Tödliches Lachen
von Haltickling
I.
Mysteriöse Mordserie
(lr) Eine mysteriöse Mordserie in München gibt der Polizei Rätsel auf: Schon drei Opfer wurden in ihrem Bett tot aufgefunden. Alle waren junge Frauen im Alter von 24 bis 28 Jahren, alle waren alleinstehend, bei allen wurden Spuren von Fesselung gefunden. Doch keines der Opfer wies irgendeine äußere Verletzung auf: keine Würgemale, keine Wunden, als amtliche Todesursache wurde Herzversagen in den Totenschein eingetragen. Es gab auch keine Spuren einer Vergewaltigung, obwohl alle Opfer nackt waren. Unblutige Morde ?
Die Polizei tappt im Dunkel. In den Wohnungen der Opfer fehlte immer nur das Bargeld; wertvolle Stereoanlagen, Kunstgegenstände oder Schmuck blieben unangetastet. Fingerabdrücke oder andere verwertbare Hinweise gibt es nicht. Gemeinsame Bekanntschaften konnten nach den bisherigen Ermittlungen nicht festgestellt werden. Offiziell verweigert die Polizei jeden Kommentar, doch es drängt sich der Verdacht auf, daß die Ermittlungsbehörden selbst noch überhaupt keine Ahnung haben, wo sie ansetzen sollen.
(Abendzeitung vom 20. Juni 98)
II.
"Schicke Wohnung," dachte Susanne Berchthold bei sich, als Sie am Tatort eintraf. Es herrschte das übliche Durcheinander: die Beamten der Kriminaltechnik bepinselten sämtliche Möbelstücke, Türen und Fenster mit silbergrauem Staub, um Fingerabdrücke zu sichern, ein Polizeifotograf blitzte wild durch die Gegend, zwei Schwarzuniformierte trugen die ominöse Blechwanne herein, vorsichtig um die Ecken manövrierend, vor der Türe drängelten neugierige Nachbarn um den besten Ausguck, die grüne Trachtengruppe stand überall im Weg, und ein Arzt beugte sich über die Hauptperson, die vor lauter Menschen nicht zu sehen war.
Mühsam quetschte sich Susanne Berchthold bis zum Bett vor, auf dem das unbekleidete Opfer lag: Eine junge Frau, vielleicht 26 oder 27, tolle Figur. Keine Fettpölsterchen, dachte die Kommissarin neidisch. Kurze brünette Haare, ein hübsches Gesicht, das aber durch die weit aufgerissenen, starren Augen entstellt war. Seltsam, trotzdem schien sie zu lächeln. Nein, nicht direkt: es war eher ein gefrorenes Lachen, so als ob sie während einer komischen Fernsehsendung in eine Zitrone gebissen hätte. Doch der Fernseher stand im Wohnzimmer, von Bett aus nicht zu sehen, und Zitronen lagen auch nicht herum. "Blödsinn," murmelte die Kommissarin.
Der Arzt richtete sich auf, er war fertig. Die üblichen Fragen: "Können Sie schon etwas über Zeitpunkt und Ursache des Todes sagen ?" Kopfschütteln. "Bestimmt trat der Tod vor nicht mehr als vier Stunden ein, vielleicht drei. Zur Ursache kann ich noch gar nichts sagen, erst nach der Obduktion. Alles höchst eigenartig. Eigenartig ! Das einzige, was wirklich ein Hinweis sein könnte: die Tote war offensichtlich gefesselt worden, ihre Hand- und Fußgelenke tragen Druckspuren. Von Vergewaltigung habe ich noch keine Spur gefunden, vielleicht nach der..."
"Nach der Obduktion, ich weiß. Danke, Herr Doktor. Verraten Sie mir noch eines: Welche Todesart verursacht solch einen Gesichtsausdruck ?" - "Keine Ahnung, vielleicht traten postmortale Muskelkontraktionen auf. Passiert ab und zu. Werden wir feststellen. Jajaja, vorgestern, wie üblich ..."
Der Doktor blinzelte über seine Brille hinweg. "Sagen Sie mal, Sie kenne ich ja noch gar nicht. Sind Sie neu beim Mord ?" - "Oh Verzeihung, ich habe mich gar nicht vorgestellt: Susanne Berchthold, Kriminaloberkommissarin beim Morddezernat. Oder 'Delikte am Menschen', wie es jetzt offiziell heißt. Ich bin seit vier Monaten dabei, dies ist mein erster richtiger Mordfall." - "Na, herzlichen Glückwunsch, da haben Sie sich ja gleich was ganz Schwieriges ausgesucht. Also, bis morgen. Tschüs."
Ihr Assistent Tom Schweiger winkte ihr von der Türe aus zu. "Kommen Sie doch mal, Frau Berchthold, hier ist die Nachbarin, die die Verblichene gefunden hat." Er drückte sich immer so geschwollen aus. Schon bei ihrem Dienstantritt hatte er gesagt: "Seien Sie versichert, Frau Kriminaloberkommissarin, daß ich Ihnen in allen Belangen zuverlässig assistieren werde." Seitdem hatte er seinen Spitznamen "der Assistent" weg, obwohl es diesen Titel nur für Anfänger gab. Anfänger war er gewiß nicht mehr, er hatte schon ein paar Jahre als Kriminalkommissar auf dem Buckel. Nicht so alt wie Derrick, aber schon ziemlich gewieft.
Tom Schweiger sah seiner Chefin zu, wie Sie sich an den beiden Leichenträgern vorbei zu ihm durchdrängelte. Er bewunderte ihre geschmeidigen, fast katzenhaften Bewegungen, die so gut zu ihren grünen Augen und ihren kurzen, kupferrot gefärbten Haaren paßten. Sie war einen Kopf kleiner als er und mußte deshalb immer nach oben sehen, wenn sie vor ihm stand. In Wirklichkeit aber sah er zu ihr auf. Immerhin war sie die jüngste Oberkommissarin in der Geschichte der bayerischen Polizei. Er fragte sich zum hundertsten Mal, ober er verliebt in sie war, und er schüttelte zum hundertsten Mal den Kopf. Nein, er mochte sie, er respektierte sie, er bewunderte sie. Aber Liebe ?
Endlich war sie bis zu ihm vorgedrungen, und er stellte ihr die Nachbarin vor: "Das ist Frau Angerer, sie wohnt einen Stock über diesem Appartment. Am Morgen klingelte sie an der Türe, um Frau Peters um etwas Dosenmilch für den Kaffee zu bitten." Yvonne Peters war der Name der Toten. Aufgeregt berichtete die Nachbarin: "Ja, wissen Sie, die Frau Peters war ja immer soo nett zu allen. Wir haben manchmal Kaffee zusammen getrunken und auch mal füreinander eingekauft, wenn eine von uns mal keine Zeit hatte. Normalerweise sitzt sie um acht Uhr immer beim Frühstück, sie fängt ja erst um neun im Büro an. Und deshalb habe ich mir gedacht, Luise, hab ich gedacht, da fragst du einfach mal die Yvonne, ob sie dir etwas Dosenmilch leihen kann. Ich hätte ja sonst noch vor dem Frühstück einkaufen gehen müs..." Ungeduldig unterbrach die Kommissarin den Redeschwall. "Sie haben also um acht Uhr geklingelt, und es hat niemand geöffnet, ist das so richtig ?" Die Nachbarin nickte eifrig. "Wissen Sie, zuerst hab ich gedacht, sie hat verschlafen, also hab ich Sturm geklingelt und auch an die Tür geklopft, damit sie aufwacht. Aber als sich nichts rührte drinnen, hab ich Angst gekriegt und die Polizei angerufen. Das arme Mädel ..."
Susanne Berchthold verdrehte ihre Augen nach oben. "Sagen Sie, Frau Angerer, hätte es nicht sein können, daß sie mal über Nacht weggewesen wäre, bei einem Freund oder einer Freundin?" Da lief die Nachbarin zur Hochform auf: "Aber nein, die hatte doch gar keinen Freund, obwohl sie ja soo hübsch war, die Yvonne. Aber sie hat immer gesagt, für einen festen Freund hat sie jetzt gar keine Zeit, die Arbeit und die Karriere sind jetzt wichtiger. Also ich glaube ja, daß sie eine tiefe Enttäuschung hinter sich hat, und daß sie deshalb nichts mehr von Männern wissen wollte. Ausgegangen ist sie schon ab und zu, aber nicht oft und immer allein." Wieder mußte die Kommissarin eine Atempause nutzen, um weiterzufragen: "Hatte sie vielleicht eine gute Freundin, die sie mal besuchte ?" Ein entrüstetes Schnaufen. "Na hören Sie mal, also andersherum war sie ganz bestimmt nicht, sowas hätte ich gemerkt. Und sie ist ja erst vor einem halben Jahr nach München gekommen, sie hat hier ja überhaupt niemand gekannt." - "Wissen Sie etwas über ihre Familie ? Wo lebt die ? Wir müssen ja ihre Angehörigen verständigen."
Frau Angerers pausbäckiges Gesicht verzog sich zu einer nachdenklichen Grimasse. "Sie hat mal erzählt, daß sie in Düsseldorf gearbeitet und gewohnt hat. Ihre Firma hat sie nach München versetzt. Und sie hat zwar immer hochdeutsch gesprochen, aber so ein bißchen Rheinisches war schon dabei. Aber ihre Eltern wohnen auf dem Land, das hat sie mir mal erzählt, irgendwo in der Nähe von Düsseldorf." - "Ja dann vielen Dank, Frau Angerer, Sie haben uns sehr geholfen. Herr Schweiger, notieren Sie bitte die Personalien und..." Die Komissarin stellte sich auf die Zehenspitzen und flüsterte ihrem Kollegen ins Ohr. "... und versuchen Sie, zumindest den Namen der Firma und eventueller Bekanntschaften herauszukriegen. Wenn ich dieser Frau noch länger zuhören muß, werde ich gewalttätig." Wieder laut: "Wir sehen uns dann später im Büro."
Nachdenklich blickte sie dem Blechsarg hinterher. Wie hatte man ihr beigebracht ? Bei Mord ist der Täter in etwa 90 Prozent der Fälle im persönlichen Umfeld zu suchen. Familie, Freunde, Kollegen, Bekanntschaften. Morde bei Einbruch, Raubmorde, Sexualmorde waren dagegen verhältnismäßig selten, auch wenn diese Mordarten in den Medien im Vordergrund standen. Nun, ein Sexualmord war zumindest denkbar, da man das Opfer nackt gefunden hatte. Dagegen sprach, daß das Mädchen zwar gefesselt worden war, aber keinerlei Stricke, Handschellen oder ähnliches vorhanden waren. Es war höchst ungewöhnlich, daß ein Sexualtäter nach der Tat die Fesseln entfernte, die Leiche aber liegenließ. Entweder rannten diese Täter in Panik weg, oder aber sie beseitigten sorgfältig alle Spuren, je nach Kaltblütigkeit. Und wie war das Mädchen gestorben ? Die Fesseln wiesen auf Sadomaso-Praktiken hin, aber am ganzen Körper gab es keine Stelle, die auf irgendeine Verletzung schließen ließ. Na egal, sie mußte ohnehin die Obduktion und den Bericht aus der Kriminaltechnik abwarten, vielleicht käme dann etwas Klarheit in diese Angelegenheit.
Also beschloß sie, ins Büro zu fahren und zunächst die Angehörigen ausfindig zu machen. Das Einwohnermeldeamt wußte bestimmt, woher die Tote kam. Sobald Schweiger zurück war, würde sie mit ihm zur Arbeitsstelle des Opfers fahren und das berufliche Umfeld unter die Lupe nehmen.
III.
Der nächste Morgen begann unerfreulich: Der Kaffee im Büro war alle, und in der Kaffeekasse war wieder einmal nicht genug, um neuen zu kaufen. Seufzend zückte Susanne Berchthold ihre Geldbörse und schickte Junior nach unten. Junior, das war Kriminalmeister Jürgen Bieneck, der Jüngste der Abteilung. Wie immer bürdete man ihm vornehmlich die Botengänge und langweiligen Arbeiten auf. Das war bei ihr nicht anders gewesen, als Anfängerin.
Dafür brachte Schweiger Krapfen mit, von der Bäckerei gegenüber dem Präsidium. Wieder einmal zierte sie sich, einen zu nehmen, unter Hinweis auf ihre Figur. Und wieder einmal amüsierte sich Schweiger königlich darüber. Ihre angeblichen Fettpölsterchen seien höchstens unter dem Mikroskop zu sehen, meinte er immer. Na ja, er hatte sie ja auch noch nie im Badeanzug oder in der Sauna gesehen, gottseidank.
Der Besuch bei der Firma des Opfers war ergebnislos verlaufen. Lauter nette Kollegen, die nichts Schlechtes über die Tote sagen konnten. Eigentlich konnten sie überhaupt nicht viel sagen, da keiner sie näher kannte. Immer korrekt, immer pünktlich, immer fleißig. Ihr Privatleben hatte sie für sich behalten. "Kluges Mädchen," dachte die Kommissarin. Zumindest ihre frühere Adresse hatten sie nun, auch die Anschrift der Eltern. Die Kommissarin war froh, daß ihr der Besuch bei den Eltern erspart blieb, das hatten die Kollegen aus Düsseldorf übernommen. Davor hatte sie am meisten Angst: die schreckliche Todesnachricht überbringen. Als Anfängerin war sie einmal dabeigewesen, als ihr Chef diese unangenehme Aufgabe erledigte: Ein Kind war überfahren worden, Fahrerflucht. Als sie das ungläubige Entsetzen im Gesicht der Mutter sah, mußte sie sich abwenden und heulen. Ihr Chef hatte sie beschwichtigt. Er machte diesen Job schon seit dreißig Jahren, und er hatte sich immer noch nicht an diese Situation gewöhnt. Doch nun, da sie selbst Chefin war, würde es irgendwann auch sie treffen.
Junior kam mit dem Kaffee zurück, und bald duftete es angenehm im Büro. Nach dem ersten Schluck fühlte sie sich in der Lage, die Pathologie anzurufen. Der Doktor war wie immer ungehalten ob der Störung: "Wunder dauern eben seine Zeit," meinte er. Sie konterte: "Ja ja, ich weiß. Aber das letzte Wunder hat vor 2000 Jahren stattgefunden, und so lange habe ich nicht Zeit. Sagen Sie mir einfach, was Sie bis jetzt herausgefunden haben, dann störe ich Sie nicht mehr." - "Nichts," war die lakonische Antwort. "Zumindest nichts, was Ihnen weiterhelfen würde. Der Todeszeitpunkt liegt zwischen vier und fünf Uhr morgens, aber das habe ich Ihnen ja gestern schon gesagt. Die Ursache ? Keine Ahnung. Bei einem Achzigjährigen hätte ich gesagt, Altersschwäche. Das Herz hat ganz einfach aufgehört zu schlagen. Kein Infarkt, kein Schlaganfall. Sie hatte Speichel in der Luftröhre, könnte sich also verschluckt haben, doch daran erstickt ist sie nicht."
