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Kommentare: 8 | Lesungen: 2014 | Bewertung: 8.37 | Kategorie: Sex Stories | veröffentlicht: 16.05.2010

Söldnerleben III - Die Jagd 3/3

von

Kapitel 6

Das Kribbeln in Packards Nacken liess nicht mehr nach, seit sie die Stadt der Schwarzelben betreten hatten. Zuvor hatte er sich sicher gefühlt wie eine vorsichtige Maus, aber hier war die Gefahr, entdeckt zu werden, um ein Vielfaches grösser. Mit der Angst konnte er umgehen, denn nicht zum ersten Mal war er einer Bedrohung ausgeliefert. Er wusste jedoch, dass er sich nicht würde gefangen nehmen lassen, sondern im Kampf sterben.


Er blickte zum Fest, das einige Etagen unter ihnen im Gange war. Es fand auf einem Platz statt, dessen Ausmasse so enorm waren, dass er in mancher Stadt auf den Boden nicht zu finden war. Die Schwarzelben hatten ein Podest aufgestellt, das ehemals weiss gewesen, nun aber blutüberströmt war.


„Wir sind nicht mehr weit von Dorian entfernt“, flüsterte Arwjena. „Noch kann ich ihn nicht sehen oder spüren, wo er ist, aber ein Hauch von ihm liegt in der Luft.“


Die geländerlosen Brücken behagten Packard am wenigsten. Auf den meisten konnten er und Arwjena gerade noch so nebeneinander gehen, aber das war es nicht, warum er sie nur ungern betrat. So oft er sich auch umsah, konnte er das Gefühl nie vertreiben, dass jemand ihn beobachtete und sollte auch nur ein Schwarzelb sie entdecken, wäre alles vorbei.


„Wir können nicht ewig hier warten. Nur dank des Festes sind wir überhaupt so weit gekommen, aber es wird nicht so lange dauern, bis wir Dorian befreit haben.“


Packard presste die Lippen zusammen und blickte zurück in den Raum, in welchem sie standen. Nicht viel von der Helligkeit, die sie auf dem Boden noch gequält hatte, war übriggeblieben, nicht nur in diesem einfachen Zimmer im Baum, das ausser einigen Waffen und einem Gerät, das aussah wie ein Korkenzieher, nur viel grösser, nichts beherbergte. Als sie die Stadt betreten hatten, war es Packard vorgekommen, als blicke er durch ein geschwärztes Glas. Das Weiss, das er von unten noch wahrgenommen hatte, war dunklem Silber gewichen und die Räume in den Bäumen wurden erhellt durch blaue Kristalle, die unter der Decke hingen. Es war nicht direkt die Farbe, die bewirkte, dass Packard nicht deutlich sehen konnte, sondern etwas in ihr. Manchmal schien sich der Raum zu bewegen, als sei er nicht aus dem Baum herausgehauen worden, sondern ein eigenes Lebewesen.


Der Söldner griff nach seiner Handarmbrust – das erste, was er ertastete, war aber der Stein, den Alestar ihm geschenkt hatte. Einen Nutzen hatte Packard noch nicht herausfinden können und deshalb wollte er ihn in der Hosentasche lassen, aber einem Impuls folgend, zog er ihn heraus.


Packard konnte noch immer durch ihn sehen, aber an der vorderen Spitze hatte sich ein ausgedehnter roter Punkt gebildet. Der Söldner drehte ihn in der Hand, aber die Erscheinung blieb und was er bis jetzt nicht geglaubt hatte, schien zu stimmen. Er lenkte seinen Blick nach vorne. Das Fest lag in einer Linie mit dem Rot des Steins. Packard reichte ihn Arwjena, die überrascht aufkeuchte.


„Er scheint doch etwas zu bewirken“, flüsterte sie und hob ihn vor ihre Augen. „Dieser Fleck kann nur etwas bedeuten.“


„Gegner.“


„Ich kann ausser dem Fest nichts Rotes erkennen. Bedeutet das nun, dass wir nicht befürchten müssen, entdeckt zu werden?“ Hoffnung schwang deutlich in Arwjenas Stimme mit. Sie gab Packard den geheimnisvollen Stein zurück und beugte sich vor, um aus dem Zimmer sehen zu können. „Ich kann nirgends eine Wache ausmachen. Wenn es stimmt, was der Stein anzeigt, besitzt du ein mächtiges Artefakt.“


„Ich verlasse mich lieber auf meine Sinne.“ Packard steckte den Stein zurück in die Hose und nahm die Handarmbrust hervor.


„Auch diese können dich täuschen. Wir sollten von diesem Hilfsmittel Gebrauch machen.“


„Meist merke ich, wenn etwas nicht so ist, wie es scheint. Ich habe schon genug Gefahren gemeistert, damit ich die beste Methode kenne, um vorwärts zu kommen.“ Packard tippte sich mit dem Zeigefinger gegen den Kopf. „Gehen wir? Wenn wir noch mehr Zeit verlieren, kann uns nicht einmal der Stein mehr helfen, weil es dann nämlich von Schwarzelben wimmelt.“


Arwjena nahm einen zweiten Pfeil hervor und legte ihn auf. Mit leicht gespannten Bogen trat sie aus dem Baum auf eine der zahllosen Brücken. Nachdem sie einige Schritte gegangen war, blickte sie sich noch einmal um, diesmal mit der Sehne des Bogens nach hinten gezogen. Anschliessend huschte sie über die schmale Verbindung zwischen den Bäumen, hielt sich dabei so gut es ging abseits des Festes.


Packard wagte einen Blick nach unten. Nicht mehr, denn es musste nur einer der Schwarzelben den Blick nach oben richten – vielleicht aber nicht einmal das – und es wäre vorbei mit der Heimlichkeit.


Arwjena schob die Tür, die in das Haus am nächsten Baum führte, einen Spalt auf und lugte vorsichtig in die Kammer dahinter. Mit einer Kopfbewegung gab sie Packard zu verstehen, dass die Luft rein sei.


Mit raschen Schritten durchmass sie das Haus. Am Rande eines Balkons, der zur nächsten Brücke führte, stellte sie sich gegen eine schmale Säule. Sie schien aus Holz zu bestehen, glänzte aber wie Metall und Dornen standen in Abständen von nicht einmal einer Fingerlänge hervor.


„Wir dürfen uns nicht aufhalten lassen. Viel von uns ist in den Schwarzelben zu erkennen, aber was schön und glänzend war, ist nun besudelt. Sie sind nicht mehr an Wachsendem interessiert, sondern an Rädern und Eisen und … Blut.“ Das letzte Wort presste Arwjena hervor. „Weiter nun.“


Sie rannten über den nächsten Steg. Er führte sanft nach oben zu einer Plattform zwischen sechs Bäumen, aus dessen Mitte sich eine Skulptur erhob. Packard sah nur kurz hin, doch reichte es, um ihn erkennen zu lassen, dass sie aus Knochen bestand. Nichts anderes war mehr übrig geblieben, aber zeigten sie unverkennbar einen menschlichen Körper. Er stand auf einem Sockel, der sich als Brunnen herausstellte. Kein Wasser floss darin – sondern Blut.


„Zu so etwas sind sie verkommen. Sie respektieren das Leben nicht mehr, sondern machen es sich untertan, als gehöre es ihnen.“ Arwjena verlangsamte ihre Schritte, aber Packard zog sie weiter. „Sie sind wirklich mächtig geworden“, hauchte die Tochter Olrends.


„Aber davon dürfen wir uns nicht aufhalten lassen. Wir sind hier und ohne Dorian kehren wir nicht um.“ Während sie weiter den Brücken folgten, küsste Packard sie auf den Mund. „Dich als Elbin berührt der Aphel Oath, weil du auf den Ursprung des Niedergangs deines Volkes triffst, aber das darf dich nicht von unserem Ziel ablenken.“


Sie erreichten einen Kreuzungsbaum. Das Fest lag nun weit unter ihnen, aber das Strahlen, das von diesem Platz ausging, gelangte bis hierher. Obwohl es nicht die gleichen Helligkeit wie von ausserhalb der Stadt besass, blendete es Packard, wenn er in die Richtung blickte, aus welcher es kam. Er musste die Augen zusammengekniffen halten. Mit der Hand, in welcher er die Armbrust hielt, bedeckte er sein Gesicht.


„Den Stein. Ich nehme ihn hervor“, flüsterte Arwjena und griff in Packards Hosentasche. „Er zeigt das Gleiche wie letztes Mal.“ Packard hörte Beunruhigung in ihrer Stimme.


„Ich vertraue ihm nicht, solange es noch andere Wege gibt“, knurrte er und trat zur Tür auf der gegenüberliegenden Seite des Baumes.


„Hier entlang.“


Mit gerunzelter Stirn wandte sich Packard um. Sein Blick fiel zuerst auf den Stein, den die Elbin noch in der Hand hielt.


„Das hat nichts damit zu tun.“ Sie steckte ihn in eine Falte des Kleides und hielt den Bogen wieder zweihändig. „Dorian ist nicht mehr weit. Ich rieche ihn schon deutlicher.“


Packard überprüfte noch einmal die Handarmbrust und warf einen kurzen Blick die enge Wendeltreppe in der Mitte des Baumes hinab. Er konnte weder etwas sehen, noch hören, das verraten hätte, dass sie entdeckt worden waren. Und auch wenn ein Schwarzelb nach oben gekommen wäre ohne von ihnen zu wissen, hätte er Packard mit Sicherheit vorher entdeckt als der Söldner ihn.


Arwjena hatte die Türe bereits eine Handbreit geöffnet, doch Packard stiess sie wieder zu. Er stellte Adhavaan an die Wand und hängte die Handarmbrust an den Gürtel. Packard musste für einen Moment die Augen schliessen, um wieder zu sich zu kommen.


„Du siehst nicht gut aus“, hauchte Arwjena.


„Es ist diese verdammte Umgebung. Sie ist für Menschen einfach nicht geschaffen. Ich kann kaum noch klar denken.“


„Das ist die Macht dieser gefallnen Kreaturen. Sie können nichts aufbauen, nur zerstören, nicht heilen, nur schaden. Du zitterst ja. Können wir noch weiter? Ich werde dich auf keinen Fall verlassen.“


„Es ist nur ein Schwächeanfall“, keuchte Packard und lehnte den Kopf gegen die Wand. „Ich weiss damit umzugehen.“ Dass er beunruhigt war, überhaupt einen solchen Anfall zu erleiden, verschwieg er. Er schloss die Augen und versuchte, seine Kraft wieder hervorzuholen. Er spannte die Muskeln an und biss auf die Zähne.


Plötzlich spürte er Arwjenas Lippen auf seinen. Sie öffneten sich leicht und die Zunge der Elbin strich über seinen Mund. Es war nicht mehr als ein Hauch, doch als Arwjena von ihm abliess, fühlte er sich erholt und die Gedanken waren wieder die seinen.


„Wir sind einander inzwischen sehr nahe, aber nie hätte ich gedacht, dass wir uns gegenseitig Kraft geben können. Stets habe ich geglaubt, das können nur wir Elben unter uns.“ Sie schüttelte den Kopf, wie um einen unangenehmen Gedanken loszuwerden. „Aber später bleibt noch genug Zeit, um sich darüber Gedanken zu machen. Wir haben etwas zu tun.“


Jetzt war es Packard, der Alestars Stein hervorholte. „Wenn man dem Ding glauben kann, bleiben wir auch für die nächste Zeit ungesehen.“ Er nahm sein Schwert und schwang es, als müsste er es sich zuerst wieder an den Umgang gewöhnen. In die zweite Hand nahm er die kleine Armbrust und mit dem Ellenbogen öffnete er die Tür, damit Arwjena den Bogen gespannt halten konnte.


Auch hier führte eine Brücke zum nächsten Baum, aber diese war so schmal, dass sie nicht nebeneinander gehen konnten. Sie bestand aus einem Material, das Packard nicht bestimmen konnte, ohne es sich näher anzusehen. Er wäre gern schneller gegangen, aber der Untergrund bot kaum Halt.


Sie gelangten auf einen grossen Balkon, über den sich erst in der Nähe des Raumes ein Dach spannte. Ein Versteck gab es hier nicht, deshalb drängte Packard darauf, den Bereich rasch hinter sich zu lassen.


Arwjena blieb aber stehen, bevor sie die nächste Brücke betrat. „Siehst du den Käfig dort vorne? Dorthin müssen wir gelangen.“


Obwohl er ihrem ausgestreckten Arm mit den Augen folgte, entdeckte er nicht sogleich, was die Elbin meinte. Er sah sich nach einem Gefängnis an oder in einem Baum um. Erst als er seinen Blick zwischen fünf hoch aufragende Stämme richtete, gewahrte er den Käfig.


Arwjena war bereits einige Schritte vorausgegangen. Packard konnte es wagen, schneller zu gehen, denn diese Brücke bestand abwechslungsweise aus Eisen und Holz und er musste nicht befürchten, jeden Moment auszurutschen.


Die Elbin blickte nicht zurück. Mit raschen Schritten näherte sie sich dem nächsten Stamm und als sie ihn erreicht hatte, blickte sie sich nur kurz um und eilte mit traumwandlerischer Sicherheit weiter. Packard fiel langsam, aber stetig, zurück, dafür nutzte er die Zeit, um sicherzugehen, dass sie unbemerkt blieben. Als er keinen Schwarzelben gewahren konnte, steckte er sich die Armbrust an den Gürtel und holte den Stein hervor. Der grosse rote Punkt für die Versammelten des Opferfests lag nun beinahe in der Mitte und sie näherten sich ihm weiter.


„Wir haben ihn gefunden“, flüsterte Arwjena, als befürchte sie, ihre Worte könnten sich nicht bewahrheiten.


Der Käfig hing an vier metallenen Armen herab.


Was Packard die ganze Zeit befürchtet hatte, bewahrheitete sich: Dorian hatte sich keine Möglichkeit zur Flucht geboten. Aber nun hatten sie ihn gefunden. Der narbengesichtige Kämpfer konnte seinen Kumpan ausmachen. Er sass gegen eine Ecke gelehnt im Käfig und rührte sich nicht. Seine Brust ging jedoch auf und ab.


In diesem Moment stand er auf und presste das Gesicht gegen die Gitterstäbe. Er stiess den Schrei eines unbekannten Vogels aus. Die beiden winkten ihrem Freund zu.


„Hier ist der Mechanismus, Packard. Wenn wir ihn betätigen, schwenken die Arme zur Brücke und wir können Dorian befreien.“


Sie hatten sich dem Opferfest wieder etwas genähert. Von hier aus hatten sie freie Sicht auf den Platz zwischen den Bäumen, auf welchem sich die Schwarzelben versammelt hatten. Packard konnte keine einzelnen Körper ausmachen, er sah auf eine einzige, sich beinahe nicht bewegende, Masse hinunter. In deren Mitte stand der rote Altar. Ohne Zweifel hatten sie einen Menschen geopfert, das konnte Packard selbst von hier aussehen. Innereien lagen herum. Aus der Haut war eine groteske Puppe gefertigt worden und die Knochen bildeten eine schreckliche Skulptur.


„Packard!“ Arwjena sprach nicht laut, aber wie sie es sagte, liess ihn herumfahren. „Wir müssen uns um den Mechanismus kümmern.“


Der Söldner warf einen letzten Blick zur Zeremonie hinunter und stellte sich die bange Frage, ob es niemand bemerken würde, wenn sie den Käfig zur Seite holten. Es brachte nichts, darüber zu sinnieren, denn ohne den Arm abzuschwenken, konnten sie Dorian nicht befreien. Immerhin hätten sie einen kleinen Vorsprung, würden sie entdeckt – unter der Voraussetzung, alle Bewohner der Stadt hielten sich dort unten auf.


„Das ist ein ganz normales Rad. Dreht man an ihm, fährt der Käfig auf die Brücke rechts“, sagte Packard mit einem Blick. „Ich hoffe zumindest, dass ich das Prinzip richtig vermute.“ Er legte Schwert und Handarmbrust zur Seite und packte das Rad mit beiden Händen. Es bewegte sich jedoch nicht, als er zu drehen beginnen wollte. „Verdammt, irgendetwas sperrt. Hier, dieser Bolzen. Man muss ihn nach hinten drücken, dann gibt er das Rad frei.“ Mit beiden Daumen drückte er dagegen – erfolglos.


Der Söldner stand auf und streckte seinen Rücken. In seinen Augen stand geschrieben, dass es nur einen Funken benötigte, damit er explodierte. Er nahm Adhavaan und setzte die Klinge an den Bolzen. Mit einer einzigen ruckartigen Bewegung zerbrach er ihn. Zum zweiten Mal legte er die Hände auf das Rad, atmete tief durch und begann zu drehen.


Der Arm bewegte sich und Dorian stand auf. Er presste sein Gesicht gegen die Gitterstäbe


„Das reicht, nicht weiter“, sagte Arwjena und eilte zum Käfig. Packard überprüfte, dass sich das Rad nicht von alleine bewegte und folgte der Elbin.


„Packard? Arwjena? Seid ihr das wirklich? Ich kann meinen Augen kaum mehr trauen und egal, was ich denke, stets habe ich das Gefühl, diese Kerle wissen es.“


„Du musst dir keine Sorgen machen, wir sind es wirklich. Nie haben wir die Suche nach dir aufgegeben und nun haben wir dich gefunden. Jetzt müssen wir nur noch den Käfig aufbringen.“ Arwjena suchte das Gitter ab. „Ein Schloss gibt es keines, aber das habe ich auch nicht erwartet.


Prüfend fuhr Packard mit den Fingerspitzen über das Metall und befand es für einfachen Stahl. Mit einem befriedigten Lächeln stellte er fest, dass die Schwarzelben nicht alles neu erfanden. Mit dem Schwertarm holte er aus und liess Adhavaan gegen die Stäbe krachen. Funken spritzten, aber das Elbenschwert frass sich durch den Stahl. Dorian drückte von innen gegen den Käfig und zwängte sich in die Freiheit.


Bewegung schien auf den Platz zu kommen, als Packard das nächste Mal hinabblickte „Wir berichten später, was jeder erlebt hat. Jetzt müssen wir auf schnellsten Weg die Stadt verlassen.“ Schon rannte er los, er wollte den gleichen Weg zurück nehmen, wie sie gekommen waren.


Auf dem nächsten Balkon blieb er stehen, um auf Arwjena und Dorian zu warten. Der schwarzhaarige Söldner würde sie behindern, das stand fest. Packard hoffte nur, dass sie dennoch schnell genug vorwärts kamen, um die Stadt verlassen zu können, bevor das Opferfest zu Ende war.


„Ich hoffe, dass du weisst, wohin du mich führst. Siehst du diesen Handschuh? Oder diese Platte? Das habe ich den Schwarzelben zu verdanken und ich möchte nicht wissen, was sie mit mir anstellen, sollten sie mich wieder einfangen. Euch würde bestimmt das Gleiche blühen.“


Packard legte Dorian die Arme auf die Schulter und stiess ihn vor sich her. „Wenn du hier bleiben willst, musst du es nur sagen.“


„Wenn wir rasch genug sind, schaffen wir es auf dem gleichen Weg zurück. Ich kann nicht sagen, ob ich den Zugang wieder verschliessen kann. Besser nur einen offen stehen lassen als zwei.“


Packard führte die kleine Gruppe an. Sein Blick ging immer wieder hinunter zum Platz zwischen den Bäumen, wo sich die Schwarzelben versammelt hatten. In ihre Reihen war eindeutig Bewegung gekommen und es herrschte nicht mehr überall das gleiche Gedränge wie eben noch.


Packard ging noch etwas schneller, obwohl der Boden, aus welchem die Brücken bestanden, glänzte und der Söldner jederzeit damit rechnete auszurutschen. Er wagte es nicht einmal, sich umzusehen, weil er befürchtete zu fallen, wenn er nicht auf jeden seiner Schritte achtete. Sie kamen an Kreuzbäumen vorbei und wäre nicht die Gefahr gewesen, in eine Falle zu laufen, hätte es Packard riskiert, durch den nächstbesten auf die Erde zu gelangen.


„Ich hoffe, dass ihr wisst, wohin ihr mich führt. Ich habe keine Waffen ausser meinen Fäusten und ich glaube nicht, dass dies gegen die Schwarzelben reichen würde. Wir müssen ein Schwert auftreiben.“


Auf einem Balkon blieben sie kurz stehen, um sich umzusehen. Packard nahm den Stein hervor, aber noch zeigte er keine roten Punkte an und als Arwjena nickte, war der Söldner so sicher, wie man in dieser Stadt nur sein konnte, dass sich ihnen vorläufig niemand in den Weg stellen würde.


„Wir haben nicht vor zu kämpfen, deshalb wirst du auch kein Schwert benötigen. Wenn sie uns aufspüren, ist es um uns geschehen.“ Packard stiess sich vom Baum ab, gegen den er gelehnt hatte, und wandte sich der nächsten Brücke zu.


Sie gelangten in den Baum, in welchem Packard den Schwächeanfall gehabt hatte. Arwjena kam als letzte herein und wollte die Türe schliessen, aber Packard hob eine Hand und bedeutete der Elbin still zu sein.


Das Geräusch von Stoff, der auf Stoff rieb, drang von unten herauf und es kam eindeutig näher. Blitzartig griff Packard nach dem Stein. Ein roter Punkt war darauf zu sehen und dass er sich nicht bewegte, konnte nur etwas bedeuten: Der Schwarzelb kam die Treppe in der Mitte des Raumes herauf.


Der Söldner zeigte nach oben, eine andere Möglichkeit zur Flucht blieb ihnen nicht. Die Brücke war zu lang. Vielleicht wären sie bis zur Mitte gekommen, bevor sie entdeckt worden wären, wahrscheinlich jedoch weniger.


Mit angehaltenem Atem stieg Packard die Stufen hoch. In seinen Ohren dröhnte der Herzschlag. Obwohl er hätte schneller gehen müssen, wagte er es nicht, um ja keinen Laut zu verursachen. Hinter ihm kam Dorian, der ausser seinen Kleidern nichts mit sich trug, da war die Gefahr klein, dass etwas raschelte oder klapperte und Arwjena würde ohnehin kein Geräusch verursachen. Bei ihr machte er sich nur Sorgen, sie könnte die Gruppe durch ihr Wesen verraten.


Etage um Etage brachten sie hinter sich und nur weil die anderen direkt hinter ihm waren, konnte Packard sie hören. Er vergass allerdings nicht, dass auch Schwarzelben ein äusserst feines Gehör besassen und mit Sicherheit hätte es nur wenig mehr benötigt, dass ihr Verfolger sie gehört hätte.


Noch konnten sie nicht innehalten. Die Schritte unter ihnen hielten an. Auf Zehenspitzen stiegen sie eine Treppe nach der anderen hinauf und mit jeder Stufe, die sie hinter sich brachten, vergrösserten sie den Abstand zwischen sich und dem Schwarzelb, der es nicht eilig zu haben schien.


Packards Blick ging immer wieder zum Stein, den er in der rechten Hand hielt. Ausser dem einen roten Punkt konnte er keinen entdecken. Er hoffte nur, auch dieser würde verschwinden. Irgendwann könnten sie nicht weiter nach oben gehen und ein Kampf, so befürchtete er, würde nicht unbemerkt bleiben.


So weit kam es nicht. Der Punkt im Stein entfernte sich und Packard gab das Zeichen innezuhalten. Schritte waren keine mehr zu hören und der Söldner atmete tief durch, wie die anderen auch.


Arwjena trat zu Packard hin. „Zurück können wir nun nicht mehr. Es scheint, als habe uns das Glück verlassen, bevor wir die Stadt verlassen können. Wir müssen davon ausgehen, dass immer mehr Schwarzelben das Opferritual verlassen und wir nicht mehr alleine sind. Ich bin ohnehin überrascht, dass wir bis jetzt nicht auf mehr Widerstand gestossen sind.“ Die Elbin ging zur nächsten Tür und öffnete sie einen Spalt. „Hier ist die Luft jedenfalls noch rein, aber je weiter wir nach unten gelangen, desto schwieriger wird es, unbemerkt zu bleiben.“ Sie lehnte sich gegen die Wand neben der Tür.


