-Jones: Ich HASSE Schlangen!!!
Ich finde sie faszinierend, solange ich mit ihnen nicht in Berührung kommen muss. Ich HASSE Schlangen!!!
Mir wurde schwindlig, dennoch wälzte ich mich zum Loch herum und lugte hinein. Viele Köpfe taten das gerade, auch Mustafa und Emre.
Ich presste mich zwischen die Haarschöpfe.
"Eine Levanteotter." konstatierte Pesmy trocken. "Noch ziemlich klein."
Der alte Mustafa sah sehr ernst und langsam auf und dann mit bedauerndem Blick hin zu mir.
Mir verschwamm alles vor den Augen, meine Beine schmerzten wie Feuer und ich hatte plötzlich Todesangst!!
"Liebschtes!!" schrie mir Georg ins Ohr und schüttelte mich.
Es klang wie weit weg und vom Schütteln merkte ich nur, dass mein Kopf fast vom Hals fallen wollte...ein fürchterlicher Schwindel überkam mich, ich wollte mich an Georg festhalten - aber meine Arme waren wie taub und ich konnte sie nur ganz wenig hochheben.
Ich sabberte aus einem meiner Mundwinkel und meine Augen ertrugen das Licht nicht. Dennoch war ich plötzlich zu schwach zum Schlucken und sogar zu schwach zum blinzeln oder um die Augen zu schließen.
Das war es dann wohl! dachte ich mit unendlichem Bedauern und tiefem Erschrecken. Weh tat gerade eigentlich nichts mehr, nur die Staubkörnchen in meinen Augen nervten und der eingebildete Angst-Schmerz in meinen Beinen.
Georg tat mir unendlich Leid. Er hielt mich noch immer vor sich hin, stützte mir meinen Kopf und seinem Blick nach zu urteilen...na, er schien vor Besorgnis sogar noch vor mir sterben zu wollen.
Die Geräusche um mich herum wurden wieder etwas lauter. Was war das für ein alarmierender, kratzig-blubbernder Ton, der mal da war und dann wieder nicht? Sowas hatte ich noch nie gehört! Wie wenn man mit dem Strohhalm in sein Getränk bläst…
War das am Ende ICH selber?? War das mein Luftholen?
Und mein Herz - ich fühlte es rasend schnell schlagen, so schnell, dass es wehtat!
"Du schtirbscht mir ja!"
schrie Georg in höchstem Schmerz in mein Gesicht.
"Diesmal nicht! Nein, dieses Mal NICHT!!!" brüllte er mich, wie befehlend, an wie ein Feldwebel, aber auch wie zu sich selbst und ließ mich los.
Ich fiel aber nicht nach hinten, sondern lehnte irgendwo weich an - nun wusste ich auch wo, sah ich Pesmys Hand auf meinem Bauch. Leider sabberte ich ihm darauf; lange, schnell laufende Speichelfäden.
Oh, wie ich dieses wehrlose, sieche, sterbende Gefühl jetzt schon hasste!! Mochte es wenigstens schnell vorbei sein!
Andererseits war ich nun wenigstens innerlich seltsam klar und konnte, wenn nicht gerade alles viel zu hell war, auch wieder etwas besser sehen.
Und so musste ich nun leider wahrnehmen, dass Georg kurzerhand meine Hose auszog - begleitet von Gemurmel der Einheimischen, welches sich verstärkte, als sie sahen, was ich jetzt sehen musste: Ich hatte alles unter mich gehen lassen.
Georg tastete an meinen Beinchen herum - -
und fand schnell den Biss.
Linkes Bein; zwei Fingerbreit über dem Außenknöchel, etwas zur Vorderseite hin. Dort, wo noch nicht gerade sofort das Schienbein getastet werden kann sondern erst noch etwas weiches Gewebe unter der Haut zu fühlen ist.
Okay. Das war’s dann jetzt.
Ich dämmerte weg, hörte nun wieder weniger – und ansonsten pfiff es in meinem Kopf.