"Hmm, also auch nicht mit einem Kissen erstickt oder so ?" - "Nein. Kein Erstickungstod. Einfach Herzversagen. Wir haben auch keine Anzeichen von Vergewaltigung gefunden. Die Tote hatte gerade ihre Menstruation, da hätte man bestimmt irgendwelche Blutspuren gefunden. Und noch etwas seltsames: Das Opfer hatte wahrscheinlich kurz vor ihrem Tod eine starke sexuelle Erregung, möglicherweise sogar einen Orgasmus. Der Blutstau in den Genitalien war nicht zu übersehen. Es muß kurz vorher zu sexuellen Handlungen gekommen sein, sonst hätte sich die Schwellung wieder zurückgebildet. Haben Sie schon den Bericht der Kriminaltechnik ?" - "Nein, warum ?" - "Die Fesselspuren weisen auf die Benutzung weicher Ledermanschetten hin, mit Fellpolsterung. Wir haben einige Vliespartikel festgestellt. Sie muß aber heftigst daran gezerrt haben, sonst wären die Spuren nicht mehr sichtbar gewesen. Seltsamerweise konnten wir aber überhaupt keine Verletzungen finden, die auf SM hinwiesen. Sie wissen schon, verheilte Peitschenstriemen, Nadeleinstiche, Verbrennungen oder so etwas. Bei manchen Arten von Folterungen tritt abrupter Herzstillstand auf, vor allem, wenn Elektrizität verwendet wird. Doch starke Stromstöße, wie dafür nötig wären, hinterlassen Verbrennungsspuren auf der Epidermis. Nichts. Selten so eine gesunde Leiche gesehen."
Ungewollt mußte die Kommissarin lachen. "Vielleicht hat man sie gezwungen, die letzen zehn Folgen der Lindenstraße anzuschauen. Ich jedenfalls hätte dann auch wild an meinen Fesseln gezerrt." Diesmal lachte der Doktor und meinte: "Wer weiß, vielleicht waren es auch Tatort-Folgen." Sie verabschiedeten sich.
Susanne Berchthold blickte auf den Stapel Akten, der vor ihr auf dem Schreibtisch lag. Sie hatte sich die Unterlagen von zwei weiteren Mordfällen aus dem letzten Jahr kommen lassen, bei denen die Todesursache ähnlich mysteriös war. Keine Verletzung, keine Vergewaltigung, aber das nackte Opfer hatte Fesselspuren aufgewiesen. Beide Fälle waren trotz umfangreicher Ermittlungen als ungeklärt vorläufig abgeschlossen worden. Vorläufig, sie wußte, was das hieß. Offiziell wurde eine ungeklärte Mordakte nie geschlossen; in der Praxis jedoch war nach Ablauf einiger Monate der Fall gegessen. Die Spuren, sofern es welche gegeben hatte, waren kalt. Die Zeugen vergaßen, was sie gesehen hatten. Niemand erinnerte sich nach Monaten an irgendein hilfreiches Detail, das ihm kurz nach der ersten Befragung nicht schon eingefallen wäre. Die einzige Hoffnung war, daß sich Querverbindungen zu einem späteren, ähnlichen Mordfall ergaben.
Vergeblich. Die Opfer sahen sich nicht einmal ähnlich. Sie arbeiteten in verschiedenen Berufen, sie wohnten in verschiedenen Stadtteilen, sie waren auch nie gemeinsam auf einer Schule oder in einem Sportverein gewesen. Das einzige, was sie gemeinsam hatten, war die Tatsache, daß sie jung und hübsch waren. Und tot. Null plus null plus null ergab wieder null. Kein Fortschritt. Verdammt, wo soll ich ansetzen, fragte sich die Kommissarin.
Ihr letzter Strohhalm war die Untersuchung der KTU, wie die Kriminaltechnik kurz genannt wurde. Die zauberte oft ein einzelnes Stäubchen aus dem Hut, das nur an der und der Stelle zu finden war. Oder eine Schuppe aus den Haaren, die nicht vom Opfer stammte. Sie rief an, wo der Bericht blieb, doch der Kollege war gerade bei Tisch. Na gut, also ging sie ebenfalls essen.
Als sie zurückkam, lag der Bericht der KTU auf ihrem Schreibtisch. Einbruchsspuren am Schloß, gewöhnliches Einbrecherwerkzeug, nichts besonderes. Aha, der Täter hatte sich also selbst Zutritt verschafft, das Opfer hatte ihn nicht hereingelassen. Das schloß zwar nicht aus, daß Täter und Opfer sich kannten, aber es war ein Hinweis auf einen fremden Täter. Allerdings gab es keine Spur eines Diebstahls. Computer, Stereoanlage, Bilder, Schmuck, sogar das Portemonnaie waren unangetastet. Was hatte der Täter in der Wohnung gewollt ? Nur die Frau ermorden ? Und wie, bitteschön ?
Sie schnappte sich Schweiger und fuhr nochmals zum Tatort. Vielleicht fanden sie ja noch einen Hinweis, wenn sie sich alles nochmals in Ruhe ansahen. Schweiger fiel es zuerst auf: "Hmm. Wissen Sie, was ich vermisse ? Der Doktor sagte doch etwas von Ledermanschetten. Haben Sie hier irgendwelche gefunden ?" - "Mensch, Sie haben recht ! Los, wir durchsuchen die Schränke nochmals. Sie nehmen das Wohnzimmer, ich das Schlafzimmer." - "Ich würde aber lieber das Schlafzimmer nehmen," schmollte Schweiger. Die Kommissarin lachte: "Wieso ? Sind Sie Wäschefetischist ?" Sie schlug sich auf die Stirn. Natürlich, sie sollte auch im Wäschekorb nachsehen, ob irgendwo getragene Höschen lagen. Es gab ja tatsächlich Typen, die sich an sowas aufgeilten. Aber wieviele Slips hat eine Frau durchschnittlich ? Wenn der Täter nur einen mitgenommen hatte, konnte sie das nicht feststellen. Doch es war eine angemessene Anzahl von Slips vorhanden, sowohl ungewaschene als auch gewaschene. Schade.
Sie sah auch unter dem Bett nach, hinter dem Nachtkästchen, sogar hinter dem Spiegel. Dann das Badezimmer. Der übliche Make-up Krimskrams, Duschgel, Badehaube. Ein zum Trocknen aufgehängter Badeanzug. Aha, sie war also kurz vorher beim Schwimmen gewesen. Vielleicht hatte der Täter sie dort getroffen und war ihr zur Wohnung gefolgt. Doch wie sollte sie das feststellen ? Schweiger kam gerade aus dem Wohnzimmer. Auch nichts, sagte seine Miene. Zusammen nahmen sie sich die kleine Küche vor. Außer einer Vorliebe des Opfers für Pasta-Gerichte konnten sie nichts feststellen. "Besitzt sie irgendwelche Videos ?" fragte sie Schweiger. Oft hatten Menschen, die nicht alltäglichen sexuellen Neigungen nachgingen, einschlägige Videos in ihrer Sammlung. Fehlanzeige, nur harmlose Spielfilme.
Frustriert verließen sie die Wohnung und brachten ein neues Siegel an der Türe an. "Wenigstens wissen wir jetzt, daß das Opfer nicht aktiv irgendwelchen SM-Praktiken nachging," sagte sie im Auto. "Das erklärt auch das Fehlen jeglicher Verletzung. Der Täter hat offensichtlich alles selbst mitgebracht, was er für sein mysteriöses Tun benötigte." Das war wieder O-Ton Schweiger. Die Kommissarin hatte genug für heute. Sie setzte Schweiger an der U-Bahn ab und fuhr nach Hause.
IV.
Ein heiserer Schrei entrang sich seiner Kehle, und mit verzerrtem Gesicht fiel er vornüber, sie mit seinem Gewicht fast erdrückend. Er atmete schwer und zuckte unkontrolliert. "Scheiße," dachte Susanne enttäuscht, "schon wieder viel zu früh." Sie war beim Sex mit ihrem Lebensgefährten gerade erst auf Touren gekommen, da war es auch schon wieder vorbei.
Immer dasselbe. Nun gut, er gab sich jetzt schon mehr Mühe beim Vorspiel, aber es dauerte so verdammt lange, bis sie sich wirklich auf den Sex konzentrieren konnte. Immer wieder mußte sie an ihren Fall denken. Vielleicht sollte sie es wirklich einmal mit Fesselsex probieren. Sie würde ihn fesseln und dann ganz langsam geil machen. Erst wenn sie ebenfalls soweit war, würde sie ihn in sich aufnehmen, und dann würden sie gemeinsam zum Höhepunkt kommen.
Wunschdenken. Diese Ideen kamen ihr immer erst, wenn es wieder einmal zu früh zu spät war. Na ja, er war sonst ein netter Kerl, sah nicht übel aus, und sie liebte ihn wirklich. Nur im Bett, da klappte es nicht so recht. "Aber das werde ich ihm schon noch beibringen !" schwor sie sich, als er sich seitlich abrollte, um sich eine Zigarette anzuzünden. Sie ging ins Bad, um sich zu waschen. So hatte eben jeder seine After-Sex-Gewohnheiten. Wieder im Bett, kuschelten sie sich zärtlich aneinander. Die typische Frage kam wie erwartet: "Na, mein Schatz, hat's dir gefallen ?" Sie grinste wohlig, da sie es sich im Bad noch schnell mit ihren Fingern selbst besorgt hatte. "Na klar, wie immer." Bevor diese meist etwas peinliche Unterhaltung fortgesetzt werden konnte, klingelte gottseidank das Telefon.
"Bestimmt für mich," meinte Susanne und stürzte zum Telefon. Es war Schweiger: "Kennen Sie Sauerlach ?" fragte er geheimnisvoll. Sie motzte in die Sprechmuschel: "Um mich das zu fragen, rufen Sie mich um ein Uhr morgens an ?" - "Habe ich gerade bei irgendwas gestört ? Das täte mir ausgesprochen leid." Sie konnte sein süffisantes Grinsen durch das Telefon sehen. Ungerührt fuhr er fort: "Wir haben gerade wieder eine mysteriöse Tote gefunden. Ich hatte Bereitschaft, doch die Umstände lassen einen Zusammenhang mit unserem anderen Fall vermuten, so daß ich es für angeraten hielt, Sie umgehend zu informieren." Verdammter Klugschwätzer. "Na gut, ich komme. Wo ist dieses Sauerdings ?" Er erklärte ihr den Weg. Salzburger Autobahn, Ausfahrt Hofolding, dann erste Ortschaft rechts. Dort würde ihr dann das Blaulicht des Streifenwagens das richtige Haus zeigen.
Horst sah sie fragend an: "Schon wieder ein Einsatz ?" Sie nickte und zog sich schnell an. "Die Landluft ruft. Vielleicht nehme ich besser meine Gummistiefel mit, wer weiß, auf welchem Misthaufen ich herumklettern muß. Kann ein bißchen dauern, bis ich wiederkomme, weil ich wahrscheinlich anschließend gleich ins Büro muß." Er seufzte ergeben. "Na gut, wenn das deiner Karriere dient ... Paß auf dich auf, ja ?" - "Schlaf schön !" Sie gab ihm einen Kuß. Irgendwie war er doch süß.
Unterwegs dachte sie nach. Bisher waren alle Opfer in der Stadt gefunden worden. Vielleicht ergab sich jetzt endlich ein Hinweis auf einen Zusammenhang. Die Autobahn war praktisch leer, und sie konnte ihren BMW jagen. In Sauerlach angekommen fand sie das Gehöft sofort. Ein richtig schöner, alter oberbayerischer Bauernhof, mit Kühen, Hühnern und Schweinen. Der Traktor stand im Hof, gleich neben dem Misthaufen. Und neben dem Streifenwagen, dessen Blaulicht die Umgebung in geisterhaftes Licht tauchte.
Schweiger erwartete sie schon, als sie gerade ihre Gummistiefel anzog. "Wo ist die Tote ?" wollte die Kommissarin wissen, und er führte sie in die Scheune, die sich an das Wohnhaus anschloß. Ein Berg Heu nahm fast den ganzen Innenraum ein. "Winterfutter," klärte sie Schweiger auf. Sie bogen um eine Ecke, und da lag die Tote. Wieder ein hübsches, junges Mädchen, wieder nackt. Und wieder ein rätselhafter Tod. Die Fesselspuren waren diesmal ganz deutlich zu sehen; offensichtlich hatte der Täter Stricke verwendet. Die Deckenfunzel verbreitete nur spärlich Licht, also trat Susanne Berchthold näher heran. Ja, da war es wieder, ganz deutlich: dieser eigenartige Gesichtsausdruck, ein gefrorenes, säuerliches Lächeln, das in merkwürdigem Kontrast zu den starren, weitaufgerissenen Augen stand. Schweiger schaffte es tatsächlich, selbst im Angesicht der Toten einen zweifelhaften Witz zu reißen: "Paßt doch diesmal, oder ? Dieser komische Gesichtsausdruck paßt hervorragend zum Namen dieses Ortes: Sauer-Lach. Doch im Ernst: Deshalb habe ich Sie angerufen. Genauso sah die andere Tote aus. Sie sollten das sehen, bevor der Gerichtsmediziner sie verunstaltet." - "Ihren Humor finde ich geschmacklos, aber ansonsten haben Sie recht," gab Susanne zu. "Warten wir ab, was die Eierköpfe dazu sagen. Wer ist die Tote ?"
Schweiger schaute auf seinen Notitzblock. "Schreiber Sybille, 22 Jahre, Nachwuchs-Öko-Landwirtin. Sie besuchte die Universität in München, Land- und Forstwirtschaft, und leistete hier ihr Praktikum ab. Dies ist nämlich ein ökologischer Betrieb, geführt von zwei jungen Paaren. Sybille wollte nach dem Abendessen noch in die Stadt fahren. Als sie um eins noch nicht zurück war, sah eine der beiden Bauersfrauen nach ihr. Ihr Fiat stand noch da wie vorher, sie war offensichtlich gar nicht weggefahren. Im Stall war sie auch nicht, also ging die Bäuerin in die Scheune, dort lag sie. Tot." Die Kommissarin drehte sich zu den erschütterten Bauern um und fragte: "War das Licht in der Scheune an, als Sie nach ihr sahen ? Haben Sie irgendetwas gehört oder gesehen, was Ihnen verdächtig oder seltsam vorkam ?" Alle schüttelten betreten den Kopf. Der eine junge Bauer in roten Sanyassin-Hosen mit dem wallenden, roten Rauschebart meinte: "Es war alles wie immer. Die Kleine langweilte sich abends auf dem Hof und fuhr lieber in die Stadt, in die Disco. Aber sonst war sie immer bis Mitternacht zurück. Wissen Sie, wir leben hier im biologischen Rhythmus mit der Natur. Wer abends nicht mit den Hühnern ins Bett geht, kann morgens um halb fünf nicht aufstehen, um sie zu füttern, die Kühe zu melken, den Stall zu säubern."
In diesem Moment kamen die Kriminaltechniker und der Arzt und scheuchten alle aus der Scheune, damit nicht noch mehr Spuren verwischt würden. Die Kommissarin konnte es nicht glauben, daß niemand etwas gehört haben sollte. "Die muß doch geschrien haben. Hier ist es so still, daß man das kleinste Geräusch hört."
Die eine Bäuerin meinte dazu: "Na ja, das ist ein alter Hof, sehr stabil gebaut. Der Wohnteil liegt an einem Ende, die Scheune am anderen. Es kommt schon mal vor, daß sich ein Pärchen in die Scheune verzieht, wenn es ungestört sein möchte, da hört man gar nichts. Und das nächste Haus liegt zu weit weg, da ist auch nichts zu hören. Und wir haben ja schon geschlafen. Vielleicht hat sie sich heimlich mit einem Freund in der Scheune getroffen. Wir wissen aber nichts davon."
