Seraph, der Eiserne - Teil 2
von Dark Angel
5.
Katharina hatte seit dem letzten Telefonat nichts mehr von Regine gehört und ging unruhig in ihrem Zimmer auf und ab. „Das stimmt doch etwas nicht,“ murmelte sie, „es ist Samstag und sie ist nicht erschienen.“
Katharina kam vor wenigen Minuten besorgt nach Hause - beide trafen sich für gewöhnlich samstags im Café zum Frühstück am Picadilly Circus - und ihre Freundin war noch nie unpünktlich gewesen oder hatte sich stets entschuldigt, wenn sie Dienst hatte oder anderweitig indisponiert war.
Es war zum aus der Haut fahren, seit der traurigen Scheidung, unter der ihre Freundin sehr gelitten hatte- und Katharina bereits wieder Hoffnung geschöpft hatte, daß die Lebenslust in die zuvor quicklebendige Person zurückgekehrt war, bestand wieder Grund zur Sorge.
Die Doktorin war ein äußert disziplinierter Mensch, auf den man sich verlassen konnte und nach dem man sich die Uhr richten konnte. Seitdem beide aber diesem Autor begegnet waren hatte sie eine Veränderung bei Regine bemerkt - es war keine Gewißheit, dafür hatten sie sich zu wenig gesprochen - mehr ein Gefühl, vielleicht weibliche Intuition, aber da so gar keine Anrufe mehr kamen, und das sie das heilige Frühstück verbummelte, und ihre veränderte Stimmlage bei ihrem letzten Gespräch, nein, da war etwas nicht in Ordnung, das ist ihr endgültig klar geworden.
Die besorgte Freundin hielt es nicht mehr länger aus und wählte hektisch die Handy-Nummer von Regine, die sie heute bereits einige Male getippt hatte, und zählte die elektronischen Klopfzeichen, die unendlich lange und nervtötend ihren Anruf anmeldeten. Nach dem fünften Signal knackte es und ein schwaches „Hallo“ verriet, daß sich jemand noch im Bett befand und verschlafen hatte.
„Regine? Wo bist du?“
„Katharina?“
„Wer sonst, meine Liebe, ich habe eine geschlagene Stunde auf dich gewartet.“
Regine setzte sich auf die neue, sehr bequeme Chaiselongue im Salon und schloß für einen Moment die Augen. Gott sei Dank, es schien keinen Unfall oder Sonstiges gegeben zu haben und sie konnte erleichtert diese quälende Besorgnis aus den Gedanken davonjagen.
Nach einer kurzen Weile, Regine hatte sich gefunden und saß mittlerweile im Bett aufrecht und erwacht da, meldete sie sich mit stärkerer, entschuldigender Stimme zu Wort: „Ich Dussel, das habe ich komplett verschlafen, unser Frühstück, sowas Dummes.“ Sie stotterte verlegen und wirkte dabei noch immer ein wenig unausgegoren und noch nicht recht bei der Sache.
„Ich habe mir schon Sorgen gemacht und du liegst gemütlich im Bett und läßt nichts von dir hören. Was ist los mit dir? Du meldest dich nicht, rufst nicht an, kommst nicht zu unserem Frühstück ...“
Wieder entstand eine kleine Pause. Katharina konnte durch das Telefon richtig spüren, wie es in ihrer Kumpanin arbeitete, wie sie nachdachte und sich eine Erklärung abrang.
„Weißt du, ich war sehr beschäftigt die letzte Zeit, die Praxis, der Haushalt ... und ...“
„Was und?“
„... na, wie soll ich sagen ..“
„Regine, wir sind doch alte Freunde. Ich will jetzt wissen, was ...“
„Ich habe mich mit dem Autor doch noch getroffen ...“
Endlich war es raus.
Regine hatte die ganze Zeit schwer daran zu tragen gehabt. Diese Heimlichkeiten vor ihrer besten Freundin hatte sie mehr belastet als sie sich selbst eingestand – und sie fühlte, wie ihr die Beichte guttat und wie sehr sie über den Anruf ihrer besten Freundin froh war.
„Verurteile mich nicht ...,“ stammelte sie fast schon schluchzend „aber ich kann nicht mehr von ihm lassen.“
Sie vernahm einen tiefen Seufzer und es war ihr, als ob für ihre Freundin eine Welt zusammen brach ...
