Sin-skin - sündige Haut - Teil 1
von Faith
Der Raum, in dem Vivian aufwachte, erinnerte sie an eine Schlachterei. Boden und Wände waren weiß gefliest. Sie hing nackt, mit gespreizten Armen an einem Edelstahlgestell und war, soweit sie das sehen konnte, kahl rasiert worden. An der gegenüberliegenden Wand war ein großer Scheinwerfer, der sie blendete. Es war ihr kaum möglich in diese Richtung zu blicken, dennoch glaubte sie eine Kamera zu erkennen, die auf ihren Körper gerichtet war.
»Guten Abend Miss Ox«, hörte sie durch einen Lautsprecher. Es war die Stimme des Vorstandsvorsitzenden.
»Sind sie wahnsinnig?«, fragte Vivian und war erschrocken über den krächzenden Klang ihrer Stimme.
»Eine interessante Frage für jemand der offiziell tot ist.«
Vivian schwieg. Das Letzt woran sie sich erinnerte war die Rückbank einer Luxuslimousine. Sie war direkt nach der Pressekonferenz von den Bodyguards zu diesem Auto eskortiert worden. Als das Auto losfuhr und die Traube aus Journalisten und Kameramänner hinter sich ließ, war sie die einzige Passagierin gewesen. Eine verdunkelte Scheibe trennte sie von dem Chauffeur, aber der Mann wusste sicher wo er sie hinbringen sollte.
Die schneidende Stimme des Vorstandsvorsitzenden unterbrach ihre Gedanken: »Die Limousine ist auf dem Weg zum Flughafen von der Straße abgekommen und hat sofort Feuer gefangen. Die Rettungskräfte konnten nur noch die verkohlten Überreste einer jungen Frau bergen. Es ist eine Tragödie. Vor allem für die Straßennutte, die ihnen sehr ähnlich gesehen haben soll.«
Vivian fühlte einen metallischen Geschmack im Mund. Warum hatte er sie nicht direkt umgebracht? Er hatte vollen Zugriff auf ihre Forschungsunterlagen. Alles war dokumentiert.
»Warum haben sie nicht einfach mich umgebracht?«
»Weil sie ihren Erfolg hautnah miterleben sollen, Miss Ox.«
Vivian schluckte, ihr Hals war staubtrocken.
»Die erste Phase der von ihnen erdachten Therapie hat bereits begonnen«, erklärte der Vorstandsvorsitzende in einer selbstgefälligen Tonlage. Es fehlte nur noch das finstere Lachen, um die Situation auf die Spitze des Surrealen zu treiben.
Vivian bekam rasende Kopfschmerzen, ihre Gedanken kreisten. Deshalb das Brennen auf der Haut. Ihr Immunsystem begann bereits, die eigene Haut abzustoßen. Damit würde sie auch alle Haarwurzeln verlieren. Sie war nicht kahlgeschoren worden, sondern ihr Köper hatte von allein alle Haar abgeworfen.
»Eine Ganzkörperanwendung ist noch nicht einmal bei Mäusen erprobt«, rief Vivian mit aufkeimender Panik. Wie konnte jemand so verrückt sein, eine experimentelle Therapie an einem Menschen anzuwenden? Immerhin war der Manager skrupellos genug gewesen, eine unschuldige Frau ermorden zu lassen, um Vivians Tot vorzutäuschen. Vivian wurde klar, dass niemand nach ihr suchen würde. Der Konzern konnte mit ihr machen, was er wollte. Das Brennen ihrer Haut wurde schmerzhaft, sie verlor erneut das Bewusstsein.
***
Vivian wusste nicht, wie lange sie ohne Bewusstsein gewesen war. Sie fühlte sich körperlos und leicht, als würde sie an einem lauen Sommertag wie eine Wolke am Himmel schweben. Es war herrlich still, nur ein beruhigendes Rauschen umgab sie und verhinderte, dass die Stille beklemmend wirkte. Sie musste lange und tief geschlafen haben und noch lag ein zarter Schleier aus Müdigkeit auf ihr. Sie erinnerte sich an den vergangenen Traum, in dem sie das Versuchskaninchen für eine Ganzkörperanwendung ihrer künstlichen Haut gewesen war.
Nach dem Stress der letzten Wochen und der aufreibenden Pressekonferenz am gestrigen Abend war dieser Traum wohl ein dezenter Hinweis aus ihrem Unterbewusstsein, dass sie sich eine Auszeit nehmen sollte. Vivian war in den letzten Wochen zu einem richtigen Popstar geworden, obwohl sie weder singen oder tanzen konnte. Vivian war angehende Wissenschaftlerin, sie konnte Gensequenzen analysieren und synthetisieren wie kein zweiter auf der Welt. Und ihr war es gelungen eine künstliche Haut zu erschaffen, die alle Funktionen einer echten Haut erfüllte. Vivian sprach selbst von einem Schaffensakt, da sie keine vorhandenen Zellen verändert hatte, sondern mit genetischem Rohmaterial etwas gänzlich Neues geschaffen hatte.
Vivian hatte das Verfahren bei Hunderten von Mäusen getestet, verfeinert und wieder getestet, bis keine Komplikationen mehr auftraten. Die Basis waren die neu erschaffenen Zellen, die um sich herum eine gummiartige Schutzschicht bildeten. Der Wirtskörper versorgte diese Zellen mit Nährstoffen und die Zellen bildeten dafür eine atmungsaktive Membran, die den Wirt ebenfalls schützte. Vor allem reparierten und erneuerten die Zellen die gummiartige Schutzhülle dauerhaft, ohne selbst zu altern. Ein derart geschütztes Lebewesen war zeit seines Lebens von einer makellos glänzenden Haut umgeben.