Der Polizeiarzt kam aus der Scheune und meinte: "Wie gehabt. Todeszeitpunkt vor zwei bis drei Stunden, außer den Fesselungsspuren keine Verletzung, wenn man mal von einer fast verheilten Schürfwunde am Ellenbogen absieht. Selbe Todesart, würde ich sagen. Ich verwette ein Jahresgehalt, daß auch dieses Opfer nicht vergewaltigt oder sonstwie gefoltert wurde. Haben Sie nicht mal ein etwas ergiebigeres Opfer für mich, Frau Berchthold ?" Die Kommissarin begann, den skurrilen Humor des Mediziners zu mögen. "Ich werde mich persönlich darum bemühen," versprach sie daher lächelnd. Gerade traf der Leichenwagen ein. Bei seinem Anblick überlief sie immer wieder ein Schauder. Endstation.
"Na, fahren wir zurück ?" schlug Schweiger vor, und sie nickte. "Bis wir zuhause sind, ist es schon nach fünf. Gehen wir irgendwo frühstücken ?" Donnerwetter, dachte sie, der Schweiger hat manchmal echt gute Ideen. "Wo hat denn um diese Zeit schon was auf ?" - "Am Viktualienmarkt zum Beispiel, oder in der Großmarkthalle." - "Okay, Viktualienmarkt. Wir fahren zuerst ins Präsidium und stellen die Autos ab. Von dort aus können wir zu Fuß gehen."
Beim Frühstück unterhielten Sie sich über den neuen Fall. "Was halten Sie von diesen komischen Alternativ-Bauern ?" wollte die Kommissarin wissen. Schweiger zuckte mit den Schultern. "Sie sind wie alles an diesem Fall: seltsam." Sie mußte ihm recht geben. Schweiger nieste mehrmals. "Gesundheit. Leiden Sie unter Heuschnupfen ?" Er nickte. "Das wäre doch mal eine neue Todesursache: Opfer mit Heuschnupfen wird im Heustadel gefesselt und niest sich zu Tode !" Die Kommissarin lachte: "Das würde auch den seltsamen Gesichtsausdruck erklären. Sie sahen eben sehr ähnlich aus, als Sie geniest haben." Schweiger lächelte säuerlich. "Schrecklicher Gedanke, so zu Tode gefoltert zu werden. Aber vergessen Sie nicht, daß die anderen Opfer bisher in Stadtwohnungen gefunden wurden, und von Niespulver haben die KTs nichts gefunden."
Nicht vor der Hand zu weisen. Nur um das letzte Wort zu behalten, sagte die Kommissarin: "Vielleicht haben sie auch gar nicht danach gesucht."
Der Tag verlief ohne neue Erkenntnisse. Dr. Liebermann mußte erst ausschlafen, bevor er das neuerliche Opfer untersuchen konnte. Sie beschloß, ebenfalls den Schlaf von letzter Nacht nachzuholen und fuhr nach Hause. Im Büro konnte sie ohnehin nichts tun außer Papierkram, und der konnte auch bis morgen warten.
Am nächsten Morgen fand sie den Bericht der Spurensicherung vor. Millionen von Fingerabdrücken überall, aber für diesen Fall ohne Belang. Der einzige etwas außergewöhnliche Fund waren ein paar Strohhalme, die bei Eintreffen der Spurensicherung noch feucht waren und deshalb zur Untersuchung mitgenommen wurden. Es könnten ja Speichel- oder gar Spermareste daran sein. Es war Speichel, doch nach dem DNA-Test stellte sich heraus, daß es sich nicht um menschlichen Speichel handeln konnte. Die KTU hatte keine Vergleichswerte außer Hunde- und Katzenspeichel, doch auch das traf nicht zu. Die Herren wollten nochmals zum Bauernhof fahren, um Speichelproben von verschiedenen Tieren zu sammeln. Na schön, auch wenn sie keine Ahnung hatte, wofür das gut sein sollte. Irgendein Viehzeug hatte in der Scheune gesabbert, na und ?
Kurz darauf rief Dr. Liebermann an. Ob sie kurz Zeit hätte, vorbeizukommen ? Er wollte ihr etwas zeigen. Klar. Sie haßte zwar die Gerichtsmedizin, doch sie würde auch Schlimmeres in Kauf nehmen, wenn sich dabei nur der geringste Hinweis für Ihren Fall ergeben würde.
Der Mediziner tat geheimnisvoll. "Vergleichen Sie mal die Druckspuren an den Handgelenken mit denen der Fußgelenke. Fällt Ihnen etwas auf ?" Tatsächlich, sie sahen anders aus. Während die Handgelenke rundherum tiefe Einschnitte der Stricke aufwiesen, waren an den Knöcheln nur vereinzelte Stellen leicht abgeschürft. Nicht tief, nur leicht gerötet. "Und, was heißt das ?" wollte sie wissen. Er grunzte verlegen. "Sie werden mich auslachen !" - "Nein, ganz bestimmt nicht. Ich bin so verzweifelt auf der Suche nach Hinweisen, daß ich auch auf das Absurdeste gefaßt bin."
Der Doktor setzte sich hin und zeichnete etwas auf ein Stück Papier. Es sah aus wie ein Brett mit zwei Löchern. "Wissen Sie, was das ist ? Waren Sie schon einmal in einer Folter-kammer?" Natürlich, das war ein Fußpranger. Sie hatte so etwas einmal in London gesehen, im Wachsfiguren-Foltermuseum. Es wurde benutzt, um die Füße des Delinquenten festzuschnallen, um sie mit glühenden Kohlen und ähnlichen Nettigkeiten zu behandeln. "Sie meinen, da hat jemand einen Pranger benutzt ? Wo war der ? In der Scheune jedenfalls nicht. Und wozu ? Sie hatte doch keine Verletzungen an den Füßen, oder ?" - "Nicht direkt. Aber ich habe an mehreren Stellen an den Knöcheln kleinste Holzsplitter gefunden, die genau wie die Schürfspuren auf Holzfesseln hinweisen. Und ihre Füße könnten mit irgendeiner Chemikalie behandelt worden sein. Die Haut dort war unnatürlich gerötet, und der pH-Wert unterschied sich geringfügig vom Normalwert. Keine Verätzungen, keine Wunden, aber auch kein normales Fußspray."
Nachdenkliches Schweigen. Zögernd fragte sie: "Haben Sie ähnliche Spuren auch bei den anderen Opfern gefunden ?" Er verneinte. Sie hakte nach. "Und, was schließen Sie daraus ? Was hat man mit dem Opfer gemacht ?" - "Sie sind die Kriminologin, ich bin nur Ihr Handlanger."
V.
Seltsame Einbruchsserie in Schwabing
(lr) Noch mehr Rätsel für die Münchner Polizei: Nach der mysteriösen Mordserie, bei der immer noch keine verwertbaren Ermittlungsergebnisse vorliegen, häufen sich seltsame Einbrüche in Schwabing. Der Täter schlägt stets in den frühen Morgenstunden zu. Er nimmt nur das Bargeld mit, das er findet. Nichts wird durchwühlt, Schmuck und andere Wertsachen bleiben unberührt. Und nun das größte Rätsel: der Einbrecher sucht sich nur
Wohnungen von alleinstehenden, jungen Frauen bis 30 Jahren aus. Alle Opfer schlafen, er fesselt die Opfer, nachdem sie sich vorher nackt ausziehen mußten. Dann läßt der Täter seine Opfer in Ruhe und sucht die Geldbörse, bedient sich und verabschiedet sich wieder. Handelt es sich vielleicht um den selben Täter wie bei den Morden? Erlitten die Opfer in einigen Fällen einen tödlichen Schock? Wir berichten weiter darüber. (AZ v. 29.6.98)
VI.
Das übliche Gedrängel am Ausgabeschalter der Polizeikantine um die Mittagszeit. Susanne Berchthold fragte sich wiederholt, warum so viele Menschen für so miesen Fraß so lange Schlange standen. Die Antwort war einfach: Es war billig. Für den gleichen Preis bekam man in der benachbarten Fußgängerzone bestenfalls ein labbriges Sandwich mit zweifelhaftem Inhalt. Sie hegte immer den Verdacht, die Füllung könnte noch vom Vortag sein, nur das Baguette und das obligatorische Salatblatt wären frisch. Richtig essen zu gehen kostete ein Vermögen. Also, so schlecht war die Polizeikantine dann doch nicht. Sie machte satt und nahm trotzdem Rücksicht auf die schmalen Polizistengehälter, was man von der Welt da draußen nicht immer sagen konnte.
Sie nahm also das Tablett samt ihrem Hackbraten mit Instant-Pilzsoße und Kartoffeln und suchte sich einen Tisch, der noch Platz hatte. "Mahlzeit." Der alte Gerhard-Polt-Gag, aus jeder Ecke hallte das Echo: "Mahlzeit, Mahlzeit, Mahlzeit." Ihr Gegenüber nickte nur einladend, er hatte gerade den Mund mit mehr als hundert Gramm gefüllt, was das Sprechen bekanntlich undeutlich werden läßt, weswegen wohl auch Herr Knigge davon abriet.
Als er wieder kommunikationsfähig war, erklang ein freundliches, wohltuendes "Guten Appetit." Diesmal konnte Susanne nur nicken. "Sie sind doch die Kollegin vom Mord, die diese mysteriöse Serie am Hals hat, nicht wahr ?" - "M-hmm." - "Ach ja, mir geht es ähnlich. Mir haben sie diese eigenartigen Einbrüche in Schwabing untergejubelt. Sicherlich haben Sie davon gelesen." Die Kommissarin schluckte ihren Bissen hinunter. "Ich habe mir das Zeitunglesen fast abgewöhnt, und ich möchte auch nicht rückfällig werden. Also, was sind das für Einbrüche ?" - "Tja, ähnlich mysteriös wie Ihre Morde. Opfer allesamt junge, alleinstehende Frauen, nackt, gefesselt, und nicht vergewaltigt. Nur Bargeld, keinen Schmuck und keine Wertsachen. Der Täter dringt professionell durch die Wohnungstüre ein, spricht keine zwei Worte mit den Opfern, und schwupp! ist er wieder weg, ohne auch nur die geringste Spur zu hinterlassen. Keine Fingerabdrücke, keine Zeugen. Die Opfer sind viel zu geschockt, um eine vernünftige Beschreibung liefern zu können."
"Kein Wunder," bemerkte die Kommissarin, "ich brauche mir nur die Situation vorzustellen: Ich liege alleine im Bett und schlafe. Plötzlich dringt irgend so ein Typ ein, zwingt mich dazu, mich nackt auszuziehen und fesselt mich. Vergewaltigung ist das erste, an das ich denke. Selbst als Polizistin könnte ich da kaum eine halbwegs brauchbare Beschreibung liefern." - "Noch dazu trägt der Täter eine schwarze Gesichtsmaske. Heraus kommt ein sehr aufschlußreiches Täterbild: Mittelgroß, mittelschlank, Handschuhe, Jogginganzug mit Kapuze, Turnschuhe. Halb München läuft so herum. Ich bekomme noch Gallensteine, so muß ich mich über dieses Phantom ärgern."
- "Seien Sie froh, bei Ihnen können die Opfer wenigstens noch irgendetwas aussagen. Meine erzählen mir gar nichts mehr. Aber eigenartig, ansonsten stimmt Ihr Täterprofil erstaunlich genau mit meinem überein. Bis auf den Mord auf dem Bauernhof wurden alle Opfer in den frühen Morgenstunden im Bett überrascht und nackt gefesselt. Auch in unseren Fällen liegt nirgends eine Vergewaltigung vor, und Spuren fehlen ebenfalls. Vielleicht sollten wir uns mal zusammensetzen und die Einzelheiten vergleichen." - "M-hmm." - "Morgen nachmittag ?" Der Kollege nickte eifrig kauend. "Okay," ertönt es aus dem Mundwinkel, "um drei Uhr. Kommissar Köhler, Einbruch."
Am nächsten Morgen um acht klingelte das Telefon. Kommissarin Berchthold betrat gerade das Büro und ärgerte sich: "Wer vor dem ersten Kaffee etwas von mir will, soll gefälligst persönlich vorbeikommen." Doch es hörte nicht auf zu klingeln. Seufzend ging sie ran. "Kommissar Köhler, Einbruch. Gottseidank sind Sie schon da. Wir haben wieder einen Einbruch nach Schema F, und ich dachte mir, Sie sollten das Opfer persönlich vernehmen. Vielleicht hilfts." - Okay, ich komme. Wo sind Sie ?" - "Ainmiller 12, dritter Stock rechts. Beeilen Sie sich."
Schweiger kam auch gerade herein. Sie packte ihn wortlos am Arm und zerrte ihn mit sich hinunter zum Hof. Der arme Mensch wußte gar nicht, wie ihm geschah. So energiegeladen hatte er seine Kollegin am frühen Morgen noch nie erlebt.
Wieder ein Tatort, diesmal aber ohne Leiche. Allerdings war das Opfer fast ebenso blaß. Sie stammelte nur unverständlich vor sich hin und kicherte manchmal unmotiviert. Glücklicherweise gab es auch hier eine hilfreiche Nachbarin. Sie unterschied sich wohltuend von Frau Angerer, ihre Aussagen waren kurz und prägnant. "Ich wohne nebenan. Gegen fünf Uhr bin ich aufgestanden, weil ich heute in Urlaub fliegen wollte. Im Bad hörte ich eigenartige Geräusche aus der Wohnung von Petra, also schnell etwas übergezogen und nichts wie rüber zu ihr, ich habe einen Schlüssel für Notfälle. Aus dem Schlafzimmer höre ich Petra lachen, als ob sie übergeschnappt wäre. Ich reiße die Türe auf, und da liegt Petra nackt und gefesselt auf dem Bett. Ich hin zu ihr, aber der Kerl muß mich gehört und hinter der Türe gewartet haben. Ich bekomme einen Schlag auf den Kopf und werde ohnmächtig. Gegen halb sechs bin ich dann wieder aufgewacht mit einer Riesenbeule. Petra lag immer noch gefesselt auf dem Bett und murmelte unverständliches Zeug. Ich habe sie gleich losgebunden und die Polizei gerufen. Petra, armes Kind, was hat der nur mit dir gemacht ?" Doch Petra kicherte nur.
"Der Arzt hat ihr ein Beruhigungsmittel gegeben und will sie zur Beobachtung in eine Klinik bringen. Ich habe ihm gesagt, er soll noch ein wenig warten, bis Sie kommen," sagte Kollege Köhler. Die Kommissarin kniete sich vor das Bett, auf dem Petra saß. Die Nachbarin hatte ihr einen Morgenrock übergezogen. "Petra," fragte sie eindringlich, "was ist passiert ? Was hat man ihnen angetan ?" Petras Augen waren immer noch schockgeweitet. Erschreckt blickte sie die Kommissarin an und murmelte: "Nein, bitte aufhören. Ich halte das nicht mehr aus ! Nicht mehr kitzeln !" Sie verfiel wieder in das irre Kichern. Der Arzt forderte energisch Ruhe für seine Patientin. Die Sanitäter, die sie ins Krankhaus bringen sollten, warteten schon.