„Wieso habt ihr es überhaupt gewagt, zur Stadt zu kommen? Ihr habt davon ausgehen müssen, dass ihr auf deutlich mehr dieser Kreaturen stossen werdet, als es dank der Zeremonie der Fall war.“


Arwjena wechselte einen Blick mit Packard und sagte anschliessend: „Ich glaubte nie wirklich, dass wir es schaffen würden. Aufgeben durften wir allerdings auch nicht, denn es galt einen Menschen aus ihren Klauen zu befreien. Jetzt scheint es allerdings, als sässen wir in der Falle. Wenn wir nach unten gehen, werden wir bestimmt entdeckt.“


Packard nahm wieder den Stein, aber er zeigte nichts. Er wollte es sich nicht eingestehen, aber so langsam begann er, dem Artefakt zu vertrauen. „Dennoch werden wir es versuchen müssen. Wir haben ein wichtiges Hilfsmittel, das uns in die Freiheit führen könnte. Erst müssen wir aber raus hier und einen Weg suchen.“ Er steckte es ein und ergriff die Handarmbrust. „Nicht die gesamte Stadt kann an diesem Fest teilgenommen haben.“


Dorian sah den anderen Söldner fragend an. „Was soll uns diese Erkenntnis bringen? Wir müssen trotzdem nach unten gelangen.“


„Das streite ich nicht ab, jedoch schätze ich die Wahrscheinlichkeit, entdeckt zu werden, als kleiner ein, wenn die Bewohner ihrem täglichen Leben nachgehen, als wenn sie auf dem Nachhauseweg sind.“ Bis jetzt hatte er sich noch keine Gedanken gemacht, was die Schwarzelben trieben, wenn sie nicht gerade die Sumpfmenschen überfielen oder jemanden folterten. Werkstätten hatte Packard nicht zu Gesicht bekommen und von Lebensräumen, wie er es von der Welt der Menschen her kannte, hatte er keine entdeckt. Der Söldner wusste nicht einmal, ob die Schwarzelben schlafen mussten – Arwjena legte sich jeweils neben ihn, sie schlief jedoch nur, um in die Traumwelt der Elben zu gelangen, Erholung benötigte sie in dieser Form nicht. „Haltet euch bereit.“


Dorian hob die Hand mit dem Eisenhandschuh. „Lieber würde ich eine Waffe halten. Dieses Ding ist mir unheimlich, von der Platte rede ich schon gar nicht. Ich hoffe, diese Sachen einmal loszuwerden.“


Packard zeigte auf den schwarzhaarigen Söldner. „Um das kümmern wir uns, wenn wir den Aphel Oath hinter uns gelassen haben. Wir gehen wieder hinaus, aber von nun an will ich kein unnötiges Wort mehr hören.“ Er gab Arwjena den Wink, die Tür zu öffnen.


Das Herz des narbengesichtigen Söldners schlug hart in der Brust, als er auf die Brücke hinaustrat. Wie viele zuvor war sie wie ein Speer, der durch den Bauch gestossen wird, regelrecht in den Baumstamm getrieben worden. Auch Packard konnte die Wunde im Holz kaum ansehen.


Er hörte Dorian, der zwischen ihm und der Elbin ging, keuchen und sogar leise wimmern. Seine Hände legten sich um ein nicht vorhandenes Schwert. Packard konnte es ihm nicht verübeln, weil er sich vorstellen konnte, wie es sein musste, ohne Schwert in einer solchen Umgebung gehen zu müssen. ‚Allerdings’, so dachte Packard, ‚wird keine Waffe auf Dara-Deus helfen, wenn die Schwarzelben uns entdecken.’


„Wenn wir dort hinüber gelangen, haben wir gute Möglichkeiten, etwas Zeit zu gewinnen“, stellte Arwjena fest und deutete hinter sich zu einem Baum, an welchem Dutzende Balkone angebracht waren. „Sie werden eine Weile brauchen, bis sie diese Stelle erreicht haben, denn ich sehe keinen Kreuzungsbaum.“


‚Hoffen wir nur, dass es keinen anderen Weg dorthin gibt.’ Arwjena sprach es nicht aus, aber aus ihrem Tonfall hörte Packard, dass sie es dachte. Der gleiche Gedanke kam auch ihm, aber der Krieger verscheuchte ihn, weil er nur ablenkte und schlimmstenfalls sogar lähmte.


Der Platz mit dem Fest geriet aus ihrem Blickfeld. Packard war nicht sicher, ob er als Vorteil sehen sollte. Die Gefahr, entdeckt zu werden, sank zwar, aber der Söldner sah der Gefahr lieber ins Auge, als ihr den Rücken zuzukehren.


Eine Bewegung zog den Blick des Söldners auf sich, als er jedoch zu einer tiefer gelegenen Brücke hinabsah, konnte er nichts entdecken. Sie erreichten den nächsten Balkon und pressten sich mit den Rücken gegen den Stamm. „Wir müssen noch vorsichtiger sein“, sagte Packard. Dorian sah ihn von der Seite her an, Arwjena nickte.


„Dir ist es auch aufgefallen?“, fragte sie.


Dorian hustete. „Was? Könnt ihr mir erzählen, was los ist? Wenn ich schon sterbe, dann nicht mit einem Messer im Rücken.“


„Sie kommen zurück“, flüsterte Arwjena. „Erst vereinzelt zwar, aber schon in Kürze wird es unglaublich schwierig sein, unbemerkt zu bleiben.“


Packard meinte schon wieder, etwas zu sehen, aber so schnell seine Augen auch waren – gegen Schwarzelben reichte das nicht. Er lenkte seinen Blick nach oben und suchte die Brücken und Balkone ab. Die Wipfel waren noch immer weit entfernt, obwohl die Gruppe schon weit nach oben gelangt war.


„Wollen wir nicht schauen, dass wir von diesem grässlichen Ort wegkommen? Wenn ihr mich fragt, ich hab‘s gesehen. Sharen wartet auf mich, sie ist sicher schon ganz begierig, mich wieder einmal zu spüren. Hätte ich doch nur ein Schwert, dann könnten wir uns womöglich den Weg freikämpfen.“


Auch wenn sie nicht darauf hoffen konnten, einen Kampf zu gewinnen, musste sich Packard eingestehen, dass er es lieber gesehen hätte, wenn der andere Söldner bewaffnet gewesen wäre. „Weiter geht‘s.“ Er knirschte mit den Zähnen, als er die Deckung verliess. So unzureichend sie auch gewesen war, besser als nichts.


Und genau letzteres hatten sie nun. Auf den Brücken konnten sie sich nicht verstecken und doch gab es keinen anderen Weg. Packard war nicht einmal sicher, ob sie ein rasches Tempo einschlagen sollten, weil das einiges auffälliger war als zu gehen. Hingegen, wären tatsächlich Schwarzelben in deren Nähe, würden sie auch entdeckt werden, wenn sie sich Mühe gaben, unauffällig zu sein. Was sie auch taten, einen Ausweg gab es nicht.


Ans Aufgeben dachte jedoch niemand. Über Brücken und Stege versuchten sie zu der von Arwjena gezeigten Stelle zu gelangen. Die Elbin ging voraus. Der Abstand zwischen ihr und den beiden Söldnern nahm stetig zu und sie musste immer wieder stehenbleiben, damit die anderen aufschliessen konnten. Packard alleine hätte ihr folgen können, aber Dorian hielt ihn auf. Nach der Zeit im Käfig hatte der schwarzhaarige Söldner Mühe, seine Schritte zu kontrollieren. Vielleicht lag es aber auch an der Stadt, Packard fühlte es selber auch, wie seine Gedanken immer wieder der Trägheit verfallen wollten und er fragte sich, ob es an Arwjena lag, dass er die Magie der Schwarzelben nicht so stark zu spüren schien wie Dorian.


Plötzlich blieb er stehen und beugte sich nach vorne. Sie waren inzwischen so weit oben, dass er die untersten Übergänge und Plätze beinahe nicht mehr sehen konnte. Das war es aber auch nicht, warum er so konzentriert nach unten blickte. Im Schatten eines Balkons machte er eine Bewegung aus. Die Stelle war nicht einmal so weit von ihnen entfernt, aber je mehr er sich anstrengte, klarer zu sehen, desto undeutlicher wurde das Bild. Seine Augen begannen zu tränen.


„Sag mir, dass du keines dieser Wesen entdeckt hast.“ Arwjena legte eine Hand auf seinen Arm.


Packard wischte sich die Augen trocken. „Der umgekehrte Fall wäre mir lieber.“ Nun konnte er wieder sehen, aber an der Stelle, wo er geglaubt hatte, eine Bewegung zu sehen, rührte sich nichts mehr. „Wir müssen noch schneller vorwärts kommen. Los!“


Die beiden Söldner rannten nun und sorgten sich nicht mehr darum, ob sie vielleicht entdeckt werden könnten, denn mit grösster Wahrscheinlichkeit war dies bereits geschehen. Packard, der zuhinterst ging, warf immer wieder einen Blick über die Schultern. Beruhigen konnte es ihn nicht, keinen Verfolger zu erblicken.


Höher und höher stiegen sie, eine Brücke nach der anderen überquerten sie – ohne auf einen der Schwarzelben zu stossen. Dieser Umstand beruhigte Packard nicht. Im Rennen griff er nach dem Stein und warf einen Blick darauf. Der grosse rote Fleck des Festes war verschwunden, dafür bewegte sich ein halbes Dutzend Punkte im Inneren des durchsichtigen Steins. Leider zeigte er nicht an, ob sich die Gegner auf der gleichen Höhe wie sie befanden. So klein die Gefahr bei der gewaltigen Grösse der Bäume auch war, konnte Packard sie nicht einfach ignorieren.


Er zeigte Arwjena den Stein, als sie zum nächsten Baum gelangten. „Sie kommen nicht näher, das ist beruhigend.“


„Sie könnten uns in Sicherheit wiegen und zuschlagen, wenn wir es nicht mehr erwarten.“ Dorian hörte sich alles andere als zufrieden über Arwjenas Aussage an.


Die Elbin liess sich aber nicht so einfach von ihrer Ansicht abbringen. „Warum sollten sie das tun? Sie sind genug, um eine ganze Armee der Menschen zu vernichten. Nein, wenn sie uns bemerkt hätten, wären wir nicht länger unbehelligt. Kommt nun, wir müssen weiter, wollen wir am Schluss nicht eingekesselt sein. Obwohl wir immer noch darauf achten müssen, nicht entdeckt zu werden, ist es auch nötig, dass wir rasch vorwärts kommen.


Sie übernahm wieder die Führung und brachte sie höher hinauf in die Bäume. Das Leuchten der Stadt nahm nicht ab, je weiter sie nach oben gelangten und Packard sah sich nach einer dunklen Ecke um. Falls es sie gab, blieb sie dem Söldner verborgen.


Auf einer weiteren Plattform blieb Arwjena stehen. Der Stamm dieses Baumes hatte einen deutlich geringeren Durchmesser als es Packard von dieser Stadt gewohnt war. „Hier müssen wir die Treppe nehmen, einen anderen Weg hinauf gibt es nicht.“ Sie zeigte auf die Stufen, die sich um das Holz nach oben wanden, überdacht von einem filigranen Baldachin. Leuchtende Kugeln, die so hell waren, dass Packard sie nicht direkt ansehen konnte, hingen unter ihm.


Dorian keuchte auf. „Das heisst, wir sitzen in der Falle, wenn Schwarzelben oben und unten auftauchen.“


Arwjena schien sich dieser Gefahr völlig bewusst zu sein, denn ihr Blick ging rasch hin und her, als könne sie sich damit versichern, dass keiner ihrer Feinde in der Nähe war.


Packard blickte ungerührt drein, obwohl auch er die Gefahr kannte, die eine Treppe in dieser Situation barg. „Bringen wir es hinter uns.“ Wann hatte er zum letzten Mal diese Worte gewählt? Er blickte ein letztes Mal auf den Stein. Rote Punkte zeigte er zwar, aber nicht in unmittelbarer Nähe. Eine Garantie, dass sie nicht auf Schwarzelben treffen würden, war das nicht.


Rasch, aber aufmerksam, erklommen sie die Stufen. Mit jeder, die sie weiter nach oben gelangten, hatte Packard das Gefühl, die Leuchtkugeln unter der Decke leuchteten weniger hell, als würde man einen dunklen Schleier davorhalten. Der Söldner schüttelte den Kopf, um die Illusion zu vertreiben. Adhavaan lag ruhig in seiner Hand, aber auch das Schwert war jederzeit zu einem Kampf bereit.


„Das ist noch einmal gut gegangen“, hauchte Dorian, „aber wo sind wir hier?“ Das Echo war lauter als seine Worte.


Sie waren nicht nur auf eine Plattform gelangt. Kalkweisse, spiegelglatte Wände zogen sich in die Höhe und vereinigten sich dort mit dem Stamm. Eine Lichtquelle konnte Packard nicht ausmachen, dennoch war es hier nicht dunkler als an einem anderen Ort in der Stadt. Sechs Ausgänge gab es, jeder führte in eine andere Richtung.


„Eine Halle“, flüsterte Arwjena und ihre Worte hallten nicht nach. „Ob sie nur das ist, was sie scheint, kann ich nicht feststellen.“


„Mir wäre es lieber, wenn wir rasch von hier verschwinden könnten. Diese Halle ist mir nicht geheuer.“ Dorian drehte sich auf den Fersen und blickte sich um, als müsste jeden Moment eine Horde Schwarzelben auftauchen. Obwohl er noch leiser sprach als vorhin, war das Echo laut genug, dass jedes Wort auch auf der anderen Seite zu hören wäre.


„Weiter“, flüsterte Packard und forderte Arwjena mit einem Wink auf, sie zu führen. Die Elbin nickte entschlossen und spannte den Bogen noch etwas mehr, hob ihn an, damit sie sofort schiessen konnte, sollten sie auf Feinde treffen. Ihre Schritte verursachten kein Geräusch, ganz im Gegensatz zu jenen der Söldner.


Packard warf einen sichernden Blick auf den Stein – zu spät allerdings. Arwjena hatte den Zugang bereits erreicht. Augenblicklich zog sie sich zurück und lehnte gegen die Wand. An den roten Flecken, die sich rasch bewegten, erkannte Packard, dass ihre Unerkanntheit das Ende erreicht hatte.


„Kämpfen lohnt sich nicht, es sind zu viele“, presste Packard hervor und warf Dorian die Handarmbrust zu. Er führte die Gruppe zu einem anderen Ausgang und sah sich um, ob es eine Möglichkeit gab, die Öffnung zu verriegeln. Falls es möglich war, konnte der Kämpfer den Mechanismus nicht ausmachen.


Der Vorsprung auf die Schwarzelben war kleiner, als der Söldner befürchtet hatte. Als Letzter verliess er den Raum und da erschienen auch schon die ersten Gegner im Durchgang, durch den die Gruppe hatte gehen wollen. Packard erwartete, irgend einen Laut zu hören, sei es ein Aufbrüllen oder einen warnenden Ruf, aber die Schwarzelben blieben so still, wie sie auch beim Kampf am Saum des Aphel Oath gewesen waren.


Sie kamen zu einer Treppe, die in schmalen, aber hohen Stufen weiter nach oben führte. Die geübten Augen des Kriegers bemerkten sofort, dass sie der ideale Ort war, die Schwarzelben aufzuhalten – hätten sie jemanden entbehren können, der sich dieser Aufgabe stellte. Einzig Arwjena traute er es zu, ihre Verfolger aufhalten zu können, aber auf die Elbin waren er und Dorian angewiesen.


Sie konnten nichts anderes tun, als zu rennen und die Hoffnung nicht verlieren, ihre Feinde abschütteln zu können, bevor die ganze Stadt wusste, in welche Richtung die Eindringlinge flüchteten und es unmöglich sein würde zu entkommen.


Die Treppe endete an einer Tür im Stamm eines Baumes, die sich leicht öffnen liess, zu Packards Bedauern aber nach innen aufging. Durch sie gelangte die Gruppe in einen Raum, von welchem aus eine Treppe nach oben und unten führte.


„Wenn wir aus dieser Stadt gelangen wollen, müssen wir abwärts gehen“, keuchte Dorian und ging bereits in die angegebene Richtung. Arwjena warf einen kurzen Blick zurück zu Packard, der sich einen Moment lang überlegte, die Tür zu blockieren. Adhavaan würde den Schwarzelben bestimmt nicht schmecken und ohne Zweifel könnte er sie einige Augenblicke aufhalten. Mit Sicherheit aber nicht lange genug, um Arwjena und Dorian eine wirkliche Hilfe zu sein.


„Folgen wir Dorian. Schnell!“ Seine Worte waren gar nicht mehr nötig, denn Arwjena hatte sich bereits in Bewegung gesetzt und hastete die Treppe hinab, der Söldner hinterher. In der Linken hielt er das Elbenschwert, das sich nun unruhig anfühlte, als bereite es sich auf einen Kampf vor. Etwas anderes war auch gar nicht möglich. Irgendwann würden sie kämpfen müssen, das wurde Packard nun klar und er konnte sich denken, wie das Ergebnis aussehen würde.


Kaum hatten sie das nächstuntere Stockwerk erreicht, hörten sie, wie die Tür aufgestossen wurde und gegen die Wand krachte. Wenn Schwarzelben so laut waren, hiess das noch viel Schlechteres als wenn man ihnen als Mensch einfach so begegnete.


„Der Stein, was sagt er?“ Arwjena blickte nach hinten und hastete weiter die Stufen hinab, den Bogen zur Hälfte gespannt.


Packard hatte schon mehr Mühe, mehrere Dinge zu tun, zumal er aufpassen musste, nicht fehlzutreten. Einer hätte gereicht und die Schwarzelben wären bei ihm. Stets hatte er davon geträumt, im Kampf zu sterben, aber hier war er nicht überzeugt, dass es die gefallenen Elben dazu kommen lassen würden.


„Weiter, weiter, solange wir noch können!“ Seine Worte lösten zumindest bei Dorian allem Anschein nach etwas aus. Er konnte das Tempo sogar noch steigern, nun nahm er immer gleich zwei Stufen auf dem Weg nach unten. „Sie vermögen uns zu folgen.“


„Aber sind nicht schneller als wir“, gab Arwjena zurück.


Packard kam nicht dazu, darüber einen freudigen Gedanken zu verschwenden, denn er konnte sich nur zu gut vorstellen, wie sehr Dorian Kräfte gelassen haben musste. Er selber hatte erfahren müssen, zu was die Schwarzelben imstande waren und nur dank Arwjena hatte er sich ihrem Einfluss bis jetzt entziehen können.


Die Lungen des Narbigen brannten, aber die Kraft verliess ihn noch nicht. Wer wusste, wie lange er noch durchhalten würde? Und erst Dorian. Noch war es wohl die Wut, die ihn trieb und solange er nicht langsamer wurde, wollte sich Packard nicht das Danach ausmalen. „Vor uns kann ich nichts erkennen“, rief er nach vorne. Dorian liess sich nicht anmerken, dass er die Worte gehört hatte.


Packard lauschte genau auf die Geräusche, die von hinten erklangen. Sollte sich etwas verändern, entginge es ihm nicht. Er biss auf die Zähne, während er Stufe um Stufe hinuntereilte. Sein Blick ging immer wieder zum Stein und erwartete jeden Moment, dass sich zu den fünf roten Punkten weitere gesellten. Vor ihnen, nicht dahinter.


Der Söldner konnte nicht sagen, wie viele Treppen sie schon hinter sich gebracht hatten, als Arwjena plötzlich zur Seite wich. „Hier raus.“ Sie warf sich gegen eine Tür und sie flog nach aussen auf. Woher sie gewusst hatte, dass sie sich nach aussen öffnete, darüber konnte sich Packard nicht wundern. Er folgte ihr, warf dabei einen sichernden Blick auf den Stein.


Vor ihnen breitete sich ein Balkon mit einem Dach darüber, das aus nichts mehr als Seide zu bestehen schien, aus. Das Licht der Stadt schien hindurch wie eine Kerze durch milchiges Glas. Der Boden glänzte in einem dunklen Rot, als handle es sich um getrocknetes Blut.


Wir müssen etwas mehr Abstand gewinnen“, sagte Arwjena über die Schulter. „Vielleicht können wir das, wenn wir nicht Treppen gehen müssen.“


„Und wenn nicht?“ Packard hätte diese Frage nicht gestellt, weil er sich über die Antwort keine Gedanken machen wollte, aber sein Kumpan schien es für wichtig genug gehalten zu haben.


Antwort erhielt er keine. Arwjena sagte etwas anderes: „Ausserdem könnt ihr etwas Kraft sparen, als wenn wir Stufe um Stufe hinunter müssen.“ Ihre Stimme klang matt, als sei es Arwjena, die nächstens nicht mehr weiter konnte, aber ihre Schritte hatten nichts von ihrer Eleganz eingebüsst und zielstrebig führte sie die Gruppe an den Rand des Balkons. Erst im letzten Moment entdeckten die Söldner die Brücke, die steil abwärts führte und so schmal war, dass sie keinen Fehltritt erlaubte. Arwjena zögerte nicht, die Schräge hinunterzueilen. Packard wollte wieder den Schluss bilden, doch Dorian blieb einen Moment stehen und warf ihm einen Blick zu, mit welchem er fragte, ob sie wirklich da hinab müssten.


Packard nickte und schaute zurück. Eben kamen die Schwarzelben aus der Tür. Als der Söldner wieder nach vorne sah, hatte sich Dorian in Bewegung gesetzt. Packard wollte nur, er würde sicherer wirken.


Auch der narbige Kämpfer wünschte sich, Arwjena hätte einen anderen Weg gefunden und es wurde noch schlimmer, als er die Brücke betrat. Nach den ersten Schritten kamen ihm Zweifel, ob er sich vielleicht getäuscht hatte und der schmale Untergrund noch einiges steiler war – oder sie es mit einem Zauber der Schwarzelben zu tun bekamen.


Es fühlte sich überhaupt nicht danach an, als ginge Packard auf einer festen Oberfläche. Eher hatte er das Gefühl, mit jedem Schritt in Watte einzusinken und kaum mehr loszukommen, wenn er die Füsse hob. Dabei durften sie sich nicht aufhalten lassen. Die Schwarzelben befanden sich nur noch wenige Schritte hinter den dreien und Packard vermutete nicht nur, sondern wusste, dass der Vorsprung nun dahinschmelzen würde wie Eis im Sommer.


„Dorian, die Armbrust! Das wird sie nicht zurücktreiben, aber vielleicht etwas aufhalten.“


„Wenn es nur so einfach wäre.“


„Wirf sie mir zu.“ Ob er sie würde auffangen können, darüber war er sich nicht so sicher und nach hinten schiessen war auch nicht das Einfachste.


Dorians Wurf gelang aber perfekt, Packard musste nicht nach der Armbrust greifen. Sie glitt in seine Hand und das befriedigende Gefühl, sich endlich wehren zu können, strömte durch seinen Körper. Wie weit es der Wahrheit entsprechen mochte, verdrängte er.


Blind schoss er nach hinten und mehr als aus den Augenwinkeln zurückzublicken getraute er sich nicht. Beinahe stolperte er auch so und nur weil er seinen Körper unter Kontrolle hatte wie kaum jemand, stürzte er nicht. Es wäre sein Tod gewesen.


Ein Pfeil zischte an Packards Ohr vorbei. Bevor der Kämpfer aufkeuchen konnte, sah er am Rande seines Blickfelds einen Körper in die Tiefe stürzen.


Arwjena hatte sich umgedreht und ging die Brücke rückwärts hinab. Ihre Füsse berührten den Boden beinahe nicht, so leicht waren ihre Schritte. Sie legte einen neuen Pfeil auf und liess den Bogen singen.


Einen weiteren Schwarzelb erwischte sie nicht, dafür hatte Packard den Eindruck, als würde der Abstand zwischen ihm und den Vorfolgern etwas anwachsen, wenn auch nur so weit, dass er ihren Atem nicht mehr im Nacken spürte. Der Weg bis zur nächsten Plattform war noch ein weiter und immer mehr gab Packard die Hoffnung auf, die Brücke unbeschadet zu verlassen, falls er Letzteres überhaupt tun würde.


Er versuchte es mit einem weiteren Schuss über die Schultern. Diesmal wagte er nicht nach hinten zu sehen und so erfuhr er auch nicht, ob der Bolzen etwas bewirkte.


Packard versuchte, schneller zu gehen und vielleicht gelang es ihm sogar ein kleines Stück, aber nicht so, dass es gereicht hätte, den Schwarzelben zu entkommen. Er steckte sich die kleine Armbrust an den Gürtel, dafür packte er Adhavaan mit beiden Händen und stiess es nach hinten. Er traf zwar nichts, aber ihre Feinde würden es nicht wagen, sich ihm unvorsichtig zu nähern. Angst vor dem Elbenschwert hatten sie, das wusste Packard.


Da zischte auch wieder ein Pfeil an ihm vorbei und obwohl der Kämpfer nicht feststellen konnte, ob das Geschoss etwas traf, wusste er immerhin, dass der Abstand zu den Verfolgern wieder etwas grösser wurde.


„Oh.“ Dorian streckte den rechten Arm aus. „Das ist gar nicht gut. Seht nur! Wir bekommen es mit noch mehr zu tun. Wir sind einfach zu langsam.“


Daran gab es nichts zu rütteln. Die drei Schwarzelben, die sich von einer Brücke rechts näherten, würden die nächste Plattform vor den beiden Menschen und der Elbin erreichen und Packard wüsste nicht, wie er noch schneller gehen konnte.