Katharina war geschockt und gleichzeitig erhob sie gegen sich Selbst die schmerzlichsten Vorwürfe. Wie konnte sie es zulassen, daß ihre beste Freundin in die Abhängigkeit eines derart bizarren Menschen geraten konnte? Wofür waren den Freunde gut, wenn sie nicht aufeinander aufpaßten und sie sich nicht aufeinander verlassen konnten?
Nein, nein, hier wurde die Rechnung ohne Katharina gemacht und dies würde sie unter keinen Umständen zulassen. Nach dem Geständnis galt es für die plötzlich hektisch betriebsame Diplomatengattin das Gespräch mit der armen Ärztin zu beenden und erneut zu wählen. Diesmal war es die Nummer ihres Anwaltes, eines gewissen Dr. Carters, der ihr in ihren Wohltätigkeitsbemühungen, die sie seit Anbeginn ihres Umzuges nach London eifrigst betrieb, juristisch aber auch menschlich beistand. Er war der typische Herr wie er im Bilderbuch stand. Seine weißen Haare lagen in jeder Lebenslage sorgfältig und stets elegant gescheitelt auf seinem gebräunten Haupt, seine obligatorische Taschenuhr, die an einem goldenen Kettchen an der Weste hing, war von ihm gar nicht mehr wegzudenken und seine deftigen Ansprachen vor dem Consilium der Anwaltskammer waren legendär. Sein korrektes Benehmen und seine Manieren zeugten von einer gewissen Lebenseinstellung und für Katharina käme niemals ein anderer als Dr. Carter für die rechtsfreundliche Unterstützung in Frage.
Der Anwalt hob selbst ab, seine Sekretärin arbeitete Samstags natürlich nicht, dafür wußte aber seine Klientin nur zu gut, daß er es nicht lassen konnte und auch am Wochenende Akten durcharbeitete um sich auf die wartenden Aufgaben vorzubereiten.
Der knapp an die Siebzig reichende Jurist hörte sich das Anliegen seiner Mandantin an und schüttelte maßvoll den Kopf. Er sah keinerlei Möglichkeit juristisch gegen den selbsternannten Engel vorzugehen, solange die Freundin aus freien Stücken die zweifelhafte Gesellschaft aufsuchte.
Katharina probierte es noch einmal. Wild gestikulierend redete sie am Telefon auf den alten Herrn ein und schilderte ausladend und in den buntesten Farben den verwerflichen Charakter und die bedenklichen Wortspenden des Mannes, der eigentlich wegzusperren war und vor dem die Gesellschaft schon längst geschützt werden mußte.
Aber es nütze nichts. Es war einfach nichts zu machen.
Der Anwalt hing schließlich mit Bedauern ein und ließ Katharina in ihrer Verzweiflung allein.
Nach einer Weile des Haders erhob sich die vor Gram an der Unterlippe kauenden Frau von ihrer neuen Chaiselongue, an der sie nun so gar keine Freude mehr hatte, und machte sich langsam für ihren Termin mit dem schärfsten Konkurrenten ihres Schmuckgeschäftes fertig.
Dem Termin waren merkwürdige Telefonate vorausgegangen, aus denen sie nicht wirklich schlau wurde. Eigentlich betrieb sie ihren Versandhandel mit dem selbst entworfenen Modeschmuck nur zu wohltätigen Zwecken, zumindest war es immer so gedacht gewesen. Nach und nach wurde sie in diesen Bemühungen immer erfolgreicher und begann tatsächlich gute, ertragreiche Geschäfte zu tätigen. Mittlerweile hatte sie ein florierendes, noch immer wachsendes Unternehmen aufgebaut, daß in Großbritannien bereits die Marktführerschaft erlangen konnte und den Konkurrenten einiges an Kopfzerbrechen bereitete.
Ihr Vorteil war, daß der Modeschmuck nicht nur unter den Preisen der Mitbewerber verkauft werden konnte, sondern das der Gewinn ausgewiesenermaßen auch noch in ein etabliertes Heim für schwererziehbare Jugendliche floß, daß zuvor knapp vor dem Ende stand.
Eine bessere Werbung gab es nicht und die geschäftige Mittdreißigerin wußte dies für ihre Zwecke gut zu nutzen.
Nachdem sie sich zurecht gemacht und leichtes Rouge aufgetragen hatte empfing sie den bereits wartenden Gast im Empfangsraum und ließ sich den Handrücken küssen.