"Was hat sie gesagt ?" fragte die Kommissarin ungläubig. "Nicht mehr kitzeln ? Hat der Typ sie etwa gekitzelt ?" Die Nachbarin mischte sich ein. "Das könnte auch eine Erklärung für das seltsame Gelächter sein, das ich aus ihrer Wohnung gehört habe ! Aber warum tut jemand sowas?" Die Gedanken purzelten wild durch Susanne Berchtholds Kopf. War das die Lösung Ihres Falls ? Mord durch Kitzeln ? War das möglich ? Sie sah sich das Bett an. Dort hingen noch die breiten, fellgepolsterten Ledermanschetten, die der Täter zurückgelassen hatte. Das Opfer war tief verstört, wahrscheinlich ein Nervenzusammenbruch, aber ansonsten unverletzt. Nackt. Gefesselt. Unverletzt. Keine erkennbare Todesursache. Gepolsterte Ledermanschetten. Frühe Morgenstunden. Alleinstehende, junge und hübsche Frau. Natürlich, es paßte alles zusammen, wenn auch nicht mit der Geschichte auf dem Bauernhof. Endlich hatte sie eine heiße Spur !
"Schweiger, Sie stellen sich vor das Bett und erschießen jeden, der dort etwas anfaßt, bevor das Laborteam da war. Verstanden ?" Der arme Schweiger hatte die eigentliche Vernehmung nicht mitbekommen und verstand gar nichts. Verdattert zog er seine Dienstwaffe und baute sich neben dem Bett auf. Die Kommissarin mußte lachen, er hatte es wieder einmal geschafft. Auch Kollege Köhler schaute im Moment nicht gerade intelligent aus der Wäsche. Dieser Zustand verschlimmerte sich noch, als die Kommissarin ihm einen dicken Schmatz auf die Wange drückte und zu ihm sagte: "Herzlichen Dank, Kollege, Sie haben mich gerettet."
Ernst wandte sie sich an die Nachbarin und sagte: "Und Sie haben Petra vermutlich das Leben gerettet. Es war zwar unvorsichtig von Ihnen, in die Wohnung zu gehen, bevor Sie die Polizei riefen, aber es war auch unglaublich mutig. Möglicherweise sind Sie dabei einem Serienmörder begegnet, ganz gewiß aber einem Serien-Einbrecher. Wie sah er aus ?" Die Nachbarin wurde blaß. "Ein Mörder ? Oh Gott, was bin ich für ein Idiot. Ich hätte ihm eins über den Schädel geben sollen, statt er mir ! Wie sah er aus ? Weiß ich nicht, er hat mich ja von hinten niedergeschlagen. Petra wird Ihnen da sicher mehr sagen können, wenn sie wieder in Ordnung ist. Sie kommt doch wieder in Ordnung, oder ?" - "Klar. Ein paar Tage Ruhe, dann wird sie schon wieder." Innerlich war sie nicht so davon überzeugt. Immerhin waren schon Menschen daran gestorben, wenn sich ihr Verdacht bewahrheitete.
Plötzlich verspürte sie eine unbezähmbare innere Unruhe. Sie mußte diesen Kerl schnappen, bevor er wieder zuschlagen konnte ! Mühsam ordnete sie Ihre Gedanken. Zuerst mußte sie mit Dr. Liebermann sprechen. Hastig verabschiedete sie sich und fuhr zur Pathologie. Sie platzte in sein Labor und rief laut: "Doktor, Doktor, Sie müssen mir helfen !" Er blickte verwundert über seine Brillenränder und seine Kaffeetasse. "Was ist Ihnen denn über die Leber gelaufen ? Sie sehen ja schrecklich aus !" - "Danke für die Blumen. Hören Sie, Doktor, ich habe da eine Hypothese, die so verrückt ist, daß ich sie nicht glauben kann. Aber sie ist die einzige logische Erklärung." Sie berichtete ihm von dem mißglückten Einbruch und den vorgefundenen Fakten. Und sie sah ihm tief in die Augen, als sie ihn fragte: "Doktor, ist das möglich ? Kann man jemanden zu Tode kitzeln ? Ist das die mysteriöse Todesursache bei meinen Mordfällen?"
Entgegen ihrer Erwartung lachte er sie nicht einfach aus. Er runzelte seine ohnehin recht faltige Stirn und schwieg lange. Sehr lange. Sie rechnete schon fast nicht mehr mit einer Antwort, als er zu sprechen begann. "Es gibt meines Wissens keinen einzigen Fall in der ganzen langen Medizingeschichte. Doch ich muß Ihnen sagen, ich halte es für möglich. Mein Hobby ist auch die Geschichte des Mittelalters, und da gibt es Berichte darüber. Während der Hexenverfolgung sollen angeblich einige junge Frauen zu Tode gekitzelt worden sein. Und es gibt auch bei uns immer noch die Redensart 'zum Totlachen'. Ich kann Ihnen einige Bücher leihen, wo Sie mehr darüber nachlesen können." Sie fiel ihm um den Hals. "Danke, Doktor. Ich habe schon geglaubt, ich bin verrückt. Und daß ich gleich bei meinen ersten beiden Mordfällen überhaupt keinen Ansatz fand, hat mich auch beinahe verzweifeln lassen." - "Nicht so stürmisch, junge Frau," lachte der Doktor. "Ich bin glücklich verheiratet. Doch mir fällt da noch etwas ein: Sie erinnern sich an den Fußpranger, den ich Ihnen aufgezeichnet habe? Dieses Instrument wurde auch dazu benutzt, die Füße von Delinquenten zu kitzeln. Man bestrich ihre nackten Sohlen mit Salzwasser und ließ sie von Ziegen ablecken. Das war richtige Folter, doch das Opfer wies hinterher keine Spuren von Gewalt auf. Und das Salzwasser hat einen anderen pH-Wert als normale Haut, das würde auch dieses Faktum erklären. Und Ziegen haben eine rauhe Zunge, daher die Rötung der Sohlenhaut. Definitiv, auch Ihr Bauernhof-Opfer wurde gekitzelt. Ich wette, die gefundenen Speichelreste stammen von Ziegen. Es gibt doch Ziegen auf diesem Bauernhof ?"
Sie konnte sich nicht daran erinnern, aber sie würde es nachprüfen. Vielleicht lagen ja auch die neuen Laborergebnisse schon vor. Es paßte wirklich alles zusammen. Doch Dr. Liebermann holte sie aus ihrer Euphorie auf den Boden der Tatsachen zurück: "Es scheint, Sie haben recht. Ich werde alles noch einmal unter diesem Aspekt untersuchen. Aber haben Sie dadurch schon den Täter ?"
Ernüchtert schüttelte sie den Kopf. "Nein, der ist nach wie vor unterwegs. Aber so eine seltsame Angewohnheit wie Kitzeln sollte doch auffallen. Es muß andere Überlebende geben, die wir fragen können. Natürlich, die früheren Einbruchs-Opfer ! Doktor, können Sie mir etwas über Menschen sagen, die so etwas tun ? Wie ist dieser Typ gestrickt ?" - "Sie meinen das Täterprofil ? Nein, ich bin forensischer Mediziner, kein Psychologe oder Psychiater. Aber krank muß der Täter sein, normal ist das nicht. Ich vermute, es handelt sich um einen Menschen mit gestörter Psyche auf sexueller Ebene. Wenden Sie sich doch mal an den Sexualpsychologen Dr. Falkenstein in Freising. Der hat mir bei Sexualdelikten schon manches Mal geholfen. Er wirkt selbst leicht gestört, ist aber eine Koryphäe auf seinem Gebiet. Ich schreibe Ihnen seine Nummer auf."
VII.
Das Essen war hervorragend gewesen. Zum Abschluß hatte Susanne Berchthold sogar eine Flasche Champagner bestellt, und sie stieß mit Horst an. "Was haben wir eigentlich zu feiern?" wollte er wissen. "Hochzeitstag kann es nicht sein, wir sind nicht verheiratet. Und den zweiten Jahrestag unseres Kennenlernens haben wir erst vor vier Wochen gefeiert. Deine Augen glänzen so komisch, also raus mit der Sprache !"
Sie nahm noch einen Schluck, bevor sie loslegte: "Ich habe heute die erste echte Spur in meinen beiden Mordfällen gefunden. Und die ist so außergewöhnlich, daß ich richtig stolz bin, darauf gekommen zu sein. Stell' dir vor, die Opfer wurden zu Tode gekitzelt !"
Horst hatte gerade an seinem Glas genippt, doch als er die letzten Worte hörte, prustete er los und verschluckte sich prompt. Es dauerte eine ganze Weile, bis er sich beruhigt hatte. "Das gibt's nicht !" keuchte er. "Sag das nochmal !"
Susanne erklärte es ihm, allerdings ohne Namen zu nennen. Normalerweise sprach sie mit ihm nie über ihre Fälle, aber hier konnte sie es nicht für sich behalten. Zumal sie noch ein Experiment vorhatte ...
Auf dem Weg nach Hause fragte sie ihn beiläufig: "Sag' mal, hast du eigenlich noch deine Videokamera ?" - "Ja, warum ?" - "Ich habe heute noch ein Attentat auf dich vor, und dazu brauche ich die Kamera." - "Na, du kleines Ferkel, willst du deinen privaten Pornofilm drehen?" Sie boxte ihn in die Rippen, aber so unrecht hatte er gar nicht. Sie verriet ihm ihren Plan: "Ich möchte etwas ausprobieren, was mit meinem Fall zu tun hat. Paß auf: du bindest mich am Bett fest und kitzelst mich, aber nur ein wenig. Dabei positionieren wir deine Kamera so, daß sie mein Gesicht aufnimmt. Weißt du, die Opfer hatten alle so einen eigenartigen Gesichtsausdruck, und ich vermute, das hängt mit dem Kitzeln zusammen. Ich möchte wissen, ob das auch bei mir funktioniert."
"Hmm," brummte er. "Warum nicht ? Könnte mir vielleicht sogar gefallen. Du wirkst immer so unkonzentriert beim Sex, vielleicht denkst du dann nicht ständig an etwas anderes, wenn ich dich kitzle. Wie kitzlig bist du eigentlich ?" fragte er und griff an ihre Weichteile. Sie quietschte laut und knickte vornüber. Er fing sie gerade noch auf, bevor sie stürzen konnte. "Donnerwetter, die abgebrühte, ach so harte Frau Kriminaloberkommissarin ist schrecklich kitzlig ! Vielleicht sollte ich das mal deinem Schweiger erzählen, damit er sich rächen kann, wenn du ihn wieder triezt ?" - "Untersteh' dich ! Aber ich bin selbst erstaunt, wie kitzlig ich bin. Ist ziemlich lange her, seit mich das letzte Mal jemand gekitzelt hat. Oh Gott, vielleicht sollte ich mich doch nicht von dir festbinden lassen !"
Horst lachte: "Nichts da, kneifen gilt nicht. Du wirst dich sonst dein Leben lang fragen, wie es wohl gewesen wäre, wenn ich dich gekitzelt hätte." Sie schmiegte sich an ihn und sagte: "Okay, du hast ja recht. Seltsam, irgendwie regt mich der Gedanke richtig auf, dir hilflos ausgeliefert zu sein. Dir und deinen unverschämten, haarigen Händen." Wieder lachte er: "Gib's doch zu, dieser Gedanke macht dich geil. Ich kenne dich doch !"
Zwanzig Minuten später lag Susanne nackt auf ihrem Bett, Arme und Beine gespreizt an das Bettgestell gebunden. Horst hatte einige alte Krawatten geopfert, um sie damit zu fesseln. Sie lag hilflos vor ihm, ziemlich heftig atmend. Ihr war mulmig zumute. Was würde er mit ihr machen ? Er holte die Kamera aus dem Schrank und filmte die nackte Schönheit mehrere Minuten lang. "Nun fang schon an, bevor der Akku leer ist," forderte sie. In Wirklichkeit konnte sie das Warten auf das Ungewisse nicht mehr ertragen.
Er baute das Stativ neben dem Bett auf und richtete die Kamera auf ihr Gesicht ein. Großaufnahme. Dann holte er eines von Susannes Seidenhalstüchern aus dem Schrank und rollte es zu einem Strick zusammen. Er hielt es in der Mitte fest, so daß die beiden spitzgedrehten Enden lose herabhingen. Sanft berührten diese Spitzen nun ihre Haut am Oberkörper. "Aahh, das kitzelt schön !" kommentierte sie. Er ließ die Tücherenden über den ganzen Körper wandern, und sie wurde zusehends erregter. Ihre Brustwarzen versteiften sich, und Ihr Atem ging heftiger. Ab und zu kicherte sie ein wenig, aber es kitzelte nur sehr sanft und angenehm. "Das gefällt dir, was?" grinste er. "Doch jetzt ist Schluß mit lustig. Jetzt wird gelacht !"
Er legte das Tuch beiseite und näherte sich ihr mit spitzen Fingern. Schon bei der ersten Berührung schrie sie laut auf. Das war höllisch ! Überall zugleich schienen seine Finger zu sein, an ihren Rippen, an den Weichteilen, unter den Achseln, an der Hüfte, zwischen ihren Beinen ...
Sie konnte fast nicht mehr atmen, so heftig mußte sie lachen und schreien. Endlich gönnte er ihr eine Pause. Verzweifelt rang sie nach Luft. "Oh Gott, das ist schrecklich," keuchte sie. Er kitzelte sie nur ganz sanft zwischen den Beinen, und meinte: "Na, aber es scheint dir zu gefallen. So feucht habe ich dich lange nicht mehr erlebt." Er hatte recht, sie konnte es jetzt auch spüren. Ihre Muschi schmolz regelrecht dahin, und ihr ganzer Körper hörte nicht auf zu Kribbeln.
Doch die Pause war vorbei. Jetzt wandte sich Horst ihren Füßen zu. Ganz sanft streichelte er ihre Fußsohlen, und sie schrie, was das Zeug hielt. Und erst, als er seine Fingerspitzen richtig auf der empfindsamen Haut tanzen ließ ! Unter und zwischen die Zehen kitzelte es am heftigsten. Sie verlor die Orientierung. Vor ihrem geistigen Auge tauchten zwei Ziegen auf, die Ihre Fußsohlen ableckten, und als habe er ihre Gedanken gelesen, berührte er ihre Zehen mit seiner Zunge. Das war zuviel ! Susanne glaubte schon, sie würde ohnmächtig werden, da spürte sie seine Zunge an ihren Schenkelinnenseiten. Zärtlich näherte er sich ihrem Lustdreieck. Schon die erste Berührung der Zunge an ihrer Klitoris ließ sie aufbäumen. Sterne tanzten vor ihren Augen, und ihr Rückenmark wurde zu schmelzender Butter. Mit einem unirdischen, tief aus ihrem Leib dringenden Stöhnen raste sie in einen unbeschreiblichen Höhepunkt. Noch bevor die Lustwellen abebbten, warf er sich über ihren bebenden Körper und drang tief in sie ein. Die Sterne vor ihren Augen wurden immer bunter, und erneut brandete ein Mega-Orgasmus durch ihre Sinne. Wieder und wieder warf sie ihren Kopf in den Nacken, und sie zuckte und zappelte unkontrolliert in ihren Fesseln wie ein Fisch im Netz. Endlich spürte sie auch seine glühendheiße Entladung. Er schrie, nein, er brüllte seine Lust hinaus. Jeder Löwe hätte Angst vor seinem Urschrei bekommen.
Langsam beruhigten sich die Beiden. Er lag noch eine ganze Weise regungslos auf ihr, bis sie einen Wadenkrampf bekam. Schnell band er sie los, und sie umarmten sich schweigend und unendlich glücklich. Er dachte nicht an seine Zigarette, und sie nicht ans Waschen, obwohl ihr der Schweiß in Strömen herunterlief. Auch die obligate Frage, wie es ihr denn gefallen hätte, erübrigte sich diesmal.