Nachdem die ersten Tiere mit dieser künstlichen Haut überlebten und offenbar glücklich weiterlebten, hatte Vivian einen Videoclip im Internet veröffentlicht, in denen sie die Mäuse und ihre Besonderheit präsentierte. Die größte Sorge ihrer Zuschauer war die Ansteckungsgefahr mit den neuen Zellen. Daher erklärte Vivian im nächsten Clip, dass die Rohzellen immer auf einen individuellen Wirtskörper geprägt werden und bei keinem anderen Lebewesen überleben können. In diesem Clip erwähnte Vivian auch, dass die Zellen ideal zu Behandlung von Verbrennungsopfern sein könnten. Jedes Krankenhaus könnte die Rohzellen tiefgefroren lagern und bei Bedarf auf den Patienten „Prägen“. Die verbrannten Hautpartien würden ohne Narben oder sonstige Komplikationen durch die künstliche Haut ersetzt.
Als der Konzern, für den Vivian arbeitete, erfuhr, dass Vivian ihre Forschung veröffentlichte, war es zu spät. Die Videos mit den Firmengeheimnissen wurden millionenfach geteilt und die Nachrichten berichteten darüber. Notgedrungen musste der Konzern eine Pressekonferenz einberufen, um negative Gerüchte und Spekulationen auszuräumen. Es ging um Patentrechte, ethische und moralische Bedenken und um Patienten mit Brandnarben, oder anderer Hautleiden, die auf einen baldigen Einsatz am Menschen hofften. Für den Konzern ging es um ein Milliardengeschäft und um eine geniale Mitarbeiterin, die ihre Klappe nicht halten konnte, die aber schon zu berühmt war, um sie still und heimlich aus dem Weg zu räumen.
***
»Miss Ox, hören sie mich?«, sagte eine Frauenstimme und es klang als müsse sich der Schall auf dem Weg zu Vivians Ohren durch eine Wasserwand kämpfen. Der leichte Schleier des Schlafes zerriss und Vivian öffnete die Augen. Ihr Blick verschwommen. Sie war unter Wasser! Sie schwebte in einem Glaszylinder, der mit einer halbtransparenten Flüssigkeit gefüllt war. Die Flüssigkeitsströmung in dem Zylinder sorgte dafür, dass Vivian weder die Wände oder den Boden berührte. Aus ihrem offenen Mund ragte ein Schlauch, der tief in ihrer Kehle steckte. Ebenso führte aus jedem Nasenloch ein Schlauch. Die drei Schläuche führten zum Deckel des Glaszylinders. Atmen konnte Sie nur durch die Nase.
Vivian sah eine Frau in einer weißen Krankenschwesternuniform. Modisch entsprach die Krankenschwester den 60er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts, sie trug sogar ein weißes Häubchen im Haar.
»Wenn es ihnen gut geht, geben sie mir bitte ein Zeichen«, sagte die Krankenschwester. Vivian wusste nicht, wie sie die Frage nach ihrem Befinden beurteilen sollte, sie schwamm in einem überdimensionalen Reagenzglas.
»Haben sie Schmerzen?«
Vivian schüttelte leicht mit dem Kopf.
»Gut, ich lasse die Nährlösung nun langsam aus dem Tank ab, bis sie stehen können«, erklärte die altmodisch gekleidete Krankenschwester, die selbst gar nicht so alt aussah.
Mit dem sinkenden Flüssigkeitsspiegel sank auch Vivians Körper in dem Zylinder, bis sie Boden unter ihren Füßen spürte. Ihre Beine mussten immer mehr von ihrem Gewicht tragen. Gleichzeitig offenbarte sich Vivians neue Haut. Einzelne Tropfen perlten an ihren Oberarmen ab, wie Regen auf frisch poliertem Autolack. Ihre neue Körperoberfläche war makellos, spiegelglatt und Schneeweiß. Vivians Blick war immer noch verschwommen. Sie zeigte mit einem kreisenden Finger auf ihre Augen und schaut dann zu der Frau.
»Ihre Augen sind durch spezielle Kontaktlinsen geschützt. Die Linsen umschließen die vordere Hälfte des Augapfels und halten ihre Lider offen, darum können sie auch nicht blinzeln. Das wird bald durch eine komfortable Maßanfertigung ersetzt.«
Vivian nahm die Erklärung nur am Rande wahr, denn sie starrte auf ihren Finger: Sie hatte keine Fingernägel mehr. Die makellose weiße Gummihaut umschloss ihre Fingerkuppen, als würde sie Handschuhe tragen.
»Das bleibt nicht so«, hakte die Krankenschwester ein, als sie das Entsetzen in Vivians Mimik sah. Mit den zwangsweise weit geöffneten Augen gelang es Vivian, das Namensschild der Frau zu lesen: Ms. Petty.
Miss Petty wartete geduldig, bis die Flüssigkeit aus dem Glaszylinder abgeflossen war. Dann betätigte sie einen weiteren Knopf und der Glaszylinder senkte sich in den Boden ab. Nach kurzer Zeit stand Vivian wie eine weiße Marmorstatue auf dem kreisrunden Metallgitter. Sie hatte tausend Fragen, war aber durch den Schlauch in ihrem Mund nicht imstande, zu sprechen. Miss Petty stieg zu ihr hoch und koppelte alle Schläuche ab. Aus ihren Nasenlöchern und dem Mund schauten die jeweiligen Endstücke heraus. Vivian konnte nach wie vor nur durch die Nasenschläuche atmen.