Der ziemlich kleine und untersetzte Mann, etwa um die Vierzig, bemühte sich um gutes Benehmen, daß ihm auf seine unnatürliche Art gründlich mißlang. Katharina verzog keinen Mundwinkel, als sie seine feuchten Lippen auf ihrer Haut spürte, aber die Nackenmuskulatur verspannte und verhärtete sich auf unerquickliche Weise und sie wußte bereits nach wenigen Sekunden, daß dies kein erfreuliches Gespräch werden würde.
Und sie behielt recht.
Schon nach wenigen Minuten stürmte der schwergewichtige Geschäftsmann zur Tür hinaus und blickte sich noch einmal um: „das werden sie noch bereuen ...“ dann gluckste er und verschluckte den Rest vor Wut. Die Eingangstür ließ er polternd ins Schloß krachen und war auch schon verschwunden.
Was hatte ihn so aufgebracht?
Katharina blieb zum wiederholten Male standhaft und verweigerte den Verkauf ihres Unternehmens. Von Wettbewerbsverzerrung und unlauteren Geschäftsmethoden war die Rede, sogar bis hin zu Betrügereien und Infamie verstieg sich der Mann, aber einer Ehefrau eines Diplomaten war so nicht beizukommen. Sie ließ ihn wieder glatt und emotionslos auflaufen und dachte nicht im Traum daran zu verkaufen. Eine bessere Einnahmequelle gab es nicht und das Geld kam in sicheren Abständen den Jugendlichen zu Gute, und dafür lohnte es sich zu kämpfen.
Katharina war aber nicht zufrieden. Zu sehr dachte sie an ihre Freundin, die sich in den Klauen eines Mannes befand, der ihr nicht geheuer war. Aber sie war fest entschlossen diesem Subjekt auf den Zahn fühlen, und wo konnte sie das besser als am heutigen Ladys-Day am Royal-Ascot Pferderennen?
Das war es - ein Lächeln huschte über ihr Gesicht als sie erneut zum Telefon griff und die Nummer ihres Mannes wählte ...
6.
Am Rande Londons lag es also – Ascot und sein Pferderennen.
Für manche bereits im Niedergang begriffen, dennoch für viele Aristokraten noch immer das Highlight einer Sommersaison, einige Zeit verdammt und dann wieder hochgelobt, ausgestattet mit dem Flair der Reichen und Superreichen, die sich an diesen Tagen mit Champagner, Lachs und Erdbeeren den Pferdesport versüßten, wo man mit dem Hochadel unter sich war, wo am Ladys-Day nur diejenigen Zutritt erlangten, die Smoking und Zylinder trugen und wo die Damen ihre kapriziöse „Hut-Couture“ zum Markenzeichen des Rennens erhoben.
Natürlich durfte die Queen nicht fehlen und so war es auch diesmal. Sie kam mit ihrem Gatten in einer offenen Kutsche die endlos lange Gerade herunter und lächelte und winkte freundlich in die Menge. Ihre Ankunft wurde regelrecht zelebriert und durch ein nervöses Raunen der Menge begleitet. Alles war wie immer, und mittendrin befand sich Regine, die vom Butler und Christine in einem Bentley abgeholt wurde und mit Seraph gemeinsam in einer der vielen Boxenlogen saß und den Beginn der Rennen erwartete.
Das Telefonat mit ihrer besten Freundin und deren Reaktion hatte bei der Ärztin Eindruck hinterlassen und so wartete sie voller Selbstzweifel bis fast zur verabredeten Stunde als sie sich endlich umzog. In ihr brannte wieder das unsäglich schlechte Gewissen, daß an Tiefe und Schwere von Tag zu Tag zunahm und wie ein turmhoher Klotz am Bein hang und sich an ihr festklammerte. Die vergangenen Erlebnisse mit ihrem Liebhaber waren mit nichts in ihrem Leben zuvor vergleichbar. Sie waren exotisch und abenteuerlich, teilweise kühn und teilweise verrückt. Manches flößte ihr sogar Angst ein, richtige Angst, keine von den sich schnell wieder verflüchtigenden Furchtsamkeiten, wie man sie in einem Horrorfilm oder in einer Hochschaubahn erleben konnte. Nein, es war die reine, blanke Angst vor den zukünftigen Schritten des Mannes, der nicht davor zurückschreckte, ein junges Mädchen mit hartem Sex zu bestrafen und sie dabei zusehen ließ.
