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Lesungen: 3426 | Bewertung: 5.86 | Kategorie: Sonstiges | veröffentlicht: 12.05.2003

Stichtag

von

STICHTAG

geschrieben im Mai 2003


von Mryia Jackalope

Es war wieder einmal Stichtag. Mario hasste diesen Tag. Einmal im Jahr, immer am ersten Samstag im August. Immer dann traf er sich mit seiner ehemaligen Schulclique, eine laestige Verpflichtung, die er heute bereute, damals eingegangen zu sein. Er wusste genau, diesmal wuerde er das Opfer sein. Nicht das erste Mal. Und ausgerechnet hatte er dieses Mal auch noch der Gastgeber zu sein.

Mario war ein stattlicher, sportlicher Wolfmorph, 185 Zentimeter gross und frische 25 Jahre alt. Sein wolftypisches graues Fell war gepflegt und steckte in einem feinen Anzug mit Jackett. Er hatte keinen Grund, sich zu beschweren. Er war ein erfolgreicher Computerprogrammierer und verdiente nicht uebel Geld damit. Nur mit den Weibchen hatte er zur Zeit kein Glueck, zur Schadenfreude der anderen.

Es klingelte an der Tuer. Mario schlenderte durch seine Zwei-Zimmer-Wohnung und oeffnete den ersten Gaesten. Thomas, ein etwas untersetzter Waschbaer, war der erste. Und er hatte natuerlich weibliche Begleitung dabei, eine ebenfalls leicht pummelige Waschbaerin, auch etwa Mitte 20. "Hi Mario, darf ich dir Beate vorstellen?" stellte er die etwas scheue Waschbaerin vor.

"Angenehm, ich bin Mario, der Gastgeber und Verlierer des heutigen Abends", sagte Mario etwas zerknirscht.

"Ach komm schon", klopfte ihm Thomas auf den Ruecken, "noch sind nicht alle da. Wer weiss, ob Jesper diesmal was dabei hat?"

Jesper der Fuchs war der einzige Nicht-Hetero aus Marios damaliger Clique. Man wusste nie, ob er zur Zeit mit einem Kerl oder mit einer Tussi unterwegs war. Bisexualitaet schien bei Fuechsen im Blut zu liegen, jedenfalls kannte Mario kaum einen Fuchs, der halbwegs normal war.

Wieder klingelte es, diesmal kam Benny, der Tiger. Wie ueblich kam auch er adrett gekleidet und war in weiblicher Begleitung. Eine schwarze Pantherin stand mit eingehaktem Arm an seiner Seite, sie trug als Kontrast zum schwarzen Fell ein helles, beiges Kleid. "Hallo Mario, lange nicht gesehen. Darf ich dir meine Freundin Jutta vorstellen?"

Jetzt fehlten noch die uebrigen vier Mitglieder der Gruppe, zu siebent waren sie damals gewesen. Es dauerte nicht lange, da trudelten auch Georg und Conny ein, der Hengst und die Stute, schon seit Jahren gluecklich verheiratet.

"Dingdong", klingelte es wieder an der Tuer, und Mario oeffnete Melanie, dem einzigen Weibchen der Gruppe. Sie war eine ausserordendlich huebsche Haesin und hatte eigentlich nie Probleme, einen Partner zu finden. An ihrer Seite befand sich ein schlanker, muskuloeser Skunk, den sie als Steffen vorstellte.

Diejenigen, die jetzt schon da waren, hatten es sich auf dem Fussboden in Marios grossem Wohnzimmer bequem gemacht. "Wer bringt eigentlich das Geschenk fuer den Verlierer mit?" fragte Thomas in den Raum, was Mario mit einem veraechtlichen "Hmpf!" beantwortete.

"Fred wollte sich drum kuemmern, er hatte da schon eine bestimmte Idee gehabt." Melanie lachte und klopfte dem schmollenden Mario freundschaftlich auf den Ruecken. "Nimm es doch nicht so persoenlich. Mario, weiss du noch, was ihr letztes Jahr mit mir gemacht habt?" Sie grinste.

Ja, Mario wusste es noch ganz gut. Wie sie sich zuerst auch fuerchterlich empoert ueber ihr "Geschenk" gezeigt hatte, aber spaeter nicht genug davon bekommen konnte. Es klingelte wieder.