Viel, viel später, beim zweitausendvierhundertdreiundvierzigsten innigen Zungenkuß, flüsterte sie ihm zu: "So schön wie heute war es noch nie. Machen wir das bald mal wieder ?" Er nickte nur, konnte immer noch nicht sprechen. Kurz darauf fielen sie selig in Morpheus' Arme. Die Kamera lief unbeachtet weiter, bis auch ihr Akku leer war ...
VIII.
Susanne freute sich auf das freie Wochenende, nach dem aufregenden Freitag Abend. Horst war so lieb und aufmerksam wie schon lange nicht mehr, er brachte ihr sogar das Frühstück ans Bett. Sie gingen gemeinsam einkaufen. In der Stadt kamen sie an einem der zahlreichen Sex-Shops vorbei, und Susanne machte ihm einen Vorschlag: "Was hältst du davon, wenn wir hineingehen und uns ein paar richtig bequeme Lederfesseln kaufen ? Deine Krawatten erfüllten zwar ihren Zweck, aber meine Handgelenke und Knöchel schmerzen immer noch. Na komm' schon, sag bloß nicht, daß du noch nie in einem Sex-Shop warst !" Er grinste verlegen, dann betraten sie Hand in Hand das Geschäft.
Für Susanne war es eine aufregende Erfahrung. Sie war zwar in ihrer Jugend einmal in so einem Laden gewesen, mit ihrer besten Freundin, doch damals war sie viel zu ängstlich und verlegen gewesen, um wirklich die Umgebung wahrzunehmen. Jetzt, als erwachsene Frau, mit ihrem Partner zur Seite, genoß sie es richtig. Sie amüsierte sich köstlich über die Männer, die sich betont cool gaben, das eine oder andere Magazin durchblätterten und dabei feuchte Augen kriegten. Kichernd bemerkte sie bei einigen eine Beule an der Vorderseite der Hose, und so manchen Griff in die Hosentasche, der etwas zurechtrücken sollte, was plötzlich nicht mehr paßte. Horst stieß sie mit dem Ellbogen in die Seite und flüsterte: "Kichere nicht so albern !", was sie nur noch mehr zum Kichern brachte.
Im ersten Stock gab es, was sie suchten: Zwischen Reizwäsche, Gummianzügen und anderen seltsamen Dingen hingen alle Arten von Handschellen, Lederharnischen und Fesselmanschetten. Sie suchten sich die bequemsten aus und zahlten. Horst wollte noch einmal in den Teil des Shops, wo die Magazine und Videos auslagen, er hatte etwas gesehen, das er Susanne zeigen wollte.
Willig ging sie mit ihm. Er führte sie zielstrebig in eine Ecke mit diversen Bondage-Videos. Darunter waren auch einige amerikanische Titel, bei denen es eindeutig um Kitzeln ging. Als sie sich weiter umsahen, bemerkten sie eine ganze Menge davon. Horst meinte zu ihr: "So außergewönlich scheint die Liebe zum Kitzeln nicht zu sein. Hier steht bestimmt nur, was auch verkauft wird. Offensichtlich gibt es eine ganze Menge Interessenten dafür." Sprachlos ob des reichhaltigen Angebots ging sie von Regal zu Regal. Plötzlich sagte sie: "Komm, laß uns eins oder zwei davon kaufen. Ich setze das als dienstliche Ausgabe auf die Spesenabrechnung. Anschauungsmaterial für den aktuellen Fall, du verstehst." Wieder mußte sie kichern, und Horst schmunzelte.
Sie suchten sich zwei Videos aus einer Reihe mit dem Titel "Tied & Tickled" aus, was soviel heißt wie "Gefesselt und gekitzelt". Als sie den Laden verließen, hatte Susanne eine Eingebung: Wenn der Täter ein Kitzelfetischist war, dann würde er bestimmt auch solche Läden aufsuchen, um sich einschlägige Videos zu kaufen. Irgendwie müßte man doch das Sex-Shop-Personal dazu bringen, diese Personen zu melden. Es war die Schrotschuß-Methode, aber vielleicht war ein Zufallstreffer dabei.
Als sie am nächsten Sex-Shop vorbeikamen, zog sie Horst wieder mit sich in den Laden. "Ich möchte wissen, ob es so etwas in allen Sex-Shops gibt, oder ob das vorhin nur ein Spezialgeschäft war," meinte sie. Sie hoffte, daß die zweite Alternative zutraf, das würde die Überwachung erleichtern. Doch sie mußte feststellen, daß es auch im zweiten und dritten Sex-Shop jede Menge Videos und Magazine zum Thema "Kitzeln" gab. Horst wurde ungeduldig: "In wieviele Sexläden willst du mich eigentlich noch zerren ? Komm, laß uns stattdessen einen Happen essen gehen, ich habe Hunger." Sie lachte und willigte ein.
Am Abend sahen sie sich zuerst ihr ganz persönliches Video vom Vorabend an. Leider war wegen der Kameraeinstellung nur Susannes Gesicht zu sehen, aber das war für die Kommissarin auch das Interessanteste: Sie stellte fest, daß ihr Gesicht dieselben, eigenartig säuerlich lachenden Züge annahm, die sie auch bei den Opfern gesehen hatte. Kein Zweifel, das was der letzte Beweis für die Todesart. Sie schauderte bei dem Gedanken, nicht von ihrem Geliebten, sondern von einem maskierten Fremden gekitzelt zu werden, der sie damit noch dazu gnadenlos so lange quälte, bis sie starb.
Horst wurde richtig aufgeregt, als er Susannes Gesichtsausdruck während des Höhepunktes betrachtete. Er schaute ihr tief in die Augen, küßte sie und sagte: "Du bist die schönste Frau, die ich jemals gesehen habe, aber in deiner ungehemmten Lust verdoppelt sich deine Schönheit noch. So einen verklärten Gesichtsausdruck habe ich noch nie vorher bei dir bemerkt."
Susanne wurde verlegen und glücklich zugleich. Sie küßte ihn zärtlich, entwand sich seiner Umarmung und holte die beiden Kaufvideos. "Die will ich jetzt sehen," bestimmte sie und legte das erste Band ein. Anfangs mußten beide beim Zuschauen lachen, als im Film eine Frau von ihrem Mann gekitzelt wurde. Doch nach einer Weile wurde das ganze einfach nur langweilig, zumal sich auf dem ganzen Video nicht eine einzige Sex-Szene befand. Im Schnelldurchlauf betrachteten sie auch das zweite Video. Der einzige Unterschied bestand darin, daß sich hier zwei Frauen gegenseitig kitzelten, aber wieder ohne Sex.
"Kannst du mir verraten, was daran erregend sein soll ?" fragte Horst enttäuscht. "Das sollen Pornos sein ? Daß ich nicht lache !" Susanne warf sich auf ihn und begann, ihn zu kitzeln, doch er war offensichtlich überhaupt nicht kitzlig. Er zuckte nur ein bißchen, aber sie schaffte es nicht, ihn zum Lachen zu bringen. Betont gelangweilt meinte er: "Das funktioniert nicht bei mir, nur bei dir !" und seine Hände näherten sich ihrem Körper. Sie quietschte schon, bevor er sie tatsächlich berührt hatte. Insgeheim genoß sie dieses Gefühl jedoch.
Bevor es richtig zur Sache gehen konnte, klingelte das Telefon. "Scheiße," dachte sie, "das ist bestimmt für mich." Die erotische Stimmung war weg, unwiederbringlich. Widerwillig knurrte sie ein "ja bitte" in den Apparat. Natürlich Schweiger. Eine neue Leiche, gleiche Symptome.
Ein Appartment in der Hansastraße war der neue Tatort. Keine gute Gegend, zahlreiche Prostituierte gingen dort ihrem Gewerbe nach. Das Schlafzimmer war als SM-Studio eingerichtet, die Tote war ganz offensichtlich eine professionelle Liebesdienerin. Arme und Beine hingen in starken Lederschlaufen, alle Viere in die Luft gestreckt. Die Lederfesseln gehörten offenbar zu Einrichtung, deshalb hatte der Täter sie nicht mitgenommen.
Schweiger stellte mir Madame Denise vor, eine stark geschminkte alternde Ex-Schönheit in engem Lederdress. Eine Domina. Sie wollte Angela abholen, um mit ihr zur Arbeit zu fahren. Arbeit, das war ein SM-Club in Pasing. Angela, die Tote, war dort einige Tage pro Woche beschäftigt, doch das hatte ihr offenbar nicht genug eingebracht. "Vielleicht hat sie sich ja auch Arbeit mit nach Hause genommen," dachte die Kommissarin bei sich. Ungewöhnlich bei diesem Fall war die Tageszeit. Alle anderen Opfer waren frühmorgens gefunden worden, jetzt war es erst gegen neun Uhr abends. Doch dieses Rätsel löste der Polizeiarzt: "Sie ist seit mindestens zwölf Stunden tot, wahrscheinlich sogar noch ein paar Stunden länger." Hier hatte es also nur etwas länger gedauert, bis man sie fand.
Der gefundene Ausweis zeigte, daß "Angela" nur der Künstlername war. Im bürgerlichen Leben hieß die Tote Ewa Piechowa, geboren in Wroclaw, Polen. Breslau. 26 Jahre. Madame Denise sagte aus, daß Ewa/Angela im Club nur als Domina gearbeitet hatte, nie in der passiven Rolle. Offenbar um im Club ihr dominantes Image zu wahren, ließ sie sich in Ausnahmefällen bei manchen Kunden zuhause auch auf passive Spiele ein.
Auf die Frage von Susanne Berchthold, wie oft denn im Club Wünsche bezüglich Kitzeln gestellt wurde, lachte die Domina. "Das waren mir immer die liebsten Kunden, so einfach zufriedenzustellen. Leider sind die viel zu selten. Etwa einmal alle sechs bis acht Wochen." -"Gab es auch Stammkunden mit diesem Wunsch ?" - "Ja, natürlich. Hauptsächlich sogar. Ich habe persönlich einen, der mich so drei bis vier Mal pro Jahr besucht. Netter, harmloser Kerl. Ich glaube, auch Angela hat mir neulich erzählt, daß sie so einen Kunden gehabt hat. Stell dir vor, der flippt schon bei der kleinsten Berührung total aus, sagte sie."
"Haben Sie etwas dagegen, daß ich mich in Ihrem Studio mal etwas umsehe ?" fragt die Kommissarin. "Da müssen Sie schon mit der Chefin reden, Lady de Sade. Sie müßte heute im Laden sein. Nehmen Sie mich mit ? Mein Auto ist in der Werkstatt, deshalb wollte ich mich von Angela hinbringen lassen." Schweiger fragte entsetzt: "Sie wollen doch jetzt nicht einfach arbeiten gehen ?" Mit ihrer rauchigen Bardamenstimme lachte Madame Denise leise: "Natürlich. Ich muß Geld verdienen, und Angela kann ich hier doch nicht mehr helfen. Immerhin werde ich heute schwarz tragen, die Farbe der Trauer, nicht wahr, Süßer ?" Sie kraulte Schweiger am Kinn. Der zuckte zurück, als ob sie eine giftige Schlange wäre und knurrte: "Die Farbe der Hölle !" Die Kommissarin schüttelte den Kopf. "Sie waren bestimmt noch nie bei der Sitte, was, Schweiger ? Nehmen Sie alle Notwendige auf und fahren Sie dann nach Hause. Wir haben schließlich Wochenende, nicht wahr, Süßer ?" Auch sie kraulte kurz Schweigers Kinn, der nur etwas verdutzt dreinblickte.
In dem Gewerbegebiet in Pasing gab es eine Menge verschiedener Clubs. Angelas Arbeitsstätte entpuppte sich als exklusiver Sado-Maso Salon. Nicht weniger als sechs Folterkammern standen zur Verfügung. Lady de Sade, die Inhaberin, war gerade beschäftigt, also setzte sich die Kommissarin an die Bar und wartete bei einem Kaffee. Schon nach kurzer Zeit rauschte die Oberdomina herein und bat sie in ihr Büro. "Sie verderben mir da draußen das Geschäft," zischte sie ärgerlich. "Ihnen sieht man die Polizistin schon zehn Meilen gegen den Wind an."
Als Susanne Berchthold ihr vom grausamen Tod ihrer Mitarbeiterin berichtete, wurde sie zugänglicher. "Schrecklich," meinte sie sichtlich betroffen. "Sie war so ein nettes Mädchen, ein richtiger Kumpel. Und nun das ! Dabei habe ich ihr tausendmal gesagt, sie soll sich zuhause auf keine SM-Spielchen einlassen. Hier im Club wäre das nicht passiert."
Die Kommissarin wollte mehr über das einschlägige Publikum wissen, und die Lady gab ihr bereitwillig Auskunft. "Die Kitzelwelle ist Anfang der neunziger Jahre von Amerika nach Europa übergeschwappt. Zuerst war es nur ein Einziger, den wir alle für total abgedreht gehalten haben. Doch langsam stieg die Nachfrage, und wir stellten uns darauf ein. Seitdem halten wir in unseren Studios neben Peitschen und Klammern und so auch Federn und elektrische Zahnbürsten parat. Sie lachen: Bei Männern muß man oft stärkere Reize anwenden. Eine der Lieblingsmethoden ist die Behandlung der Fußsohlen mit der elektrischen Zahnbürste, das bringt sie alle zum Kreischen. Andere wiederum wollen nur sehr sanftes, streichelndes Kitzeln. Das heute leider übliche Zärtlichkeitsdefizit, doch wir leben davon. Manche Kunden wollen überhaupt nur gestreichelt werden, andere wollen nur mit den Mädchen reden. Einige müssen sich einfach nur irgendwo ausheulen. In Amerika laufen diese Leute zum Psychotherapeuten, hier kommen sie zu uns. Ab und zu besuchen uns auch Frauen, die gekitzelt werden wollen, aber sehr selten."
"War eines dieser Mädchen schon mal bei Ihnen ?" fragte die Kommissarin und zeigte ihr die Bilder der anderen Opfer, doch die Lady schüttelte nur den Kopf. "Können Sie sich noch an den Kitzelkunden erinnern, von dem Angela ihrer Freundin Denise erzählt hat ?" Auch hier Fehlanzeige. "Es ist hier nicht so, daß ich die Puffmutter bin, die alle Freier persönlich empfängt. Die Mädchen arbeiten freiberuflich; sie zahlen für das Zimmer, empfangen Ihre Gäste selbst, und verlangen ihre eigenen Preise. Ich rede ihnen da nicht hinein. Natürlich kommen sie mal zu mir, wenn sie irgendwelche Probleme haben, aber ansonsten tun und lassen sie, was sie wollen. Angela hat mir zwar von diesem Freier erzählt, aber ohne Beschreibung seines Äußeren. Nur daß er ziemlich jung war, etwa Mitte zwanzig, was eher ungewöhnlich ist. Die Herren mit Spezialwünschen sind meist schon älter, zumindest über vierzig." - "Rufen Sie mich an, wenn dieser Freier hier nochmals auftaucht ?" bat die Kommissarin und gab der Lady ihre Karte. Die Lady wiegte den Kopf. "Ich weiß nicht. Wir leben von unserer Diskretion. Aber ich schätze, bei Mord hört der Kundenservice auf. Gut, ich rufe Sie an, und ich werde auch die anderen Mädchen informieren." - "Danke, ich weiß das zu schätzen," versprach die Kommissarin.