Sie betrachtete sich im großen Spiegel und drehte sich immer wieder im Kreis - die ihr von Seraph übergebene Unterwäsche paßte wirklich perfekt und sie staunt über sich selbst. Dieses Outfit hob ihre körperlichen Qualitäten geschickt hervor und ließ sie einfach famos aussehen. Sie selbst hätte sich diese Erscheinung gar nicht zugetraut, aber Seraph schien einen trefflichen Blick dafür zu besitzen und hatte sich nicht Lumpen lassen. Denn heute wurde im Laufe des Vormittags noch ein gut anliegendes, elegant-schlichtes Designer-Kleid vorbeigebracht, das hinten leicht geschlitzt und ärmellos war. Der zitronengelbe Stoff lag kühl an der Haut und paßte ausgezeichnet zu dem mitgelieferten Riesenhut, den sich Regine anstecken mußte, damit er nicht rutschte oder hinunterfiel. Ein angedeuteter Schleier, der nach hinten die schmalen Schultern berührte rundeten das Bild einer stilvollen Frau ab, die sich ihr kleines Handtäschchen unter dem Arm klemmte und in die ebenfalls zitronengelben Pumps schlüpfte, mit denen man sich aufgrund der 12 cm hohen Absätze gerade noch fortbewegen konnte.
Unwohl fühlte sich Regine nur mit ihrem Tanga, den sie über Nacht nicht reinigen durfte, da Seraph ihren Duft atmen wollte, wie er sich ausdrückte. Die dunklen Flecken im Stoff des knappen Dreiecks zeugten noch von ihrer gestrigen, deftigen Hingabe vor den Augen des Butlers und nur äußerst widerwillig bedeckte sie sich mit dem verschmutzen, streng riechenden Höschen, daß so knapp und verwegen um ihre Hüfte spannte, daß sie sich fragte, warum sie nicht schon früher Reizwäsche getragen hatte – ihre Ehe wäre vielleicht noch zu retten gewesen.
Als sie fertig war blinzelte sie übermütig in den Spiegel und betrachtete noch das mitgelieferte, schmale Lederhalsband mit einem festen Stahlring an der Schnalle, daß nicht so recht zu ihrer eleganten Erscheinung passen wollte. Die Mitarbeiter der Boutique, die Vormittags mit der Lieferung mitgekommen waren um etwaige Änderungen vornehmen zu können, zuckten auch nur mit den Schultern und wußten nicht zu sagen, warum der Auftraggeber dieses Teil mitschicken ließ - denn von ihrem Geschäft kam derartiges gewiß nicht.
Regine seufzte, machte eine wegwerfende Bewegung und legte es sich um den Hals. Es war eng, paßte solala und wurde zum Glück von dem gewaltigen Hut in den Schatten gelegt, so daß kaum etwas davon zu bemerken war.
Bevor sie sich weiter den Kopf darüber zerbrechen konnte läutete es auch schon an der Tür und der Butler stand ungeduldig, weil etwas verspätet, vor ihrem Eingang ...
Nachdem Jeoffrey Regine frischweg abgeholt und sie im Fond des Bentleys neben der dürren Christine Platz nehmen ließ, rollten sie auf dem gleichen Weg wie er gekommen war wieder zurück. Christine trug ein hübsches, cremefarbenes Kostüm aus Baumwolle und einen ebenfalls eigenwilligen Hut, der zu ihrem aristokratisch-blassen Gesicht paßte und ihr zu einem noch gräflicheren Ausdruck verhalf.
Bei der Fahrt wurde zunächst nicht gesprochen, allein angemessen gemustert und erst als der Butler seinen smarten, im feingeschnittenen Smoking mit karierter Weste gestylten Herrn vor seinem Haus aufgelesen hatte, fielen die ersten Worte.
Mit seinem hellen Zylinder in der Hand plauderte der Engel wie ein aufgeregter Schuljunge vom heutigen Derby und von den Wetteinsätzen, die er bereits placiert hatte und auf die er die größten Hoffnungen legte. Auch Jeoffrey, dem der Smoking stand als ob er für ihn gegossen worden wäre, verfiel allmählich in die Plauderei und so ging die Fahrt raus nach Ascot doch noch recht kurzweilig vonstatten und gestaltete sich als durchaus angenehm.