"Maaaario!" fiel ihm ein schlanker, gut gebauter Rotpelz in die Arme und schleckte ihm ueber das Gesicht. Jesper hatte sich kein bischen veraendert. Hinter ihm stand ein etwas verlegen laechelndes Reh und winkte ihm zu.

"Nanu?" musste Mario grinsen, "seit wann bist du in weiblicher Begleitung?"

"Seitdem ich weiss, dass meine Conny hier einen besonderen Spass an Umschnalldildos hat", antwortete der Fuchs frech und nahm seine Freundin an die Hand. "Und selbst?"

"Siehst du doch... ich bin heute der Angeschmierte. Ich habs zwar gestern noch auf den letzten Druecker in der Disse versucht, aber irgendwie bin ich ueberall abgeblitzt."

"Du Aermster", troestete ihn Jesper und grinste, "dabei siehst du immer noch so suess aus. Schade, dass du nur auf Weibchen abfaehrst."

"Jedem das seine", gab Mario freundlich zur Antwort und bat die beiden hinein. Doch kaum hatte er die Tuer geschlossen, klingelte es schon wieder.

Es war Fred, der Witzbold. Der Klassenclown, der immer fuer einen Spass gut war. Auch heute hatte er nichts von seinem manchmal etwas merkwuerdigen Sinn fuer Humor verloren. Ein langes, schlaksiges Wiesel mit einem etwas zu kurz geratenem linken Bein, weshalb sein Gang etwas watschelnd aussah. Er war im Begleitung einer schlanken jungen Katze, die er als Leila vorstelte. Unter dem Arm hielt er ein in buntes Geschenkpapier eingewickeltes Paket.

"Komm herein, Fred", bat er das Wiesel und seine Begleitung hinein, "die anderen warten schon im Wohnzimmer."

In geselliger Runde wurde dann froehlich durcheinander geredet, ueber die Ereignisse des letzten Jahres, ihre eigenen Erfahrungen, ihre Liebschaften. Nachdem die Schule aus war, hatte es sie in alle Winde zerstreut, und das jaehrliche Treffen war eine gute Gelegenheit, in Ruhe zu plaudern. Irgendwann im Laufe des Abends kam es dann wie es kommen musste, und Fred holte das Geschenk hervor.

"Mario, als unser diesjaehriger Verlierer gebuert dir alleinig die Ehre, dieses exklusive Geschenk fuer dich feierlich auszupacken." Fred grinste, waehrend er dem etwas finster dreinblickenden Mario nach der kurzen Rede das bunte Paket ueberreichte. Die anderen grinsten und tuschelten untereinander, denn alle ausser dem Opfer Mario waren eingeweiht. "Als ein echter Wolfskerl wirst du mit diesem Geschenk deine reine Freude haben. Hoch lebe Mario!" redete Fred in einem voellig ueberzogenem Tonfall weiter, als gehe es um die Verleihung des Nobelpreises. Ein lautes Gelaechter fuellte des Raum, und alle warteten voller Spannung darauf, dass Mario sein Geschenk auspacken wuerde.

Mario nahm den Karton und schuettelte ihn. Wirklich neugierig war er zwar nicht, aber er wollte schon wissen, was sich seine Freunde fuer ihn ausgedacht hatten. Die Verpackung war etwa 30 x 20 x 10 Zentimeter gross, und der Inhalt klapperte nicht. Zudem war das ganze auch recht leicht. Wie immer zog er vorsichtig das Klebeband vom Geschenkpapier, um es spaeter nochmal verwenden zu koennen. Er oeffnete das Papier, und zum Vorschein kam ein mit bunten Bildern bedruckter Hochglanz-Pappkarton. Mario musste zweimal hinschauen, um zu begreifen, was er dort geschenkt bekommen hatte: Auf der Vorderseite des Kartons war ein grosses gemaltes Schaf, kein Anthro, sondern ein gewoehnliches Tier, abgedruckt. In Strapsen, mit Lippenstift und roter Schleife auf dem Kopf. "Love Ewe - Your Inflatable Sheep Love" war in grossen, knallbunten Buchstaben in Englisch darueber geschrieben. "With realistic rear love entry" stand es in gelben Lettern in einem roten Stern am unteren Rand der Verpackung.

"Sehr witzig, ha ha..." kommentierte Mario das Geschenk und donnerte den Karton zerknirscht in eine Zimmerecke. "Nur weil ich ein Wolf bin, heisst das noch lange nicht, dass ich Klischees erfuelle und hinter Schafen her bin."

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