"Diesmal NICHT!!" brüllte Georg, ich nahm es wieder nur wie aus weiter Ferne wahr. Er holte aus meiner Hose, die unter meinen Beinen lag, den alten Ledergurt, staute damit die Venen meines Beines - und klappte sein Säckchelimesserle auf.
Das letzte, was ich wahrnahm, bevor ich starb, war mein Erbrechen auf Pesmys Hand, dann so etwas wie ein Krampf im Kehlkopf - meine Brust wollte platzen, hob und senkte sich eilig, aber ohne Effekt! - und dann der kurze Schnitt, den Georg in die nun schon dunkel verfärbte Stelle da unten an meinem Knöchel machte.
"Ja, ich weiß, dass man das nicht machen soll!" schrie er Pesmy hinter mir an. "Aber sieh sie dir doch an; sie stirbst mir ja hier weg!!
DIESMAL NICHT!!!!"
Ich dämmerte weg.
Oh, wie habe ich diesen Mann geliebt!
So eine Gemeinheit!!
Egal, wo ich jetzt hinkommen würde: Über dieses Lebensende zum unpassendsten Zeitpunkt überhaupt wollte, musste ich mich doch sofort beim Boss beschweren!!
Und ich war davon überzeugt, dass er mich NICHT auslachen würde...
sollte der ruhig mal ein schlechtes Gewissen haben!
…………….
Elend
Eigentlich war es ganz einfach:
Es hatte eben nicht sollen sein. Punkt.
Vielleicht hätte ich schon bei dem Sturz mit dem Auto von der Brücke sterben sollen? Dann wäre mir vieles erspart geblieben!
Was mir im Leben nicht erinnerbar war, daran erinnerte ich mich jetzt, im Tode: unter Wasser, damals; Sand in Augen, Mund, Kehle – was blieb mir denn übrig? Sand und Wasser einatmen! Meine Hände, die das Gurtschloss nicht fanden. Das trübe Wasser des Tejo – und Sand, Sand, Sand!
Meine Fingernägel brachen ab, am Gurt, an meiner Kleidung.
Nur raus hier! Aber wie??
Luft!!!
Das Brennen in meiner Brust, in meinen Lungen, überall! Das undeutliche Gesicht mit den roten Wuschelhaaren überall direkt vor mir, Luftblasen, Hustenreiz, Sand, Sand, Sand!
Angst, Panik, Schmerzen; dann die schreckliche Erfahrung, dass meine eigenen Finger in meinem Mund und meinem Gesicht erfolglos versuchten, irgendwie die Atemhindernisse zu beseitigen – irgendwann griff ich nach dem Gesicht vor mir, als sei dies das Hindernis. Kratzte und biss um mich.
Mit unwiderstehlicher Gewalt umfasste mich der riesenhafte, rothaarige Schemen da vor mir. Alles tat unsagbar weh, und meine erfolglosen Luftholversuche - - alles zu spät.
Wegdämmern.
Einfach von diesem Fluss davontragen lassen…in den Atlantik…und Tschüss.
Nur der Sand in den Augen nervte….
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…so wie jetzt.
Furchtbar!
Helles Licht blendete mich und auf mein Gesicht drückte etwas. Undeutliche Gestalten, Oberkörper, Gesichter, alles im Schattenriss, um mich herum - - und Sand, Sand, Sand in den Augen.
Stimmen.
Viele.
Aus allen Richtungen.
„Go on! Go on!“
War das Georg?
Der seltsame Druck auf meinem Gesicht, meinem Mund lenkte mich etwas ab von den Sandkörnern in meinen Augen.
Ah ja. Der unmissverständliche psychosomatisch-eingebildete Angst-Schmerz in meinen Beinen. Also lebte ich doch noch?!
„Renate! Liebschtes!! Hörscht du mich??“
schrie es an meinem Ohr. Mein Versuch zu nicken wurde quittiert von plötzlichen, rasenden Kopfschmerzen. Aber immerhin!
Ich war noch da.
Und Georg war auch da!
Da konnte das Leben ja kommen.
