Riders On The Storm

von handman

Beitrag zu einem Kurzgeschichtenwettbewerb, der auf 600 Wörter begrenzt ist.

»Was ist los, Bernie? Du guckst so verbissen«, rief Lucy hinterm Tresen hervor. Sie zapfte mir ein Bier.

»Bin gerade von `ner Dienstreise zurück. Einen Tag zu früh. War nur kurz zu Hause und bin gleich wieder los.«

»Was is `n passiert?«

»Ach, ist `ne lange Geschichte ...«

»Na komm! Rück schon raus damit.« Sie stellte mir das Bier hin. Ich nahm einen ordentlichen Schluck.

»Weißt du, meine Angetraute meinte, wir sollten unser Liebesleben ein bisschen aufpeppen ...«

»Tolle Idee, Bernie. Ich bin gespannt.«

»Na ja, ich zerbrach mir den Kopf und schließlich bestellte ich zwei Nachtsicht-Geräte bei Kotte & Zeller.«

»Nachtsicht-Geräte??« Lucy starrte mich ungläubig an. »Wozu das denn?«

»Ich dachte, wir könnten Strom sparen. Außerdem finde ich nackte, grün fluoreszierende Körper aufregend ...«

»Und? Hat `s was gebracht?«

»Nee, es war nicht der Bringer. Biene meinte, es wär` wie Straßenkampf in Bagdad. Außerdem waren die Dinger beim Küssen im Weg. War `ne blöde Idee. Aber kurz danach hatten wir die Erleuchtung.«

»Aha. Und was hat euch erleuchtet?«

»Ein Gewitter, Lucy.«

»Ein Gewitter?«

»Genau. Wir lagen in einem Doppelschlafsack in einem Berg-Zelt auf 2000 Meter Höhe und waren am Fummeln. Das Unwetter kam ganz plötzlich. Mit Blitz und Donner. Es war ein Inferno. Ich nutzte die Pause zwischen zwei Donnerschlägen und überraschte Biene von hinten. Sie ging ab wie `ne Rakete. Wir flippten völlig aus. Die Heringe flogen durch die Luft und das Zelt machte die Grätsche.«

»Wahnsinn!« Lucy strahlte. »Das kommt bestimmt auch von der dünnen Luft da oben.«

»Na logisch! Deshalb ist ja Vögeln bei Gewitter im Flugzeug `ne ganz heiße Nummer. Die Macht der Natur verleiht uns die Kraft der Befriedigung, oder so ähnlich. Hab ich gelesen.

Seit dem imitieren wir Gewitter zu Hause. Biene ist ganz verrückt danach. Zum Glück haben wir den selben Musikgeschmack. Riders On The Storm von den Doors ist für uns der perfekte Soundtrack. Der Titel fängt mit Regen und Donner an und wird dann richtig hypnotisch. Natürlich haben wir den Song noch durch zusätzlichen Donner komplettiert. Das läuft dann über unsere Bose-Anlage mit vier 800-Watt-Boxen. An den Verstärker ist ein Stroboskop-Blitzer aus der Disco angeschlossen.«

»Hört sich ja nach mächtig Bums an.« Lucy stellte mir wieder ein Bier hin. »Klingt ganz nach summer of love.«

»Nur auf den ersten Blick, Lucy. Bald wurden mir nämlich die ständigen Unwetter zu viel und Riders On The Storm hing mir zu den Ohren raus. Es war einfach zu eintönig. Von Jimi Hendrix wollte Biene nichts wissen. Sie meinte, er wär ihr nicht rhythmisch genug. Er wär gut zum Hören, aber nicht zum Poppen. Wahrscheinlich findet sie einfach Jim Morrison geil, und ich muss es ausbaden. Das steht auf Dauer keiner durch.«

»Nee. Kann ich mir vorstellen«, seufzte Lucy.

»Vorhin kam ich also unverhofft nach Hause und was meinst du, was ich sah?«

»Keine Ahnung, Bernie.«

»Einen Rasenmäher vor der Tür.«

»Ja, und?«

»Es war der vom Nachbarn.«

»Oh Gott!«, stöhnte Lucy.

»Ich fragte mich, will der Penner etwa unseren Rasen mähen? Der guckt mich doch sonst nicht mal mit dem Arsch an.«

»Und da fiel bei dir der Groschen.« Lucy war Feuer und Flamme.

»Na wart `s mal ab. Die Vorhänge waren zu und drinnen dröhnte Riders On The Storm. Und das Stroboskop blitzte.«

»Mach`s nicht so spannend, Bernie!«

»Ich klingelte eine ganze Weile, dann wurde es plötzlich totenstill. Ich dachte schon, es ist was passiert. Nach einer Ewigkeit kam Biene endlich raus.«

»Und?«

»Sie war zerzaust!«

»Aha!«

»Da war mir klar, wegen dem Haar ...«

»Was war dir klar?«

»Sie hatte gepoppt.«

»Scheiße!«, sagte Lucy. Und stellte mir wieder ein Bier hin.