Womöglich war das auch gar nicht nötig. „Wir springen!“


Dorian brachte es zu Stande, nach hinten zu sehen, ohne hinzufallen. „Springen? Wohin?“


„Nach unten. Wir fallen nicht weit, weil sich ein Balkon unter uns ausbreitet. Eine andere Möglichkeit, ihnen zu entkommen, gibt es nicht.“


„Vorübergehend zu entkommen meinst du? Wenn die sehen, was wir machen, folgen sie uns sogleich. Wenn das überhaupt noch nötig ist, weil jemand von uns ein gebrochenes Bein hat.“


„Wir tun, was Packard vorgeschlagen hat“, rief Arwjena und liess Dorian keine Zeit, ihr zu widersprechen, indem sie umstandslos in die Tiefe sprang. Packard hörte seinen Kumpan aufstöhnen, im nächsten Moment liess sich aber auch der schwarzhaarige Söldner in die Tiefe fallen.


Packard rollte sich über die Schulter ab und im nächsten Moment stand er auch schon wieder auf den Füssen, Adhavaan in der linken, die Handarmbrust in der rechten Hand. Arwjena griff ihm in die Hosentasche und holte den Stein hervor.


„Sie kommen von überallher“, presste die Elbin hervor. „Dabei sind wir noch so weit über dem Boden.“


„Am besten wäre ein Ort, wo wir uns verteidigen könnten und gleichzeitig eine Möglichkeit zur Flucht hätten.“ Dorian deutete geradeaus und rannte los. „Ich werde nachsehen, was das dort vorne ist. Es war deine Idee mit dem Sprung, jetzt habe ich eine andere. Wir müssen es versuchen und ist die Gefahr auch noch so gross, ins Verderben zu laufen.“


In den Augenwinkeln sahen sie, wie auch die Schwarzelben diese Plattform erreichten, doch nicht nur jene, die sich direkt hinter ihnen befunden hatte, kamen näher: Aus allen Richtungen erschienen sie und es würde nur noch einige Augenblicke dauern, bis sie die Gruppe erreicht hätten.


Packard schoss auf einen der Schwarzelben. Wie er befürchtet hatte, verfehlte der Bolzen sein Ziel und auch dem zweiten, den der Söldner sogleich hinterherschickte, wich das Wesen aus, als gäbe es nichts Einfacheres.


Die Pfeile von Arwjenas Bogen zeigten da schon mehr Wirkung. Zwar konnten die Schwarzelben vereinzelt auch ihnen ausweichen, andere fanden aber ihr Ziel.


Ein schwarzer Schleier drohte sich über Packard zu legen. Der Kämpfer wusste nur zu gut, was geschehen würde, wenn er erst darunter läge. Dann hätten ihn die Schwarzelben und er wäre nichts weiter als ein Tier, das im Netz zappelte. Mit aller geistiger Macht wehrte er sich gegen den Einfluss. Sein Körper handelte nun von alleine, so konnte sich Packard ganz auf den Kampf in seinem Kopf konzentrieren.


Es musste Arwjena sein, die ihn berührte und ihn unterstützte. Plötzlich war der Kampf nicht mehr ausgeglichen, sondern am Horizont erschien ein weisser Streifen und das Dunkel musste ihm weichen. Packard trieb die falschen Gedanken zurück wie eine anstürmende Horde Reiter einfache Fusssoldaten.


Als er wieder zu sich kam, stolperte er um ein Haar über seine Füsse und nur weil er sich blitzschnell mit dem Schwert auf den Boden abstützte, blieb er auf den Beinen.


Sie erreichten den Ort, auf welchen Dorian vorhin gezeigt hatte. Auch hier handelte es sich um einen Raum, der nicht den Häusern in den Bäumen glich. Schwarzes Eisen umgab ihn. Packard war überzeugt, dass es selbst einer Sturmramme widerstanden hätte. Das war es, was sie benötigten. Jetzt musste sich der Raum nur noch verriegeln lassen. Warum sollte das nicht möglich sein, wenn er der Verteidigung diente? Dieses Argument doch mochte Packard nicht zu beruhigen, denn bei den Schwarzelben war einiges anders als er es gewohnt war.


Zwei der Gefallenen hielten hier Wache. Sie waren bereits aufgesprungen und kamen der Gruppe entgegen. Der erste hielt eines der doppelklingigen Schwerter in den Händen, während der zweite mit einem Bogen aufs sie zielte. Packard sah den Pfeil gerade noch kommen, um auszuweichen wäre es aber zu spät gewesen. Die Hand, in welcher er Adhavaan hielt, schnellte jedoch nach oben und die Klinge schlug das Geschoss zur Seite.


Arwjena hatte ihre geschwungenen Schwerter gezogen und parierte in diesem Moment einen mit grosser Kraft geführten Hieb. Sie tänzelte einen Schritt zurück und versuchte, nun selber in den Angriff überzugehen, gleichzeitig musste sie aber auch auf den zweiten Schwarzelb Acht geben.


Zumindest bis Packard ihn erreichte. Adhavaan sauste hinunter und spaltete den Bogen, den der Feind nach oben riss, um den Schlag zu parieren. Der Söldner stiess einen Fluch aus und musste rasch zur Seite treten, um der Attacke seines Feindes auszuweichen.


Es blieb keine Zeit, hier lange zu kämpfen, denn ihre Verfolger würden jeden Moment hier eintreffen und dann wären sie eingeschlossen, einen anderen Ausgang gab es nämlich nicht.


Ein dumpfer Knall liess Packard zurückblicken. Wo es vor einigen Augenblicken noch einen Durchgang gegeben hatte, befand sich nun eine Wand, die sich nicht von den anderen unterschied. Dorian wandte sich gerade um und auf seinem Gesicht lag ein triumphierender Ausdruck.


Eigentlich konnte es sich Packard gar nicht leisten, auf etwas Weiteres als den Kampf zu achten. Nicht mit einem normalen Schwert, aber mit Adhavaan fühlte er sich so sicher, dass er sich für einen Herzschlag ablenken lassen konnte. Danach musste er dafür umso mehr auf der Hut sein, denn auch das Elbenschwert schützte ihn nicht vor jedem Angriff.


Schwarze Finger wollten nach seinem Gedanken tasten und es war klar, von wem sie stammten: Gleichwohl Packards Gegner keine Miene verzog, wurde der Kämpfer den Eindruck nicht los, dass auf dem Gesicht des Schwarzelben ein Grinsen lag. Er schien durch Packard hindurchblicken zu können, schaffte es jedoch nicht, sich seiner Gedanken zu bemächtigen.


Der Schwarzelb kämpfte nun mit zwei Waffen: In der einen Hand hielt er eines der Schwerter mit zwei Klingen, in der anderen ein halbes Dutzend Pfeile, die er wie einen Dolch führte und nicht minder gefährlich waren.


Adhavaan blockte jeden Angriff. Funken sprühten, wenn die Schwerter aufeinandertrafen und jedes Mal versetzte es Packard einen Schlag in die Schulter. Wenn er einmal zu spät auswich, sprang er nach hinten. Zeit zum Luftholen, bekam er nicht. Er konnte gerade noch sein Schwert nach oben bringen, da krachte es auch schon wieder. Der Schwarzelb schlug mit den Pfeilen nach ihm und kam so nahe, dass Packard den Lufthauch spürte. Er musste einen weiteren Schritt nach hinten machen, um der Doppelklinge auszuweichen.


Nun fand er nicht einmal mehr Zeit, nach den anderen zu sehen, obwohl es nicht unerheblich war, ob sie mit dem anderen Gegner zurechtkamen. Er musste damit rechnen, jeden Moment ein Schwert im Rücken zu spüren.


Sobald er dazu kam, setzte er seine Attacken an, die zwar nicht mehr als Nadelstiche waren, aber seinen Gegner immer wieder aus dem Rhythmus brachten. Dies gab Packard die Zeit, sich immer wieder gegen den nächsten Angriff wappnen zu können. Der Schweiss lief dem Söldner in Strömen den Oberkörper hinunter und liess das Hemd, das er unter der Rüstung trug, wie eine zweite Haut an seinem Körper kleben.


Die Schwarzelben schienen nie an Kraft einzubüssen. Noch niemand hatte es geschafft, Packard zu besiegen, weil er kaum mehr ein Schwert heben konnte und auch hier war er noch ein gutes Stück davon entfernt, in Bedrängnis zu geraten. Die ersten Anzeichen von Müdigkeit konnte er jedoch nicht beiseitewischen. Umso mehr versuchte er, den Kampf zu einem Ende zu bringen.


Er stach in Richtung der Beine des Schwarzelben. Jeden Menschen hätte er ohne Mühe getroffen, aber dieses Wesen schien schon im Vornherein zu wissen, was er beabsichtigte und wich dem Angriff leichtfüssig aus, trug dazu gleich selber eine Attacke vor und dem Doppelklingenschwert folgte die Hand mit den Pfeilen. Eine der Spitzen traf Packard am Oberarm und hinterliess einen blutigen Schnitt.


In seinem Rücken hörte der Krieger etwas poltern und nur einen Lidschlag später Dorian aufstöhnen. In Packards Ohren klang es allerdings nicht, als habe sein Kumpan das Leben ausgehaucht.


Ein Pfeil liess den Schwarzelb nach hinten taumeln und obwohl er sich sogleich wieder fing, reichte es nicht, um Packard weiter Widerstand leisten zu können. Der Söldner drosch mit beiden Händen am Schwert auf das Wesen ein. Es krachte laut, wenn Stahl auf Stahl traf. Packard variierte seine Angriffe, mal schlug er zu, dann setzte es zu einem Stich an, der das Schwert durch den Körper seines Gegners getrieben hätte. Noch konnte der Schwarzelb parieren, aber die ungezähmte Kraft Packards trieb ihn immer weiter zurück.


Der Söldner machte eine Bewegung in seinem rechten Augenwinkel aus. Ohne genauer hinzusehen, wusste er, dass es sich um Dorian handelte. Der Schwarzhaarige kam mit einigen grossen Schritten heran und schob Packard zur Seite, als dieser einen heftigen Schlag gelandet hatte. Dorian holte mit der behandschuhten Hand aus und liess sie gegen das Kinn des Schwarzelben krachen.


„Ich würde sagen, das nennt man, sie mit ihren eigenen Waffen schlagen“, kommentierte Dorian und strich sich mit der freien Hand über die Faust. „Dieser Handschuh stellt sich noch als ganz nützlich heraus. Dein Schwert, Packard.“ Er streckte die Hand aus, aber der narbige Krieger gab Adhavaan nicht her. Er nahm die Armbrust und schoss dem Schwarzelb fünf Bolzen in den Hals. Dessen Schwert nahm er an sich.


„Ich würde es liegen lassen. Es kann dich verändern, genau wie der Handschuh und die Platte. Diese Gegenstände sind nicht für Menschen bestimmt.“


Dorian grinste schief. „Eines sage ich dir: Unbewaffnet fühle ich mich unwohl. Ich werde es behalten. Seltsam. Ohne den Handschuh wirkt es völlig falsch ausbalanciert.“


„Wir sind sicher hier“, verkündete Arwjena, die einige Schritte zurückgetreten war. „Dank Dorian. Er hat sofort erkannt, wie dieser Saal zu verriegeln ist.“


Packard liess seinen Blick schweifen. Der Durchmesser dieses Raums betrug möglicherweise fünfzehn Schritte. Auf dem dunklen Boden spiegelte sich Packards Körper. Eine Lichtquelle gab es hier drinnen nicht, war aber auch nicht nötig, weil zwischen den Eisenstäben genug Helligkeit hineinfiel.


Der Narbige trat zur Rückseite des Raums und schlug mit dem Schwertknauf gegen das Glas, das den Bereich zwischen dem Metall ausfüllte. Licht liess es herein, aber den Blick nach draussen verhinderte es.


„Das ist so hart wie Stahl. Wer dieses Material zerstören will, muss mit Belagerungswaffen kommen.“ Arwjena gesellte sich zu Packard, während Dorian sich um die Toten kümmerte. Er schleifte sie zusammen und trat gegen die Körper.


Der narbige Söldner schaute tief in Arwjenas Augen. Viel mehr als bei einem Menschen konnte er darin lesen und noch einiges mehr verbarg sich dahinter – nicht aber hinter einem eisernen Tor, das er nie würde durchbrechen können, sondern nur noch zu weit entfernt, als dass er es im Augenblick bereits begreifen konnte.


Mit dem Zeigfinger tippte er gegen das glasartige Material. „Was ist das?“


Die Elbin wandte den Blick ab. „Ich kann es nicht sagen. Dennoch stimmt es, was ich gesagt habe: Selbst für Schwarzelben in ihrer Stadt ist es schwierig zu durchbrechen. Wir haben den idealen Ort gefunden, um uns zurückzuziehen.“ Sie machte einige Schritte weg von der Wand. „Diese Halle dient der Verteidigung. Wir sind hier so sicher wie wir in der Stadt der Schwarzelben überhaupt sein können.“


„Doch wie lange?“ Packard glaubte immer noch nicht, dass nichts das Material zwischen den Eisenstäben durchbrechen konnte. „Die Schwarzelben haben bestimmt eine Möglichkeit gelassen, diese Halle stürmen zu können.“


„Verfahrt ihr Menschen beim Bauen von Festungen so? Das würde die Verteidigung schwächen. Nein, die Schwarzelben denken anders. Sie rechnen nicht damit, dass ihre Anlagen gegen sie verwendet werden können.“


„Packard! Arwjena! Seht nur, was ich entdeckt habe.“


Die Elbin erreichte den schwarzhaarigen Söldner zuerst. Packard beeilte sich nicht, zu Dorian zu gelangen. Neben den toten Körpern klaffte eine Lücke im Boden, ein Verschluss dazu war nicht auszumachen. Eiserne Sprossen waren in die Wand eingelassen


„Das ist der Weg in die Freiheit“, keuchte Dorian und sah auf. Seine Augen glänzten, die ganze Anspannung, die auf seinem Gesicht gelegen hatte, war weg, als habe eine Brise sie fortgeweht. In der behandschuhten Hand hielt er immer noch die Schwarzelbenklinge.


„Ist es das wirklich?“ Packard nahm Arwjenas Hand und drückte sie. Alles hing von ihrer Antwort ab. Ob es einen anderen Weg aus dieser Halle gab, konnte er nicht feststellen, ohne sie genauer in Augenschein zu nehmen. Nach dem, was Arwjena über die Schwächung von Verteidigungsanlagen gesagt hatte, vermutete er nicht, dass es eine Leiter gab, die hinausführte.


Arwjenas Lippen wurden schmal. „Die Schwarzelben haben auch hier alles abgeschirmt, sodass ich nicht feststellen kann, wohin wir gelangen. Wir müssen es wagen.“


Dorian war der erste, der sich daran machte, die Leiter hinabzusteigen. Der eiserne Handschuh blitzte ein letztes Mal im Licht der Halle auf, dann war der Kämpfer im Schacht verschwunden.


„Du zuerst“, sagte Packard und fasste Arwjena an die Schultern. „Es ist besser, wenn du rasch hier herauskommst. Wir wissen nicht, wie lange eine Elbin unbemerkt bleiben kann.“ Bevor sie die Leiter hinunterstieg, gab ihr Packard einen Kuss.


Der Söldner zog den Verschlussstein über die Öffnung und hoffte, die Schwarzelben würden vor Rätsel gestellt werden, wenn es ihnen gelänge, die Halle zu stürmen. Wenn sie nur nicht den Schacht hinauf kamen. Hören konnte er nichts, aber das hatte nicht viel zu bedeuten.


Fast vollkommen dunkel war es nun, da Packard den Schacht geschlossen hatte. Der Narbige musste sich jede Sprosse hinuntertasten. Er hätte schneller vorankommen können, aber er wusste nicht, ob die Schwarzelben Fallen angebracht hatten, solange sie die Leiter nicht selber benötigten. Dass Dorian und Arwjena vor ihm gingen, liess ihn nicht unvorsichtig werden.


„Ich kann noch nichts ausser einem grauen Schimmer erkennen“, flüsterte Dorian leise. „Keine Ahnung, woher er kommt. Es geht einfach nur hinunter.“


„Wir gehen weiter. Dieser Schacht muss hinausführen.“ Zumindest müsste er, wenn es nach Packards logischem Denken ginge. Er verharrte und griff nach dem Stein. Selbst in der Dunkelheit erkannte er die roten Punkte. Der Söldner schloss die Augen und versuchte sich vorzustellen, wo die Schwarzelben sich aufhielten. „Es sieht nicht aus, als kommen welche näher. Weiter, rasch.“


Eine Spur schneller als bisher stiegen sie Stufe um Stufe hinunter. Ganz sicher, ob sie vorläufig unbehelligt bleiben würden, konnte sich Packard nicht sein. Der Grund war nicht bloss das Misstrauen des Kriegers gegenüber dem Artefakt, er traute den Schwarzelben durchaus zu, sich verbergen zu können.


„Ich sehe etwas. Weit unten noch, aber zweifellos sind wir auf etwas gestossen.“ Sie kletterten noch etwas weiter, ehe sich Dorian wieder meldete. „Wir sollten kurz anhalten. Arwjena, kannst du etwas erkennen?“


Bis sie etwas sagte, dauerte es zu lange. „Dieser Weg führt nicht hinaus. Ich kann den Wald nicht spüren und sehe ihn auch nicht.“


„Wohin kommen wir dann? Das sieht grau aus dort unten. Ich will endlich aus dieser Stadt und dem verdammten Aphel Oath.“ Dorian knurrte etwas und schlug gegen den Schacht. „Werden wir jemals hinausgelangen?“


Packard blickte wieder in den Stein. Vorläufig schienen sie noch ihre Ruhe zu haben. „Wenn wir hier verharren, nicht. Irgendwann stöbern sie uns auf. Einen Weg hinaus gibt es bestimmt und wir finden ihn. Was auch immer vor uns liegt, wir stellen uns.“


Eine Sprosse nach der anderen stiegen sie in Richtung des Grau. Dorian stiess immer wieder ein missmutiges Seufzen aus, hielt im Abstieg aber nicht inne. „Wäre ich doch nicht zuerst gegangen“, sagte er plötzlich mit leiser Stimme. „Arwjena wäre sicher die bessere Führerin gewesen.“


Packard wusste, weshalb der Schwarzhaarige nicht zuvorderst sein wollte. „Wenn sie uns finden, ist es einerlei, wer wo steht. Wir sollten schauen, schneller vorwärts zu kommen.“


Dorian verhielt sich nun still und erhöhte tatsächlich das Tempo, verhinderte dabei aber, dass er verräterische Geräusche verursachte.


„Wir sind gleich da.“ Arwjenas Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, gerade noch zu hören. „Wartet, ich will …“


In den nächsten Augenblick war kein Geräusch zu hören. Packard hielt den Atem an und meinte, sein Herzschlag sei so laut, dass er beinahe ein Echo verursachte. Er blickte nach unten. Wie es aussah, würden sie in einen Raum gelangen. Hielten sich Schwarzelben darin auf? Bereits eine dieser Kreaturen würde genügen, um die ganze Stadt zu alarmieren.


„Ich kann keinen von ihnen ausmachen“, flüsterte Arwjena wieder so leise, dass es beinahe nicht zu hören war. Packard überhörte die zweite Botschaft in den Worten dennoch nicht. Sie konnte nicht sicher sein.


Nur eine Möglichkeit gab es, herauszufinden, wie es wirklich aussah. „Weiter“, wisperte Packard und griff nach der Handarmbrust. Adhavaan konnte er im engen Schacht nicht ziehen, aber den Griff berührte er. Das Elbenschwert war ruhig, nicht so, als rechne es mit einem Kampf. Oder wollte es ihm zu einer ruhigen Hand verhelfen?“


„Los!“ Dorian hielt seine Stimme nicht zurück. Das letzte Stück liess er sich fallen und die beiden anderen folgten ihm sogleich. Sie landeten in einem schmucklosen Raum mit tiefer Decke. Packard riss die Handarmbrust nach oben und Adhavaan flog in seine Hand, Arwjena spannte den Bogen.


Auf den ersten Blick konnte der Söldner keines der gefallenen Wesen entdecken. Das hiess aber nicht, dass sich keine in der Nähe aufhielten. Er machte einige rasche Schritte nach vorn, immer bereit, einen Angriff abzuwehren. Arwjena gab ihm Deckung. Er hoffte nur, dies würde reichen.


Ihre Vorsicht wurde nicht auf die Probe gestellt. Packard konnte nicht nur keinen Gegner finden, auch gab es kein Versteck.


Und keinen Ausgang.


„Wo in den Namen der Drei Männlichen Götter sind wir?“ Dorians Stimme kam nicht über ein Flüstern hinaus.


Packard stellte sich die gleiche Frage. Der kreisrunde Raum war leer bis auf sie drei. Der Söldner konnte gerade noch stehen, aber sein Kopf berührte die Decke. Woher das Licht kam, liess sich wieder einmal nicht feststellen.


„Wir sind hier im Nichts gelandet“, stöhnte Dorian auf. „Von einer Sackgasse in die andere? Sharen wird mich nie mehr spüren.“


Packard kniff die Augen zusammen und liess seinen Blick schweifen. ‚Welchen Sinn macht dies hier?’ Er verstand vieles der Schwarzelben nicht, aber ein leerer Raum ohne Ausgang dürfte auch im Denken der Schwarzelben zu nichts nütze sein. ‚Oder ist dies hier eine Vorratskammer, falls der Verteidigungsraum belagert wird?’


Gelangte man von hier aus tatsächlich nicht weiter?


Das zu überprüfen, daran machte er sich nun. Er tastete die Wände ab und achtete selbst auf kleinste Unebenheiten und Spalten. Wenn es welche gegeben hätte, aber die Wände waren so glatt wie Porzellan aus Ro-Pa-Ka. Erst jetzt, da er nichts gefunden hatte, begann er, die Wände nach einer hohlen Stelle abzuklopfen.


Dorian, der ihn zuerst mit kritischem Blick beobachtet hatte, beteiligte sich nun auch an der Suche nach einem Ausweg. Er kniete sich hin und überprüfte den Boden. „Vielleicht geht es ja gleich weiter wie vorhin“, meinte er. „Daran ist bestimmt Labia schuld, diese Verräterin. Sie kann nichts weiter als einflüstern und uns Männer versuchen zu verführen.“


Sein Fluchen war das einzige, das in der nächsten Zeit zu hören war, bis Packard ihm schliesslich gebot, still zu sein. Während er den Boden absuchte, beschäftigten sich Packard und Arwjena mit den Wänden und der Decke. Der Söldner wagte es nicht, auch nur ein Geräusch zu verursachen, sie konnten ja nicht wissen, ob die Schwarzelben irgendwie … hineinhören konnten. Er konnte sich nicht wirklich vorstellen, wie das gehen sollte, aber den Schwarzelben traute er es zu.


Zum Schluss konnte er sich aber kaum mehr beherrschen, nicht mit dem Schwertknauf gegen die Wand zu schlagen. In Gedanken verwünschte er die Schwarzelben – und sich, dass er auf die Idee gekommen war, eine von ihnen gefangennehmen zu wollen. Dorian erhielt auch noch einen herablassenden Blick. Packard machte ihm zwar keine Vorwürfe, denn wer konnte sich schon gegen Schwarzelben wehren, aber die Gefangennahme des langhaarigen Söldners hatte sie erst in diese Situation gebracht. Seine Wut bezog sich im Moment auf alles.


„Packard …“ Dorians Stimme liess ihn auffahren und beinahe den Kopf an der niedrigen Decke stossen.


Packard wollte den anderen Söldner schon anfahren, aber da bemerkte er Arwjena, die gegen eine Wand lehnte. Die Elbin war zusammengesunken und mit den Händen bedeckte sie ihr Gesicht. Packard wechselte einen Blick mit Dorian und trat anschliessend zu Arwjena, legte einen Arm um ihre Schultern.


„Die Kraft“, flüsterte sie, nicht mehr in der Lage, genug Kraft aufzubringen, um laut zu sprechen. Selbst so klang ihre Stimme brüchig.


In seinem Rücken ballte Packard die Hand zur Faust, anders konnte er seine Wut kaum mehr aushalten. Sie war zu einem Feuerball geworden, der in ihm tobte und dem Kämpfer den Schweiss auf die Stirn trieb.


Er küsste die Elbin so sanft auf den Mund wie er es in dieser Situation konnte. Ihre Lippen blieben für einige Augenblicke aufeinander liegen. Mit einem Lächeln löste sich Arwjena. „Es wird mir besser gehen, wenn ich hier raus bin.“


Packard strich ihr über die Haare. „Wir werden diesen Raum verlassen, das verspreche ich dir.“ Er presste die Lippen zusammen und nickte entschlossen. Wenn er diese Worte nur ehrlich aussprechen könnte. Er streichelte der Elbin über die Wange und versuchte, ihr so viel Kraft wie möglich einzuflössen.


Für einen entsetzlich langen Moment schloss sie die Augen. Sie griff nach Packards Schwertarm. „Adhavaan. Hast du es?“ Stirnrunzelnd zeigte er ihr das Schwert. Ein Lächeln liess ihr Gesicht gleich weniger müde aussehen. „Du brauchst es.“


„Nicht solange wir gefangen sind. Die Schwarzelben gelangen nicht hinein und wir nicht hinaus.“


„Doch. Geh dort hinüber und stich mit Adhavaan in die Wand.“ Sie schloss die Augen und lehnte den Kopf gegen die Wand, aber sie lächelte.