Undeutlich erkannte ich, während ich an meinen Ohren und Schläfen meine Tränen spürte und überhaupt wieder etwas sehen konnte, dass irgend jemand mit einem Beatmungsbeutel (ein Hoch auf Georgs Notfallkoffer!) über meinem Gesicht und an meinem Mund zugange war – gleichzeitig mit dem Erkennen von Pesmys breitem Messingarmreif am Handgelenk über mir übergab ich mich.
Eigentlich tat es aber gut.
Ich hörte mich pfeifend Luft holen und jemand drückte mich an sich. Ein anderer machte sich mit einem angenehm kühl-feuchten Lappen an meinem Gesicht, an meinen Augen zu schaffen.
Mir war kotzübelschlecht und der übermächtige Schwindel war auch wieder da. Gleichzeitig mit der unfassbaren, nie vorher gekannten Schwäche und Mattigkeit – aber wieder spürte ich jeden einzelnen meiner sehr schnellen Herzschläge.
Gerade sah ich noch meinen linken Knöchel. Er lag in einer ordentlichen Blutlache, die sich auf meiner Hose, der Unterlage, gebildet hatte. Aus dem Schnitt blutete es jetzt nicht mehr. Dafür war mein Bein bis hinauf zum Knie dunkelrot und bläulich marmoriert und dick geschwollen. Große Blasen, die sehr schmerzhaft sein mussten. Der Schnitt war durch die Schwellung ganz aufgeklafft …das musste ja höllisch wehtun! Erstmalig segnete ich meine Querschnittlähmung, die mir diese Schmerzen wenigstens ersparte!
Was aber mochte nun weiter werden?
Eine warme, große Hand fasste meine Wange und ein Schmirgelbart – sicher rot - war an der anderen Wange zu fühlen.
Oh wie gut. Wie gut!
Georg sagte etwas, aber das verstand ich leider schon nicht mehr.
Ich dämmerte wieder weg; aber ganz ohne irgendwelchen Stress – ich war ja gut aufgehoben!
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„Sie sagt, sie ist sicher, dass es das richtige ist! Etwas anderes hat sie auch nicht.“
Pesmy musste sehr nah bei mir sein, in meinem Ohr tat seine Stimme fast weh.
Ich fühlte einen Piekser am Arm und jenes Gefühl, das ich gar nicht mag, wenn es dann so diffus „drückt“ – jemand gab mir eine Spritze.
“Es ist aber DOCH nicht das richtige!! Guck mal da!“ Das war Georgs erhobene Stimme.
“Hier steht’s, auf der Ampulle: ‚Arachno…’, also doch irgendwas mit Spinnen, vielleicht allerhöchstens Skorpionen! Das ist das falsche Mittel! Nix mit Schlangen!!!“
Ich hörte ihn nach Emre rufen, es folgte etwas weiter weg ein hektischer Disput.
Es roch beruhigend nach Pesmys Schweiß und Atem – eigentümlicherweise roch ich sehr intensiv gerade, dafür verschwamm und zerfloss vor meinen einmal kurz probeweise geöffneten Augen alles in bunten, viel zu grellen kaleidoskopartigen Farb-Kakophonien. Schwindlig wurde mir davon außerdem.
Also Augen schnell wieder zu und - - DURST!!
Ob ich was sagen konnte?
Hoffnungsvoll versuchte ich es mal.
Einziger Erfolg war ein kleines, hauchendes Säuseln und ich gab es auf. Für einen neuerlichen Versuch, fühlte ich, hatte ich auch keine Kraft.
Pesmy verstand aber wohl doch, was ich nötig hatte; ich spürte seine Bewegung in meinem Rücken, an meinem Kopf und gleich hatte ich etwas Hartes an meinen Lippen.
“Trink, Rena-Dear!“ hörte ich ihn sagen. Da mir grad nicht mehr übel war, trank ich soviel wie nur möglich bis ich außer Atem war.