Nach gut einer Stunde Fahrt begann es intensiv nach frisch geschnittenem Gras zu riechen. Die Sonne schien wie bestellt herunter und ließ die erreichten Anlagen und den Track wie aus einer anderen Welt erstrahlen. Überall tummelten sich Menschen wie aus einer anderen Epoche auf dem Gelände herum - die Herren in ihren Smokings und Zylinderhüten, manche dunkel, manche doch sehr beige und ungedämpft - die Damen in den unterschiedlichsten Kreationen der Modewelt mit noch abenteuerlichen Kopfbedeckungen und nicht selten mit geplüschten Sonnenschirmen, die sie als Gehstock verwendeten und damit vor den Reihen der Galerien defilierten.
Die ersten Pferde wurden von Jockeys in bunten Hemden vorgestellt und wurden an den dichten Menschenreihen vorbeigeführt. Um so näher man an die Strecke kam, um so mehr vermischte sich der Rasengeruch mit den Ausdünstungen der Pferde und ergab ein Ambiente, dem man sich nur schwer verschließen konnte.
Als sie schließlich in ihrer engen Loge Platz genommen hatten, traf die Königin ein, was selbst bei den kühlen Engländern einen Massenansturm verursachte ...
Nachdem man sündig teuren Sekt zu sich genommen hatte und Seraph nach dem dritten Rennen gute Gewinne einstreifen konnte, die Jeoffrey jedesmal an den diversen Schaltern abholen durfte und mit einem Glückwunsch an seinen Herrn überreichte, stand der bestens gelaunte Schriftsteller in der Rennpause unvermittelt auf und bot Regine den Arm an.
„Komm, meine Liebe, wir sind nicht nur zum Vergnügen hier.“
Christine, die nicht von seiner Seite wich und blasiert in die Luft gestarrt hatte, erhob sich augenblicklich, als ob sie darauf gewartet hätte und auch der Butler erhob sich, im Gegensatz zur untergebenen Angestellten allerdings gemessen und ruhig und gestattete sich ein leichtes lächeln, wodurch sich sein geschniegeltes Bärtchen lebhaft verschob und für wenige Sekunden leicht schief im Gesicht eingefroren wirkte.
Regine sah etwas verstört zu Seraph hoch und erhob sich automatisch mit den Anderen, ergriff den angewinkelten Arm ihres Liebhabers und sah ihn fragend an.
„Du wirst gleich verstehen,“ ließ er sie wissen und steuerte alsdann auf den Ausgang zu. Die Gruppe durchmaß zügig das Areal, schritt durch die stehenden Menschenmassen hindurch, die noch von den Rennen aufgebracht diskutierten und Wettscheine zerriß oder jubelnd Programme in die Höhe hielten und dem Nachbarn auf die Schulter klopften.
Man ließ den Track schließlich seitlich liegen und den angrenzenden „Silver Ring“ hinter sich und hielt auf die abseits stehenden Stallungen zu, die sich nach einem kurzen Fußmarsch vor ihnen aufbauten. Regine ging sich schwer in ihren Pumps und bewunderte Christine, die wie auf ebenen Beton glatt und sicher einen Schritt nach dem anderen setzte und niemals aus dem Gleichgewicht zu geraten schien.
Die Ärztin hingegen stolperte vor sich hin und hätte sie nicht den Arm des Schriftstellers als eine Art Haltegriff benutzen können, wäre ein um das andere Mal ein Malheur unumgänglich gewesen.
Schließlich, die Gruppe war schön ins schwitzen geraten, standen sie vor einem großen, grün lackierten Holztor, an dem sich der Butler eilfertig zu schaffen machte und mit einem einzigen Schwung aufzog. Das Tor glitt ratternd über grobe Sägespäne hinweg und gab einen Spalt in das Innere des relativ geräumigen Verschlages frei.
In der Mitte war eine Art Laufbahn eingeschnitten worden, wo der Boden gerecht und sorgfältig mit feuchtem, hart getretenen Sand ausgelegt worden war. Rund um diese Bahn und im Mittelkreis stand man auf sicherem Rasen, der kurz geschnitten war und eine braune Verfärbung exakt in der Mitte aufwies. Regine verstand noch nicht was sie hier wollten und lugte zunächst neugierig in die Halle hinein – goutierte was sie sah - und trat schlußendlich noch immer etwas skeptisch ein.
Die Beine schmerzten höllisch und sie war heilfroh, sich an einen der erstbesten dicken Holzstützen anlehnen zu können um zu verschnaufen.