Packard stand auf und blickte hinüber zur Stelle, die Arwjena gemeint hatte. Er trat zur Wand, berührte sie, konnte aber nichts Auffälliges feststellen. Die Elbin konnte ihm nicht helfen, sie schien zu schlafen.


Adhavaan begann sich zu regen. Ein leichtes Zittern ging von ihm aus und die Klinge leuchtete sanft. Packard lenkte seinen Blick auf das Schwert. Nicht ohne Grund machte es sich jeweils bemerkbar.


Mit einem mal spürte er eine Hand auf seiner Schulter. Es war Dorian. „Was ist? Du siehst so ratlos aus.“


„Bis jetzt, doch ich setze dem ein Ende. Ich weiss nicht ob es stimmt, aber womöglich führt uns Adhavaan in die Freiheit.“ Dorian machte ein so verwundertes Gesicht wie sein Söldnerkumpan vorhin, aber Packard tat, was Arwjena ihm aufgetragen hatte und stiess mit dem Schwert gegen die Wand. Die Spitze der Elbenklinge tauchte in das schon fast steinharte Holz ein und je länger Packard zustach, desto tiefer versank die Schneide.


„Woher … das ist ja …“ Mehr brachte Dorian nicht heraus. Er strich sich die Haare aus dem Gesicht und machte einige Schritte zurück, wobei er das Schwarzelbenschwert in Verteidigungsstellung hob, als erwarte er, im nächsten Moment von einem Monster angefallen zu werden.


Packard konnte noch immer nicht ganz fassen, was er da tat. Als schneide er mit einem Messer Butter ab, formte er mit Adhavaan einen quaderförmigen Durchgang und als er dort anlangte, wo er angefangen hatte, zog er Adhavaan heraus und trat gegen die Wand. Das Geräusch, das entstand, als das herausgeschnittene Stück auf den Boden des Raums dahinter fiel, gehörte eindeutig zu Holz.


Mit wild pochendem Herz stieg Packard durch die Öffnung, Schwert und Armbrust in den Händen. Ein kühler Luftzug strich durch seine Haare. Vorsichtig machte er einen weiteren Schritt, obwohl sich hier niemand verstecken konnte.


Höchstens im kreisrunden Loch in der Mitte des Raums. Der Söldner wagte kaum zu atmen, als er näher heran trat. Niemand griff ihn an, aber der Schacht führte auch nicht nach draussen, sondern nur in eine Schwärze, die überall enden konnte. Packard lehnte sich vor und Adhavaan begann zu leuchten, aber selbst das Elbenschwert konnte die Dunkelheit nicht vertreiben.


„Hast du etwas?“, fragte Dorian von hinten.


Mit einer Handbewegung rief Packard den schwarzhaarigen Söldner herbei. Nicht nur dieser tauchte dann an seiner Seite auf, sondern auch Arwjena. Die Schwäche hatte sie noch nicht ganz überwunden, das sah Packard ihr an, aber sie wieder aufgerichtet zu sehen, war etwas, womit er nicht so bald gerechnet hatte.


„Das ist der Weg in die Freiheit. Ich habe es durch die Wand gespürt, aber der Einfluss der Schwarzelben war noch zu gross.“


„Du bist auch ganz sicher, dass wir hier aus der Stadt gelangen?“ Dorian hörte sich alles andere als überzeugt an. „Ich möchte nicht in eine Falle laufen, alles wäre mir lieber als das.“


„Solange wir nicht draussen sind, können wir nicht sicher sein“, erinnerte Packard ihn und wandte seine Aufmerksamkeit Arwjena zu. „Ich vertraue dir und im Notfall haben wir immer noch den Stein.“ Er holte ihn aus der Hosentasche und übergab ihn der Elbin. „Es ist klüger, wenn du ihn bei dir hast. Ich gehe aber voraus.“ Indem er sich sogleich daran machte, die Leiter in den Schacht hinabzusteigen, liess er keine Widerrede aufkommen.


Immer wieder zog er Adhavaan, um einige Schritt in die Tiefe sehen zu können. Dass die Gruppe entdeckt worden wäre, darauf gab es keinen Hinweis, überhaupt war kein Laut zu hören, was Packard aber nicht beruhigte. Seit sie sich eingeschlossen hatten, war kein Geräusch zu ihnen gedrungen.


Er konnte nicht sagen, wie lange sie geklettert waren, bis sie in einen kleinen Raum kamen. Adhavaan spendete Licht, aber keine Tür oder etwas Ähnliches war zu sehen. Unruhe stieg in Packard auf und Dorian konnte schon nicht mehr stillstehen.


„Ich weiss, wo wir sind“, sagte Arwjena. Abscheu lag in ihrer Stimme. Sie legte beide Hände gegen die Wand des kleinen Raumes und verharrte. Leise summte sie eine Melodie, nein, nur ein Ton, der die Luft zum Vibrieren brachte. Packard wusste es sich nicht anders zu erklären.


Nicht lange und die ganze Kammer schien sich zu bewegen und das anscheinend nur aufgrund Arwjenas Summen. Packard verstärkte den Griff um Adhavaan noch, doch das Schwert schien nichts zu befürchten und steckte den Kämpfer mit seiner Ruhe an.


Ein Knirschen ertönte und bevor Packard erkannte, was vor sich ging, flutete silbernes Licht die kleine Kammer. Der Söldner hielt sich den Arm vors Gesicht, weil ihn die Helligkeit nach der langen Dunkelheit blendete. Blind machte sie ihn aber nicht. Durch den Stoff seines Hemds hatte er guten Blick auf das, was vor ihm lag.


Er sah Baumstämme, die aus dem Boden wuchsen wie jahrhunderte alte Säulen, die, zumindest im Verständnis der Menschen, nie vergehen würden. Langsam, weil er es kaum glauben konnte, verliess er den Raum, duckte sich unter den silbernen Fäden – und liess seinen Blick nach oben zur Stadt der Schwarzelben gleiten.


Aus den Augenwinkeln sah er Dorian neben sich treten. „Wir haben es tatsächlich geschafft“, hauchte er beinahe ehrfürchtig und fügte dann hinzu: „Arwjena hat es geschafft. Wir sind frei.“ Er hob die behandschuhte Hand, in welcher er das Schwert mit der Doppelklinge hielt. „Was ist nun mit der Schwarzelbin?“


„Rennt! Wir müssen weg von hier, sonst finden sie uns. Ich kann nicht mehr in die Stadt zurück“, keuchte Arwjena. „Aber haben wir einen Hinweis, wo wir sie überraschen können? Gegen eine dieser Kreaturen könnten wir bestehen.“


Sie huschten von Baum zu Baum, krochen unter Büschen hindurch und rissen sich dabei die Haut auf. Sogar Arwjena blutete. Sie befanden sich nicht mehr unter der Stadt, aber Arwjena liess sie weitergehen. Erst kurz bevor sie zusammenbrach, blieb sie stehen.


„Als ich dies und dies bekommen habe …“ Dorian zeigte auf den Handschuh und die Platte. „…, sind mir einige schwarze Gegenstände aufgefallen. Damals habe ich sie nicht bemerkt, aber jetzt fällt es mir wieder ein.“


„Kannst du sie beschreiben?“, fragte Arwjena.


„Abgesehen davon, dass ich vor Schmerzen geschrieen habe, war es keine Schwierigkeit, mich etwas umzusehen.“


„Beantworte Arwjenas Frage“, sagte Packard, der Dorians Sprüche satt hatte.


„Schwarz … einfach schwarz. Ich habe Nadeln gesehen – grosse Nadeln, als wollten die Schwarzelben literweise Flüssigkeit in jemanden pressen. Es hat nicht wie Metall ausgesehen. Aber ich bin nicht sicher. Stellt euch meine Situation vor …“


Arwjena legte ihm eine Hand auf die Schulter. Sie war seltsam kraftlos. „Ich denke, das reicht“

Kapitel 7

Dorian fühlte sich bereits wieder müde, obwohl nicht mehr als zwei oder drei Stunden vergangen sein konnten, seit er erwacht war. Der Aphel Oath und besonders die Stadt raubten ihm mehr Kraft als ein langes Duell Mann gegen Mann. Er schaute nach oben zu den weiss und silbern erleuchteten Wipfeln und senkte den Blick sogleich, weil die Helligkeit in seinen Augen schmerzte. Er würde diese Stadt nie wieder betreten, weder freiwillig noch gefangen, das schwor er sich in diesem Moment. Vorher würde er für seinen Tod sorgen und wenn sie die Wächterin nicht fänden – eine andere Schwarzelbin müsste eben für die Qualen büssen. Am liebsten hätte Dorian sie für sich gefangen und ihr das zurückgezahlt, was ihm angetan worden war. Womöglich liess Packard doch noch mit sich reden.


Die Stadt verschwand hinter einem felsigen Hügel, der wie ein Vulkan aus der Erde brach und einen harten Umriss warf. Als sie in den Schatten traten, kam es Dorian für einen Moment vor, als begebe er sich in tiefste Finsternis. Er war es gewohnt, dass sich seine Augen rasch an veränderte Lichtverhältnisse anpassten. Hier musste er jedoch ungewöhnlich lange warten, bis er wieder klar sah.


„Hältst du dein Schwert bereit?“, flüsterte Packard. „Wir haben zwar Arwjena und den Stein, aber ich traue den Schwarzelben nach wie vor zu, dass sie uns auch so täuschen können.“


Dorian grinste grimmig. „Ich werde sie mit ihren Waffen schlagen, wenn sie es noch einmal wagen, mir zu nahe zu kommen. Nun bin ich gefasst und lasse mich nicht noch einmal gefangen nehmen.“ Er fuhr mit der Hand der Doppelklinge entlang, als hielte er sein eigenes Schwert in der Hand.


Er blickte nach vorne und wünschte sich, etwas erkennen zu können, aber da war nichts ausser schwarzem Fels und der beinahe ebenso dunkle Boden. Der Söldner spürte das Laub unter seinen Füssen, aber hörte es nicht rascheln, als sei es – tot. Nicht mit menschlichen Sinnen wahrzunehmen. Dorian schluckte schwer und überlegte sich, dass es gescheiter wäre, ohne die Schwarzelbin zu verschwinden, so würden sie immerhin am Leben bleiben. Packards Antwort auf diesen Vorschlag kannte er, deshalb fragte er nicht nach.


Was wohl Sharen machen würde, wenn er im Aphel Oath stürbe? Auch hier, am Ende der Welt, wie es Dorian vorkam, war sie begehrt und bestimmt würde der Wirt sie nicht hergeben. Ihr Gesicht erschien vor seinem inneren Auge und erinnerte ihn, warum es sich lohnte zurückzukehren. Für den Wirt hoffte er nur, dass sich niemand an ihr vergriffen hatte.


Er tippte Packard, der vor ihm ging, auf die Schulter. „Siehst du bereits etwas? Es kann doch nicht so weit sein.“


„Weiter als man denken könnte“, antwortete der Narbige und befriedigte Dorian damit nicht. Ihm blieb nichts übrig als zu warten und sich mit der Vorfreude, seiner Wächterin alles zu spüren zu geben, was er erlitten hatte, zu trösten. Wenn sie denn wirklich dort war. Er schielte über Packards Schultern, um vielleicht einen Blick auf den Stein erhaschen zu können. Arwjena ging jedoch voraus und zeigte ihm nicht, ob etwas vor ihnen lag. Dorian entschied, dass es klüger war, still zu sein.


Mit jedem Schritt nahm seine Anspannung zu und das nicht nur zum Guten. Die Möglichkeit, in einen Hinterhalt zu geraten, bestand ebenso wie auf die Schwarzelbin zu stossen. Er schickte ein Stossgebet zu allen Drei Männlichen Göttern, sie mögen ihn beschützen, denn er handelte ganz in ihrem Sinn, während diese schwarzen Kreaturen ihre eigenen, blutrünstigen, Götter hatten. Dorian wollte gar nichts Genaueres über sie wissen.


Er liess seinen Blick schweifen, beugte sich vor, um eine Spur weiter zu sehen, aber er konnte keinen Schwarzelben entdecken. Darüber hätte er froh sein können, aber im Aphel Oath traute er nichts und niemandem, nicht einmal seinen Augen. Das Gefühl des Schwerts in seiner Hand gab ihm jedoch etwas Sicherheit.


Wenn er es so ansah, konnte er sich kaum vorstellen, damit zu kämpfen und hielt er es in der falschen Hand, kam es ihm völlig falsch ausbalanciert vor. Mit der behandschuhten aber liess es sich leicht und präzise führen. Einen Kampf hatte er noch nicht bestritten, aber Dorian war überzeugt, dass er bestehen könnte. Beim Gedanken, den Schwarzelben ihre Erfindungen zu demonstrieren, wünschte er sich beinahe schon einen her.


„Leise nun, wir sind bald am Teich“, flüsterte Packard beinahe nicht hörbar und steckte sich etwas in die Hosentasche. „Vielleicht werden wir kämpfen müssen, halte dein Schwert also bereit.“


Dorian hätte gern genauer gewusst, ob es zu einem Scharmützel kommen würde. Packard hatte den Stein wohl wieder an sich genommen, dem Schwarzhaarigen aber nicht gesagt, was er zeigte. Dieser knirschte mit den Zähnen und fand sich damit ab, ins offene Messer zu laufen. Sein Griff um das Schwertheft wurde noch etwas fester und nun war er bereit zum Kampf. Er wartete nur noch auf Arwjena und Packard.


Die beiden liessen sich jedoch Zeit. Dorian vernahm kein Geräusch, nicht einmal einen Hauch, das verraten hätte, auf was der narbige Söldner und die Elbin warteten. Welchen Sinn hatte es? Entweder empfingen die Schwarzelben sie oder nicht, wobei er nicht glaubte, dass die Gruppe erwartet wurde. Welchen Sinn würde es für die Bewohner des Aphel Oath machen, sie erst jetzt anzugreifen? Mit diesen Gedanken versuchte er, sein Herzklopfen in den Hintergrund zu drängen und seine Ungeduld zu unterdrücken. Warten gehörte nicht zu seinen Stärken, lieber schlug er rasch und mit voller Wucht zu.


Schon hatte er das Gefühl, die beiden würden nicht mehr aus ihrer Deckung stürmen, da stupste Packard ihn an und nebeneinander stürzten die Söldner hinter dem Felsvorsprung hervor, Arwjena stand hinter ihnen mit gespanntem Bogen, zwei Pfeile im Anschlag. Dorian war so darauf bedacht, eine Gruppe Schwarzelben zu erblicken, dass er die einzige Person beinahe übersah.


Obwohl das Licht keine Details erkennen liess, wusste Dorian auf den ersten Blick, dass sie es nicht nur mit einer Schwarzelbin zu tun hatten, sondern mit der einen, jene, die Dorian am meisten hasste. Er roch es, konnte es fühlen und seine Wut flammte mit einem Mal so heiss wie Feuer in der Schmiede auf. Der Kämpfer rannte los, ohne dass er es seinen Beinen befohlen hatte. Die Füsse trugen ihn einfach, schneller sogar als wenn er an einem anderen Ort gewesen wäre. Hinter sich hörte er die Schritte Packards, aber er wartete nicht auf den anderen Söldner.


Ein Pfeil zischte an seinem Ohr vorbei, aber er war von hinten gekommen. Die Schwarzelbin wich so blitzartig aus, dass Dorian mit den Augen beinahe nicht folgen konnte. „Noch ein Schuss, Arwjena!“, rief der Söldner. Solange die Schwarzelbin sich auf Pfeile konzentrieren musste, konnte sie nicht entkommen.


Zumindest konnte er es sich nicht vorstellen, bis er die Bewegung seiner Erzfeindin sah. Etwas Schnelleres hatte er noch nie gesehen. Sie stand schon an einem anderen Ort, als das nächste Geschoss an ihm vorbeizischte. Er keuchte voller Fassungslosigkeit über die Schwarzelbin, aber liess sich von nichts zurückhalten. Das Doppelschwert hielt er vor sich, bereit, einen Angriff abzuwehren.


Ihre Gegnerin liess sie auf sich zukommen und Dorian dachte schon, sie würden leichtes Spiel haben, da zückte sie wie aus dem Nichts zwei Schwerter aus schwarzem Eis. Die Klingen glänzten und Dorian musste sie nicht zu spüren bekommen, um zu wissen, dass selbst ein mittelstarker Hieb ihn vom Hals bis zur Hüfte gespalten hätte. Inne hielt er trotzdem nicht, das Schwert voraus hielt er auf seine Peinigerin zu. Erst als er sie beinahe erreicht hatte, bremste er leicht, damit sie es gleichzeitig mit Packard zu tun bekommen würde.


Der schwarzhaarige Söldner schrie auf, als er den ersten Streich führte, der einem Menschen den Arm abgehackt hätte. Seine Gegnerin parierte allerdings mit gekreuzten Klingen und stiess ihn zurück. Nebel fasste seine Gedanken ein und für einen halben Herzschlag wurde es schwarz vor seinen Augen. Im nächsten Augenblick war alles wieder wie vorher, aber noch bevor er wieder festen Stand gefunden hatte, war sie heran und stach nach seinem Bauch.


Ein Blitz schlug das schwarze Schwert jedoch entzwei und die Schwarzelbin musste zurückweichen, wollte sie Adhavaan nicht an sich spüren. Packard nutzte den anfänglichen Schwung, um ihre Gegnerin weiterhin unter Druck zu setzen. Er führte seine Waffe zweihändig und die Schläge kamen mit einer Wucht, der die Schwarzelbin mit nur noch einem Schwert nicht widerstehen konnte. Jedoch wusste sie den Angriffen auszuweichen und bei jeder Gelegenheit liess sie ihre Klinge vorschnellen.


Dorian umkreiste die beiden und gelangte in den Rücken der Schwarzelbin, die ihn nicht aus den Augen liess. Er war noch nicht nahe genug heran, um den nächsten Angriff auf seinen Söldnerkumpan zu verhindern. Packard musste einen raschen Schritt nach hinten machen, trotzdem sprühte es Funken, denn die Spitze des schwarzen Schwerts kreischte über den Brustpanzer.


Ein rasch geführter Hieb Dorians verhinderte, dass sich die Schwarzelbin weiter um Packard kümmern konnte. Sie wirbelte herum, wich zuerst aus und stach aus der gleichen Bewegung heraus nach Dorian. Er konnte gerade noch entkommen, zog das Schwert zurück und beliess es nun bei Verteidigungsarbeit. Er atmete heftig und spürte langsam die Zeit im Käfig, die ihm Kräfte geraubt hatte.


Packard wusste allerdings ihre Gegnerin zu beschäftigen. Adhavaan leuchtete und fuhr ebenso schnell herab wie die schwarze Klinge in der Hand der Gefallenen. Dorian gab sich wieder einen Moment der Ruhe, denn Packard griff mit der wilden Entschlossenheit, diesen Kampf zu beenden, an. Adhavaan zuckte vor, die Schwarzelbin machte einen kleinen Sprung zur Seite und wollte ihr Schwert in den Angriff bringen, aber Packards Waffe zuckte in die gleiche Richtung und nur durch ein rasches Parieren verhinderte die Schwarzelbin, dass sie nicht in zwei Teile gehackt wurde.


Sie machte einige rasche Schritte nach hinten, wobei sie mit dem Schwert jegliche Angriffe der Söldner unterdrückte, so schnell bewegte sie es und schützte sich somit besser als mit einem Schild. Obwohl ihr Gesicht reglos blieb, konnte Dorian darin die Verachtung und die Wut über die Menschen sehen. „Damit hast du wohl nicht gerechnet, du Hashka“, höhnte er. „Was sag ich! Hashka? Das wäre eine Schande für jede richtige. Warte nur, bis wir dich haben, dann wirst du erfahren, was es heisst, eine Frau auf Eduradan zu sein.“


Antwort, zumindest wörtliche, erhielt er nicht, aber am Blitzen der Augen entnahm er sehr wohl eine Regung und das genügte ihm bereits. Wenn er die Schwarzelbin nur etwas ärgern konnte, war er zufrieden und offensichtlich war es ihm gelungen.


„Lust auf einen neuerlichen Tanz? Du wirst noch üben müssen, denn dein Käufer wird dir zusehen wollen. Wenn er schon eine Schwarzelbin hat, will er sie auch tanzen sehen. Wie wäre es – so?“ Er machte einen Ausfallschritt, die behandschuhte Hand und das doppelklingige Schwert schossen vor.


Schon wollte Dorian das Herz stehenbleiben, denn die Schwarzelbin rührte sich nicht und für einen winzigen Augenblick hatte er das Gefühl, er würde sie treffen und töten. Sein Schlag zielte auf ihr Gesicht.


Die Klinge kam ihr so nahe, dass sie einen roten Schnitt hinterliess, aber Dorians Peinigerin wich dann doch noch aus. Der Söldner hätte sie nun erwischen können, aber er wagte es nicht, ein weiteres Mal anzugreifen. In die Augen der Schwarzelbin hatte sich etwas geschlichen, das nicht dorthin gehörte. Wäre ein Mensch vor ihm gestanden, hätte Dorian geglaubt, Resignation zu erkennen. Plötzlich drehte sie sich um und hetzte davon. Die beiden Krieger benötigten einen Moment, um zu begreifen, was vor sich ging, dann setzten sie ihr nach.


Dorians Hoffnung, die Schwarzelbin zu erwischen, schwanden, er setzte aber weitere Kräfte frei und während den ersten Schritten vermochte er ihr folgen. Arwjena schoss erneut, wohl zum letzten Mal, aber der Pfeil verfehlte die Schwarzelbin.


„Ich bin rechts“, keuchte Packard und kam im Dorians Blickfeld. Er schnitt der Verfolgten den Weg zum Stadt ab. Adhavaan leuchtete in einem aggressiven Grün. Er konnte mit ihrer Gegnerin mithalten, die es nicht wagte, sich auf einen Kampf einzulassen. Dorian wäre zu rasch heran und damit Arwjena traf, musste ihre Gegnerin nur kurz innehalten.


Sie wich nach links aus, warf einen Blick aus ihren kohlenschwarzen Augen zurück und Dorian war, als sähe er Angst darin. ‚Ja, das ist etwas, das du nicht kennst. Renne nur, wir verlieren dich nicht.’ „Bringen wir sie von ihrem Weg ab“, rief Dorian dem anderen Söldner zu.


Antwort erhielt er in Form eines Richtungswechsels des Narbigen. Damit zwang er die Schwarzelbin, leicht nach links abzubiegen und falls sie zu einem bestimmten Ort wollte, wussten die Söldner das zu vereiteln.


Sie rannten schneller, als Menschen es eigentlich konnten. Der Boden flog unter Dorians Füssen nur so dahin, grauschwarzes Laub wurde aufgewirbelt. Der Söldner spürte noch keine Ermüdung und das nachdem er vorher noch das Gefühl gehabt hatte, sich gleich hinlegen und schlafen zu können, durchströmte ihn jetzt Kraft. Die Wut und der Durst nach Rache setzten ungeahnte Energien in Dorian frei. Er spürte, wie sie einem reissender Fluss gleich durch seinen Körper strömten und sie würden erst nachlassen, wenn der Söldner hatte, was er wollte oder die Schwarzelbin ihnen doch noch entkommen konnte.


Sie trieben weiter nach links ab und allmählich kam Dorian seiner Feindin näher. Er verschwendete nur einen kurzen Gedanken daran, was er mit ihr anstellen würde, sobald er sie in seinen Fingern hatte. Er löschte seine Gedanken aus und achtete einzig auf seine Schritte.


„Dort vorne ist ein Unterholz, wir müssen sie davon abhalten unterzutauchen“, rief Packard herüber. „Du musst ihr den Weg abschneiden.“


Dorian hätte gelacht, wäre die Situation nicht so ernst gewesen. Er befand sich ein gutes halbes Dutzend Schritte hinter der Schwarzelbin, wie sollte er ihr da den Weg abschneiden? Ohnehin rannte er schneller, als er eigentlich konnte, dennoch versuchte er, noch näher heranzukommen.


Es gelang. Aber nicht mehr als vielleicht einen Schritt.


„Ich kann nicht mehr tun! Wir verlieren sie!“ Panik schwang in Dorians Stimme mit. So nahe waren sie, dass er es kaum geglaubt hatte und jetzt würde sie ihnen dennoch entwischen. In seiner Verzweiflung warf er das Schwert nach ihr, aber aus vollem Lauf traf er sie nicht und nun wurde es Wirklichkeit. Sie verschmolz mit der Umgebung, die Büsche schlossen hinter ihr die Zweige, dass niemand folgen konnte. Heftig keuchend blieb Dorian stehen und bückte sich nach der Waffe. Mit Packard an der Seite hieb er auf die Sträucher ein, um einen Weg freizuhacken.