„Wenigstens einen halben Schluck. Immerhin! Georg, wir kriegen sie durch!“
Dann hörte ich nur noch, dass sich das Stimmengewirr entfernte und Georgs sonore, tiefe Stimme, die sich näherte:
“Mustafa und Emre sind überzeugt, dass sich etwas finden lassen wird. Schließlich gibt es hier noch andere Hastane. DAS hier ist ja nur die erstbeste Möglichkeit gewesen, kein eigentliches Krankenhaus, wohl nur so was wie ein Gemeindeschwester-Stützpunkt – und die Schwester hier ist zwar nett, hat aber hiervon leider keine Ahnung. Wer weiß, ob sie überhaupt eine richtige Schwester ist! Wenigstens ist hier klimatisiert und sauber, also bleiben wir zunächst mal hier…“
Mein Held.
Meine BEIDEN Helden!
Und die anderen.
Kümmerten sich.
Innerlich musste ich grinsen über solch schmalzige Gedanken – aber dennoch: Es traf doch wohl die Situation!!
Mit großer Dankbarkeit dämmerte ich wieder in andere Gefilde.
Sah mich ohne Bein.
Denn dieses verschwollene, in allen Farben verfärbte Ding war wohl nicht mehr zu retten…
WIEDER diese Ochsentour in irgendwelchen Reha-Einrichtungen! Wieder diese unendlichen Übungen, bis man sich wieder sicher war…und soll noch dankbar sein, dass man lebt…
Sah mich, wie ich mühsam wieder gelernt hatte, mich zu bewegen.
Damals.
Ja, damals ja auch!
Ich hatte das ja schonmal so ähnlich hinter mich gebracht…
Die Therapeuten, die Krankengymnasten.
‚DU musst es schon selber auch wollen! Ich kann nicht zaubern!!’ Die Stimme von Agnes hatte ich noch im Ohr. HATTE die sich Mühe mit mir depressivem, hoffnungslosen Geschöpf gegeben!
Damals.
Und als ich dann endlich soweit war, mit dem Rolli in die Stadt zu können; mit seitlich wenn auch nur leicht abfallenden Bürgersteigen zurecht zu kommen, die immer wieder zu Schlangenlinien-Fahrereien geführt hatten…damals.
Und diese brennenden, zermuskelkaterten Arme danach!
Damals.
Und dann das erste Mal, da war ich aber schon richtig fit, als ich mit dem Rolli in der erlernten Technik eine Rolltreppe hochgefahren bin!! Agnes war da natürlich auch dabei und freute sich mit. Die Gute! Wie oft hat sie das in ihrem Job bestimmt schon machen müssen – und sicher schafft sie es immer wieder, wie damals bei mir, so zu tun, als sei es wirklich bei jedem Patienten was Besonderes!
Ist es ja auch!!!
Zur Feier dieses Ereignisses waren wir bis hinauf in die Schuhabteilung des Kaufhauses gefahren. Und dort hatte sie mir überaus elegante, weiße Pumps ausgesucht, mir angezogen und mir gezeigt, wie ich es machen muss, mein Untergestell auf die Fußteile zu stellen ohne dass die Fußgelenke einknicken…oder die Beine ‚unzüchtig‘ auseinanderfallen…sie hatte meine einmal umgeschlagenen Hosen heruntergeklappt, glatt gezogen und mich vor den Spiegel gefahren – was hatte ich geweint!!!
Sah ich doch wirklich tatsächlich noch aus wie eine Frau…?
Wir hatten die Schuhe gekauft.
Damals.
Als Belohnung.
NIE mehr hatte ich sie seitdem wieder an. Vielleicht hätte ich sie für Georg mal angezogen, zu einem besonderen Anlass??
Na, EINS war ja klar: Ich würde wohl über kurz oder lang nur noch einen der Schuhe brauchen; den rechten…
Und dabei hatte ich doch erst gerade geträumt, ich würde neben Georg hergehen.
GEHEN!
War ja klar. JEDER, das so was hat wie ich, TRÄUMT solche Dinge…wie in den schlechten Filmen…
Vielleicht brauchen wir solche Träume für unsere Psychohygiene?
Aber Schwachsinn ist es trotzdem.