Bevor sie ging, bat sie, einen Blick in eine der Folterkammern werfen zu dürfen. "Ich habe so etwas noch nie gesehen, und ich bin schon von Berufs wegen neugierig." Die Lady lächelte verständnisvoll und führte sie in den Keller. Einer der Kammern war gerade leer, und Susanne sah sich um. Eine Streckbank, ein Andreaskreuz, ein Fesselstuhl mit sehr hoher Lehne, ein Bock zum Auspeitschen. An der Wand zahlreiche Reitgerten, Rohrstöcke, Peitschen, Lederkostüme und so weiter. Sie schauderte. "Alles halb so schlimm, wie es aussieht," lächelte die Domina. "Wir gehen sehr behutsam damit um. Unsere Kunden wollen zwar geschlagen werden, aber sie wollen auch am nächsten Tag wieder ins Büro gehen und sich dort vor allem auf ihren Sessel setzen können. Richtige Verletzungen kommen höchstens einmal bei ungeschickten Neulingen vor. Möchten Sie es mal ausprobieren ?" Susanne zuckte zurück: "Nein, nein danke. Ich glaube, ich habe genug gesehen. Vielen Dank für Ihre freundliche Unterstützung."
Sie flüchtete geradezu aus dem Studio. Nein, das war wirklich nichts für sie. Als sie nach Hause kam, war Horst nicht da. Ein Zettel lag auf dem Küchentisch: "Ertränke mich vor Kummer, weil du so lange wegbleibst. Keine Angst, nur mit Pils." Im Bett lag sie lange wach und grübelte über den neuen Fall. Nein, irgendwie paßte das nicht. Warum sollte ein Kitzelfetischist, der SM-Studios aufsucht, Mädchen umbringen ? Er konnte seiner Neigung doch auf harmlosere Weise nachgehen. Und warum beraubte er manchmal das Opfer nur, während er es manchmal tötete ? Waren es etwa doch zwei verschiedene Personen ? War der Täter, der Petra Meister überfallen hatte, der Mörder, der nur an der Ausführung seiner Tat gehindert wurde ? Sie erinnerte sich, daß bei Yvonne Peters auch das Bargeld noch dalag. Andererseits deuteten die Aussagen der anderen Einbruchsopfer darauf hin, daß es sich um den gleichen Täter handelte. Statt in dem Fall klarer zu sehen, verwirrten sich die Umstände noch mehr. Sie brauchte mehr Informationen.
Am Montag würde sie zusammen mit Kollege Köhler noch einmal die früheren Einbruchsopfer befragen. Die hatten nichts von Kitzeln erwähnt, zumindest stand es nicht in den Akten. Außerdem sollte Junior mal in die Uni-Bibliothek gehen und Material über das Phänomen Kitzeln sammeln. Sie mußte einfach mehr darüber wissen, sonst konnte sie nicht sinnvoll weitermachen. Außerdem hatte sie mittlerweile auch ein persönliches Interesse dafür entwickelt, wie sie sich eingestand. In diesem Moment kam Horst zurück. Er war blau, das hörte sie an seinem Rumoren in der Wohnung. Als er das Schlafzimmer betrat, schlug ihr schon sein Bierdunst entgegen. Schnell stellte sie sich schlafend, besoffen konnte sie ihn nicht ausstehen.
IX.
Junior zog mit einer "Einkaufsliste" von dannen. Er sollte zunächst die psychologische Fakultät aufsuchen und sich informieren, in welchen Büchern etwas über Kitzeln stand. Als nächstes standen Psychiatrie und Neurologie auf dem Programm. Mit der so zusammen-gestellten Quellenliste sollte er sich das Material bei der Uni-Bibliothek besorgen. Ein entsprechendes Schreiben der Staatsanwaltschaft berechtigte ihn, diese Bücher vorläufig als "Beweismittel" zu beschlagnahmen, wenn die Bibliothek sie nicht herausgeben wollte. Staatsanwalt Kirchschläger war sehr kooperativ gewesen, nachdem die Kommissarin ihn über die neuesten Entwicklungen in diesem Fall unterrichtet hatte. Immerhin gab es bereits drei aktuelle Mordopfer in kürzester Zeit, und noch lief der Mörder frei herum. Gottseidank hatte die Presse noch keinen Wind vom Zusammenhang mit den beiden ungeklärten Fällen vom letzten Jahr bekommen, sonst wäre der Druck der Öffentlichkeit noch stärker gewesen. Auch von der mysteriösen Todesursache war bisher nichts nach außen gedrungen.
Staatsanwalt Kirchschläger sprach sich gegen eine Nachrichtensperre aus. "Das erregt nur unnötige Aufmerksamkeit und Neugier," meinte er. Außerdem würde früher oder später ohnehin eine der Nachbarinnen plaudern. Er versprach ihr freie Hand bei den Ermittlungen, gab ihr jedoch gleichzeitig zu verstehen, daß er bald irgenwelche Ergebnisse erwartete. "Wir müssen den Kerl schnappen, bevor er noch mehr Mädchen tötet !" Da konnte ihm die Kommissarin nur zustimmen.
Sie erinnerte sich an den Psychologen, den Dr. Liebermann ihr empfohlen hatte. Sie rief seine Praxis an und vereinbarte einen Termin für den späten Nachmittag. Da sie keine Patientin war, konnte man sie irgendwo dazwischenschieben.
Schweiger hatte für seine Wochenend-Dienste freigenommen, aber ihn brauchte sie dabei ohnehin nicht. Sie ging noch ein paar Berichte durch, dann hielt es sie nicht mehr im Büro. Sie ging hinauf zu Kollege Köhler und teilte ihm ihre Absicht mit, auch die früheren Einbruchsopfer nochmals zu vernehmen. Er setzte sich sofort ans Telefon und die betreffenden jungen Damen an, um zu erfahren, wann sie am besten Zeit hätten. Es wären neue Fakten aufgetaucht, zu denen sie nochmals aussagen müßten. Ja, er wüßte, wie unangenehm das für die Opfer sei, doch es sei unbedingt notwendig, um den Einbrecher zu fassen, bevor er weitere Frauen überfiel. Ja, also dann morgen mittag, danke. So füllte sich ihr Terminkalender für die beiden folgenden Tage mit insgesamt sieben Besuchen. Das konnte ja heiter werden !
Gemeinsam mit Köhler suchte sie die Kantine auf. Sie aßen schweigend, alles wichtige war schon gesagt worden. Nächmittags suchte die Kommissarin noch einige Sex-Shops auf und wirkte auf das Personal ein, sie zu verständigen, wenn ein Mann Kitzelpornos kaufte. Zwar bezweifelte sie mittlerweile die Erfolgsaussichten dieser Aktion, doch sie wollte nichts unversucht lassen, den Täter endlich zu identifizieren. Schlimmstenfalls kam ein Haufen Verdächtiger dabei heraus, mit dem man den Staatsanwalt für eine Weile beruhigen konnte.
Dann setzte sie sich in ihren BMW und fuhr nach Freising zu Dr. Falkenstein. Sie mußte eine Viertelstunde warten, der Doktor hatte gerade noch eine Patientin. Als sie endlich vorgelassen wurde und dem renommierten Sexualpsychologen gegenüberstand, konnte sie sich nur mit Mühe ein Grinsen verbeißen. Vor ihr stand ein kleines, verhutzeltes Männchen, dessen Haare vorne nicht mehr vorhanden, hinten dafür umso länger und zerzauster waren. Das Karikaturklischee eines zerstreuten Professors. Zu allem Überfluß hatte er auch noch einen Augentick: alle paar Sekunden mußte er heftig blinzeln. "Na, von dem würde ich keinen Rat für mein Sexualleben annehmen," dachte sie.
Zuerst mußte sie ihn mühsam davon überzeugen, daß sie nicht als Patientin gekommen war. Nachdem diese Hürde endlich geschafft war und sie sich nicht auf die Couch legen mußte, schilderte sie ihm ihre Mordfälle und welche Methode dabei angewandt wurde. Der Wissenschaftler hörte aufmerksam zu und machte sich eifrig Notizen. "Können Sie mir sagen, von welchem Täterprofil ich ausgehen kann ?" fragte die Kommissarin abschließend.
Dr. Falkenstein beugte sich über seine Notizen und las sie noch einmal. Dann lehnte er sich in seinen Ohrensessel zurück und überlegte lange, dabei heftigst zwinkernd. Unwillkürlich mußte auch die Kommissarin blinzeln. Endlich erhob er seine Stimme: "Sososo. Kitzeln, sagten Sie. Mord durch Kitzeln. Sososo. Höchst interessant, höchst interessant. Nun, möglich ist das schon. Bei manchen, besonders empfindlichen Personen kann es zu einem Nervenschock durch die ständige Reizüberladung kommen, der das vegetative Nervensystem stark beeinträchtigt. Sie wissen schon, all die unbewußten, aber lebensnotwendigen Tätigkeiten wie Herzschlag, Atmung und Verdauung werden vom vegetativen Nervensystem gesteuert. Wenn nun ein Nervenschock ausgelöst wird, schießt die neurale Energie unkontrolliert durch das Gehirn. Manche Menschen werden dadurch einfach bewußtlos, bei anderen kann eine Atem- oder Herzlähmung eintreten. Wie lange, sagten Sie, wurden die Opfer gekitzelt ?"
"Das wissen wir nicht. Wir haben ja leider keine lebenden Zeugen." - "Na ja, nun gut. Nun zu Ihrem Täter. Er ist ganz gewiß sexuell gestört. Kitzeln an und für sich ist eine ganz normale sexuelle Verhaltensweise, sofern es im Rahmen einer Partnerschaft vorkommt. Ich verwende manchmal sogar Kitzeln bei meiner Therapie, vor allen, wenn Frauen sich nicht richtig beim Sex gehen lassen können, oder wenn sie dabei sehr unkonzentriert sind." Susanne Berchthold errötete leicht, als sie an ihr eigenes Sexleben dachte. Verdammt, er hat recht. Gottseidank bemerkte der Doktor ihre Verlegenheit nicht. Er fuhr fort:
"Also, der Täter muß irgendwann, vermutlich in seiner Jugend, ein prägendes Erlebnis in dieser Richtung gehabt haben. Ich habe von einem Fall gelesen, als ein Sechzehnjähriger von seiner Tante verführt wurde, bei der er seine Ferien verbrachte. Sie ließ sich von ihm festbinden und kitzeln, und dabei bekam er seinen ersten bewußten Orgasmus. So etwa könnte der Fall auch hier liegen. Oder so ähnlich. Vielleicht hat er sonst Kontaktschwierigkeiten bei Frauen, oder einige negative Sexualerlebnisse, so daß er sich nach seinem ersten Orgasmus zurücksehnt.
Da er sich wahrscheinlich nicht traut, einer eventuellen Partnerin seinen speziellen Wunsch anzuvertrauen, holt er sich seine Befriedigung anderweitig. Andere Sonderwünsche, wie etwa Sadomaso, lassen sich leicht in einschlägigen Etablissements verwirklichen. Nicht so Kitzeln. Die dort beschäftigten Damen sind meist schon so weit desensibilisiert, daß das Kitzeln bei ihnen nicht die gewünschten Reaktionen hervorruft. Nun gut, er kann sich selbst kitzeln lassen, aber die aktive Rolle kann er dort nicht richtig ausleben. Also muß er sich andere Opfer suchen. Aufgrund seiner Kontaktschwäche kann er nicht einfach Frauen auf der Straße oder in Bars ansprechen, zumal sein Wunsch gesellschaftlich nicht akzeptiert wird. Glauben Sie mir, es ist leichter, eine Unbekannte für einfachen Sex zu interessieren als für ein vermeintlich perverses Erlebnis."
Die Kommissarin nickte. "Können Sie irgendwelche Aussagen über sein Alter oder sein soziales Umfeld treffen ?" - "Hmm, nein. Bei manchen Menschen treten solche Wünsche erst sehr spät ans Tageslicht, oft nach einer gescheiterten Ehe oder während der sogenannten Midlife-Crisis. Es könnte aber genausogut ein junger Mann sein, der ansonsten überhaupt noch keine sexuellen Erfahrungen gesammelt hat und jetzt endlich befriedigt werden möchte. Solche Wünsche entstehen auch völlig unabhängig von Bildungsniveau oder Einkommens-verhältnissen. Gut, einfachere soziale Schichten tendieren bei Konfliktsituationen leichter zu Gewalt, aber das hat meist nichts mit ihrem Sexualverhalten zu tun. Die meisten Kunden von SM-Studios sind gut situiert, oft in Führungspositionen. Hier kann ich Ihnen leider nicht weiterhelfen."
"Würde sich so ein Täter auch entsprechende Videos zur Selbstbefriedigung zulegen ?"
"Ja, da bin ich ganz sicher. Ein Einbruch bedeutet immer ein Risiko, und zwischendurch wird sich der Täter mit entspechenden Phantasiekrücken zur Masturbation behelfen. Aber gibt es denn solche Videos überhaupt ?"
"Oh ja, jede Menge." Wenigstens hier hatte sie einen Ansatzpunkt. "Aber, Herr Doktor, wie wird so ein Mann zum Mörder ?"
"Nun, ich vermute, sein erstes Opfer ist rein zufällig dabei verstorben. Das hat ihm vielleicht einen Schock versetzt, so daß er eine Weile mit seinen Überfällen aufhörte. Doch irgendwann wurde der Druck zu stark, er holte sich erneut ein Opfer. Wie lange, sagen Sie, liegen die Mordfälle auseinander ?" Sie nannte ihm die Daten. "Das bestätigt meine Theorie. Das erste Opfer starb im März letzten Jahres, dann gab es eine siebenmonatige Pause, bevor er wieder zuschlug. Dann weitere sechs Monate. Die letzten Morde folgen kurz nacheinander. Das heißt, seine Tötungshemmung ist weitgehend überwunden, und er braucht wie ein Drogensüchtiger immer öfter und immer härtere Dosen zu seiner Befriedigung."
"Ich muß Ihnen noch etwas erzählen, Doktor," warf die Kommissarin ein. "Manchmal tötet er seine Opfer nicht, er kitzelt und beraubt sie nur. Das ist noch nicht bewiesen, aber wir vermuten es. Woran kann das liegen ?"
"Aha, mhm, sososo. Jajaja. Wenn das der Fall ist, heißt das lediglich, daß er sich schon häufiger Opfer zur sexuellen Befriedigung gesucht hat, als Sie bisher annehmen. Es liegt offensichtlich keine unmittelbare Tötungsabsicht vor. Manchmal sind ihm die Opfer vielleicht nicht kitzlig genug, oder aber einige Opfer sterben, weil sie nicht soviel aushalten wie die anderen. Ist das diese merkwürdige Einbruchsserie in Schwabing, von der die Zeitungen berichten ?" - "Genau. Was mich noch interessiert: Wie wählt der Täter seine Opfer aus ? Woher weiß er, daß sie kitzlig sind ? Probiert es das vorher aus ? Und wie ?"