Etwas Warmes lief an den Innenseiten ihrer Beine herunter. Vivian realisierte erst, dass es ihr eigener Urin war, als die Flüssigkeit auf das Metallgitter plätscherte. Sie hatte nicht mitbekommen, dass sich ihre Blase entleerte und sie konnte es nicht einhalten, nicht einmal jetzt, wo sie die Beine verschämt zusammenpresste.
»Das ist nicht schlimm, das Ventil in ihrer Harnröhre öffnet sich automatisch, wenn der Druck zu groß wird«, erklärte Miss Petty mit der Gelassenheit einer Krankenschwester, die Schlimmeres als eine Pfütze Urin gewohnt war.
»Ihr Po und ihre Vagina werden ebenfalls durch Stents offengehalten, damit die Nährlösung mit der Zellkultur so tief wie möglich einwirken kann, das wird auch bald entfernt«, erklärte die Krankenschwester mit der frisch gesteiften Bluse in einer Beiläufigkeit, als ginge es um therapeutischen Kleinkram, wie Wadenwickel bei leicht erhöhter Temperatur.
»Fühlen sie sich imstande zu laufen?«
Vivian fühlte sich imstande, einen Mord zu begehen, wusste aber nicht, ob sie ihre Beine bewegen konnte. Sie fühlte ein Zwicken im Schritt und der Pofalte, als würde sie einen zu engen Stringtanga tragen. Da sie keinerlei Kleidung trug, musste das von den Stents in ihren unteren Körperöffnungen kommen.
Mit Hilfe von Miss Petty stieg sie von dem Podest und bekam einen Vorgeschmack auf ihr neues Körpergefühl. Sie fühlte kleinste Luftbewegungen und einen leichten Widerstand der Haut, wenn sie ihre Gelenke bewegte. Die Haut spannte sich über ihr angezogenes Knie und zog sich faltenfrei in der Kniekehle zusammen – vielleicht sogar besser, als ihre alte Haut. Neben dem ohnmächtigen Entsetzen über ihre Situation empfand Vivian einen kurz aufflammenden Stolz über die Funktionalität "ihrer" Haut. Doch gleich darauf überwältigte sie die Gewissheit über ihren Zustand. Ihre alte, echte Haut war für immer ausgelöscht. Sie musste nun mit dieser neuen Haut leben. Das war kein Traum, sondern unwiederbringlich. Warum? Warum Schneeweiß? Warum so extrem? Ihre Beine knickten ein und sie verlor das Bewusstsein.
***
Vivian saß breitbeinig auf einer Vorrichtung aus Edelstahl. Ihre Arme und Beine waren mit übertrieben vielen Gurten an dem Gestell befestigt. Ihr Gewicht ruhte auf den Außenseiten der Pobacken, dazwischen war die Sitzfläche geteilt. Ihr Hintern hing in der Luft.
»Guten Morgen Miss Ox«, sagte der Vorstandsvorsitzende. Er musste schon einige Zeit lang ruhig neben ihr gestanden und ihr Erwachen beobachtet haben. Vivian sah ihn an, wollte ihm einen bösen Blick zuwerfen, wusste aber nicht, ob das durch die speziellen Kontaktlinsen möglich war. Die Schlauchenden, die aus ihrem Mund und den Nasenlöchern herausschauten, waren nicht hilfreich bei einem anspruchsvollen Mienenspiel. Sie war außerstande zu reden oder überhaupt irgendein Geräusch zu verursachen.
»Sie sehen schrecklich aus«, sagte er milde lächelnd, »aber sie sind noch ganz am Anfang und ich verspreche ihnen, dass es mit jedem Tag besser wird.«
Der Vorsitzende führte einen Kunststoffbeutel zu ihrem Mund und koppelte die Öffnung an das Ventil der Mundöffnung. Langsam leerte sich der Beutel.
»Sie können ihr Frühstück leider nicht genießen. Die Nährstoffe fließen durch den Schlauch direkt in ihren Magen an ihren Geschmacksknospen vorbei. Ein bedauerlicher Zustand, nicht wahr?«
Vivian starrte ihn an und fühlte, wie sich ihr Magen füllte. Der Vorsitzende koppelte den leeren Beutel ab und tupfte die Schnittstelle an ihrem Mund geradezu fürsorglich sauber.
»Ich verstehe, dass sie im Moment sehr aufgebracht sind und das Große und Ganze noch nicht sehen. Konzentrieren sie sich vorerst auf ihre neuen Lebensumstände, sie müssen sich mit diesen Tatsachen so früh wie möglich auseinandersetzen, um nicht daran zu verzweifeln.«
Vivian zeigte keine Reaktion, sie wusste, dass sie mit diesem Wahnsinnigen auf irgendeine Art kooperieren musste, aber sie wollte nicht bei der ersten Gelegenheit einknicken. Das leise Zischen, gefolgt von einem langsam steigenden Druck in ihrem Unterleib, überraschte sie. Der Druck in ihrem Enddarm wurde durch einströmende Flüssigkeit verursacht. Durch einen festsitzenden Buttplug, an dem ein Schlauch angekoppelt war, strömte warme Flüssigkeit in ihren Darm. Der Manager wusste offenbar, was gerade passierte. Er schaute Vivian mit verschränkten Armen an und versuchte nicht einmal seine Genugtuung zu verbergen.