Und weh tut es auch jedes Mal…
…beim Aufwachen…
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Ein weiterer Piekser, nun am anderen Arm, weckte mich.
Ich fühlte mich wider Erwarten eigentlich ganz frisch. Naja. Was heißt hier frisch…aber kein Vergleich zu vorher!
Kopfweh hatte ich noch. Aber als ich blinzelte und daraufhin die helle Deckenleuchte ausgeschaltet wurde, konnte ich sogar wieder etwas sehen. Ohne flirrende Farbenspiele, Schwindel oder Übelkeit.
Georg bedeckte meine Augen mit Küssen und nur noch die allerletzten Sandkörner waren etwas unangenehm. Die paar Tränen durch diese Reizung hatten die Störendriede aber sehr bald vollends ausgeschwemmt.
Ich hustete wie ein Staublungen-Bergmann, dann war auch das wieder besser.
“Danke!“ krächzte ich in die Runde und räusperte mich.
“Tesekkür ederim!“ Sogar auf Türkisch klappte es schon?!
Ich war wieder da.
Pesmys Hand tauchte mit einem Taschentuch an meiner Nase auf und ich schnäuzte mich. Bei der Gelegenheit merkte ich, dass ich meine Hände und Arme noch nicht wieder bewegen konnte – natürlich hätte ich das Tuch gerne selber zur Nase geführt und mich selber geschnäuzt.
Ich bekam etwas Angst.
Denn ich hatte es schon mal, bei meinen Beinen nämlich, erlebt, dass ich etwas auf einmal nicht mehr bewegen konnte. Nichts mehr fühlen konnte dort…
Entwarnung!
Georgs fühlbar streichelnde Finger auf meinem Arm belehrten mich, dass insoweit wenigstens alles in Ordnung war.
„Die waren alle großartig! Sogar der ungnädige Herr Jeremek!“ schwärmte Georg aufgekratzt; auf Englisch, wegen Pesmy.
“Sind alle durch die Stadt gelaufen und haben Schlangenserum gesucht. Sieben Ampullen haben wir jetzt. Und hier…“ er hielt eine der Stechampullen hoch, „da steht sogar drauf: Natrix et macrovipera et al., Behringwerke, vorderer und mittlerer Orient“
„Hassan hat sogar einen Arzt gefunden. Der hat versprochen, bald zu kommen.“ Pesmy grinste, aber es war ihm anzusehen, wie die letzten Stunden an ihm genagt hatten – draußen vor dem Fenster ging die Sonne rot unter, wie ich mit einem vorsichtigen Rundumblick wahrnahm.
Der Schwindel kam dennoch wieder, aber wenigstens nicht mit dieser vernichtenden Intensität wie zuvor.
„Danke!“
Es war zwar immer noch nurmehr ein Krächzen, aber immerhin: Anscheinend war ich wieder im Geschäft!
Unter den Lebenden!
Ein Blick auf mein linkes Bein belehrte mich jedoch, nicht allzu optimistisch zu sein.
Es war noch dicker geworden, gelbgrün verfärbt. Wo vorher die Blasen waren hatte sich jetzt die Haut abgelöst. Und meine Zehen waren ganz dunkelblau-gräulich verfärbt; nicht nur die Nägel, die ganzen vorderen Glieder!
Der Angstschmerz in meinen Beinen meldete sich natürlich auch wieder. Bevor ich aber noch in meinen Gedanken weiteren Befürchtungen Raum geben konnte hörte ich türkisch eingefärbtes Englisch hinter mir – der Arzt war da und trat an meine Liege.
Ein junger, kompakt gebauter Mensch mit vertrauenerweckendem Lächeln, Stethoskop um den Hals als Zeichen seiner Würde. Ansonsten war er ‚in Zivil’; außer seinem Köfferchen und dem Horchgerät erinnerte nichts an einen Mediziner. Seinem ärmellosen Shirt und den Shorts nach zu urteilen wäre er wohl eher als beachvolleyballspielender alevitischer Playboy durchgegangen – das er Alevit war sah man an seinem Anhänger um den Hals: ein kleiner, stilisierter zweispitziger Säbel.