"Hmhmm. Ich glaube nicht, daß er das vorher testet, dazu ist er vermutlich zu schüchtern. Aber er kann davon ausgehen, daß die meisten Frauen in diesen jungen Jahren recht kitzlig sind. Überhaupt sind die allermeisten Menschen kitzlig. Vermutlich beobachtet er sie nur ein paar Tage, um ihren Tagesrhythmus herauszufinden, bevor er sie überfällt. Übrigens glaube ich auch nicht, daß er sich Menschen aus seinem eigenen Lebensumfeld sucht, also Kolleginnen oder Bekannte. Dabei hätte er viel zuviel Angst, erkannt zu werden. Er dürfte im Grunde genommen ein kontaktscheuer, eher ängstlicher Mensch sein. Typischer Durchschnittsbürger, der ansonsten keiner Fliege etwas zuleide tun kann. Dafür spricht auch seine Fürsorge, nur weiche Lederfesseln zu verwenden."
"Aber einen Fall gab es doch, wo er Stricke benutzte und dabei das Opfer erheblich verletzte. Dazu hat er die Füße des Opfers in einen mittelalterlichen Fußpranger gesteckt und nach historischem Vorbild von Ziegen ablecken lassen."
Der Doktor ließ ein meckerndes Lachen hören, das recht gut zum Thema paßte. "Sososo, Ziegen also. Ist ja witzig. Er ist also historisch gebildet. Hat er den Pranger am Tatort vorgefunden ?"
"Ich glaube nicht. Zumindest haben wir keinen gefunden." - "Seltsam. Ich hätte sonst vermutet, daß er in diesem einen Fall unvorbereitet auf ein Opfer gestoßen ist. Er hatte seine Ausrüstung nicht dabei, also nahm er Stricke. Aber dann muß er den Pranger dabeigehabt haben. Vielleicht hat er ihn auf einem Trödelmarkt gefunden, oder ihn sich sogar anfertigen lassen, irgendwo in der Nähe des Tatorts. Bei der Heimfahrt sah er sein Opfer, und er wollte seine neue Errungenschaft gleich ausprobieren. Was halten Sie davon ?"
Die Kommissarin nickte eifrig. "Das wäre eine Möglichkeit. Herr Doktor, Sie haben mir sehr weitergeholfen, ich danke Ihnen herzlich." Sie schüttelten die Hände zum Abschied, und der Doktor ermahnte sie noch: "Finden Sie den Täter bald, meine Liebe. Er ist eine wandelnde Zeitbombe, der jetzt immer häufiger zuschlägt. Sie könnten theoretisch darauf warten, daß er in seinem Tatendrang bald einen entscheidenden Fehler begeht, aber bis dahin kann es noch viele Opfer geben. Zuviele."
Dr. Liebermann hatte recht gehabt: Dieser Mann war eine Goldgrube für wesentliche Informationen, wie schrullig er auch sein mochte. Recht zufrieden fuhr Susanne Berchthold zurück ins Präsidium.
Dort traf sie Junior, der gerade von der Bibliothek zurückkam. Ganze drei Bücher hatte er zu diesem Thema gefunden, allsesamt aus der psychologischen Fakultät. Weder in der Psychiatrie noch in der Neurologie war er fündig geworden. Das Phänomen Kitzeln war weitestgehend unerforscht. Seufzend blätterte sie ein wenig in den Büchern herum, doch sie konnte sich nicht darauf konzentrieren. Zuviele andere Gedanken gingen ihr durch den Kopf.
Es mußte doch eine Möglichkeit geben, den Verdächtigen irgendwie zu identifizieren. An der Wand hing ein Stadtplan von München, auf eine Korkplatte aufgezogen. Lustlos begann die Kommissarin, die bisherigen Tatorte der Morde mit roten Fähnchen zu markieren. Dann nahm sie Köhlers Akten zur Hand und markierte die Einbrüche ohne Todesfolge mit grünen Fähnchen. Sauerlach war natürlich nicht auf dem Stadtplan, deshalb steckte sie diese Markierung an den unteren Kartenrand. Sie trat einen Schritt von der Karte zurück, um das Bild in seiner Ganzheit auf sich wirken zu lassen.
Kein Zweifel, die grünen Fähnchen ballten sich in Schwabing. Auch die beiden letztjährigen Opfer waren dort gefunden worden. Das grüne Fähnchen für Petra Meister befand sich auch dort. Entweder war der Täter dort in der Nähe zuhause, oder aber seine Arbeitsstätte befand sich in dieser Gegend.
Doch damit ließ sich erst etwas anfangen, wenn man den einen oder anderen Verdächtigen hatte. Es schien jedoch einen örtlichen Zusammenhang zu geben, auch wenn die Opfer in der Hansastraße, in Bogenhausen und in Sauerlach weit entfernt vom eigentlichen Zentrum gelebt hatten.
Und noch etwas dämmerte ihr: Suchte sie überhaupt einen Mörder ? Zu Mord gehörte nach Recht und Gesetz der Vorsatz, jemanden töten zu wollen, und diese Tatsache stand nach ihrer Unterhaltung mit dem Psychologen gar nicht mehr fest. Doch das war Sache des Staatsanwalts. Der Täter hatte genügend andere Delikte auf dem Kerbholz: Einbruch, Einbruchdiebstahl, sexuelle Nötigung. Ob es sich bei den Todesfällen um Mord, Totschlag oder Körperverletzung mit Todesfolge handelte, spielte erst vor Gericht eine Rolle, und hierfür mußte man den Täter erst einmal finden.
X.
"Ja, dann vielen Dank auch für Ihre Hilfe, Frau Berg. Sie haben uns wieder ein kleines Stück weitergebracht." Kommissar Köhler war wie immer freundlich, auch wenn es heute schon der dritte erfolglose Besuch bei einem der früheren Einbruchsopfer gewesen war.
Erfolglos, weil auch diese Zeugin keine genauere Beschreibung des Täters liefern konnte. Immer trug der Täter dieselbe Kleidung, immer dieselbe Maske. Er sprach nur das Notwendigste, leise und dialektfrei. Er bewegte sich schnell und ziemlich nervös. Um die Frauen am Schreien zu hindern, klebte er ihnen als erste Maßnahme den Mund mit breitem Isolierband zu, während sie noch schliefen. Dann hielt er Ihnen eine Pistole vor die Nase und befahl den mittlerweile erwachten Opfern, sich nackt auszuziehen und sich mit gespreizten Armen und Beinen auf das Bett zu legen. Die Lederfesseln wurden angebracht, das Opfer unbeweglich gemacht.
Soviel war auch den Akten zu entnehmen. Doch erst jetzt kam das Besondere: Während keine der überraschten Frauen eine irgendwie geartete sexuelle Belästigung angegeben hatte, hakte die Kommissarin, die Köhler begleitete, dort nach. Köhler ging für ihren Geschmack zu zartfühlend vor, redete um den heißen Brei herum, deshalb fragte sie die Opfer direkt: "Hat Sie der Täter befummelt ? Hat er Sie angefaßt ?"
Alle drei bisher Vernommenen wurden daraufhin verlegen. Erst nach einigem Drängen gaben sie zu, daß der Täter sie gekitzelt hatte. Die eine nur an den Fußsohlen, die andere an den Weichteilen. Nur Carla Berg, das soeben vernommene Opfer, war über eine halbe Stunde lang am ganzen Körper gekitzelt worden. Allerdings hatte es der Täter peinlichst genau vermieden, ihre Brüste oder Genitalien zu berühren.
Auf die leicht vorwurfsvolle Frage hin, warum sie das nicht schon früher ausgesagt hatten, antworteten die drei Opfer stereotyp, daß man sie danach nicht gefragt hätte, und außerdem sei es ihnen peinlich gewesen, darüber zu sprechen. Wenn der Täter sie geschlagen oder vergewaltigt hätte, würden sie es schon gesagt haben. Aber so ?
Wieder einmal verdrehte die Kommissarin die Augen nach oben. Hier war schlampig gearbeitet worden, und das liebte sie gar nicht. Köhler verteidigte sich. Man hätte ja damals nicht gewußt, sonst hätte man selbstverständlich...
Sieben der acht Einbruchsopfer waren berufstätig und deshalb nur während der Mittagspause oder abends zu sprechen. Eine war Studentin, die konnten die beiden Ermittler am Nachmittag erreichen. Drei der Mittagspausen-Zeuginnen hatten sie schon vernommen, und nun verlangte auch der eigene Körper sein Recht. Köhlers Bauch grummelte schon deutlich hörbar, und so hatte er auch gar nichts dagegen, als Susanne Berchthold ihm vorschlug, etwas zu sich zu nehmen.
Da sie gerade an einem Fast-Food-Schuppen vorbeikamen, würgten sie schnell irgendeinen Elastikburger hinunter und spülten mit Cola nach. "Was das meiner Figur wieder antut..." sinnierte die Kommissarin. Doch sie hatten es eilig, Zeugin Nr. 4 wartete schon. Sie arbeitete wieder in einem anderen Stadtteil, diesmal im Münchner Westen. Eines stand nach ihrer bisherigen Odyssee von Opfer zu Opfer fest: An der Arbeitsstelle hatte sich der Täter sein nächstes Ziel bestimmt nicht ausgesucht, dazu lagen die Orte zu weit auseinander.
Zeugin Nummer vier erbrachte das gleiche Ergebnis. Der einzige Unterschied: Bei ihr hatte der Täter mit einer mitgebrachten Feder zugeschlagen, respektive gekitzelt. Doch Nummer vier gab an, überhaupt nicht kitzlig zu sein, deshalb hatte der Täter seinen Besuch schnell beendet und war mit der Geldbörse von dannen gezogen.
Die beiden Kripobeamten setzten sich anschließend in einem Cafe zusammen und besprachen ihre Ergebnisse. Täterbeschreibung hatten sie immer noch keine brauchbare. Es stand jetzt lediglich fest, daß es sich bei dem jeweiligen Täter um ein und dieselbe Person handelte, der aller Wahrscheinlichkeit nach auch die mysteriösen Morde auf dem Gewissen hatte.
"Was können wir tun, um weitere Opfer zu verhindern ? Gehen wir an die Presse ?" wollte Susanne Berchthold wissen. "Sachte, sachte," entgegnete Köhler. "Haben Sie eine Ahnung, was Sie damit alles auslösen ? Bisher konnten wir ohne großes Aufsehen und Behinderungen ermitteln, aber das ändert sich ganz schnell, wenn die Pressefritzen davon Wind bekommen. Was glauben Sie, wieviel Druck die machen werden ? 'Polizei kapituliert vor Kitzelmörder' dürfte noch eine der harmloseren Schlagzeilen werden. Das wäre ein gefundenes Fressen für die. Sie wären den ganzen Tag beschäftigt, einige tausend Wichtigtuer anzuhören, die Ihnen alle möglichen erfundenen Geschichten aufbinden oder etwas gesehen haben wollen. Wenn ein Pärchen in der Nacht zu laut lacht, würden besorgte Nachbarn sofort die Polizei anrufen. An die Trittbrettfahrer darf ich gar nicht denken. Die halbe Münchner Einbrecherszene würde sich kaputtlachen und bei Ihren Raubzügen einfach die Opfer ein wenig kitzeln, um die Sache unserem Täter anzuhängen. Unser ganzer Apparat würde wochenlang lahmgelegt werden. Und was wollen Sie der Presse erzählen ? Wir haben ja nicht mal ein Phantombild !"
Köhler hatte sich richtig in Fahrt geredet. Susanne Berchthold dachte darüber nach. Was der Kollege vorgebracht hatte, war völlig richtig, wenn auch vielleicht ein wenig überdramatisiert. Doch sie hatte noch überhaupt keine Erfahrung mit einer großen, öffentlichen Suchaktion, konnte ihm also nicht direkt widersprechen. "Aber wir könnten doch die Frauen in dieser Stadt vor dem Täter warnen und dadurch weitere Opfer vermeiden," wandte sie zaghaft ein.
Köhler schüttelte energisch den Kopf. "Nein. Wir versuchen seit Jahrzehnten, die Leute mit Beratung vor Einbrüchen zu schützen. Und was geschieht ? Ich will es Ihnen sagen: Immer erst nach dem ersten Einbruch in ihre Wohnung hören die Menschen zu, legen nachts die Türkette vor oder beschaffen sich Alarmanlagen. Es betrifft immer nur die Anderen, nie einen selbst. Sie könnten, selbst wenn Sie wollten, nicht ohne Details an die Öffentlichkeit gehen, ohne damit genau die Situation schaffen, die ich Ihnen vorher beschrieben habe. Statt die Presse wild zu machen, sollten wir lieber versuchen, unsere Arbeit ungestört zu erledigen. Damit werden wir schneller an den Täter herankommen und dadurch auch weitere Opfer vermeiden. Glauben Sie einem alten Hasen etwas, verehrte junge Kollegin."
Sie haßte diesen väterlichen, etwas herablassenden Ton, doch die Argumente waren gut. Also fragte Sie ihn: "Und was schlägte der verehrte ältere Hasenkollege vor ?" - "Sprechen wir mit Staatsanwalt Kirchschläger. Wir sollten zusammen eine Sonderkommission bilden, Einbruch und Mord. Vielleicht noch einen Polizeipsychologen dazu, und einen von der Sitte, der sich mit dem Sexkram auskennt, SM-Studios und so. Damit hätten wir eine Chance, den Kerl zu fassen. Immerhin haben in diesem Fall auch fast alle Morde mit einem Einbruch begonnen. Setzen wir dort an." Die Kommissarin überlegte nicht lange. "Gut, das versuchen wir." Sie machten sich auf den Weg zur Studentin, wieder zurück nach Schwabing.
Eine Woche später saßen sie alle zusammen im großen Konferenzraum der Staats-anwaltschaft. Sogar der Dezernatsleiter "Mord", Kriminalrat Dr. Höppner hatte sich die Ehre gegeben. Staatsanwalt Kirchschläger räusperte sich.
"Wir sind hier zusammengekommen, weil es gilt, einen gefährlichen, offensichtlich gestörten Einbrecher und Mörder zu fassen. Um das zu erreichen, bündeln wir unsere Kräfte und bilden ressortübergreifend ein Sonderkommission, bestehend aus dem Einbruchsdezernat und dem Morddezernat. Leiter der Sonderkommission ist Kriminalhauptkommissar Köhler, seine Stellvertreterin ist Kriminaloberkommissarin Berchthold, die beide ihre jeweiligen Kommissariate einbringen. Frau Berchthold, Sie verstehen sicherlich, daß wir die Leitung dem ranghöheren Beamten anvertrauen müssen. Oberstaatsanwalt Dr. Richel hat mich dazu bestimmt, Ihrer Sonderkommission mit all meinen Kräften zur Seite zu stehen."
Susanne Berchthold blickte in die Runde. Amüsiert dachte sie bei sich, wieviele der Anwesenden wohl kitzlig wären. Außer ihr war noch eine Kriminalkommissarin vom Einbruch dabei, alles andere waren Männer. Soviel zum Thema Gleichberechtigung, sinnierte sie. Der Staatsanwalt erläuterte die weitere Vorgehensweise und die jeweiligen Zuständigkeiten. Fragen hatte keiner, also konnte es losgehen.
Als erste Maßnahme wurde an die nächtlichen Streifen die Anweisung herausgegeben, besonders auf einen Mann in Jogginganzug mit Kapuze zu achten. Alle so gekleideten nächtlichen Männer sollten einer Überprüfung der Personalien unterzogen werden. Zwei Beamte von der Fahndung erhielten den Auftrag, sich in den Geschäften umzuhören, die den Tatorten der Einbruchsopfer am nächsten lagen. Sie sollten vor allem danach fragen, ob den Verkäufern jemand im Jogginganzug aufgefallen wäre.