Hilflos musste Vivian den Einlauf über sich ergehen lassen. Ihr Bauch bekam eine leichte Wölbung, bevor der Zustrom stoppte. Für Minuten saß sie da und fühlte sich quälend aufgebläht. Als das Zischen wiedereinsetzte, nahm der Druck in ihrem Unterleib langsam ab. Zu der Scham kam ein wohliges Gefühl über die einsetzende Entspannung. Der Manager neigte den Kopf mitfühlend zur Seite, als er sah, dass sich Vivian entspannte.
»Wir kümmern uns um die individuellen Bedürfnisse unserer Mitarbeiter, darum sind wir auch so erfolgreich.«
Vivian blieb äußerlich ruhig. So sehr sie innerlich brodelte, war es besser gegenüber diesem Wahnsinnigen, nicht emotional zu werden. Erst als er den Raum verlassen hatte, begann sie an ihren Gurten zu rütteln, um der Wut und Verzweiflung ein Ventil zu geben. Miss Petty gab ihr eine Spritze. Vivian kam zur Ruhe, dann verlor sie das Bewusstsein.
***
Es mussten Tage vergangen sein, seit Vivian von dem Vorstandsvorsitzenden gefüttert worden war. Seit dem wurde sie von Miss Petty gefüttert und versorgt. Durch eine Augenoperation hatte sie die letzten Tage liegend oder sitzend in vollkommener Dunkelheit verbracht. Ihr Hände und Füße waren ebenfalls Bandagiert. Oft dämmerte sie Stundenlang vor sich hin und wurde nur kurzzeitig wach, wenn Miss Petty nach ihr schaute um Flüssigkeit, Nahrung oder Medikament in ihren Mundschlauch einzufüllen.
Die Entsorgung ihrer Stoffwechselprodukte war ebenfalls durch Schläuche und Ventile geregelt. Vivian empfand es als erschreckend, wie schnell sie sich mit dem Buttplug abgefunden hatte. Dieser Silikonstöpsel musste seit Tagen in ihrem Po stecken. Ihr Schließmuskel hatte sich mit der dauerhaften Dehnung arrangiert. Dennoch war der Durchmesser des Plugs so groß, dass sie ihn nicht aus eigener Kraft herauspressen konnte. Dieser Stöpsel war ihr unter Narkose eingesetzt worden und sie wollte nicht wach sein, wenn er je entfernt werden würde. Durch ein großes Ventil bekam sie regelmäßig Einläufe mit der anschließend einhergehenden Erleichterung.
*
Die gedämpfte Unterhaltung zweier Frauen riss Vivian aus ihrem Dämmerzustand.
»Die Implantate sind überraschend schnell eingewachsen. Wir können die neuen Nägel jetzt befestigen«, sagte eine Stimme, die Vivian nicht kannte.
»… sie ist sehr ruhig.«
»Ja«, pflichtete die Stimme von Miss Petty bei, »sie ist sehr umgänglich. Miss Ox ist hochintelligent. Sie macht keinen Ärger, weil sie weiß, dass es nichts außer weiterem Ärger bringt.«
Vivian fühlte eine warme Hand, gefühlvoll über ihren Oberarm streicheln. Es war die menschlichste Berührung, die ihr seit Langem zuteilgeworden war.
»… diese Ventile in der Harnröhre und dem After sind praktisch. Sie ist dadurch sehr einfach sauber zu halten. Und durch die Magensonde ist das Füttern auch ein Kinderspiel«, sagte Miss Petty, während sie ihre Hand auf Vivians Schulter ruhen ließ.
Vivian fühlte einen Lufthauch auf ihren Augenlidern. Dies bedeutete zum einen, dass sie keinen Verband mehr über den Augen trug und zum anderen, dass ihre Lider geschlossen waren. Seit ihrem Erwachen in dem Tank mit der Nährlösung waren ihre Lider zwangsweise geöffnet. Jetzt waren ihre Lider geschlossen. Sie riss die Augen auf und starrte eine junge Blondine an, die einen künstlichen Fingernagel auf einem Metallclip befestigte, der in ihre Fingerkuppe implantiert worden war. Jeder Finger und jede Zehe war mit diesen Implantaten aus Chirurgenstahl versehen worden und nach und nach wurden daran nun künstliche Fingernägel befestigt. Lange Fingernägel in einem tiefen Violett mit Glitzereffekt.
»Sie ist aufgewacht«, flüsterte die Blondine zu Miss Petty. Miss Petty lächelte Vivian an und reichte ihr einen Handspiegel: »sie haben gewaltige Fortschritte gemacht, schauen sie nur.«
Vivian nahm den Spiegel mit der Hand, an der ihre neuen Nägel schon eingepasst waren und schaute ihr Gesicht an.
Obwohl ihre neue Haut keine Haarwurzeln mehr besaß, hatte sie lange dichte Wimpern. Hinter dem Spezialglas, das direkt auf ihren Augäpfeln auflag, erstrahlten hellblaue Pupillen. Das war nicht ihre ursprüngliche Augenfarbe, nicht einmal das hatten sie ihr gelassen! Vivian konnte ihre Augenlider schließen und öffnen, allerdings glitten die Lider nicht mehr auf dem Tränenfilm des Augapfels, sondern auf dem trockenen Glas, das ihr Auge abdeckte. Dadurch wirkten die Bewegungen ihrer Lider träge und sie musste es bewusst ausführen. Einen Blinzelreflex besaß sie nicht mehr und er war offenbar auch nicht mehr nötig, da die Augäpfel hinter dem Glas geschützt und ausreichend feucht gehalten wurden.