Plötzlich spürte er einen leichten Schmerz an der Schwerthand. Zuerst wollte er ihn ignorieren, doch dort wurde er stärker und der Söldner sah nach, was los war.


Ein Dorn steckte in seinem Handrücken und je länger es dauerte, desto heftiger wurde der Schmerz, bis es Dorian kaum mehr aushielt. Er liess das Schwert fallen und packte mit der freien Hand das Handgelenk, drückte es zusammen. „Verdammt, was ist denn das?“ Er presste die Zähne zusammen und atmete tief, um den Schmerz etwas zurückzudrängen. Der Bereich um die Wunde färbte sich schwarz.


„Das ist die Pflanze, du musst weg von ihr“, stellte Packard fest und zog seinen Kumpan nach hinten. „Arwjena? Wo bist du?“


Dorian wartete nicht, bis sie eintraf, um den Dorn zu entfernen. Er packte ihn mit dem Daumen und Zeigefinger und zog daran. Nicht sogleich gab er nach, sondern riss an der Haut und der Kämpfer gab sofort auf, weil die Schmerzen noch grösser wurden. „Ich benötige Arwjena, wo bleibt sie nur? Was ist das für eine verdammte Pflanze, die solche Dornen aufweist? Die kann es nur hier geben. Aaah.“


Da er mit sich selber beschäftigt war, bemerkte er den Blick nicht, den Packard mit der Elbin wechselte. Sie schüttelte den Kopf und wandte sich Dorian zu. „Ich frage mich, wie verdorbenen der Wald sein muss, damit er Menschen auf diese Weise verletzt.“ Sie nahm die Hand in die ihren und schloss die Augen.


Niemand wagte mehr etwas zu sagen. Dorian war ohnehin damit beschäftigt, gegen die Schmerzen anzukämpfen. Er biss derart hart auf die Zähne, dass es im Kiefer knirschte. Der Kämpfer bemerkte es kaum, weil die Schmerzen in seiner Hand alles überdeckten. Arwjena versuchte zwar, die Behandlung aushaltbar zu gestalten, aber der Dorn sass nicht nur tief, sondern hatte sich auch noch festgehakt und riss bei jeder Bewegung am Fleisch.


„Wenn ich diese … diese Kreatur zu fassen kriege, drehe ich ihr den Hals um.“ Dorian keuchte und versuchte, sich zu entspannen, was gelang, bis es ein weiteres Mal riss und er zusammenzuckte.


„Du wirst sie in Ruhe lassen“, ermahnte Packard ihn. „Wir sind hergekommen, um eine zum Verkauf zu fangen, nicht zum Foltern.“


„Ist ja gut. Aber Arwjena sollte vorwärts machen, sonst ist die Jagd sinnlos. Wie sollen wir sie noch einholen?“


Packard antwortete nicht, griff aber in seine Hosentasche und nahm den geheimnisvollen Stein hervor. Der langhaarige Söldner beugte sich hinüber, aber seine Hand in jenen von Arwjena hielt ihn zurück und widerwillig wandte er seine Aufmerksamkeit wieder dem Dorn zu. Die Elbin hatte ihn bereits ein Stückchen herausgezogen. Der Kämpfer konnte aber nicht sagen, wie weit er noch drin steckte und das beunruhigte ihn. Noch mehr aber die dunkle Färbung um die Wunde. Es hätte ihn nicht erstaunt, wenn der Dorn vergiftet gewesen wäre.


Er keuchte noch einige Male auf, dann erhob sich Arwjena. „Ich habe ihn. Die Wunde ist entzündet, aber ich habe sie verschliessen können. Vorerst kann ich nichts weiter tun, aber es wird genügen, bis wir den Aphel Oath hinter uns gelassen haben.“


Prüfend betastete Dorian die Stelle, wo der Dorn gesteckt hatte. Ein dunkler Fleck zeugte noch davon, aber wenigstens schmerzte es nicht mehr. Wenn nur Arwjena Recht behalten würde und sich die Entzündung nicht ausbreitete. Jetzt, da er eine Hand sozusagen schon verloren hatte, wollte er die zweite nicht auch noch einbüssen.


„Wir müssen weiter“, spornte Packard die Gruppe an. Sie hat schon einen grösseren Vorsprung als wir uns eigentlich leisten könnten.“ Er sah auf den Stein, gewährte Dorian aber keinen Blick.


Der schwarzhaarige Söldner fuhr auf. „Ich frage mich überhaupt, wie wir sie kriegen wollen. Sie ist eine Schwarzelbin! Es hat mich schon gewundert, dass wir vorhin mithalten konnten. Wie sollen wir sie jetzt einholen?“


„Wir werden uns trennen.“ Arwjena, die hinter Dorian stand, sprach diese Worte. „Ich bin schneller als ihr. Vorhin habe ich die Schwarzelbin geistig unter Kontrolle gehalten, nur deshalb wart ihr mir vorausgegangen, aber wenn ich alleine bin, kann ich sie erreichen.“


Dorian runzelte die Stirn. „Geistig unter Kontrolle? Was bedeutet das? Darunter kann ich mir nichts vorstellen.“


„Später ist mehr Zeit, um das zu erklären, wir müssen los. Etwas kann ich dir aber verraten: Ich habe verhindern können, dass sie zurück zur Stadt geht.“ Sie deutete auf den Stein. „Ihr bleibt zusammen. Mit ihm solltet ihr uns finden. Ich spüre sie auch so auf. Wir sehen uns wieder.“ Mit diesen Worten trat sie auf das Unterholz zu, das sich teilte und die Elbin einliess. Augenblicklich verschwand sie zwischen den Zweigen, Dornen und dunklen Blättern.


„Sie könnte sich verletzen – was dann?“ Dorian blickte zu Packard hinüber, der aber nicht aussah, als wüsste er die Antwort.


„Wir können nicht denselben Weg wie Arwjena nehmen“, hielt er fest und machte sich daran, das Unterholz zu umrunden. Dorian stiess ein Knurren aus und folgte dem anderen Söldner in sicherem Abstand zum Unterholz. Jetzt hatten sie keine Elbin mehr, die ihm einen Dorn herausziehen konnte. Dieser Gedanke beunruhigte ihn zutiefst, denn trotz der zu langen Zeit, die er sich nun im Aphel Oath aufhielt, wusste er nie, was als nächstes geschah. Wer sagte, dass nicht plötzlich ein Zweig nach ihm schlug oder sich um ihn schlang und mitten in die Dornen zog. Mit Bäumen, die lebendig werden, hatte er sich schon einmal herumschlagen müssen, warum also sollte es das Gleiche hier nicht geben?


„Nimm die Armbrust, Dorian. Sie steckt an meinem Gürtel.“


Mit zwei Waffen fühlte sich der Kämpfer sogleich besser. Sobald sie in Ar Tarak wären, würde er sich auch eine anschaffen. Der Verkauf der Schwarzelbin würde genug einbringen, dass er eine ganze Armee versorgen könnte. Zuerst galt es aber, seine Peinigerin in die Hände zu kriegen. „Wie weit voraus ist sie? Besteht überhaupt die Möglichkeit, dass wir sie einholen?“


„Wir alleine nicht, aber Arwjena kann es schaffen. Meine Sorge ist …“ Er sprach sie nicht sogleich aus, sondern beschleunigte seine Schritte noch. Adhavaan glimmte noch immer. „Ich hoffe, der Aphel Oath raubt ihr nicht die Kraft, dass sie im Duell dann unterlegen ist. Wir müssen ihr so schnell wie möglich folgen.“


So gefährlich es auch war: Dorian steckte das Schwarzelbenschwert ein, denn es behinderte ihn und er hielt jetzt nur noch die Armbrust in den Händen. Was sie wohl gegen Schwarzelben ausrichten könnte, wenn Arwjena schon mit dem Bogen Mühe hatte zu treffen?


Das Leuchten der Stadt blieb immer weiter hinter ihnen zurück und schliesslich war nichts mehr von ihr zu sehen. Dorian schickte ein Gebet zu den Drei Männlichen Göttern, dies möge so bleiben. Seinen Schwur hatte er nicht vergessen und der Söldner war immer noch fest entschlossen, ihn nicht zu brechen, sollte er den Schwarzelben wieder in die Fänge gehen.


Das Dickicht zu ihrer Linken lichtete sich nicht. Während Packard sich nicht scheute, bis auf einige Schritte heranzugehen, hielt sich Dorian stets in sicherem Abstand und warf immer wieder einen Blick hinüber.


War der Wald vorhin schon licht gewesen, so konnte er nun kaum mehr als solcher bezeichnet werden. Die Bäume standen in einem solch weiten Abstand zueinander, dass sie dazwischen Flächen ergaben, auf denen ganze Dörfer Platz gefunden hätten und wäre der Boden fruchtbar gewesen, hätten sich selbst Bauern wohl gefühlt. Das Blätterdach blieb jedoch undurchdringlich. Kein Schimmer der Welt ausserhalb des Aphel Oath drang herein, dabei hätte Dorian viel darum gegeben, auch nur ein Fleckchen vom Himmel zu sehen.


„Da vorne ist ein Fluss“, stellte Packard fest und blieb stehen.


Dorian blinzelte. Die Stimme des anderen Söldners hörte sich irgendwie … falsch an. Und er hörte oder sah nichts von einem Fluss. Mit einem Mal überkam ihn das Gefühl, gleich erbrechen zu müssen. Er liess sich in die Hocke sinken und atmete tief, keuchte. Der Zauber des Aphel Oath drängte sich in seine Gedanken und als ob die Übelkeit noch nicht genug wäre, fühlte sich sein Kopf an, als läge er auf einem Amboss und jemand würde immer wieder mit einem Eisenhammer draufschlagen.


Vor seinen Augen wurde es schwarz und nur am Rande spürte Dorian noch, dass er hochgehoben und getragen wurde. Er war zu stark damit beschäftigt, die Einflüsse der Schwarzelben von sich zu treiben, als dass er noch feststellen konnte, wie weit es ging. In seinen Ohren gab es nur ein einziges Rauschen, als befände er sich tief unter Wasser.


Als plötzlich etwas Kühles sein Gesicht berührte, erwachte der Söldner wieder halbwegs. „Nicht atmen“, sagte eine Stimme und Dorian gehorchte, ohne zu wissen, um was es ging.


Sein Kopf wurde für einen Moment unter Wasser gedrückt und als Packard den schwarzhaarigen Söldner herauszog, schlug er ihm gegen die Wangen. „Kämpfe dagegen oder du wirst die Kontrolle über dich verlieren.“


Wenigstens halbwegs war er wieder sich selbst. Wie er gegen den Zauber ankämpfen musste, wusste er nicht, aber er versuchte, seine Gedanken zurückzuziehen, wie die Belagerten in den Bergfried flüchteten, wenn der Rest der Burg schon gefallen war.


Der Erfolg stellte sich nur langsam ein, aber er war da. Das drückende Gefühl in seinem Kopf verwandelte sich in ein Pochen, das nur anfangs heftig war und auch die Übelkeit hielt nicht mehr lange an. Jetzt hörte Dorian das Rauschen des Flusses und zum ersten Mal sah er sich um, wohin Packard ihn gebracht hatte.


Das Dickicht hatten sie hinter sich gelassen, aber weiter kamen sie nicht, weil der Fluss zwar nicht überaus breit, aber reissend war. Wirbel erzählten von gefährlichen Strömungen und selbst auf Pferden wäre es nicht ungefährlich gewesen, ihn zu durchqueren.


Dorian nahm einen Schluck des kalten Wassers und wunderte sich, dass es rein schmeckte. Er spritzte sich ins Gesicht und rieb sich die Arme ein. So hoffte er, einem weiteren Anfall vorzubeugen, weil ihm ständig kühl war und an die normale Welt ausserhalb erinnert wurde.


Packard setzte den Weg entlang des Flusses fort. Dorian schien, als ginge der Blick des anderen Söldners häufiger zum Stein, den er in der rechten hielt. „Wir müssen eine Möglichkeit finden hinüberzugehen“, stellte der Narbige schliesslich fest. „Zumindest wenn der Fluss keine Biegung macht.“


Dorian blickte zum reissenden Wasser. Ausserhalb des Aphel Oath hätte er so etwas nicht gerne gesehen, denn es bedeutete ein Hindernis, aber hier freute er sich darüber, denn es bedeutete etwas Normalität in dieser Welt. Hinübergelangen mussten sie dennoch und das bereitete Dorian Sorgen. Vorläufig folgte er Packard und vernachlässigte die Aufmerksamkeit nicht, denn auch wenn sie anscheinend an den Rand des Waldes gelangt waren, konnten sie sich nicht in Sicherheit wiegen. Solange sie nicht draussen waren, würde Dorian sich ständig beobachtet vorkommen. Lieber wäre es ihm gewesen, wenn die Bäume enger zusammengestanden hätten.


„Zeig endlich den Stein her“, forderte er den anderen auf und beschleunigte kurz seine Schritte. „Ich möchte wissen, ob wir sie schon einholen und den Fluss tatsächlich überqueren müssen.“


Packard machte keine Anstalten, ihm das Artefakt vorzuenthalten. Im ersten Moment erkannte Dorian nichts ausser die durch den Stein verzerrte Hand. Erst bei genauerem Hinsehen machte er zwei Punkte aus, einen roten und einen blauen. „Wir sollten uns beeilen“, stellte er trocken fest und gab das Artefakt Packard zurück.


„Ich glaube nicht, dass Arwjena uns benötigt.“


Dorian überlegte sich, wie der narbige Söldner diese Worte gemeint haben könnte und als er keine Antwort fand, fragte er nach.


„Sie ist stark, damit meine ich aber nicht nur ihren Körper, sondern das, was an diesem Ort noch mehr zählt. Wenn sie die Schwarzelbin einholt, kann sie ihre Gegnerin schlagen.“ Er blieb so abrupt stehen, dass Dorian beinahe in ihn lief. „Hast du ihre Entschlossenheit gesehen?“ Packard ging weiter, ohne auf Dorians Antwort zu warten.


Die Söldner schlugen nun eine schärfere Gangart an, rannten beinahe. Dorian war zwar froh, rascher vorwärtszukommen, fragte sich aber gleichzeitig, wie lange seine Kraft reichte, diese Geschwindigkeit durchzuhalten. Er atmete noch nicht schwer, aber der Anfall, den er vorhin erlitten hatte, war auch aus dem Nichts gekommen.


Er hoffte, je weiter sie dem Fluss folgten, desto näher würden sie dem Waldrand kommen, aber die Umgebung änderte sich nicht. Die Bäume standen noch immer in grosszügigem Abstand zueinander und wenn der Söldner nach oben blickte, sah er nichts als das undurchdringliche, schwarze Blätterdach. Er war überzeugt, wenn hier ein nur leichter Wind ginge, würde er die Decke aufreissen und die Sonne hereinlassen. Endlich wieder den Himmel zu sehen, darauf freute er sich beinahe am meisten. Im Wald kam er sich ständig vor, als befinde er sich drinnen und das gefiel einem Mann, der sich oft tagelang draussen aufhielt, nicht. Er musste wieder einmal frische Luft auf seiner Haut spüren und die Sonne, nachts Sterne und den Mond sehen.


Und nicht zuletzt Sharen, die bestimmt erhoffte, dass er nicht zurückkehren möge. Ein triumphierendes Grinsen erschien auf seinem Gesicht. Zum Beweis, dass er wieder bei ihr war, würde er sie sogleich nehmen und ihr jedwede Hoffnung rauben, dass sie ihn loswerden könnte.


Bis es soweit sein würde, musste er konzentriert bleiben, sonst würden seine Wünsche nie in Erfüllung gehen. Er liess den Blick schweifen und kam sich sogleich töricht vor. Hätten die Schwarzelben sie entdeckt, bedeutete das nicht, dass sie sich zeigen würden. Ein Pfeil könnte in seinem Hals stecken und der Söldner würde nicht wissen, woher er gekommen war.


Er richtete seinen Blick auf den Stein, den er noch in der Hand hielt. Ausser den beiden Punkten, die der Schwarzelbin und Arwjena gehörten, konnte er nichts entdecken, auch als er genauer hinsah.


„Gib ihn mir zurück“, forderte Packard und streckte die Hand aus. Als Dorian ihm den Stein ausgehändigt hatte, blieb der Narbige stehen und drehte sich im Kreis. „Wir kommen nicht darum herum, den Fluss zu überqueren. Bist du bereit?“


‚Ob ein Schwarzelbenschwert rostet?’, fragte sich Dorian und kam zum Schluss, dass dies wohl nicht der Fall war. Er steckte es in seinen Gürtel, während er die Handarmbrust löste, damit sie nicht nass würde. „Von mir aus kann es losgehen. Gehst du voraus?“


Packard nickt und wandte sich um, Adhavaan in der einen, den Stein in der anderen Hand. Bevor er den Fuss ins Wasser setzte, blickte er sich noch einmal um und Dorian tat es ihm gleich, denn beide wussten, dass sie in der Trägheit des Wassers einfache Ziele waren.


Der langhaarige Söldner wartete, bis Packard nach einem Kampf gegen die Strömung am anderen Ufer angelangt war. Erst nun machte er sich auf den Weg hinüber.


Das kalte Wasser, das ihm vorhin noch geholfen hatte, die Kontrolle über seinen Körper zurückzuerlangen, fühlte sich nun unangenehm eisig an und liess Dorian frösteln, obwohl er erst mit den Füssen darin stand. Die Strömung riss bereits an ihm und bevor er den Fluss mit raschen Schritten durchquerte, prüfte er mit den Füssen den Untergrund. Erst als er sicheren Tritt fand, setzte er den unangenehmen Weg fort.


Das Wasser drohte ihn mitzureissen und obwohl es ihm nur bis zu den Hüften reichte, konnte er nichts sicher sein, ob er jemals wieder auftauchen würde, sollte er stolpern. Um das Gleichgewicht zu finden, hielt er einen kurzen Moment inne, lehnte leicht nach rechts, um die Strömung auszugleichen und machte dann vorsichtig den nächsten Schritt. Der Fluss rauschte und schien noch anzuschwellen, als wolle er sich gegen Eindringling wehren. Wie Hände, die ihn fortzerren wollten, zog das Wasser an Dorian. Es stieg ihm bis auf Brusthöhe und noch hatte er die Mitte nicht erreicht. Bevor er den Fuss aufsetzte, prüfte er von jetzt an, ob er nicht in eine Mulde trat und plötzlich unter Wasser stand.


Seine Kleider waren bis an den Hals nass, aber darauf achtete er nicht mehr. Packerd reichte ihm die Hand und zog ihn aus dem Wasser. „Deine Armbrust hat keinen Spritzer erwischt“, grinste Dorian.“


„Behalte sie bei dir.“ Packard warf einen Blick auf den Stein und wandte sich anschliessend um. „Bist du bereit für den nächsten Teil der Jagd?“


Dorian schwang sein Schwert.

***

Packard warf einen Blick über die Schulter. Sein Söldnerkumpan ging nur zwei Schritte hinter ihm und schien noch nicht zu ermüden. Den Schwächeanfall hatte er überstanden – den Göttern sei Dank. Packard hatte sich schon mit dem Gedanken herumgeschlagen, seinen Begleiter zurückzulassen, denn ihn tragend hätte er Arwjena nicht schnell genug erreichen können, um ihr beizustehen.


„Das reicht noch nicht“, rief er nach hinten und neigte den Kopf, um noch eine Spur schneller zu rennen. Die Schrittgeräusche von hinten verrieten, dass Dorian folgen konnte. Der andere Söldner atmete inzwischen zwar tief, aber rannte weiter. Ohne Schwert wäre Packard noch schneller vorangekommen, aber er getraute sich nicht, es einzustecken.


Lange Zeit rannten sie durch offenen Wald, doch nun tauchten vermehrt Büsche auf, die sich manchmal zu einem gefährlichen Unterholz vereinten. Packard nahm den kürzesten Weg, nahe an ihnen vorbei, während Dorian etwas mehr Abstand liess. Die entstandene Lücke zwischen den Kämpfern schloss er mit einigen weit ausgreifenden Schritten.


Packard, der bis jetzt ruhig geblieben war beim Gedanken, dass sich Arwjena getrennt auf die Verfolgung der Schwarzelbin gemacht hatte, konnte nun kaum schnell genug vorwärtskommen. Er trieb sich und Dorian in höherem Tempo voran, als sie womöglich lange durchhielten, aber er konnte nicht anders und auch Adhavaan drängte vorwärts, als wisse es, dass Arwjena in Gefahr schwebte. Packard warf einen sichernden Blick auf den Stein, entdeckte aber nichts Auffälliges.


„Was machen wir, falls wir sie einholen?“, fragte Dorian von rechts. „Vorhin haben wir sie nicht besiegen können, warum sollte es jetzt gelingen?“


„Weil das schwarze Wasser Arwjena nicht mehr ablenkt. Sie wird den Unterschied machen.“


Sie rannten zehn Schritte, ohne dass jemand etwas sagte, dann erkundigte sich Dorian: „Was ist, wenn es dort auch schwarzes Wasser gibt? Der Teich vor der Stadt muss nicht der einzige sein. Womöglich unterschätzen wir die Schwarzelbin, auch Arwjena.“


Packard konnte nur den Kopf schütteln. Seine Begleiterin wusste sehr wohl, was sie zu tun hatte. Das Verhältnis zwischen den Elben und den Gefallenen ihres Volkes beeinflusste sie derart, dass sie sich kaum in eine Falle würde führen lassen. Die Unsterblichen verhielten sich in diesem Punkt anders als Menschen, das hatte Packard in der Stadt begriffen und in diese Erkenntnis legte er seine gesamte Hoffnung, die Schwarzelbin noch zu erwischen.


So wenig er das zugeben wollte, stimmte es doch. Er musste sich auf Arwjena verlassen, dass sie ihr Vorhaben noch erfüllen konnten. Zurück würde er nicht gehen. Seine Begleiterin würde sich zwar nicht in eine Falle führen lassen, aber ob sie die Schwarzelbin noch einholte, konnte er nicht feststellen. Die Punkte, die für die beiden standen, kamen sich nicht näher.


„Wenn du irgendetwas bemerkst, das auf Feinde hindeutet, sagst du es mir sofort, klar?“


Dorian stiess so etwas wie ein Lachen aus. „Nein, ich behalte es für mich und habe Freude, wenn wir überrascht werden. Du vergisst, dass auch ich Söldner bin.“


Vergessen nicht, aber Packard sah ihn nicht mehr als wirkliches Mitglied der Freien Kaserne. Die freien Krieger hatten sich der Selbständigkeit verschrieben und glänzten nicht dadurch, wunderschöne Skylae zu halten. Sie kannten sich mit nichts so gut aus wie mit dem Schwert und wollten das auch nicht, aber Dorian schien sich mehr für Sharen zu interessieren und driftete damit in Richtung der dekadenten Kriegergilde ab.


Der Söldner zwang sich, wieder einmal aufzublicken und die immer gleich aussehende Umgebung abzusuchen. Erst als er das getan hatte, wandte er sich an den Stein, der ihn bestätigte.


Langsam aber sicher fühlte er die lähmende Wirkung der Müdigkeit. Wie stets kam es ihm vor, als giesse ihm jemand durch einen Trichter Blei in die Füsse. Er drängte sie aus seinem Bewusstsein, indem er sich auf das Schwert konzentrierte und im Kopf einen Zweikampf austrug.


Was er mit dem Geld anstellen würde, das der Verkauf der Schwarzelbin einbrachte, wusste er noch nicht. Mit allerkleinster Wahrscheinlichkeit würde er sich eine zweite Skyla kaufen. Eine war schon zuviel. Ein Schwert benötigte er auch nicht mehr und eine bessere Rüstung gab es kaum. Früher hatte er stets zu wenig Geld gehabt, nun stand er davor, nicht zu wissen, was damit anzustellen.


Mit einem Mal blieb er stehen. Dorian rannte noch drei Schritte weiter, ehe er sich umwandte. Die Müdigkeit in Packards Glieder war wie weggeblasen, dafür spürte einen Schmerz in seiner Brust. Der Söldner sah an sich runter, aber seine erste Befürchtung, er könnte von einem Pfeil getroffen sein, erwies sich als falsch. Jetzt, da er darauf achtete, fühlte sich der Schmerz auch nicht an, als habe eine Waffe ihn verursacht. Die Schwarzelben, sie waren verantwortlich, aber anders als sonst.


Mit zusammengepressten Lippen griff er nach dem Stein und was er vermutet hatte, traf zu: Der blaue Punkt, der für Arwjena stand, hatte den roten eingeholt. Sie bewegten sich nicht mehr.


Schweigend übergab Packard dem anderen Söldner das Artefakt und setzte sich wieder in Bewegung. Wenn es wirklich zum Kampf gekommen war, benötigte Arwjena vielleicht Hilfe und die Strecke, die sie noch zurückzulegen hatten, war gross.


„Bedeutet das nun Gutes oder Schlechtes?“, fragte Dorian und holte Packard ein.