Sein Lächeln gefror aber jetzt augenblicklich in seinem Gesicht und er starrte mich fragend an.
„Hören Sie mal, Sie müssen doch furchtbare Schmerzen haben!!? Und da liegen sie so ruhig und aufgeräumt da??“
Schon hatte er sein Köfferchen aufgeklappt und holte eine Ampulle hervor. Sicher Morphium oder ähnliches.
Ich erklärte ihm, weshalb ich keine besonderen Schmerzen haben konnte – ziemlich leise noch, aber es ging ganz gut - was er mit dem Hochziehen einer Augenbraue quittierte.
“Das ist aber wirklich sehr schön.
Entschuldigung! …Aber in DEM Fall…
Dann kann ich ja schneiden, wie ich will!“
Ich musste wohl sehr erschreckt geguckt haben, denn er sagte gleich einlenkend - - und versuchte hörbar, es beruhigend klingen zu lassen:
“Sehen sie, Ihre Zehen sterben schon massiv ab! Die Schwellung oberhalb ist so stark, dass die Durchblutung nach unten nicht mehr ausreicht. Man nennt das Compartment-Syndrom…
Ich schneide mit einem Skalpell die Hüllen ihrer Wadenmuskeln auf; das nimmt den Druck weg und dann hoffen wir einmal, dass Ihre Zehen wieder Farbe bekommen…eine Rosskur ist es ja, und wie! Aber wenn es Das Bein rettet…“
Er griff sich ein Einmal-Skalpell aus dem Köfferchen, zog Vinylhandschuhe an, packte säuberlichst das Skalpell aus und zog den Schutz von der Klinge.
Mit der anderen Hand sprühte er aus einer kleinen Flasche Desinfektionsmittel über das Bein und bat Georg, mich, vielmehr das Bein, etwas zur Seite zu drehen, damit er besser an die Wadenmuskeln kommen könne. Er sprühte weiter.
„Ist sicher schon einige Stunden her, nicht wahr?“
Meine Helden nickten.
“Wer hat den Schnitt gemacht?“
Georg brummelte unsicher.
“Gut. Wirklich gut.“
Anerkennend nickte der Arzt.
“Sie hatten auch gestaut? Gab es auch Atemschwierigkeiten?“
Er fragte noch nach einigen anderen Dingen. Dann war das Desinfektionsmittel abgetrocknet – und er begann.
Erst die Haut, längs. Kaum Blut. Wohl aber Gewebeflüssigkeit, die aussah wie Fleischsaft.
Nichts anderes war es ja auch.
Es klaffte etwas und Mustafa im Hintergrund schluckte und wurde blass. Weißlich-gelb spannte das Unterhaut-Fettgewebe durch den Schnitt.
Mir wurde etwas flau.
Nächster Schnitt. Das sehr dü
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Kommentare
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Kommentare: 16
Womit ich Probleme hatte, war die Textformatierung. Ich weiß allerdings nicht, ob dies dem Verfasser oder der Formatänderung bei der Einstellung ins Netz zuzuschreiben ist.
Trotzdem eine sehr anrührende Geschichte. Vielen Dank.«
Kommentare: 87
hoedur
Ich bin mir sicher sie IST biografisch, denn SO kann nur das Leben erzählen... wunderbar! Danke...«
Kommentare: 112
Die Handlung ist richtig kitschig, eigentlich zu kitschig, aber die Geschichte ist einfach nur gut geschrieben und gehört daher für mich zu den besten auf Sevac.
Ach ja, Sex und Erotik kommen in der Geschichte nicht wirklich vor, dafür aber jede Menge Gefühle. Wie soll man da Punkte für die Rubrik Sex/Erotik vergeben ohne der Geschichte Unrecht zu tun?
Zum Schluss noch eine persönliche Anmerkung. Ich bin selber behindert und finde es wirklich gut wie die Protagonistin in der Geschichte dargestellt wird, als selbstbewußte Frau mit Selbstzweifeln aber ohne Selbstmitleid und vorallem mit ganz normalen Gefühlen.«