Der kleine Höcker auf ihrem Nasenrücken war einer leicht konkaven Seitenlinie gewichen. Ihr war ein niedliches Stupsnäschen operiert worden. Durch den schneeweißen, glänzenden und makellos faltenfreien Teint wirkte das Make-up kräftiger, als es tatsächlich war. Ihr waren Smokey eyes in einem Violettton geschminkt worden, der farblich zu den Finger- und Fußnägeln passte. Auf ihren Wangen war etwas Rouge aufgebracht worden. Durch ihr fehlendes Haupthaar wirkten die femininen Gesichtszüge noch intensiver, als sie ohnehin schon waren.
Ihre Lippen waren aufgespritzt worden, das hatte sie schon gefühlt, als sie aus der letzten Narkose erwacht war, aber nun sah sie das Ergebnis. Selbst wenn sich Vivian um eine möglichst ausdruckslose Mimik bemühte, machte sie einen Schmollmund. Immerhin war ihr geschwungener Amorbogen erhalten geblieben. Sie hatte volle, sinnliche Lippen bekommen, etwas zu voll für ihren Geschmack - aber sie war ja nicht gefragt worden.
»Gefällt es ihnen?«, fragte die Blondine, die offenbar so etwas wie eine Kosmetikerin sein sollte, weil sie Vivians Grimasse als nonverbale Zustimmung interpretierte. Ohne auf eine Antwort zu warten, erklärte sie: »Die künstlichen Wimpern wurden einzeln implantiert und das Make-up ist in ihre einzigartige Haut eindiffundiert. Das bleibt jetzt so – für immer.«
Für einen Abend in einem Club hätte sich Vivian mit diesem Styling wie eine Königin gefühlt. Das Gesicht in dem Handspiegel hatte nichts mit ihrem alten Aussehen zu tun. Die Gewissheit, dauerhaft so aussehen zu müssen, fuhr ihr dumpf in den Magen. ’Das bleibt jetzt so - für immer’, hörte Vivian in Gedanken. Sie fixierte die Kosmetikerin, die vor Anspannung und Freude kaum auf ihrem Hocker sitzen bleiben konnte und ließ den Handspiegel auf den Boden fallen. Er zerbrach klirrend und die Kosmetiktussi zuckte vor Schreck. Ihre Euphorie schlug in Enttäuschung um.
»Das ist schon O. K.«, sagte Miss Petty zu der Blondine und fegte die Scherben zusammen, »die vielen Eindrücke überfordern am Anfang jeden. Ms. Ox wird ihre Arbeit noch zu schätzen lernen.«
Als die Kosmetikerin gegangen war, schaute Miss Petty betroffen zu Vivian. Vivian wich dem Blick aus. Wahrscheinlich konnten Miss Petty und die blonde Dumpfbacke mit der Nagelfeile am allerwenigsten etwas für Vivians Zustand, sie gaben sich bei ihrer Arbeit alle Mühe. Vivian bereute ihre Reaktion, weil ihre Wut die falschen traf. Sie zog einen Stift aus der Brusttasche von Miss Pettys Schwesternuniform und ehe die Schwester einschreiten konnte, schrieb Vivian auf ihre Handfläche: »will chef sprechen!«
Vivian verstand Miss Pettys Aufregung über solch einen bescheidenen Wunsch erst nicht. Dann wurde ihr klar, dass ihre Betreuerin eine Heidenangst davor hatte, dass die Schrift nicht mehr von der ehemals makellos weißen Handfläche entfernt werden konnte. Sie wusch Vivians Hand mehrmals mit Seifenwasser und hatte kaum Erfolg.
»Verträgt die künstliche Haut Alkohol?«, fragte Miss Petty fast schon flehend. Vivian wusste die Antwort aus ihren Tierversuchen, schenkte Miss Petty aber ein arrogantes Schulterzucken. Vivian genoss diese Situation. Es war falsch sich mit der Person anzulegen die jedes noch so intime Detail des Alltages beeinflussen konnte, aber endlich hatte Vivian mal wieder das Gefühl etwas in der Hand zu haben, anstatt vollkommen von anderen abhängig zu sein. Schließlich nahm sie den Desinfektionsalkohol, schüttete ein paar Tropfen auf ihre Hand und wusch die Schrift rückstandslos ab.
***
Am nächsten Morgen wurde Vivian von Miss Petty mit der gleichen freundlichen Distanz geweckt wie all die Tage zuvor – nachtragend war sie offenbar nicht. Sie fütterte Vivian mit Nahrung, Flüssigkeit und Medikamenten, während Harn und Stuhl vollautomatisch abgeführt wurden.
»Wir müssen sie anziehen, Miss Ox. Sie haben einen Termin bei Mr. Reel«, sagte Miss Petty schließlich. Sie koppelte die Schläuche von Vivians unteren Körperöffnungen ab und löste die Gurte, mit denen Vivian immer an ihrer jeweiligen Liege fixiert war, bevor sie Vivian beim Aufstehen half.