In der Halle war es angenehm warm und das grelle Sonnenlicht schien durch hohe, schmale Fensterschlitze herein und gab dem Platz eine fast überirdische Ausleuchtung, die sehr angenehm und beruhigend wirkte. Und für einen Augenblick war auch tatsächlich Ruhe eingekehrt, der Lärm der Menschen war nur von sehr weit gedämpft zu hören und erzeugte eine nicht unangenehme Hintergrunduntermalung. Christine verschwand für einen Moment und tauchte plötzlich mit einem langen Baumwollseil und einer langen Stange auf. Der Butler hatte sich seitwärts auf einem Stuhl neben einem langen Tisch mit Reitutensilien niedergelassen und seinen Zylinder abgelegt. Seraph stand inmitten der Sandlaufbahn und teste immer wieder den Untergrund des schmalen Streifens, indem er drauftrat und die Elastizität überprüfte. Dann nickte er zufrieden und sah nach Regine.
„Komm Liebes,“ rief er und winkte ihr zu.
Neben ihm hatte sich unterdessen Christine gesellt und entwirrte fieberhaft den seltsamen Streifen, der mit einem Karabinerhaken endete und relativ stabil aussah. Regine dachte nur an ihre Beine, die sich anfühlten, als ob sie in eine Mühlmaschine gekommen wären, lief holprig und leicht mürrisch über den sandigen Laufstreifen und fiel etwas müde in die Arme des Schriftstellers.
„Nett ist es hier, Seraph.“
„Wir werden hier arbeiten, Regine,“ kam als Antwort und seine Stimme hatte die Färbung angenommen, die sie so gar nicht an ihm schätzte.
„Arbeiten? ...“ sie trat verunsichert einen Schritt zurück.
Christine gluckste daraufhin dümmlich im Hintergrund und hielt sich die Hand vor dem Mund.
„Sei ruhig,“ fuhr sie Seraph an wodurch sie sofort verstummte und ein betretenes Gesicht machte.
„Zieh dein Kleid aus,“ bat der Engel ruhig und sachlich und sah dabei nach oben: „Solange wir noch so gutes Licht haben.“ Dann schnippte er mit den Fingern. Christine, die nur auf dieses Signal gewartet hatte, huschte an die Seite der verblüfft dastehenden Ärztin und legte Hand an ihren Hut, nahm die langen Stecknadeln heraus und schaffte es schließlich, die gewaltige Kopfbedeckung samt Schleier abzunehmen.
Regine reagierte nicht, ihre Arme hingen schlaff an den Seiten herunter und schienen mit Blei ausgefüllt worden zu sein.
Sie sah ihren Liebhaber nur kalt an.
Es sollte ein schöner Nachmittag werden und nun stand sie in einem Longierzirkel für junge Pferde, wie sie später noch erfahren sollte, und war wohl Teil eines launischen Planes geworden.
Christine stand nun geschäftig hinter ihr und öffnete flink den Reißverschluß ihres Kleides. Die Rückenpartie teilte sich und ließ den Stoff geschmeidig an den schmalen Schultern abgleiten, so daß das Kleid zu Boden rutschte. Die Helferin des Schriftstellers, der sein wahres Gesicht zeigte und seine Spiele unverblümt weiterentwickelte, entwand das Handtäschchen aus den bleichen Fingern der auf dem Fleck angewurzelten Frau und trat wieder hinter ihrem Meister. Dieser schnippte ein zweites Mal mit den Fingern und erhielt umgehend die Longe mit dem Karabinerhaken an der Spitze.
Seraph lächelte verbindlich, vielleicht auch etwas arrogant, kam dicht an die Ärztin heran und sah an ihr herab.
Tief atmete er ein, saugte sie förmlich auf, roch genüßlich und schloß für einen Moment die Augen.
„Du bist wirklich wunderschön.“
Dann machte es Klick und der Karabinerhaken rastete in den Ring des Halsbandes ein. Anschließend öffnete der Engel die schlanke Schnalle des Lederbandes und hängte sie ebenfalls in den Ring ein. Der Effekt war, daß eine teuflische Schlinge entstand, die man durch heranholen der 8 Meter langen Longe zuziehen und durch nachlassen wieder entspannen konnte. Ein Grunddurchmesser des Leders hingegen blieb bestehen, dafür sorgte die Schnalle, die sich nur bis zu einem bestimmten Punkt lockern ließ.