„Es bedeutet, dass wir uns beeilen müssen. Arwjena hat die Gefallene eingeholt und steht jetzt alleine gegen sie. Jedes Wort, das wir noch verlieren, hält uns auf.“ Er streckte seine Hand Dorian hin, damit dieser den Stein zurückgab. Der Narbige warf einen vorerst letzten Blick darauf, dann steckte er ihn ein und rannte so schnell wie er konnte. Die Schwere in seinen Gliedern war verschwunden. Die Gefahr, in welcher Arwjena womöglich schwebte, trieb ihn an.


Der Schmerz in seiner Brust verstärkte sich von Augenblick zu Augenblick. Packard wusste mit Verwundungen und den Qualen umzugehen, aber das hier war etwas anderes. Mit ihm war alles in Ordnung, aber Arwjena schien zu leiden.


Er fand keine andere Erklärung als eine geistige Verbundenheit, die ihm von Arwjenas Zustand berichtete. Der Schmerz fühlte sich derart echt an, dass Packard hätte meinen können, er würde ihm selber zugefügt werden und auch das bereitete ihm Sorgen. Nicht, weil er sich vor nicht allzu langer Zeit so etwas nicht hatte vorstellen können, sondern weil er sich fragte, wie verbunden er mit Arwjena schon war. Er, Packard, der Söldner, der es nicht nur stets vorgezogen hatte, alleine unterwegs zu sein, sondern den Kontakt zu anderen Lebewesen stets gemieden hatte. In einem ruhigen Augenblick, den es auf dem Weg nach Ar Tarak bestimmt einmal geben würde, musste er sich hinterfragen, ob die Sache mit Arwjena für ihn akzeptabel war.


„Holen wir sie schon ein? Meine Beine mögen nicht mehr so lange. Vielleicht müssen wir eine Pause einlegen, denn es bringt nichts, wenn wir den Kampfplatz erreichen und … und das Schwert nicht mehr heben können.“


Packard verminderte die Geschwindigkeit nicht. „Keine Rast. Denk nicht an die Müdigkeit, dann erliegst du ihr auch nicht.“ Er wusste dies aus Erfahrung. Mit stählernem Willen liess sich einiges aushalten, manchmal mehr, als man je gedacht hätte.


Nun begann auch sein Kopf zu schmerzen. Der Söldner drückte mit den Fingern der freien Hand gegen die Schläfe und verschaffte sich etwas Linderung, doch nicht lange. Dieser Schmerz war nichts, das er nicht aushielt. Er wusste sehr gut, wie er nur mit seinen Gedanken die Schmerzen besiegen konnte.


Lange waren sie nun schon unterwegs, aber der Wald sah immer noch gleich aus. Packard konnte nicht mehr sagen, in welche Richtung sie gingen. Wenn er den Himmel hätte sehen können, wäre es kein Problem gewesen, aber im Aphel Oath sah alles stets gleich aus. Der Kämpfer wollte es sich noch nicht eingestehen, aber die Eintönigkeit setzte ihm langsam zu. Er wehrte sich anzuerkennen, dass gewisse Umgebungen nicht für Menschen geschaffen waren, weil es der Anspruch an sich selber war, an jedem Ort zu überleben, so auch im Wald der Schwarzelben.


Nur kamen hier mehrere Umstände zusammen, von denen jeder einzelne genügt hätte, die meisten Menschen auf die Knie fallen und um Gnade flehen zu lassen.


„Wir kommen näher. Halte dich bereit, Dorian.“ Er sagte das, ohne zu glauben, dass Waffen etwas nützen würden. Ausser Adhavaan, die Elbenklinge. Sie konnte es mit jedem Feind aufnehmen und besonders den Gefallenen des Unsterblichen Volks.


„Ich sehe eine Lichtung. Etwas rechts müssen wir noch gehen.“ Dorian folgte in die Richtung seines ausgestreckten Arms. Packard musste nicht auf den Stein sehen, um zu wissen, dass der schwarzhaarige Söldner die richtige Richtung eingeschlagen hatte. Es war so klar, als kenne Packard die Umgebung wie ein Bauer sein Gehöft.


Das Kopfweh hatte er in einen leichten Druck vermindern können und von Müdigkeit spürte er nichts mehr. Adhavaan glomm immer wieder auf und zog den Söldner voran. Er gab den leichten Trab auf, in welchen er gefallen war, und rannte wieder, denn mehr als zuvor hatte er das Gefühl, Arwjena helfen zu müssen. Dass sie das erste Geschöpf war, um das er sich Sorgen machte, war ihm nicht bewusst.


Er schlug mit dem Schwert einige Äste zur Seite. Vor sich entdeckte er etwas, das er schon seit zu langer Zeit nicht mehr gesehen hatte: Tageslicht; und die Spur eines Windes. Es verlangte ihn danach, wie sich die Kehle eines Erdurstenden nach Wasser sehnte.


Ein Zweig schlug ihm ins Gesicht, aber den Kratzer, den er hinterliess, bemerkte Packard kaum. Ein Dorn riss ihm die Haut am Arm auf, aber weiter schlimm war das nicht, denn die Freiheit lag so nahe, dass Packard nur nach ihr greifen musste, um sie zu packen.


Dorian behielt Recht. Sie gelangten auf eine Lichtung und Packard hätte sich genauer umgesehen, aber der Kampf zog seine gesamte Aufmerksamkeit auf sich. Keuchend trat Dorian herbei und Packard hörte ihn vor Schreck tief einatmen. Der narbige Kämpfer konnte selber kaum glauben was er sah – und vor allem spürte. Der Griff um Adhavaans Heft wurde stärker, dabei spielte die Waffe nur eine untergeordnete Rolle. Wichtiger war, was sie ausstrahlte.


Im Abstand von vielleicht zehn Schritt standen sich die beiden gegenüber. Weder Arwjena noch die Schwarzelbin hielten eine Waffe in den Händen. Gekämpft wurde auf einer anderen Ebene, die den meisten Menschen entgangen wäre. Dorian anscheinend nicht, denn er keuchte auf und in den Augenwinkeln sah Packard, wie der andere Söldner einen Schritt nach hinten machte.


Packard bekam die ganze Wucht des Duells zu spüren. Als trete er aus einem dunklen Raum ins Sonnenlicht, warf es ihn zurück. Nicht körperlich, aber in seinem Kopf explodierte ein Feuerball und liess den Söldner taumeln. Seine Augen standen offen, doch konnte er nichts sehen, als habe ihm jemand ein weisses Tuch um die Augen gebunden.


Der Geist verliess den Körper, weil dieser keinen Platz mehr bot. Er schwebte hinauf, in eine Dimension, in der andere Gesetze galten und zum ersten Mal begriff der Söldner annähernd, welche Macht der elbische Geist besass – und auch jener ihrer Erzfeinde. Der Mensch begriff, dass er niemals eine solche Stufe erreichen würde und obwohl er gerne etwas näher gegangen wäre, tat er es nicht, weil er befürchtete, sich wie ein Kind an Feuer zu verbrennen.


Sämtliche Farben, von tiefstem Schwarz bis zu hellstem Weiss, leuchteten auf. Einjede stand für die Gedanken Arwjenas und die ihrer Gegnerin und wo sie aufeinanderprallten, ergaben sie eine Kugel aus purer Energie, die alles zerstörte, was dazwischen gelangte.


Sie zog Packard an, während sie sich noch ausbreitete. Der Söldner musste nur fühlen und würde sämtliche Gedanken, die in der Kugel schwirrten, in sich aufnehmen. Ob sein Hirn all das verkraften würde, konnte er nur erahnen. Er zog sich zurück, weil ihn die Kraft in der Kugel zu gross dünkte und er Arwjena auf die Weise beistehen wollte, die er konnte.


Als er zurück in die Welt des Körpers gelangte, spürte er Sehnsucht. Ein kleiner, aber bestimmender Teil von ihm wollte zurück, die Herrlichkeit der anderen Ebene erneut geniessen.


Dorian war es, der ihn zurückhielt, wenn auch unabsichtlich. „Ich habe genug gesehen von diesem unsichtbaren Duell. Was fehlt, ist eine Waffe. Ich gebe der Schwarzelbin gleich einmal ihren Stahl zu schmecken.“ Er wollte nach vorne stürmen, die Klinge hatte er bereits erhoben.


Packard hielt ihn an den Schultern zurück. „Wenn du weiterleben willst, würde ich das nicht tun.“


Dorians Mund ging auf – und wieder zu. „Du meinst, das ist so etwas …“ Er nickte und richtete den Blick wieder nach vorne, sah aber immer wieder zu Packard, als wolle er sich vergewissern, dass er noch nicht eingreifen durfte.


Der narbige Söldner tat nichts mehr, um Dorian aufzuhalten. Einmal hatte er seinen Kumpan gewarnt, das genügte oder sonst war er selber schuld. Er konnte sich nicht vorstellen, was geschähe, wenn sie mit den Waffen eingreifen würden. Adhavaan könnte womöglich einen Teil der Energien absorbieren. Aber wie viel und was wäre nötig, um Packard zu bezwingen?


Die Luft über der Lichtung begann in den Ohren der Menschen zu summen. Sie flimmerte wie über einer Glut und Packard konnte nicht mehr richtig sehen. Er blinzelte dreimal, aber die Sicht besserte sich nicht. Der Druck in seinen Ohren wurde grösser und der Kämpfer versuchte, sich zu schützen, indem er die Hände darauf legte. Das Pfeifen liess nicht nach, es steckte in seinem Kopf.


Arwjena und die Schwarzelbin standen sich noch immer gegenüber. Keine rührte sich, aber das Duell war nicht minder intensiv als zuvor. Packard konnte es spüren, obwohl er sich nicht darauf konzentrierte und es vermied, in die Welt des Geistes abzutauchen. Dort war der Unterschied zwischen einem Menschen und den Unsterblichen noch grösser.


Eine derartige Energie lag in der Luft, dass es Packard die Brust zusammendrückte. Er bekam beinahe nicht genug Luft und jene, die in seine Lunge gelangte, fühlte sich nicht rein an. Der Söldner schluckte schwer und in seinem Hals fühlte es sich an, als habe er Asche in der Speiseröhre. Er keuchte und wischte sich den Schweiss von der Stirn.


Der Kampf musste endlich vorübergehen, sonst würden sie am Ende wieder gefasst werden, weil die Schwarzelben angelockt wurden. Packard hob die Klinge senkrecht vor sein Gesicht. Es drängte ihn, ihre Gegnerin zu erledigen. Ein Stoss mit Adhavaan würde genügen. Aber wie ginge es anschliessend dem Söldner?


Er senkte das Schwert wieder, hielt es aber in festem Griff. Es summte leicht, aber der Söldner konnte nicht feststellen, aus welchem Grund. Ob es ihn dränge wollte, in den Kampf einzugreifen oder vor den Kräften beschützte, die zwischen den beiden Kämpfenden tobten. Es leuchtete immer wieder auf, mal grünlich, dann wieder in einem sanften Blauton.


Dorian, der noch immer neben ihm stand, war noch einiges unruhiger. Er trat von einem Bein aufs andere und führte sein Schwert gegen unsichtbare Feinde. Sein Blick ging immer wieder zu Arwjena und der Schwarzelbin hinüber.


Ein Flackern liess beide Söldner zusammenfahren. Packard, glaubte zwar, nur er sähe den Blitz, aber Dorian machte einen Schritt nach vorne und hielt das Schwert vor sich, als könnte er sich dadurch schützen.


Einen Schlag fühlte Packard tatsächlich, aber er, verletzte ihn nicht körperlich, obwohl der Söldner einen Schritt nach hinten taumelte und um ein Haar zu Boden ging. Er konnte nichts sehen, als habe man ihn geblendet. In seinem Kopf breitete sich ein Schmerz aus, den er bis dahin nicht gekannt hatte. Sein Hirn schien anzuschwellen und gegen den Schädel zu drücken, als sei es zu gross.


Etwas drückte gegen seine Brust, aber als der Kämpfer hinsah, konnte er nichts entdecken. Erst da begriff er, dass sich die Luft in etwas verwandelte, das nicht gut für Menschen sein konnte, als würde das Lebende aus ihr gesogen werden.


Der Söldner blinzelte, um wieder etwas sehen zu können, aber nichts als Weiss erkannte er. Nicht einmal die eigene Hand, die er sich vors Gesicht hielt, konnte er ausmachen. Erst nach einer geraumen Weile, zumindest kam es ihm so vor, konnte er erste Schemen sehen. Die Gestalt Dorians stand neben ihm, auch der andere Söldner schien geblendet, denn er drehte den Kopf von da nach dort.


Das erste Geräusch, das Packard während des Kampfes hörte, lenkte seine Aufmerksamkeit nach vorne. Es war ein Stöhnen der Erschöpfung und trotz seiner geblendeten Augen wusste er, dass es nicht von Arwjena stammte. Der Söldner strengte sich noch mehr an, etwas zu sehen. Wenn die Elbin nun Hilfe benötigte …


Er hasste es, wenn er nicht die Kontrolle über seinen Körper besass. In diesem Fall konnte er nichts beeinflussen, es blieb ihm nichts anderes übrig als zu warten und seinem Gehör zu vertrauen, dass es wirklich die Schwarzelbin gewesen war, die gestöhnt hatte.


„Packard, sag mir, was da passiert.“


„Ich kann selber nichts erkennen“, zischte der Narbige. „Aber stell dich auf einen Kampf ein.“


„Und wie soll ich kämpfen, wenn ich den Gegner nicht sehen kann? Du verwechselst mich mit Arwjena. Ich bin nur ein Mensch, wie du auch. Ich habe manchmal das Gefühl, du vergisst das.“


„Sei still.“ Packard sagte es nicht, weil ihn Dorians Worte ärgerten, sondern weil er glaubte, etwas gehört zu haben. Ein Körper fiel zu Boden und kaum hatte er das registriert, war sein Augenlicht wieder da. Dorian keuchte auf, aber Packard hatte keine Zeit, auf seinen Kumpan zu achten.


Die Schwarzelbin lag am Boden, zitterte heftig und als sich der Söldner getraute näherzutreten, sah er, dass ihre Augen weiss waren. Das Herz klopfte ihm bis in den Hals und Adhavaan hielt er in Abwehrhaltung, so ging er Schritt um Schritt näher.


„Ich habe sie unter Kontrolle“, verkündete Arwjena, aber ihre Stimme klang schwach und erst jetzt wandte sich Packard ihr zu. Sie schwankte und der Söldner war gerade schnell genug bei ihr, um sie zu stützen.

Kapitel 8

Scottie schaute Sharen interessiert zu, als diese ihren Rock nach oben zog und den Unterleib entblösste. Die Blonde konnte ihren Blick kaum von der anderen Skyla lösen und besonders nicht von derer Intimität. Ein wenig fuchste es Scottie schon, dass auch Sharen keine Haare mehr zwischen den Beinen besass, denn das war etwas, auf das sie stolz war. Bestimmt gab es nicht viele Skylae, die glatt waren zwischen den Beinen. Nur von den adeligen Frauen wusste sie, dass diese sich rasierten – weil es eben schöner war. Aber welche Skyla oder gar Hashka konnte sich schon eine Klinge leisten, um die Haare dort zu entfernen?


Sharen drehte ihr den Rücken zu und ging mit zusammengepressten Beinen zum Kessel, der für die Notdurft bereitstand, hinüber.


Scottie konnte es sich selber nicht erklären, warum sie plötzlich eine Hitze in sich aufsteigen fühlte. Nicht zum ersten Mal würde sie Sharen die Notdurft verrichten sehen, aber dies war das erste Mal, dass sie den Blick nicht abwenden konnte.


Ohne dass Packards Skyla es bemerkte, kroch ihre rechte Hand unter den kurzen Rock und tastete nach dem Spältchen. Erst jetzt, als ein Zucken, hervorgerufen durch die Berührung, durch ihren Körper ging, bemerkte sie, wo die Hand steckte.


Scottie lächelte und rieb sich eine kleine Weile, bis sie nicht nur feucht, sondern regelrecht nass war. Sie spürte den Labiasaft über Damm und Ashkloch laufen und schliesslich sammelte er sich auf dem Boden. Sie durfte jetzt nicht an Packard denken. ‚Nein, nein, nein.’ Aber sie tat es. Konnte nicht anders, die Gedanken kamen ihr einfach, ohne dass sie etwas dagegen tun konnte. Noch einmal versuchte sie die Bilder ihres nackten Herrn, wie er mit erstarktem Phallus vor ihr stand, zu vertreiben, aber das Verlangen nach ihm war einfach zu gross.


Sie hörte ein Stöhnen. Das riss sie in die Welt zurück, aber es stammte nicht von ihr selber. Sharen hatte sich über den Kessel in der Ecke gebeugt und die Beine gespreizt, damit der Urin nicht an ihnen hinunterlief. Was sie aber zum Stöhnen brachte, war der Ashk. Das Loch dehnte sich langsam und das erste Stück Kot drückte sich heraus, verschwand aber sogleich und Sharen atmete tief.


Leise rückte Scottie ein Stück näher und setzte sich wieder mit dem Rücken zur Wand. Mit der einen Hand ging sie wieder unter ihr Röckchen, die andere führte sie an die Brüste und massierte sie. Die Warzen zogen sich rasch zusammen und drückten gegen das dünne Oberteil. Ob es ihrem Krieger gefallen würde, wenn er sie so sähe?


Viel intensiver war aber das Gefühl zwischen ihren Beinen. Mit dem Zeigefinger hatte sie die Klitorides gefunden, auf der sie nun spielte. Bäche rannen aus der Lustspalte und färbten das Holz des Bodens dunkel, aber Scottie war das noch nicht genug, abgesehen davon, dass sie ohnehin nicht alles bekommen würde, wonach es sie verlangte. Ein Stöhnen kam über ihre Lippen und Scottie intensivierte die Behandlung noch, indem sie stärker drückte und einen zweiten Finger zu Hilfe nahm.


Auch Sharen stöhnte auf, allerdings weniger aus Lust, sondern Qual. Einige Fingerbreit der Kotwurst ragten aus ihrem Anus, aber mehr kam nicht, obwohl die Skyla presste.


Scottie vergass sich beim Anblick der leidenden Sharen beinahe zu streicheln. Was hier passierte, interessierte sie plötzlich und die blonde Skyla lehnte sich nach vorne, um noch besser sehen zu können. Ob Packards Glied so gross war wie die Fäkalwurst, die aus der Hinterpforte der schönen Sharen ragte? ‚Bestimmt, wenn nicht sogar grösser’, war Scottie überzeugt und fühlte Stolz, weil es ihr nichts ausmachte, eine solch grosse Männlichkeit in sich aufzunehmen, während Sharen es kaum aushielt, den Kot hinauszudrücken.


Packards Skyla konnte sich ein Kichern beinahe nicht unterdrücken. Die sonst so überhebliche, stolze Frau hatte Mühe, sich zu erleichtern. Es stank nicht einmal im Zimmer, aber der Anblick liess Scottie ein Grinsen aufs Gesicht zaubern. Sharen hatte ihr noch nie bei der unwürdigsten Tätigkeit zugesehen, umgekehrt konnte sie es aber geniessen und sie vielleicht mal daran erinnern, wenn die schwarzhaarige Skyla ihr wieder einen herablassenden Blick zuwarf.


Wirklich langsam verliess das Exkrement Sharens Körper. Inzwischen war es auf Handbreite angewachen und berührte den Kessel, über welchen die Schwarzhaarige kniete. Wieder stöhnte sie, wenn auch leise, aber Scottie hörte es und grinste breit. Zum Glück kehrte Sharen ihr den Rücken zu.


Packards Skyla rieb sich immer schneller zwischen den Beinen und obwohl es kaum möglich war, floss ihr Sekret noch heftiger, in breiteren Bächen. Die Intimität wurde regelrecht überflutet und der Eingang zum Garten der Lust öffnete sich. Scottie bemerkte kaum mehr, was sie tat, so sehr hatte die Lust sie wieder einmal gepackt und bestimmte ihr Denken, ihre Gefühle. Sie liess von der Klitorides ab, wandte sich der offenstehenden Spalte zu, die in der Erregung überempfindlich geworden war. Nur schon die leichteste Berührung fühlte sich an, als hielte man ihr Eis an die Schamlippen. Das Mädchen keuchte auf und wollte von sich ablassen, als sie das aber tat, fühlte sie sich schlecht. Sie benötigte diese Berührung, ohne sie würde Scottie vor Erregung durchdrehen.


Trotz allem liess sie Sharen nicht aus den Augen. Sie wollte unbedingt weiter beobachten, wie sich die Schönheit abmühte, den Kot aus sich zu drücken. Sie schien es doch noch zu schaffen, aber unter grosser Anstrengung. Immer wieder hörte Scottie sie laut schnaufen. Länger und noch länger wurde die braune Wurst und brach schliesslich ab, die nächste folgte allerdings sogleich und den Geräuschen nach, die Sharen von sich gab, war sie noch lange nicht erleichtert.


Scottie kümmerte sich wieder um sich selber. Sie schloss die Augen und konzentrierte sich ganz auf die Empfindungen zwischen ihren Beinen. Die Blonde stöhnte, ohne dass sie sich dessen bewusst war und machte einfach weiter. Zeige- und Mittelfinger fanden von alleine den Weg in die nasse Hotshkë. Scottie führte sie so tief wie nur möglich ein und bewegte sie so gut es ging. Gerne wäre sie noch tiefer eingedrungen, so tief, wie es Packard mit seinem Glied jeweils tat, aber es ging nicht, so sehr sie sich auch anstrengte.


Sie wünschte sich ihren Tabar her. Er würde sie jetzt befriedigen, und zwar genau auf die Weise, wie sie es wollte. Bestimmt käme nicht nur ihre Hotshkë an die Reihe …


Kaum hatte sie daran gedacht, rutschte sie mit dem Gesäss von der Wand weg und zog die Beine an den Oberkörper. So konnte sie mit den Händen ihr unwürdigstes Loch erreichen, liess die rechte dorthin wandern. Es war schon nass von den Labiasäften und Scottie versuchte, sich zu entspannen, was gar nicht so einfach war, da sie immer wieder zusammenzuckte. Sie drückte etwas stärker und nun gab das Ashkloch nach und ihr Zeigefinger drang in den heissen, erwartungsvollen Darm ein.


Sie penetrierte sich mit den Fingern in beide Löcher, auf diese Weise kam sie nicht zur Ruhe. Scottie stöhnte ein erstes Mal laut auf und musste sich beherrschen, dass sie wieder leiser wurde. Sie warf einen Blick zu Sharen, ob diese sie wieder einmal herablassend anschaute wie an jedem der letzten Tage. Wie sonst als mit Selbstbefriedigung sollte sie die Zeit ohne Packard überstehen? Zweimal am Tag erhielten sie etwas zu essen, ansonsten kam nie jemand vorbei.


Sharen würde es jeden Moment geschafft haben. Scottie beobachtete, wie sie das letzte Stück hinauspresste und mit einem erleichterten Seufzer beinahe zusammenbrach. Dorians Skyla lehnte mit dem Kopf gegen die Wand und rieb sich über den Bauch. Als Scottie mit ihrer Befriedigung schon weitermachen wollte, stand Sharen auf und sah sich um. Ihr rückwärtiges Loch war noch verschmiert und ein Tropfen Urin lief an ihrem Bein hinab. Die Blicke der beiden Skylae begneten sich und nun war es Sharen, die grinste.


Sie nahm Scotties Laken, das so dünn war, dass die Blonde nachts trotzdem fror, und trocknete sich zuerst die Hoshkë, anschliessend spreizte sie mit der einen Hand die Hinterbacken und wischte sich den After sauber. Das Laken warf sie anschliessend auf den Boden. „Meinst du, ich habe deine Blicke vorhin nicht bemerkt?“, fragte sie mit barscher Stimme. „Dir gefällt es doch nicht etwa, anderen Frauen bei der Verrichtung ihrer Notdurft zuzusehen?“


Scottie war so erschrocken, dass Sharen sie plötzlich anfuhr, dass sie sich keine Ausrede bereitlegen konnte. Auf jeden Fall war es besser, die andere Skyla nichts von ihren Gefühlen wissen zu lassen. „Nein sicher nicht.“ Mehr fiel ihr nicht ein.


Sharen stellte sich breitbeinig, den Unterleib noch immer entblösst, über die Blonde. „Warum hast du mir dann zugeschaut?“


Scottie konnte ihren Blick kaum von der blanken Intimität der südländischen Frau lösen, aber sie musste, wollte sie sich nicht noch mehr anhören müssen. In Sharens Gesicht konnte sie aber auch kaum blicken, denn dieses war wutverzerrt und ihr Blick liess Scottie erschauern.


Nun beugte sie sich hinunter und packte Scottie am Hals. „Antworte mir oder muss ich Packard verraten, dass du Spass mit fremden Männern hattest?“


Die Blonde verstand gar nichts mehr. „Aber die sind doch einfach hereingeplatzt und einer hat mich genommen . Was konnte ich schon dagegen tun?“


Sharen lachte auf eine Weise, die Scottie nicht gefiel. „Erzähl das Packard. Meinst du, das wird er glauben? Sei nicht so blöd. Dir hat es gefallen, dass der Mann dich genommen hat. Gib es zu!“


Scottie atmete tief ein und blickte zur Tür. Nein, bis dorthin würde sie es nie schaffen und ob es draussen besser sein würde, wusste sie auch nicht. „Es hat mir schon ein bisschen gefallen“, gab sie kleinlaut zu.