Um Vivians schmale Taille schloss sie einen kurzen Tellerrock aus violettem Latex. Dazu bekam sie ein bauchfreies Oberteil mit Neckholder, das ebenfalls aus violettem, hauchdünnem Latex gefertigt worden war. Bauchfreie Outfits hatte sich Vivian wegen des kleinen Bauchansatzes früher nie gewagt zu tragen. Trotz konsequentem Training hatte Vivian den Bauchspeck nie ganz wegbekommen. Seit dem "Unfall" hatte sie abgenommen. Ihre trainierten Bauchmuskeln zeichneten sich wohlgeformt unter ihrer straffen weißen Haut ab.
Vivian redete sich ein, einen Unfall gehabt zu haben. Es war ein Moment der Unachtsamkeit, der die Katastrophe ausgelöst hatte, und nun kämpfte sie sich in kleinen Schritten zurück in die Normalität. Immerhin hatte sie jetzt wieder Finger- und Fußnägel, konnte laufen und … schön aussehen.
***
Sie wurde von zwei Sicherheitsangestellten in dunkelblauen Uniformen durch die Flure des Gebäudes geführt. Barfuß in einem Röckchen, das ihre Pobacken kaum verdeckte und mit einem roten Plug im Po, der sich deutlich von ihrer weißen Hautfarbe abhob, betrat sie den Aufzug, der direkt in das Besprechungszimmer des Topmanagers führte. Als sich die Türen öffneten, blickte sie in einen geschmackvoll eingerichteten Raum mit mehreren bequemen Lehnstühlen. Auf einem der Stühle saß bereits eine Frau. Vivian fühlte den weichen Teppich unter ihren Fußsohlen und ging lautlos zu der Sitzgruppe. Die beiden Sicherheitsmitarbeiter blieben vor dem Fahrstuhl stehen.
Auf dem Beistelltisch lag ein Tablet Computer. Daneben stand ein weißer Dildo, der anatomisch einem stattlichen Penis im erigierten Zustand entsprach. Der Dildo war durch einen großen Saugnapf sicher auf der Tischplatte befestigt. Eine dunkelhaarige Frau starrte den Dildo von ihrem Platz aus an, wie eine Hungrige eine Schale Süßigkeiten anstarren würde. Da Vivian nicht imstande war, sich verbal zu äußern, klopfte sie dezent auf den Tisch. Die Frau riss den Kopf mit wirbelnden Haaren herum, als fühle sie sich ertappt. Vivian winkte und versuchte, ihre prallen und tiefroten Lippen zu einem Lächeln zu verziehen.
»Hi, wow! Sie sind … schon … dran gewesen«, sagte die Dunkelhaarige und ging vor Vivian auf die Knie, »entschuldigen sie meine Unaufmerksamkeit, bitte.«
Irritiert schaute Vivian von oben auf die dunkelhaarige Frau herab, die mit ihrer Pagenfrisur und dunkel umrandeten Augen zu ihr aufblickte. Die Frau hatte normale Haut mit einem südländisch dunklen Teint. Sie trug einen knielangen schmal geschnittenen Lederrock und eine weiße ärmellose Bluse. Das einzig schräge an ihrem Outfit, war das zweifingerbreite Lederhalsband mit dem Edelstahlring auf Höhe des Kehlkopfes. Vivian konnte keinen Verschluss an diesem Halsband erkennen, abgesehen von dem Edelstahlring, war das Halsband selbst ein makelloser Ring ohne Anfang und Ende. Vivian reichte ihr die Hand zum Gruß und nahm dann auf einem der gepolsterten Stühle Platz.
»Ich heiße Dora Lynx.«
Da Vivian sich nicht vorstellte, fragte Dora mit treuem Hundeblick: »Wenn ich die Klappe halten soll, sagen sie es, dann werden sie nicht bemerken, dass ich hier bin.«
Vivian öffnete ihren Mund und zeigte auf das Kupplungsstück des Schlauches, dann zuckte sie mit den Schultern.
»Wow! Sie sind schon so weit … fortgeschritten. Ich warte noch auf meinen Termin. Sie müssen eine von den Ersten gewesen sein, oder?«
Vivian zuckte erneut mit den Schultern, sie ging davon aus, die Erste gewesen zu sein, war sich aber nicht sicher, welche Experimente der Konzern ohne ihr Wissen durchgeführt hatte. Die Anlagen, mit denen das von ihr entwickelte Verfahren an ihr durchgeführt worden war, machten nicht den Eindruck, als handele es sich um einen hastig zusammengebauten Prototyp. Durch Vivian fuhr ein stechender Schmerz der Erkenntnis.
»Hier, sie können doch schreiben, was sie sagen wollen«, sagte Dora und holte den Tablet Computer vom Beistelltisch.
»Ich heiße Vivian Ox. Ich habe die künstliche Haut erfunden«, tippte Vivian mit flinken Fingern. Die langen Spitzen ihrer künstlichen Fingernägel klackerten auf dem Display.
»Sie sind ein Genie«, sagte Dora und duckte sich in ihrer knienden Pose noch tiefer.
»Bitte setzen Sie sich, ihr devotes Gehabe macht mich nervös«, tippte Vivian.
Dora kam dem Wunsch mit willfähriger Hektik nach. Kaum saß sie auf dem Lehnstuhl neben Vivian, betrat der Vorstandsvorsitzende den Raum.
»Wie ich sehe, haben sich die Damen schon kennengelernt«, sagte er in einer staatsmännischen Geste. Dora rutschte von der Sitzfläche und kniete sich vor Mr. Reel.