Seraph stellte sich in die ausgetretene Mitte des Platzes, wodurch klar wurde, warum dieser Flecken bräunlich gefärbt war und hielt das Ende der Longe in der Hand. Christine reichte ihm nun die mysteriöse Stange, die sich als eine zweigeteilte, bis zu 3 Meter lang werdende Teleskoppeitsche entpuppte, die noch zusammengeschoben war und vom Schriftsteller an einem dunklen Ledergriff gehalten wurde. Der Lederschlag mit einer guten Länge von vier Meter fiel zu Boden, es hatte ein gedrehtes Ende, daß Regine nicht aus Augen ließ und furchtsam einen Schritt rückwärts trieb.
Endlich war sie aus ihrer Umklammerung erwacht.
Die Peitsche, auch Voltigierpeitsche in Fachkreisen genannt, rastete daraufhin auf seine volle Länge aus und langte bedrohlich nahe an Regine heran.
Seraph straffte die Longe – und das Halsband arbeitete richtig, verjüngte sich und nahm Regine ein wenig die Luft: „Auf die Laufbahn mit dir.“
Die angeleinte Frau kam gänzlich zu sich, befreite sich tapfer von ihrer Lähmung und schrie vor Wut auf: „Du dreckiges Schwein,“ gurgelte etwas, streckte ihre Arme nach vorne und packte mit beiden Händen das Longeseil.
Seraph, der diese Reaktionen kannte blieb ruhig, hob die Voltigierpeitsche hoch und ließ einen Knall ertönen. Das zusammengedrehte Ende des Schlages schnitt durch die Luft und explodierte am Po, der vom Tanga alleine nicht geschützt werden konnte und die Backen prall und formschön heraustreten ließ.
Das laute Geräusch und der Windzug ließen die Ärztin aufkreischen. Ihre Hände krallten sich nachdrücklicher an der Longe fest und versuchten daran zu ziehen und es irgendwie abzuschütteln, aber ihr Liebhaber stand felsenfest da und lächelte überlegen. Ein kurzer Gegenruck genügte um das Halsband wieder zuzuziehen um der wütenden Frau den Sauerstoff abzuschnüren. Diese warf ihren Kopf wild zurück und krächzte erbittert und haßerfüllt ihren Dompteur an. Ihre Augen funkelten zornig, töteten ihn mehrmals und nahmen einen erneuten Anlauf. Für Seraph war es nur ein Spiel, daß er schon allzu oft gespielt hatte. Sofort erkannte er den Versuch und ließ die Peitsche, diesmal näher, aber auch nur angedeutet, auf ihrem steifen Korsett tanzen.
Die Berührung kam überraschend und einigermaßen schmerzhaft. Im Ansatz ihres Sprunges wurde die Wildkatze getroffen, die sich daraufhin umbesinnen mußte und zu Boden stürzte. Ihre Finger glitten von der Longe ab und stützten sich auf dem weichen Gras ab. Ihre Haare hatten ihre Form längst aufgegeben und wurden aus dem schwitzenden Gesicht nach hinten befördert.
Es uferte aus, wie sie registrieren mußte, und sie kam sich auf einmal unendlich wehrlos vor.
Die vor Schmerz zusammengekrümmte Frau sah zu dem triumphierenden Mann am anderen Ende der Longe hoch, hinter dem noch immer eine blasse Christine stand und wissend lächelte - und bekam neue Energie: sie verzerrte das Gesicht und knirschte unwillig mit den Zähnen, machte sich bereit und ...
... der selbst ernannte Dresseur hatte nur darauf gewartet, schwang die Peitsche gekonnt und hoch durch die Lüfte und ließ der mutigen Frau keine Chance ...
Seelenruhig hielt er die Longe stramm und arbeitete mit dem langen Schlag, als ob er sein Leben lang nie etwas anderes getan hatte und deutete nach mehreren Manövern auf die Laufbahn: „Dort ist dein Platz, Regine ...“
Das Opfer schüttelte widerwillig den Kopf, ihr Zorn und ihr Kampfgeist waren längst noch nicht verflogen, aber gleichzeitig war sie intelligent genug um zu begreifen, wie ausweglos die Situation im Moment war.