„Ein bisschen!“, lachte Sharen. „Nun aber zurück zur eigentlichen Frage: Weshalb hast du mich vorhin beobachtet?“

***

Packard musste Arwjena stützen. Er hatte sich ihren linken Arm um die Schultern gelegt und hielt sie in der Taille. Angesicht ihres Körpers hätte er nicht schon jetzt Mühe verspüren müssen, sie noch weiterhin zu tragen, aber ein unsichtbares Gewicht zog beide zu Boden. Der Söldner presste die Augen zusammen und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Arwjena benötigte nun jemanden, der sie hielt und nicht selber Schwäche zeigte.


Sie stiess ein leises Stöhnen aus und drohte zusammenbrechen. Packard musste sie mit beiden Händen aufrecht halten. „Du darfst nicht nachgeben, sonst ist es um uns geschehen. Arwjena!“ Er getraute sich kaum, sie zu berühren, weil er befürchtete, sie würde zerbrechen.


Die Elbin hob den Kopf und in ihrem Gesicht stand geschrieben, wie gross ihre Anstrengungen waren. Es war aschfahl geworden und dunkle Ringe umrahmten die Augen. Die Haare hingen ihr in Strähnen ins Gesicht, nass von Schweiss. Packard fühlte die Schmerzen, die Arwjena erlitt, beinahe am eigenen Körper.


Wer sagte ihm, dass seine Schwäche nicht von der Elbin ausging? Es war eine plausible Frage, aber der Kämpfer gelangte nicht bis zur Antwort, weil er die Kräfte anderweitig benötigte.


„Es ist nicht mehr weit, dann verlassen wir den Aphel Oath. Hörst du nicht auch schon die Vögel pfeifen? Riechst du nicht bereits die frische, reine Luft?“ Packard kannte sich selber nicht mehr, denn solche Worte aus seinem Mund waren ihm fremd, aber mehr wusste er nicht zu tun. Arwjena musste das durchstehen.


Denn gegen die Schwarzelbin konnten die Söldner nicht bestehen.


Packard warf einen Blick zurück. Dorian folgte nur mit wenigen Schritten Abstand, ihre Beute hatte er sich wie ein erlegtes Wild über die Schultern gelegt. Die Füsse, Ober- und Unterschenkel, sowie die Arme an drei Orten, waren zusammengebunden, aber nicht nur körperlich war sie gefesselt.


Dorian schien trotz der Schwarzelbin auf seinen Schultern keine Mühen zu verspüren und so gab ihm Packard Adhavaan und die Waffen, die Arwjena mit sich führte. Der schwarzhaarige Söldner nahm die Sachen mit einem Grinsen entgegen und warf einen Blick nach rechts, wo der Kopf der Gefangenen hing. Bestimmt hätte sie sich gewehrt, aber zusätzlich zu denen an den Gliedmassen hatten die Söldner noch weitere Fesseln angebracht, die es der Schwarzelbin unmöglich machten, sich zu bewegen.


„Diese Schmerzen“, keuchte Arwjena und blieb stehen. Sie griff sich an die Schläfen und rieb sie. Packard hörte ihren Atem rasseln, aber er konnte nicht mehr für seine Begleiterin tun. Er gab ihr Kraft, stützte sie. Es schien alles zuwenig zu sein. Arwjena brach in seinen Armen zusammen und er konnte nur zusehen. Auch das war ein Grund, warum er es bis vor kurzer Zeit vorgezogen hatte, alleine unterwegs zu sein: Wenn man alleine starb, trauerte niemand um einen. Es ersparte Leid.


Arwjena hatte ihn verändert, ihn Packard, der gedacht hatte, zu viel gesehen zu haben, um seine Ansicht zu ändern.


„Sie bohren sich in mein Haupt“, flüsterte sie kaum hörbar. „So etwas habe ich noch nie erlebt. Ich kann nichts dagegen tun. O Vater, steh mir bei.“


Packard presste die Lippen zusammen. ‚Du hast auch noch nie eine Schwarzelbin geistig fesseln müssen.’ Er wunderte sich nicht über die Qualen, die Arwjena erleiden musste, wünschte aber, sie der Elbin ersparen zu können. Wenn selbst sie vor Schmerzen stöhnte, wie schlimm müssten sie dann für einen Menschen sein? Er konnte es sich nicht vorstellen und versuchte, den Gedanken fortzuwischen, denn er lähmte den Söldner nur.


Der Waldsaum war schon nahe, trotzdem hätte Packard eine Rast gut gebrauchen können. Er spürte richtiggehend, wie die Kraft seinen Körper verliess und dabei nicht in Arwjena floss. Bald würde er sich wie eine ausgepresste Süssmangora fühlen. Kurz stehenzubleiben oder gar sich hinzusetzen, getraute er sich nicht, denn er befürchtete, nicht mehr hochzukommen. Sie mussten aus dem Aphel Oath gelangen, koste es, was es wolle. Anschliessend könnten sie sich erholen, nur war es für Packard bis dorthin noch unendlich weit.


Dorian überholte sie und im Nu hatte er einige Schritte Vorsprung. Packard und Arwjena konnten ihm unmöglich folgen, der narbige Söldner fand nicht einmal Kraft, dem anderen etwas zuzurufen.


Der Schwarzhaarige ging aber auch nicht weit. Er zog ein Schwert und drehte sich um. „Hast du wieder einmal einen Blick auf den Stein geworfen? Nein? Ich werde das für dich übernehmen.“ Er nahm ihn aus Packards Hosentasche. „Sieht gut aus. Ich hoffe, es stimmt auch. Ich behalte ihn, wenn du nichts dagegen hast.“ Mit einer raschen Bewegung drehte er sich um und stapfte weiter. Die Schwarzelbin auf seinen Schultern rührte sich nicht mehr, anscheinend hatte sie eingesehen, dass ihre Fesseln zu stark waren.


„Bald haben wir den Rand erreicht“, flüsterte er erneut und blickte nach vorne, wo die letzten Bäume des Aphel Oath standen. „Wir werden diesen Wald lebend verlassen, das verspreche ich dir.“ Er packte Arwjena noch fester und hob sie hoch, trug sie.

***

Dorians Blick löste sich kaum mehr von Aleistars Stein. Vier Punkte sah er darin, drei blaue und einen roten. Mit jedem Moment rechnete er, einen weiteren roten zu entdecken. Doch was hiess da einer? Ein ganzes Schwadron, beinahe ein Heer der Schwarzelben, das nicht nur kam, um die Entführte zurückzuholen, sondern entsetzliche Rache zu üben.


Es drängte ihn, schneller vorwärtszukommen, aber Arwjena konnte er nicht mehr zumuten. Der Kämpfer blieb stehen, um auf die anderen zu warten. Packard trug die Elbin inzwischen, obwohl er selber aussah, als würde er jeden Moment zusammenbrechen. „Wir könnten tauschen, aber ich weiss nicht, ob die Schwarzelbin leichter zu tragen ist.“


„Es ist gut“, gab Packard zurück und machte einige rasche Schritte. Trotz Erschöpfung stand Entschlossenheit in seinen Augen, während Arwjena zu schlafen schien. Dorian betrachtete die Elbin mit einem Stirnrunzeln. Ihre Gegnerin auf seinen Schultern rührte sich nach wie vor nicht. Der schwarzhaarige Söldner steckte den Stein für einen Moment weg und tätschelte die geknebelte Schwarzelbin. Ohne den Knebel in ihrem Mund hätte sich Dorian zurückgehalten mit solchen Zärtlichkeiten.


„Das magst du nicht“, sagte er mit einem Lächeln auf der Stirn. „Ja, das kann ich verstehen. Du bist es nicht gewohnt, dass jemand über dich bestimmt. Hast wohl nie gedacht, dass du einmal gefangen wirst. Aber wir Menschen sind nicht so schwach, wie ihr denkt. Und dass uns eine Elbin begleitet, habt ihr euch auch nicht gedacht. Habe ich Recht?“ Er grinste noch breiter, überlegte sich aber gleichzeitig, ob es nicht klüger wäre, nett zu ihr zu sein, damit er so etwas wie Gnade erwarten konnte, falls – und daran wollte er immer noch nicht denken – sie doch wieder gefangen genommen würden.


Beinahe hätte er losgelacht. Grund dafür war nicht, wie er sich über die Schwarzelbin lustig machte, sondern der Gedanke, dass sie nett sein würde, sollte der schlimmste Fall eintreten. „Es ist egal, wie ich dich behandle, du würdest mich ohnehin zu Tode foltern lassen, nicht wahr?“


Er nahm den Stein wieder hervor, wagte es aber beinahe nicht, hineinzublicken. Er zählte bis drei und senkte den Blick. Sein Herz schlug noch heftiger, nun aber vor Erleichterung.


„Sonnenlicht, seht nur! Wir schaffen es. Schneller!“ Dorian wollte vorausgehen, aber er konnte die anderen nicht zurücklassen. Vielleicht hätte er es getan, wenn er ihnen nicht seine Rettung zu verdanken gehabt hätte. „Das sind die letzten dieser grässlichen Bäume“, verkündete er, obwohl das offensichtlich war. Er fühlte sich so leicht und zufrieden wie seit dem Kauf von Sharen nicht mehr. Damals hatte er nicht gedacht, dass er dieses Gefühl wieder einmal würde geniessen können.


„Dorian, in Deckung.“ Packards Stimme klang herrisch, obwohl Erschöpfung mehr als nur deutlich mitklang.


Der Schwarzhaarige leistete der Aufforderung Folge und duckte sich hinter der nächsten Wurzel, warf die Gefangene auf den Boden und legte die zweite Hand ans Schwert. Er hielt den Atem an und lauschte. Zuerst hörte er von überallher Schritte und Dorian traten Tränen der Angst und Wut, so kurz vor dem rettenden Waldrand doch noch erwischt zu werden, in die Augen, ehe er begriff, dass seine Sinne ihm einen Streich spielten. Schwarzelben würden sich nicht durch Schritte ankündigen, die schlugen aus der Stille zu.


Dorian wollte aufatmen, als er etwas anderes hörte. Blätterrauschen. Etwas das im Herzen des Aphel Oath gefehlt hatte und mit ein Grund gewesen war, warum der Wald so unnatürlich war.


Das war das einzig Ungewöhnliche, das er wahrnehmen konnte. Kaum hatte er diesen Gedanken zu Ende gedacht, umspielte ein Schmunzeln seine Lippen. Wenn er Blätterrauschen schon als etwas Ungewöhnliches sah, hatte er sich rasch an den Aphel Oath gewöhnt.


„Wir können weiter“, rief Packard mit gedämpfter Stimme und gelangte in Dorians Blickfeld. Dieser holte den Stein hervor und vergewisserte sich, dass Packard Recht hatte. Mit einem triumphierenden Blick nahm der Kämpfer die Schwarzelbin wieder auf die Schultern und stellte sich neben Packard, der noch immer Arwjena trug.


Nach einigen Schritten öffnete diese die Augen, aber Packard liess sie nicht auf den Boden. Beide sahen weniger mitgenommen aus als noch zuvor, Packards Schritte waren fester und griffen weiter aus.


Dorian blieb stehen. Er erlaubte es sich einfach und atmete tief ein. Die frische, kühle Luft strömte in seinen Körper und belebte seinen Geist. Nun mussten sie nur noch den Streifen Wiese überqueren und sie hätten es gesschafft. Er glaubte mehr denn je an die Rettung. Natürlich, jetzt mit der Freiheit vor Augen.


„Los!“ Das war Arwjena. Sie stand wieder auf ihren eigenen Beinen und rannte als erste los. Die Söldner folgten ihr mit zwei Schritten Abstand. Dorian warf immer wieder einen Blick zurück, ob nicht doch noch die Schwarzelben auftauchen würden.


Der Geruch des Sumpfes stiess ihn nicht nicht ab, sondern erinnerte ihn an Freiheit. Sie tauchten zwischen die Bäume ein und rannten weiter, bis sie den Aphel Oath aus den Augen verloren.

***

„Und ich kann wirklich nichts für euch tun?“, fragte der Verehrte Sprecher Teliss. Er stand an der Treppe, die hinauf an die Oberfläche führte und sah die Gruppe mit gerunzelter Stirn an.


Packard konnte nicht erkennen, was er über den Fang dachte und dass sie ihn hergebracht hatten, immerhin bedeutete er ein gewisses Risiko, denn die Schwarzelben konnten sich genötigt fühlen, sich zu rächen und wer käme eher in Frage als die Sumpfmenschen, auch wenn sie nichts mit der Sache zu tun hatten? „Wir haben alles, was wir benötigen“, verneinte der Söldner.


„Nicht ganz“, meldete sich da Arwjena mit schwacher Stimme. „Bereits jetzt können wir uns für eure Gastfreundschaft bedanken, aber noch etwas mehr ist vonnöten. Ich kann den Geist der Schwarzelbin nicht für immer unter Kontrolle behalten. Wir müssen ihr den Stachel heraussaugen, damit sie einen Menschen nicht mehr durch blosse Gedanken überwältigen kann.“ Stille trat ein. Packard musterte die Elbin und grübelte, was sie gemeint haben könnte, während sich Dorian und Teliss anschauten. „Könnt Ihr den Schamanen zu uns schicken?“


„Frau Elbin, wir sind Euch zu Diensten. Durch die Zeit im Sumpf sind wir nicht verroht, noch immer wissen wir, was es heisst, Freunden zu helfen. Nichts anderes seid ihr ja. Ich werde mich beeilen, damit Dersass so schnell wie möglich zu Euch kommt.“ Er wandte sich um und stieg die Treppe seiner Unterkunft nach oben. Packard hörte die Klappe, die das Haus verschloss, zugehen, dann herrschte mit Ausnahme des prasselnden Feuers Stille.


Er musste nur Arwjena ansehen, um zu wissen, dass es die richtige Entscheidung gewesen war, an diesen Ort zu kommen. Sie benötigte dringend Ruhe, nicht nur jetzt, sondern hatte sie schon gebraucht, bevor sie den Aphel Oath verlassen hatten. Aber es war auch klug gewesen, nur den Verehrten Sprecher in ihre Lage einzuweihen. Der Kämpfer rückte noch näher zu ihr und wollte die Arme um sie schlingen, aber sie wehrte ab.


„Halte einfach meine Hand. Nichts darf mich jetzt ablenken, sonst erwacht ihr Geist und ob wir sie dann wieder einfangen können, bezweifle ich.“ Obwohl sie schon eine Weile hier sassen, sprach Arwjena mit brüchigerer Stimme als je zuvor. Ihre Hand war schweissnass und die Haare sahen aus, als seien sie nach einer Wäsche noch nicht getrocknet. Strähnen klebten an der Stirn und den Wangen.


Ihre Gefangene versuchte sich zu rühren, doch Dorians Fesseln hielten sie noch immer und da er ihr einen Sack über den Kopf gestülpt hatte, konnte sie der Gruppe nicht einmal giftige Blicke entgegenschleudern. Der schwarzhaarige Söldner schob sich zu ihr und tätschelte ihren Kopf. Ein animalisches Knurren ertönte unter der Haube und die Fesseln wurden auf eine harte Probe gestellt – hielten jedoch.


„Du kannst uns nicht entkommen, also versuche es gar nicht.“ Er wandte sich an Packard. „Ich weiss nicht einmal, ob sie mich versteht, aber ich hoffe es. Wäre doch schade, wenn sie meine Worte nicht mitbekommen würde.“ Mit dem Knie stiess er gegen ihren Kopf und grinste breit. Nun rückte er wieder von ihr weg, behielt sie aber im Auge. „Ich frage mich, wer sie kaufen wird und wozu. Sie nehmen kann man ja nur, wenn sie gefesselt ist und einen Tarakischen Kuss würde ich mir selbst mit einem Mundspreizer nicht geben lassen. Sie ist nicht mehr als ein exotisches Tier. Ich glaube aber, ihr Preis wird beträchtlich sein.“


„Mehr als das“, meinte Packard. „Hast du jemals davon gehört, dass eine Schwarzelbin verkauft worden ist?“ Er liess sich einen Moment Zeit, um die Frage gleich selber zu beantworten: „Die meisten Menschen wissen nicht einmal von ihrer Existenz, schon gar nicht im Süden. Sie gehören zum Norden, aber das wird die Leute nicht davon abhalten, horrende Preise zu bieten.“


Dorian lehnte sich mit einem Lächeln zurück und schloss die Augen. „Stell dir nur vor, wie es sein wird, nicht mehr jeden Auftrag annehmen zu müssen. Wir können leben, wie es uns gefällt. Vielleicht gönne ich mir ein schmuckes Häuschen in Ar Tarak, droben im Viertel der Reichen. Dort hat es einige hübsche Fleckchen.“


„Freue dich nicht zu früh. Bis dorthin ist es noch ein weiter Weg und nicht überall ist er gepflastert.“ Den Rest seiner Gedanken behielt er für sich.


„Packard, der Miesmacher“, grinste Dorian und setzte sich wieder gerade hin. Er betrachtete den Handschuh der Schwarzelben und fuhr mit den Fingern der zweiten Hand über die Naht. „Ob ich den wieder einmal loswerde? Ich spüre ihn beinahe nicht mehr, aber genau das ist es, was mich beunruhigt.“


„Akzeptiere ihn nie, sehe ihn nie als Teil von dir. Das wird dir helfen, ihn abzustossen“, sagte Packard. Genauso die Platte. Auch wenn du sie kaum mehr wahrnimmst, sie gehört nicht zu dir.“


Dorian setzte einen fragenden Ausdruck auf. „Du redest schon wie Arwjena.“


„Was ja nicht das Schlechteste ist. Die Welt hat eindeutig Schaden erlitten, als sie die Elben vertrieben hat. Wir Menschen sind noch in so vielen Dingen rückständig, dass ich mich manchmal schäme, einer zu sein.“


„Mir macht es nichts aus“, sagte Dorian rasch. „Was stört es mich, dass wir nicht so viel wahrnehmen wie sie? Wir haben andere Ansichten, aber die müssen nicht schlechter sein. Ich bin zufrieden, ein Mensch zu sein. Wenn ich mir vorstelle, was mir als Elb mit Sharen entgangen wäre … Nein, es ist gut so, wie es ist. Ich freue mich, endlich in den Gasthof zurückzukehren. Meine Skyla kann etwas erleben.“


Packard bemerkte, dass Dorian noch lange hätte reden können, aber da wurde die Klappe geöffnet und Teliss kam die Treppe hinunter, gefolgt vom Schamanen. Packard hatte ihn beim ersten Besuch schon gesehen, aber heute sah er noch etwas aussergewöhnlicher aus: Er trug einen Mantel aus dunkelgrünem Echsenleder, der bis zu den Knien geschlossen war, und zog eine Schleppe hinter sich her. Seine Füsse waren bar und um die Beine trug er nichts ausser getrockneten Sumpfpflanzen. Auf dem Kopf sass etwas, das Ähnlichkeit mit einer Krone hatte, aber die Zacken bestanden nicht aus Metall, sondern Tierzähnen.


„Unser Verehrter Sprecher hat mich aus meiner Ruhe gerissen. Was gibt es so Dringendes zu tun und wer ist diese Person auf dem Boden?“


„Da wir zu dritt gekommen sind …“, begann Dorian und riss der Gefangenen die Haube vom Kopf, … gibt es nur eine Möglichkeit.“


Die Schwarzelbin fauchte und stemmte sich gegen die Ketten und Schnüre, die aber hielten. Arwjena stöhnte leise auf, der Schamane aber machte einen Schritt rückwärts. „Was habt ihr in unser Dorf gebracht? Verehrter Sprecher, wie habt Ihr das zulassen können?“


„Sie kann uns nichts tun, beruhigt Euch, Dersass. Die Gruppe wird so rasch wie möglich weiterziehen, aber bis es soweit ist, benötigt sie Eure Hilfe.“


„Nein, das geht nicht. Verehrter Sprecher, Ihr vergesst, was die Schwarzelben uns schon alles angetan haben.“


„Das tue ich nicht, aber wir müssen uns nicht nur gegen Feinde wehren, sondern Freunde akzeptieren. Die beiden Menschen und die Elbin benötigen unserer Hilfe – Eurer Hilfe und Ihr werdet sie nicht ausschlagen.“


Der Schamane schüttelte den Kopf. „Ihr begeht einen Fehler, Verehrter Sprecher. Wir sollten sie auf schnellstem Weg von uns schicken. Nur wenn wir das tun, entgehen wir der Rache der Schwarzelben.“


Dorian erhob sich und schaute dem Schamanen in die Augen. „Sie sind uns bisher nicht gefolgt, warum sollten sie nun kommen? Helft uns und wir sind schneller weg, als Ihr Euch wünscht. Dazu müsst Ihr uns aber anhören, Dersass.“


Der Schamane machte eine Bewegung, als wolle er sich umdrehen und gehen, hielt dann aber inne und trat einen Schritt näher. Das kleine Feuer liess den Echsenledermantel beinahe golden leuchten. „Ich sollte das nicht, egal, um was es geht, aber ich werde tun, was ihr wünscht.“


Arwjena hob den Kopf. Ihre Augen standen nur halb offen, aber Packard spürte Erleichterung und Hoffnung. „Könnt Ihr geistige Kontrolle ausüben?“


Schrecken schlich sich in die Züge des Schamanen. „Ich habe das noch nie gemacht, denn so etwas benötigen wir nicht. Ich bin zuständig für das Heilen, wenn die Schwarzelben uns wieder einmal angegriffen haben. Nein, nein, mit geistiger Kontrolle kenne ich mich nicht aus.“


Packard spürte die Spannung, die im Raum lag. Schwer wie pralle Wolken vor einem Regenschauer hing sie in der Unterkunft. Der Söldner hoffte, Arwjena würde bekommen, was sie wollte, denn nicht unnötigerweise hatte sie den Schamanen angefragt.


„Aber Ihr habt etwas darüber gelernt?“, hakte Arwjena nach und verzog gleich darauf das Gesicht. Packard wusste, dass es nichts mit dem Schamanen zu tun hatte, sondern mit der Schwarzelbin, die sich regte.


„Ich … man hat mir einiges darüber erzählt, aber ich habe das Wissen nie angewandt und ich glaube, auch mein Lehrer nicht. Ich weiss nicht, ob ich eine Hilfe wäre.“


Arwjena lächelte. „Dazu benötigt es nicht viel. Selbst die kleinste Unterstützung wäre wertvoll. Was getan werden muss, kann ich nicht alleine.“


Der Schamane wurde sichtlich unruhig. Er blickte zu Teliss hinüber, aber der Verehrte Sprecher starrte bloss auf die Schwarzelbin. Er zupfte an den Sumpfgräsern, die unter dem Mantel hervorlugten und riss eines aus. „Was müsste ich tun?“


Die Elbin atmete tief ein. Packard spürte ihr Zittern, aber auch die Erleichterung, den Schamanen ein Stück überzeugt zu haben. Dennoch machte sich der Söldner Sorgen. Arwjena hatte kaum genug Kraft, selber zu gehen, wie sollte sie der Schwarzelbin den geistigen Stachel aussaugen können? Er wusste allerdings auch, dass sie nicht mehr lange Zeit hatten, das zu tun und deshalb sagte er nichts dagegen. Er würde seiner Begleiterin beistehen und ihr Kraft geben.


„Ich muss der Schwarzelbin den Stachel ihres Geistes ziehen“, sprach Arwjena leise. „Das kann ich ohne Hilfe, aber gleichzeitig verliere ich die Kontrolle über ihre Gedanken. Das ist ähnlich, als wolle man jemandem einen Zahn ziehen. Man kann nicht mit der Zange arbeiten und die Person auch noch festhalten. Ihr müsst die Schwarzelbin fesseln.“


Der Schamane öffnete den Mund, um etwas zu sagen und schloss ihn sogleich wieder. „Ihr könntet sie gefesselt behalten und ich …“


„Ich habe Euch die einfachere der beiden Aufgaben überlassen. Es genügt, wenn Ihr die Fesseln überwacht und gegebenenfalls verstärkt. Anfangs unterstütze ich Euch noch, denn sie wird sicherlich versuchen, der Umklammerung zu entkommen.“


Der Schamane knabberte an seiner Unterlippe. Als er schliesslich einen Schritt auf Arwjena zumachte, hatte er die Entscheidung getroffen. „Ich werde Euch beistehen. Um die Kontrolle ausüben zu können, brauche ich verschiedene Dinge. Ich kann nicht wie Ihr die Kontrolle ohne Hilfsmittel übernehmen.“ Er verzog die Lippen zu einem unsicheren Lächeln. „Wenn es denn überhaupt klappt. Seit ich dies gelernt habe, sind viele Sommer ins Land gezogen.“


Arwjena stand mühsam, aber ohne Hilfe Packards auf. „Wenn wir es nicht versuchen, werden wir es nicht herausfinden. Was benötigt Ihr?“


Der Schamane drehte sich um und legte den Kopf in den Nacken. „Lasst mich nachdenken. Königskraut. Das wächst im Sumpf kaum. Am besten schicken wir mehrere Leute, um das zu finden.“


„Dorian, schliesst du dich ihnen an?“, fragte Packard, aber es war mehr eine Aufforderung. „Ich würde auch mitkommen, aber ich bleibe besser bei Arwjena.“


„Wie sieht dieses Gewächs denn aus? Königskraut? Kein Wunder, findet man es hier nicht.“


„Es hat einen harten Stiel und lange, wirklich lange Blätter. Ich benötige aber noch mehr, am besten hört Ihr mir gut zu, Krieger. Eine andere Pflanze findet Ihr überall im Sumpf: Den Busch des Aritellit. Er trägt rote Beeren, die ungeniessbar sind und beinahe sofort verfallen, wenn man sie in die Hand nimmt. Ihr müsst vorsichtig sein.“


„Werde ich. Die Beeren werden meinen, noch am Strauch zu hängen. Was noch?“ Dorian machte sich schon einmal auf in Richtung der Treppe, die nach oben führte.