»Bitte. Miss Lynx, sie dürfen natürlich auch sitzen«, sagte er und nahm gegenüber den Damen auf der anderen Seite des niedrigen Tisches Platz.
»Ist es so weit? Bin ich jetzt dran?«, fragte Dora, während sie Platz nahm, »ich bin so aufgeregt, die Erfinderin von Sin-Skin persönlich kennenzulernen.«
Vivian stutzte. Sie hatte den Begriff "Sin-Skin" noch nie gehört. Allgemein sprachen die Beteiligten von künstlicher Haut oder definierten es etwas wissenschaftlicher als biopolymere-symbiontische-multifunktionale-Dermalmembran. Vivian konnte den Gedanken nicht fortführen, da Mr. Reel weitersprach: »Nachdem sie die Arbeit von Miss Ox schon kennen, sollten sie etwas über ihre Forschung erzählen, Miss Lynx.«
Mr. Reel übergab das Wort an Dora Lynx und tippte eine Nachricht auf seinem Smartphone. Dora drehte den Kopf zu Vivian: »Oh, Entschuldigung. Ich bin Neuroinformatikerin und habe ein Verfahren entwickelt, durch das selbstlernende neuronale Netze mit den höheren Hirnfunktionen interagieren können. Es hat bei Ratten und Affen funktioniert. Es wird auch bei Menschen funktionieren, da bin ich mir sicher. Aber ich werde die Arbeit nicht veröffentlichen, denn in den falschen Händen wäre es eine schreckliche Waffe.«
Auf dem Tablet, das Vivian noch in den Händen hielt, erschien eine neue Textzeile.
»Sie glaubt das wirklich. … Der Chip ist in ihrem Halsband, die Schnittstelle zwischen Hirn und Halsband ist im vierten Halswirbel«, stand da. Mr. Reel warf Vivian einen vielsagenden Blick zu. Vivian unterdrückte ihr Entsetzen und drehte das Tablet so, dass Dora nicht mitlesen konnte. Aber Dora schien sich nicht für das Display zu interessieren, sie sprach weiter: »… ich konnte Ratten dazu bringen, vor ihren Fressfeinden Männchen zu machen, anstatt die Flucht zu ergreifen. Stellen sie sich einmal vor, man könnte Menschen derart manipulieren – sie würde es wahrscheinlich nicht einmal merken.«
»Starten sie die Musikdatei«, schrieb Mr. Reel und schickte die Nachricht mit einem Dateianhang an Vivians Tablet. Vivian startete den Dateianhang. Es war ein klassisches Klavierstück. Doras Redefluss kam ins Stocken, dann sagte sie verlegen: »Oh, das ist jetzt aber gemein.«
Vivian ließ die Musik weiterlaufen und schaute fragend zu Dora, deren Wangen rot wurden. Sie fuhr sich mit der Hand über ihr Dekolletee und öffnete einen Knopf ihrer Bluse, als wäre ihr zu warm. Mr. Reel schickte eine weitere Nachricht an Vivian: »Chopin wirkt direkt auf ihre sexuellen Neurotransmitter.«
Dora öffnete einen weiteren Knopf ihrer Bluse, ließ sich erneut von der Sitzfläche rutschen und ging auf allen vieren zu dem Beistelltisch, auf dem der weiße Dildo stand. Sie küsste den Schaft mit geschlossenen Augen über die gesamte Länge, bevor sie mit der Zunge zärtlich über die Spitze leckte, dabei floss ihr der Speichel aus dem Mundwinkel. Vivian beobachtete Mr. Reel, dessen Interesse vorerst Dora galt und sah in seinen Augen eine kalte Freude. Die erotischen Avancen, die Dora dem Dildo machte, ließen ihn unberührt. Er war entweder asexuell oder Asket oder ein asexueller Asket. Ihn interessierte die Darbietung nur insofern, als das sich alles nach seinen Vorstellungen entwickelte.
»Solange Chopin spielt, ist Miss Lynx abgelenkt«, sagte er und drehte den Kopf zu Vivian, »wie ich sehe, machen sie Fortschritte mit ihrer neuen Situation.«
»Was ist mit meiner Würde als Mensch. Das Recht auf Selbstbestimmung?«, tippte Vivian in das Chatprogramm. Der Manager lächelte: »Zuerst würde mich interessieren, wie es mit ihrer Würde als Frau bestellt ist.«
Vivian war von der Aussage überrascht und blickte an sich herunter. Sie saß breitbeinig mit einem knappen Röckchen vor einem Mann in einem Maßanzug. Erschrocken schlug sie die Beine übereinander. Warum war ihr das nicht aufgefallen? Sie hatte schon als kleines Mädchen gelernt, die Beine geschlossen halten zu müssen. Erst recht, wenn sie kurze Röcke oder Kleider trug. Konsterniert versuchte Vivian, ihre Gedanken zu ordnen. Der erste Anlauf in ihrem Kampf um ihr Recht war ins Leere gelaufen.