Doch ein wenig entmutigt stöckelte sie in ihren zitronengelben Pumps etwas zittrig auf die Laufbahn zu und betrat sie. Leicht sank sie in den feuchten Sand ein und bekam wenige Zentimeter darunter einen durchaus festen Stand. Dann blickte sie feindselig zu ihrem Liebhaber rüber, der dastand wie eine Eins und ein glattes Gesicht machte, als ob er alles gewußt hätte und es nie eine andere Möglichkeit für die Ärztin gegeben hätte. Es war ein absonderliches Gefühl an der Leine dieses Mannes zu stehen, der sie vor den Augen der Angestellten demütigte, als ob das Schicksal für sie nichts anderes bereitzuhalten gehabt hätte.
„Geh jetzt, Liebste ...“
Das Kosewort klang wie ein Hohn für Regine und sie prustete lautstark ihre Entrüstung aus den Nasenlöchern heraus – noch immer war überhaupt nicht klar, was das hier sollte – und - nach einer kurzen Nachdenkphase setzte sie vorsichtig ein Bein vor das andere.
„Du wirst richtiges Gehen erlernen,“ rief ihr der Schriftsteller zu.
„Vorwärts, Regine ... setz ein Bein exakt vor das andere ...“
Und Regine ging, sie tat was er von ihr verlangte – was blieb ihr auch anderes übrig. Im relativ harten Sand war es schwierig, sehr schwierig und ihre Knöchel fühlten sich an, als ob sie in einem Schraubstock steckten, der sich immer mehr und mehr zuzog.
Den Butler an der Seite nahm sie nicht wahr, ihre Augen verschwammen zunächst in Tränen, und sie hörte nach einer Weile auch die lauter werdenden Hintergrundgeräusche nicht mehr, die eine tobende Menge verursachte, da die Rennen wieder gestartet wurden.
Sie vernahm nur mehr die Kommandos von Seraph, sie mußte sich extrem konzentrieren und spürte hin und wieder den Druck an ihrem Hals, wenn sie etwas falsch gemacht hatte. Nur sehr selten kam ihr das Schlagende der Peitsche nahe, dafür bemühte sie sich auch zu sehr, denn diesen Triumph wollte sie ihrem Abrichter keinesfalls gönnen.
Allmählich, und es war bereits eine unendlich lange halbe Stunde vergangen, kam sie in den richtigen Tritt, langsam verstand sie, was der Mann von ihr wollte und jäh begriff sie, daß sie den Gang von Martine einstudierten, den sie bereits im Eßzimmer genießen konnte. Seraph hatte also Methoden gefunden, wie er seine Mädchen dazu brachte, erotisch und keß zu laufen, wie sie ihre Beine, ihren Po, ja ihre gesamten Bewegungen richtig einsetzen und dabei natürlich und sicher wirken können.
Unisono mit dieser Erkenntnis geschah es dann – sie konnte ganz einfach nicht mehr und strauchelte.
Sie war körperlich wie geistig fertig, ganz einfach kaputt und die Beine streikten.
Hart fiel die geplagte Ärztin in den Sand und blieb erschöpft liegen. Die Nahtstrümpfe gaben durch den Sturz an einigen Stellen nach und rissen, so daß helle Löcher in die zweite Haut geschlagen wurden. Der halbtrockende Sand verklebte sich mit den durchgeschwitzten Nylons und blieb schmutzig haften, die feinen Körner waren überall, sie drangen durch die Löcher an die Haut, in das Korsett und was am unangenehmsten war – in die Schuhe.
Für wenige Sekunden aber war sie weg und bekam davon nichts mit, ein tiefer, dunkler Schatten legte sich über ihre Gedanken, und auch die Schmerzen waren wie weggeblasen.
Dann waren sie wieder da - ungebremst und in unverzüglicher Kompromißlosigkeit - die Gnade der Ohnmacht dauerte viel zu kurz und sie wußte sogleich wieder, wie es um sie stand.
Ein hastig zugeworfener Seitenblick auf Christine, die sie nicht aus den Augen gelassen hatte, ließ sie nochmals schwindeln, aber gleichzeitig wieder hochkommen.
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Kommentare
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Nur, was ist das für ein Ende??? Kommt da noch eine Fortsetzung oder muss man sich den Rest selbst denken?
Mit besten Grüßen und der Hoffnung auf weitere, geile Geschichten,..«
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Was macht Jeff Parker mit Katharina?
Dark Nagel Du siehst hoffentlich die Not Deiner Leser, zu viele unbeantwortete Fragen? Komm erlöse uns!
Dein Fan
Lulu«
Kommentare: 53
vg Kerl«
Kommentare: 23
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