„Das ist alles. Ja. Geht nun. Ich hole aus meiner Hütte die anderen Zutaten.“ Er folgte Dorian, aber als er die oberste Stufe erreicht hatte, blieb er stehen. „Einen Rost brauche ich auch noch. Einen hohen aber.“


Der Verehrte Sprecher wandte sich mit fragendem Blick an Arwjena und Packard. Die Elbin bemerkte es wohl nicht einmal und der Kämpfer wusste auch keine Antwort, sagte dafür etwas anderes: „Geht und holt, was Euer Schamane verlangt! Er wird wissen, was zu tun ist.“


Teliss nickte knapp und machte auf dem Absatz kehrt. Er stürmte die Treppe hinauf und seine Schritte verloren sich in der Dunkelheit. Übrig blieb nur das Prasseln des Feuers. Die Schwarzelbin lag ruhig da, als warte sie nicht darauf, dass ihr etwas Wichtiges genommen würde.


Packard hielt noch immer die schweissnasse Hand seiner Begleiterin. Arwjena krümmte sich und ein Stöhnen kam aus ihrem Mund. Sie drückte Packards Hand härter zusammen, als es jeder Mensch gekonnt hätte. Sie keuchte und Packard musste sie stützen, damit sie nicht zur Seite sackte. Der Söldner wollte sie an sich drücken, aber sie stiess ihn von sich und löste sogar ihre Hand von seiner. Sie verkrallte sich in ihren Haaren und riss daran, während die zweite, zur Faust geballt, auf den Boden schlug.


Geräusche, die Packard noch nie gehört hatte und von denen er sich nicht vorstellen konnte, wie man sie bildete, kamen aus Arwjenas Mund. Etwas war allerdings klar aus ihnen zu hören: Sie bedeuten Qual und grösste Anstrengung. Packard schmerzten sie in den Zähnen und sein Bauch zog sich zusammen. Er stand auf, weil er nicht regungslos am Boden sitzen konnte. Arwjena konnte er nicht helfen, er konnte überhaupt nichts tun als zuzuwarten und die Elbin beim Leiden beobachten.


Etwas gab es vielleicht doch …


Mit einer entschlossenen Bewegung zückte er Adhavaan und trat zu der Schwarzelbin. Einen Moment zögerte er noch, denn der gleiche geistige Kampf wie auf der Lichtung im Aphel Oath schien zu wüten. Sollte Packard jedoch nicht eingreifen, würde Arwjena unterliegen. Erbarmungslos liess er den Knauf auf den Schädel der Schwarzelbin krachen.


„Packard …“ Arwjenas Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Der Söldner kümmerte sich nicht weiter um ihre Gegnerin, sonder hastete zu seiner Begleiterin hinüber. Jetzt liess sie sich umarmen. Packard drückte ihren zitternden Körper an sich und wärmte ihn, denn er war ganz kalt geworden.


„Du hast das einzig Richtige getan“, sagte Arwjena und löste sich sanft vom Söldner. „Sie hat seit ihrer Gefangennahme ihre Kräfte gespart, um dann mit ganzer Macht anzugreifen. Auf den Augenblick, da sie mit mir beinahe alleine sein würde, hat sie gewartet. Ich war geschwächt und sie hätte mich besiegt. Jetzt wird hoffentlich alles gut.“


Packard zweifelte noch daran. „Du brauchst Zeit, um dich zu erholen. Es kann nicht einfach sein, jemandem den geistigen Stachel zu ziehen.“


„Ich kann nicht. Je länger wir warten, desto stärker wird auch die Schwarzelbin. Wenn ich erfolgreich sein will, darf ich nicht warten.“

***

Als letzter kehrte Dorian zurück.


„Die Beeren habe ich gefunden, aber von diesem Kraut gab es keine Spur. Das Licht im Sumpf ist auch verdammt schlecht. Kennt ihr so etwas wie Fackeln nicht? Packard, vielleicht musst du mit Adhavaan gehen.“


„Wir haben alles“, teilte der Schamane ihm mit. „Vom Königskraut habe ich noch etwas gefunden und Aritellit-Beeren haben andere auch aufgetrieben. Da wir nun auch einen Rost haben, können wir beginnen. Mehr Glut ist vonnöten. Sorgt ihr dafür?“, fragte er und meinte die beiden Söldner, wahrscheinlich sogar auch den Verehrten Sprecher.


Jedenfalls machten sich alle daran, für mehr Glut zu sorgen. Dabei mussten sie Acht geben, kein zu grosses Feuer zu entfachen, denn die Erdhöhle war, im Gegensatz zum Sumpf, trocken und ein Funken hätte genügt, um einen unkontrollierbaren Brand auszulösen. Der starke Rauch zog rasch durch die offene Klappe nach draussen.


Arwjena bekam nur durch einen Schleier mit, was in der Höhle vor sich ging. Um die Augen zu öffnen, war sie zu entkräftet und durch das Gehör bekam sie nicht alles mit. Sie versuchte schon gar nicht, sich aufzusetzen, weil sie wusste, dass sie jedes bisschen Kraft noch benötigen würde. Sie tauchte in die Erinnerung an den Dret‘hoirn ab und wandelte in ihren Gedanken durch den goldenen Wald im Herbst. Durch den Trost schöpfte sie Kraft.


„Das könnte genügen“, meinte der Schamane.


„Könnte oder tut es wirklich“, fragte Dorian scharf nach. „Ich glaube nicht, dass es klug wäre, einen zweiten Anlauf zu riskieren.“


„Wir haben genug Glut“, sagte Dersass, nun entschieden. „Jetzt der Rost. Er muss über das Feuer.“


Dorian wandte sich zum Mann im Echsenledermantel um. „Ihr habt da nichts verwechselt? Wir wollen die Schwarzelbin nicht braten, sondern ihren Geist, oder zumindest das Gefährliche, heraussaugen.“


„Ich weiss, was ich tue“, sagte der Schamane und lächelte. „Der Rost darf einfach nicht brechen. Die entstehenden Dämpfe sind leicht, sie ziehen gerade nach oben. Nur wenn wir die Schwarzelbin über die Glut legen, erhalten wir die Wirkung, die wir wollen.“


Packard unterzog ihn einer genaueren Prüfung. Zuerst zog er an den Metallstäben, anschliessend lehnte er ihn gegen die Wand und drückte mit dem Fuss dagegen. „Brauchbar“, urteilte er schliesslich und mit Dorians Hilfe stellte er ihn über die Glut auf Schulterhöhe der beiden Söldner. Anschliessend legten sie die Schwarzelbin darauf. In ihren Haaren klebte Blut und sie schien noch immer bewusstlos zu sein. Doch nein, sie öffnete die Augen und purer, schwarzer Hass schlug Packard entgegen. Sein Herz blieb für den Bruchteil eines Moments stehen und eines wurde ihm klar: Sollten die Schwarzelben sie irgendwie in die Hände kriegen, wartete nicht der Tod auf sie. Zumindest kein schneller, dafür einer, der mit ungeheueren Schmerzen daherkam und bei dem man sich wünschte, rasch den Lebensfaden loslassen zu können.


Arwjena sah einen Schatten näher kommen, der sich als Packard herausstellte und der Söldner drückte ihr einen Kuss auf den Mund. „Wir sind beinahe soweit. Dersass bereitet noch etwas vor, aber sonst ist alles bereit.“


„Hilf mir auf. Ich muss zu ihr hin … sie berühren. Ohne Kontakt geht es nicht.“ Packards starker Arm hob sie hoch, aber sie wollte nicht getragen werden. Sie brach nicht zusammen, aber ihr Gang war unsicher.


Der Schamane kniete neben der Glut und nahm eine Handvoll der Beeren. Er verrieb sie über den Kohlen und murmelte dazu unverständliche Worte. Es zischte und roter Dampf stieg auf. Nun kamen die Blätter der Königskrauts an die Reihe. Diese legte Dersass auf die Kohlen. Nach einigen Augenblick färbten sie sich gelb, doch verbrannten nicht. Ein süsslicher, intensiver Duft ging von ihnen aus. Die Klappe nach draussen war geschlossen worden, sodass die Dämpfe nicht mehr entweichen konnten. Selbst Arwjena bissen sie in der Nase und den Augen.


Der Schamane stimmte eine leise Melodie an, die sich rasch steigerte, dafür mehr zu einem Sprechgesang wurde. Die Worte verstand Arwjena nicht, sie war sich gar nicht einmal sicher, ob es welche waren oder nur Geräusche, die ähnlich klangen.


Sie fühlte die Wirkung des Rauchs an sich selber. Sie musste sich nicht mehr anstrengen, um die Gedanken in ihre Heimat zu lenken, eher gelangte sie kaum mehr in die Wirklichkeit zurück und hätte sie die Wahl gehabt, wäre sie noch ein wenig in ihrer Heimat geblieben.


Packards Zärtlichkeit holte sie zurück. Nicht dass er sie gestreichelt oder sonst auf liebevolle Weise berührt hätte, alleine seine Nähe genügte, um sie zu stärken. Sie konnte es nicht lassen, ihn kurz von der Seite her anzusehen, doch er reagierte nicht, was vielleicht auch besser war.


Nun lenkte sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Aufgabe, die vor ihr lag. Sie benötigte die ganze Konzentration, nun sogar noch mehr, da sie nicht im Vollbesitz ihrer Kräfte war. Ihr Herz schlug heftig, als sie näher an den Rost trat und sie wartete einige Augenblicke, bis sie die Schwarzelbin berührte.


Eisige Kälte breitete sich in der Hand aus, aber das war es nicht, was Arwjena sie beinahe zurückziehen liess. Hass auf alles Lebende erfüllte die Schwarzelbin noch immer, selbst jetzt noch, da sie nicht mehr Herrin über ihre Gedanken war. ‚Wie kann ein Geschöpf, das einmal gleich wie unsereins war, sich so verändern? Welche Macht muss hinter den Schwarzelben stehen, wenn sie derart auf den falschen Weg geführt werden?’ Arwjena beschloss, diesem Gedanken nicht weiter nachzugehen, zumindest nicht zu diesem Zeitpunkt. Die Antwort hätte ihr nur Angst gemacht und das konnte sie nun nicht gebrauchen.


Der Singsang des Schamanen wurde lauter und lauter, bis es in Arwjenas Ohren dröhnte. Vor ihren Augen verschwamm die Umgebung und sie musste sie schliessen, damit ihr nicht schwindlig wurde.


Sie tauchte hinab in die Weiten des Geistes. Das Licht der Hütte wurde kleiner wie ein ausgehendes Feuer und der Sprechgesang des Schamanen verwandelte sich in ein leises Summen, als würde eine Tür zugestossen. Die Elbin wusste, was sie erwarten würde, denn Olrend persönlich hatte sie auf diesen Moment vorbereitet – wie er alle Elben vorbereitet hatte, wohlwissend, dass er kommen würde. Im Dret‘hoirn, bevor sie Packard kennengelernt hatte, war ihr diese Vorsichtsmassnahme so unwirklich, so fernab der Wirklichkeit vorgekommen, nun aber konnte sie ihrem Vater nicht dankbar genug sein.


Sie stiess auf weniger Widerstand, als sie erwartet hatte. Vielleicht lag es daran, dass sie schon eingedrungen war und jetzt nur noch tiefer vorstossen musste. Vorsichtig, damit sie die Schwarzelbin nicht reizte und zu einem plötzlichen Aufbäumen verleitete, tastete sich Arwjena weiter. Um sie war es nur noch schwarz, als schwimme sie tief unter der Meeresoberfläche und noch musste sie sich keiner Angriffe erwehren. Sie nutzte die Zeit, um sich zu erholen oder zumindest Kräfte zu sparen.


Ein grauer Faden kam auf sie zu. Arwjena breitete sich auf einen harten Aufprall vor, wappnete sich dagegen, indem sie eine Gedankenmauer aus Nichts um sich baute. Diese würde den Angriff stark genug mindern, dass es für die Elbin ein Leichtes sein würde, ihn abzuwehren.


Zumindest bei einem Menschen funktionierte das. Einer Schwarzelbin war sie vorher noch nie begegnet.


Das Grau breitete sich aus wie Nebel und bald schon konnte Arwjena nichts anderes mehr ausmachen. Bald würde es sie zerdrücken, da half auch die Mauer nichts mehr, selbst wenn die Elbin diese noch verstärken würde. Sie bereitete sich vor, den verdorbenen Geist der Schwarzelbin zu verlassen, sobald der Angriff kam. Nur so würde sich Arwjena retten können. Gegenwehr würde sie keine leisten können, nicht gegen einen solch übermächtigen Angriff. Sie würde sich nur der Gefahr aussetzen, einen schweren Schlag zu erleiden, von welchem sie sich nie erholen würde.


Sie wartete ab, jeden Moment bereit, sich zurückzuziehen. Aber kein Schlag kam, obwohl das Grau gegen die Mauer drückte und bereits in das Nichts eindrang. Langsam versuchte sich Arwjena zu rühren, vorsichtig den ersten Schritt zurück zu machen. Noch wagte sie es nicht, die finale Entscheidung zu treffen, denn da war immer noch die Hoffnung.


Sie hatte geglaubt, tief genug gegangen zu sein, dass sie den Singsang des Schamanen nicht mehr hören würde, doch da tauchte er am Rand ihres Bewusstseins wieder auf.


Es traf sie wie eine Faust ins Gesicht und hätte all die Mühen beinahe zunichte gemacht, so sehr erschrak Arwjena. Das Grau um sie war nichts anderes als der Schamane, der den Geist der Schwarzelbin unter Kontrolle hielt. Vorsichtig, um sich immer noch zurückziehen zu können, verliess sie den Schutz ihrer Mauer.


Augenblicklich nahmen die Geräusche aus der Kehle des Schamanen an Intensität zu. Wie das Grau erfüllten sie die Leere und drängten alles zurück, was hätte eindringen wollen. Sogar Arwjena konnte sich nur mühsam halten. Sie gab die Kontrolle über den Geist langsam ab. Es fühlte sich an wie ein Seil, an dessen anderem Ende jemand zog.


Als es geschehen war, ihr Helfer die Schwarzelbin kontrollierte, setzte Arwjena ihren Weg fort. Bis sie ihr Ziel erreicht haben würde, verginge noch viel Zeit. Immerhin kam sie gut voran, schneller als sie gedacht hatte. Die Schwarzelbin hatte sich anscheinend weit zurückgezogen. Ob das ein gutes oder schlechtes Zeichen war, vermochte Arwjena nicht festzustellen. Noch nicht.


Sie liess sich von ihrer Eingebung leiten. Nichts sonst vermochte ihr den Weg zu zeigen, tief drin, an einem Ort, wo sie nicht sein sollte. So alleine wie hier hatte sie sich noch nie gefühlt und obschon nichts sie angriff, war da doch immer die ständige Ablehnung. Arwjena war kalt. Sie fühlte ihren Körper nicht mehr, seit sie in den Geist der Schwarzelbin gestiegen war, dennoch war ihr klamm und sie musste sich stärker anstrengen, um noch tiefer eindringen zu können.


Mit jedem Zug, den sie tat, mit jedem bisschen, das sie vorwärts kam, gelangte sie in Gefilde, die sie nie hatte erreichen wollen. Das Schwarz wich allmählich, doch was ihm folgte, hätte Arwjena lieber nicht gesehen: scheussliche Bilder, die nicht nur Tod und Verwüstung zeigten, sondern verbreiteten. All die … Werte, die Schwarzelben für erstrebenswert hielten, prasselten auf Arwjena ein. Hier konnte sie nicht einfach die Augen schliessen. Es blieb ihr nur, die Mauer wieder aufzubauen. Zwar konnte sich die Elbin nun schützen, aber sie hatte wertvolle Zeit verloren.


Der Widerstand, der sich gegen ihr Eindringen gebildet hatte, konnte sie zwar noch nicht aufhalten, aber er kostete Kraft – die sie vielleicht noch brauchte. So einfach liess sich die Schwarzelbin den Stachel nicht nehmen. Arwjena machte sich keine Hoffnungen, denn sie würden sich nicht erfüllen. Und wenn doch, wäre es eine angenehme Überraschung.


Jeder Eindruck schlug wie ein Hammer auf die Elbin ein und vermochten sie sie auch nicht aufzuhalten, so fügten sie ihr aber dennoch Wunden zu und spätestens wenn es zur Entscheidung kam, würden sich diese bemerkbar machen.


Der Zeitpunkt kam, da liess Arwjena die Deckung zurück, schärfte dafür die geistigen Klingen und wehrte sich gegen alles, was auf sie einprasselte, schlug Eindrücke zur Seite und zerhackte sie, bis nichts mehr von ihnen übrig blieb.


Immer mehr kamen auf sie zu, aber gegen jedes Bild, gegen jedes Gefühl stellte sie sich und liess nicht zu, dass etwas bis zu ihr drang. Die Schwarzelbin vermochte nicht dagegenzuhalten.


Bis die Gefallene alle Kraft freisetzte.


Es war nicht so, dass Arwjena sehen konnte, was auf sie zukam, es blendete und verbrannte sie. Es war so heiss wie eine Sonne und fiel mit einer Macht über Arwjena her, die sie beinahe überwältigte, zumindest aber zurücktrieb und eine Wunde zufügte, die ihr lange zusetzen würde.


Die Elbin stemmte sich mit ganzer Kraft gegen den Angriff und tatsächlich vermochte sie, sich zu behaupten, etwas von der grausamen Härte zu nehmen und zur Seite zu schieben, während sie eine andere Gestalt annahm. Sie verliess die einer Kugel und formte sich zur Nadel. Die Hitze vermochte ihr nun beinahe nichts mehr anzuhaben, wohl aber der Hass und die Todeslust, die noch immer gegen sie schlugen. Sich mit diesen Eindrücken abzugeben, brachte nichts.


Sie fokussierte sich ganz auf den entscheidenden Schlag. Für mehr würden ihre Reserven nicht reichen, sie konnte sich also gar nicht falsch entscheiden. Es galt nur, den Ansturm der Schwarzelbin zu überstehen. Sie zog sich so weit zurück wie es ging, bildete wieder die Blase, um sich nicht dauernd verteidigen zu müssen und unnötige Kraft zu verschwenden.


Der Kampf spielte sich nur in den Köpfen ab, doch Arwjena spürte ihre Gegnerin beinahe schon körperlich.


Sie liess die Schwarzelbin kommen, anstürmen und sich in Sicherheit wiegen. Oder hatte Arwjenas Gegnerin noch gar nicht gezeigt, was sie konnte, ihre wahre Stärke noch nicht gezeigt? Die Elbin bereitete sich so gut wie sie konnte darauf vor, aber in erster Linie kümmerte sie sich um ihre Stärken. Mehr als eine Möglichkeit würde sie wohl nicht kriegen. Wenn sie zum Angriff übergehen würde, musste der Schlag sitzen. Damit dies der Fall sein würde, konzentrierte sie sich und nichts vermochte sie zu stören.


Dann kam sie. Unbarmherzig und mit allem Hass, den Arwjena auf die Schwarzelbin hatte, stürmte sie vor. Wie zwei Ringer verkeilten sich die beiden, nur im Geist jedoch. Arwjena traf mit ganzer Wucht auf ihre Gegnerin, die ins Taumeln kam – und noch nicht fiel. Die Elbin hatte noch nicht alles verbraucht. Sie ging noch einmal in sich, holte alles hervor, was in ihr steckte.


Die Energiebälle der Kämpfenden explodierten in einem einzigen Lichtblitz, der, wäre er vor Arwjenas Augen entstanden, die Elbin geblendet hätte.


Sie wurde zurückgestossen, verlor die Kontrolle über sich, kreiste und trudelte. So etwas wie Orientierung existierte nicht mehr und die Schwarzelbin verschwand, jedoch nicht besiegt.


Sie bekam etwas zu fassen. Hielt sich daran oder besser: zog daran. Es war nicht mehr als ein Faden im Chaos aus Lichtblitzen, Bildern und Gefühlen und nächstens würde er reissen.


So kam es auch. Zuerst geschah aber etwas anderes. Arwjena spürte die S

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Kommentare


hherbert
dabei seit: Mär '02
Kommentare: 7
schrieb am 16.05.2010:
»Hi,
wenn ich mir was wünschen darf, wäre alles auf einmal praktisch. Ansonsten so wie bisher drei Teile.
Im übrigen ist die Geschichte sehr gut geschrieben im sinne von Stil, aber auch die interessante Location finde ich toll.«

mystie
dabei seit: Jan '05
Kommentare: 2
schrieb am 16.05.2010:
»Hi, ich lese schon sehr lange die geschichten auf Sevac.
Klar ist der erotische inhalt auch der Grund warum ich hier lese.
Aber die Geschichten sind vom Inhalt echt klasse und Spannend.
Ich hoffe das noch viele Geschichten von euch kommen.
Im Übrigen finde ich persönlich Mehrteilige Geschichten besser.
Lg Mystie«

tralalo
dabei seit: Jan '01
Kommentare: 96
schrieb am 16.05.2010:
»Drei Teile finde ich am besten, einzelne Kapitel sind mir zu kurz und für das ganze Buch braucht man schon die richtige Stimmung.«

luke2001
dabei seit: Feb '01
Kommentare: 4
schrieb am 17.05.2010:
»Hi,
Mehrere Kapitel zusammen finde ich am besten.
Wichtig ist, dass es Fortsetzungen gibt.
Vielen Dank für die bisherigen Geschichten!
LG SMJean«

ngsakul
dabei seit: Feb '05
Kommentare: 27
schrieb am 20.05.2010:
»Schwere Frage - hat beides seine Vor- und Nachteile...

Diesen 3/3 Teil *musste* ich nun leider unterbrechungsfrei lesen, einfach zu spannend, zu gut geschrieben - einfach genial...

Hier hätte eine Stückelung höchstens zu Frust geführt ;)

Wenn ich jedoch an die Einleser denke... könnte es vielleicht besser sein, das ganze eher Kapitelweise zu veröffentlichen - vielleicht reduziert dies die Wartezeit insgesamt?

Die Variante die Geschichte als ganzes Buch einzureichen ist gewagt - ich denke, ein Einleser wird bei der Wahl zwischen zwei spannend klingenden Geschichten eines Autors eher die nehmen für die er grade mehr Zeit hat - und das dürfte die kürzere sein?

Ich denke daher, dass Veröffentlichungen eher an der Seitenzahl festgemacht werden sollten. 20 - 40 Seiten scheint ideal. Egal ob das nun ein Kapitel, ein Teil oder gleich ein ganzes Buch ist ;)

An die Kommentar-Leser, die nun nicht wissen worüber hier kommentiert wird:
Lest den Teil, dann wisst ihr es - und es lohnt sich auf jeden Fall!«

Coolcat67
dabei seit: Dez '00
Kommentare: 20
schrieb am 21.05.2010:
»Erst mal vielen Dank Euch beiden für die mal wieder gelungene Story. Einfach klasse.
Was die Veröffentlichung angeht, ich lese die Geschichten am liebsten in "einem Rutsch". Spricht eindeutig für die 2. Variante. Im Sinne der Veröffentlichung und Praktikabilität denke ich aber das die 3. Möglichkeit die beste ist.
Besten Gruß
Coolcat (in freudiger Erwartung des 4. Buches)«

Ray4ever
dabei seit: Sep '02
Kommentare: 2
schrieb am 21.05.2010:
»Hi, wieder einmal eine perfekte Geschichte von euch!
Ich persönlich würde es begrüßen wenn die Geschichten kapitelweise veröffentlicht werden würden, da ich lieber häufiger was lese, auch wenn es dann niemals so wirklich viel ist.«

rudirastlos
dabei seit: Nov '04
Kommentare: 2
schrieb am 10.11.2012:
»Top!!!!!1«



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