Der Manager erhob das Wort, bevor sich Vivian gesammelt hatte: »Dann würde mich noch interessieren, mit welchem Interesse sie Miss Lynx unnötig lange demütigen. Sie könnten das Musikstück stoppen und Miss Lynx somit eine würdevolle Teilnahme an diesem Gespräch ermöglichen. Offenbar genießen sie das Gefühl der Macht? Dabei hätte ich vor allem von ihnen ein gewisses Mitgefühl erwartet.«
Mr. Reels fadenscheinige Rhetorik brachte Vivian aus dem Konzept. Vivian tippte auf dem Tablet herum und versuchte, die Musikdatei zu stoppen, schloss dabei aber das Chatprogramm und fand das Icon nicht, um die App erneut zu öffnen. Chopin spielte unterdessen weiter. Der Manager erhob sich und nahm Vivian das Tablet aus den Händen. Mit einem gezielten Fingertipp stoppte er die Musik.
»Miss Ox, sie sind auf ihrem Gebiet genial, genauso wie Miss Lynx auf ihrem. Während Miss Lynx sich danach sehnt, in den Genuss ihrer Arbeit zu kommen, bin ich mir nicht sicher, ob sie an der Forschung von Miss Lynx teilhaben möchten. Diese neuronale Schnittstelle würde sie zwar deutlicher kooperativer werden lassen, aber sie schränkt die Kreativität ein.«
Vivian wollte auf keinen Fall ein Halsband mit einem Chip. Aber sie wollte sich auch nicht kampflos fügen. Vorwurfsvoll öffnete sie ihren Mund und zeigte auf den Schlauch.
»Körperöffnungen sind immer ein Problem, Miss Ox. Wir finden für jede Körperöffnung eine individuelle Lösung und wir werden darin immer besser«, sagte Manager und wirkte dabei aufrichtig besorgt. Vivian war nicht der Meinung, dass es Probleme gab, die man lösen musste. Die Schläuche und Ventile empfand sie als Schikane, um sie in eine maximale Unselbstständigkeit zu treiben. Vielleicht gab es aber doch Probleme, von denen sie nichts wusste. Und offenbar war sie nicht die erste Person, die diesen Prozess durchlief. Vivian kam sich gegenüber dem Vorstandsvorsitzenden klein und hilflos vor. In ihrem Outfit kam sie sich wie ein billiges Flittchen vor, das nicht einmal Schuhe trug.
Zu gerne hätte sie ihre Fragen in den Tabletcomputer getippt, aber der Manager hatte das Gerät hinter sich auf den Tisch gelegt und begann zu reden: »Sehen sie denn nicht auch die Vorteile? Sie werden niemals Falten bekommen. Mit etwas Disziplin und Sport werden sie bis ins hohe Alter wie eine junge Frau aussehen. Millionen Frauen träumen davon und sie zeigen nur auf die Nachteile.«
Er legte eine Pause ein, in der Vivian nachdachte. Das Gespräch entwickelte sich überhaupt nicht, wie sie es sich erhofft hatte, vor allem, weil sie sich nicht adäquat mitteilen konnte.
Dora kniete vor dem Dildo, der mit ihrem Speichel überzogen war, und schien zu überlegen, was sie hier tat. Mr. Reel zeigte auf Dora und erklärte Vivian: »Sie dürfen nicht denken, dass sie dumm ist, weil sie das tut. Sie ist hochintelligent und es bereitet ihr aufrichtig Freude, sonst würde sie es nicht tun. Seien sie sich gewiss, dass wir die Fürsorgepflicht gegenüber unseren Mitarbeitern nicht vernachlässigen, sie müssen uns aber die Gelegenheit geben, geeignete Verfahren zu entwickeln.«
Vivian konnte dem Manager nicht folgen. Sie tippte mit der Spitze ihres künstlichen Fingernagels gegen die Glaslinsen, hinter denen ihre Augen verborgen waren, und malte ein Fragezeichen in die Luft.
»Ach wissen sie Miss Ox«, sagte Mr. Reel und legte sich die weiteren Worte bewusst zurecht, bevor er sie aussprach, »In der Marketingabteilung waren sich alle einig, dass eine weinende Puppe der absolute Stimmungskiller wäre.«
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Als Mr. Reel den Raum verlassen hatte, saß Vivian reglos auf ihrem Stuhl. Ihre Beine waren züchtig übereinandergeschlagen und sie fragte sich, warum sie nicht von Anfang an in dieser Pose Platz genommen hatte. Das knappe Latexoutfit war ohnehin schon aufreizend genug und ihr neues Permanent Make-up musste selbst bei einem Asketen wie Mr. Reel Empfindungen auslösen.
*
Vivian erinnerte sie sich an die Pressekonferenz des Konzerns – an den letzten Abend ihres alten Lebens. Sie war überrascht, dass Mr. Reel alle Hoffnungen der Journalisten zerschlug, die darauf abzielten, dass die künstliche Haut Linderung oder Heilung für Millionen von Patienten bedeuten könnte. Der Manager wies darauf hin, dass eine Anwendung am Menschen noch ungewiss sei und wenn, dann wäre solch eine Behandlung für die meisten Menschen nicht bezahlbar. Irgendwann fiel ihm Vivian ins Wort und erklärte vor aller Welt, dass die Zellkulturen recht einfach herzustellen seien. Weiter kam sich nicht mit ihren Ausführungen, denn dann wurde ihr Mikrofon abgeschaltet. In dem Saal brach ein Tumult aus, weil die Reporter hören wollten was Vivian zu sagen hatte. Schließlich rief sie gegen das Stimmgewirr: »zur Not schaffe ich es alleine, zum Wohle der Menschheit!«
Nach diesem heroischen Versprechen w
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Bin auf die nächsten Teile gespannt.«
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Bitte schnell fortsetzen!«
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