Kriminalkommissar Schütte vom Dezernat für Sexualdelikte erhielt den pikanten Auftrag, alle SM-Clubs der Stadt abzuklappern, um sich dort nach Kitzelfetischisten zu erkundigen und wenn möglich Beschreibungen dieser Kunden zu erhalten. Er grinste: "Nur, wenn ich für jeden Peitschenhieb einen Tag Sonderurlaub bekomme !"
Die vergangenen Tage waren recht unergiebig verlaufen. Köhler und Susanne Berchthold hatte auch noch die restlichen ehemaligen Einbruchsopfer vernommen, ohne jedoch auf eine neue Spur zu stoßen. Dr. Liebermann hatte inzwischen die versprochene historische Literatur zum Thema Kitzeln vorbeigebracht, und das war nun die hauptsächliche Bettlektüre der Kommissarin.
Vergangenes Wochenende hatten sie und Horst versucht, das heiße Erlebnis zu wiederholen, das sie mit dem Kitzeln gehabt hatten. Nun, die Fesseln waren im Vergleich zu den Krawatten recht bequem gewesen, aber ansonsten war das ganze ein Reinfall geworden: Horst hatte einfach nicht genug Geduld mit ihr. Statt sie mit ein bißchen Liebe und Zärtlichkeit zu kitzeln, bis sie richtig heiß wurde, ging alles wieder viel zu schnell. Lange bevor Susanne auch nur in die Nähe eines Höhepunkts gelangen konnte, war er schon fertig. Sie war tief enttäuscht.
Eine mögliche Fährte hatte Schweiger entdeckt: Bei einem seiner Besuche in einem Sex-Shop, der natürlich nur dazu diente, den Kontakt mit den Verkäufern dort zu intensivieren, war er in einem Kontaktmagazin auf eine interessante Anzeige gestoßen: Ein Mann suchte Partnerinnen für 'phantasievolle Kitzelspiele". Kurz entschlossen hatte er das Magazin gekauft und es seiner Chefin gezeigt.
Seitdem rang die Kommissarin mit sich selbst, ob sie sich als verdeckte Ermittlerin betätigen sollte. Sie könnte sich ja auf diese Anzeige hin melden und ...
Schweiger war strikt dagegen. "Erstens entsprechen Sie nicht dem bisherigen Opferprofil, so daß der Täter sich Ihnen gegenüber vielleicht anders verhält, womit nichts bewiesen wäre." Hmm, auch eine Art, ihr mitzuteilen, daß sie viel älter als die bisherigen Opfer war. Charmant. "Zweitens, lassen Sie uns annehmen, es ist der Täter. Dann begeben Sie sich in eine Gefahr, die wir nicht einmal abschätzen können. Ihre gesamten Nahkampfkenntisse können Sie vergessen, wenn Sie erst mal gefesselt auf einem Bett liegen. Wir wären vielleicht nicht in der Lage, Sie rechtzeitig aus der Patsche zu holen. Und drittens könnten wir ihm erst etwas beweisen, wenn er Sie auch zu Tode kitzeln würde, und damit wären Sie bestimmt nicht einverstanden."
Natürlich hatte er recht. Falls sie sich bei ihm meldete, brauchte er ja nicht bei ihr einzubrechen, und es war auch nicht strafbar, jemanden zu fesseln und zu kitzeln, wenn der- oder diejenige sich damit einverstanden erklärt hatte. Trotzdem faszinierte sie diese Idee, sich mal von einem wirklichen Profi durchkitzeln zu lassen. Der hatte vielleicht mehr Stehvermögen und Geduld als ihr Horst ...
Nun gut, sie hatten das Netz ausgeworfen, und jetzt mußten sie wie jeder gute Fischer geduldig darauf warten, daß ihnen ein Zufallsfang ins Netz ging. Doch das Warten war frustrierend. Sie wußten nur zu gut, daß der Täter jederzeit erneut zuschlagen konnte, ohne auch nur in die Nähe des Netzes zu kommen. Insgeheim hoffte Susanne Berchthold, daß zumindest irgendetwas passieren würde.
Ihr Wunsch ging in Erfüllung, doch anders, als sie geglaubt hatte: Köhler hatte ein frisches Einbruchsopfer. Wieder einmal keine positive Identifizierung, doch etwas war neu: Das Opfer hatte den Eindruck, daß es sich bei dem Täter um eine Frau gehandelt hatte. Nicht durch die Stimme war sie darauf gekommen, denn der Täter oder die Täterin hatte nur geflüstert. Doch die Statur und die Bewegungen seien sehr weiblich gewesen, berichtete die Überfallene.
Großartig. Nun wußten sie nicht einmal genau, ob sie eine Frau oder einen Mann suchen sollten. Köhler wiegelte ab: "Die früheren Opfer haben seine Stimme gehört, und die gehörte eindeutig einem Mann. Entweder dieses Opfer irrt sich, oder es handelt sich nicht um den gleichen Täter. Dann können wir alle einpacken !"
"Nicht gleich so pessimistisch, Herr Kollege," wurde er von Susanne Berchthold ermahnt. "Es gibt mehr Männer mit weiblicher Figur und weiblichen Bewegungen, als Sie glauben. Bei der Europol in Brüssel fand während meines Lehrgangs dort ein interessanter Versuch statt: Die Kursteilnehmer sollten die Silhouetten hinter einer Milchglasscheibe beobachten und herausfinden, ob es sich dabei um Männer oder Frauen handelte. Tatsächlich hatten mehrere Kursteilnehmer nicht erkannt, daß drei der Silhouetten männlich waren. Das ganze Spiel diente dem Zweck, zu verdeutlichen, wie leicht die menschliche Beobachtungsgabe getäuscht werden kann. Viele Zeugen sehen eine Person nur durch die zugezogenen Gardinen hindurch und schließen dann oft unterbewußt auf Mann oder Frau, ohne sich dessen wirklich sicher zu sein."
Auch das neue Opfer war gekitzelt worden, wenn auch nur kurz. Das Telefon hatte unvermittelt zu läuten begonnen, daraufhin hatte der Täter die Flucht ergriffen. Nicht ohne seine Fesseln mitzunehmen. Die Duplizität des Vorgehens ließ allerdings darauf schließen, daß es sich um den Gesuchten handelte.
"Er scheint nervös zu werden," meinte die Kommissarin nachdenklich. "Vielleicht begeht er doch bald einen Fehler." - "Darauf sollten wir es aber nicht ankommen lassen !" motzte Köhler. "Mal hören, ob der Streife jemand aufgefallen ist." Er zog sein Handy.
Auf der Rückfahrt zum Präsidium fragte Schweiger: "Bei diesem Experiment in Brüssel, wurde da eigentlich auch einmal eine Frau für einen Mann gehalten ?" Die Kommissarin grinste: "Ja, eine. Aber die hatte tatsächlich einen Gang wie ein Brauereiroß." Beide lachten. Susanne hatte noch keine Lust, nach Hause zu gehen. Sie fragte Schweiger, ob er noch Lust auf ein gemeinsames Bier hätte, und leicht erstaunt stimmte er zu.
In der Kneipe war es recht ruhig. Sie setzten sich in eine Ecke, um ungestört plaudern zu können. Zum allerersten Mal erkundigte sich Susanne nach dem Privatleben von Schweiger: "Sind Sie eigentlich verheiratet ? Sie erzählen nie etwas von zuhause." Schweiger nieste in sein Taschentuch. "Scheinbar bin ich auch gegen dieses Gesprächsthema allergisch," grinste er schelmisch. "Im Ernst: ich war verheiratet. Meine Frau ist vor zwei Jahren an Krebs gestorben. Es ging ganz schnell. Keine sechs Wochen nach dem Befund war sie tot." Susanne murmelte betreten. "Oh, das tut mir leid. Ich wollte Sie nicht verletzen, indem ich dieses Thema aufgriff." Schweiger schüttelte energisch den Kopf. "Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Sie haben mich nicht verletzt, ich glaube, daß ich halbwegs darüber hinweg bin. Nur manchmal, nachts, da vermisse ich sie sehr. Deshalb lasse ich mich auch oft für die Bereitschaft einteilen, da ist die Nacht kürzer. Doch nun zu Ihnen ? Was machen Sie, wenn Sie nicht gerade Verbrecher jagen ?"
Nun, Sie hatte ja damit angefangen, also mußte sie jetzt auch etwas von sich preisgeben. "Ich bin schon seit vielen Jahren geschieden", gestand sie. "Seit zwei Jahren habe ich wieder einen Lebensgefährten, mit dem ich zusammenlebe. Heiraten kommt allerdings nicht mehr in Frage, und für ein Kind bin ich auch schon zu alt." - "Sind Sie glücklich in Ihrer Beziehung ?" - "Ja, zumindest meistens. Wenn man so lange allein gelebt hat wie ich, tut man sich manchmal schwer, wieder Kompromisse einzugehen. Ich bin bestimmt keine einfache Geliebte, und wahrscheinlich auch keine einfache Vorgesetzte."
Schweiger widersprach ihr nicht, er meinte nur: "So hat eben jeder sein Päckchen zu tragen." Beide versanken in Nachdenklichkeit, ab und zu an ihrem Glas nippend. Unvermittelt fragte Schweiger plötzlich: "Sagen Sie mal, was halten Sie eigentlich von unserem Junior ? Ich werde nicht schlau aus ihm." Susanne Berchthold überlegte. "Eigentlich habe ich mir bisher noch gar keine Meinung über ihn gebildet. Er tut seine Arbeit, ist nett, aber sehr zurückhaltend. Mehr weiß ich nicht über ihn. Sie haben recht, vielleicht sollten wir ihn tatsächlich ein wenig mehr integrieren. Solange wir ihn nicht etwas fordern, können seine vielleicht vorhandenen Talente nie zum Vorschein kommen. Morgen gebe ich ihm mal einen richtigen Auftrag. Mal sehen, was er kann."
Die Kommissarin wurde nun doch recht müde; Bier war immer eine Art Schlafmittel für sie gewesen. Sie fuhr nach Hause, nachdem sie sich von Ihrem Assistenten verabschiedet hatte. Ein bißchen waren sie sich menschlich nähergekommen, und sie nahm sich vor, in Zukunft ein wenig rücksichtsvoller gegenüber Schweiger zu sein.
Am nächsten Morgen nahm sie sich Junior vor. Sie rief ihn zu sich ins Büro und fragte ihn nach seiner Meinung über den Fortgang der Ermittlungen. Bieneck war sehr zurückhaltend. "Ich kann mir darüber noch keine Meinung erlauben, dazu habe ich viel zu wenig Erfahrung. Ich weiß nur, daß wir momentan auf der Stelle treten." - "Haben Sie irgendeine Idee, was wir noch versuchen könnten ? Jede noch so verrückte Idee ist das einzige, was uns jetzt noch weiterbringen könnte." Er dachte sichtlich angestrengt nach. -"Ich bin mir nicht sicher, aber normalerweise gibt es doch in fast allen Fetisch-Szenen irgendwelche Treffs oder Clubs, wo diese Leute offen ihren Neigungen nachgehen. Bei Homosexuellen und SM-Anhängern jedenfalls. Könnte es so etwas nicht auch bei diesen Kitzelfetischisten geben ?" Die Kommissarin blickte erstaunt auf: -"Natürlich, daran habe ich noch gar nicht gedacht. Versuchen Sie doch mal, darüber etwas herauszufinden !" Schweiger lächelte müde: "Das ist doch das gleiche wie bei den Sexclubs: Wenn unser Täter seinen Drang offen ausleben könnte, würde er nicht das Risiko eingehen, für die Erfüllung seiner Bedürfnisse bei Frauen einzubrechen. Der Psychologe hat Ihnen doch erzählt, daß der Täter normalerweise eher risikoscheu ist und sich nicht gesellschaftlich exponiert."
Typisch Schweiger. Immer fand er ein Haar in der Suppe, das er dann so geschraubt erklärte, daß man glaubte, er hätte einen für den Unsinn gelobt, den man seiner Meinung nach gerade verzapft hatte. Doch sie erinnerte sich an ihren Vorsatz und entgegnete nur: "Sie haben ja recht, Schweiger. Aber haben Sie eine bessere Idee ? Vielleicht ist unser Täter ja wegen seiner besonders sadistischen Vorgehensweise bei einem solchen Club 'rausgeflogen' ? Oder zumindest unangenehm aufgefallen ? Bieneck, lassen Sie sich von unserem Chefpessimisten nicht einschüchtern. Machen Sie sich auf die Socken und recherchieren Sie, wo sich diese Leute treffen." - "Und wie soll ich das anstellen ? Eine Anzeige aufgeben ?" Die Kommissarin lachte: "Das überlasse ich Ihrem Einfallsreichtum. Zeigen Sie uns mal, was Sie draufhaben !" Tief nachdenklich und kopfschüttelnd zog Junior ab, Schweiger und die Kommissarin hinter ihm hergrinsend.
"Hoffentlich kommt er heil zurück," meinte Schweiger. "Nicht, daß man ihn zum Schluß noch verkitzelwaltigt !" Susanne Berchthold mußte über diese Wortschöpfung laut lachen, doch das Telefon unterbrach ihre Heiterkeit. Die Pressestelle wollte wieder einmal wissen, was sie zu dem erneuten Einbruch veröffentlichen sollte. "Nichts, wir ermitteln noch," war ihre lakonische Antwort.
XI.
Eine Woche später waren sie immer noch nicht weiter. Wenigstens hatte es keine neuerlichen Opfer gegeben. Im Laufe des Tages meldete sich Köhler bei Susanne Berchthold.
Die Streife hatte einen Verdächtigen im Jogginganzug aufgelesen. Er hatte keine Papiere bei sich, dafür aber Einbruchswerkzeug. Ein alter Bekannter: er war mehrfach einschlägig vorbestraft. Die Kommissarin nahm trotzdem an der Vernehmung teil. Der Ex-Knacki leugnete natürlich beharrlich, darin hatte er schließlich Erfahrung. Susanne Berchthold wollte wissen, ob er denn schon mal wegen sexueller Belästigung aufgefallen war. Köhler blätterte in der Vorgeschichte und verneinte. Irgendwie hatte die Kommissarin nicht das Gefühl, daß es sich bei diesem Mann um ihren Täter handelte. Er war immer nur in leere Wohnungen eingebrochen, die er vorher anhand der Briefkästen ausgekundschaftet hatte. Und: er war schwul. Frauen interessierten ihn nicht im geringsten. Seine Ausdrucksweise war so tuntig, daß es schon auffällig war, und seine Gesten ebenfalls. Man hätte ihn durch die besagte Milchglasscheibe tatsächlich für eine Frau halten können, aber das war kein Beweis. Da nichts gegen ihn vorlag, mußten sie ihn wieder laufenlassen.
Köhler gab dann auch zu: "Das ist nicht unser Mann. Aber er zeigt, wie groß der Kreis der möglichen Verdächtigen wirklich ist, nach den spärlichen Zeugenaussagen. Apropos Zeugen: Petra Meister ist wieder vernehmungsfähig. Sie wissen schon, das Mädchen, das Sie auf die Spur mit dem Kitzeln gebracht hat. Ich wollte sie heute nachmittag besuchen. Kommen Sie mit ?" - "Nichts könnte mich davon abhalten. Sie ist im Moment unsere wichtigste Zeugin."
Nachmittags fuhren sie in die Neurologische Uniklinik in die Nußbaumstraße, wo man Petra Meister nach ihrem traumatischen Erlebnis behandelt hatte. Sie hatte wieder ein wenig Farbe im Gesicht, und sie konnte normal sprechen. Nur wenn sie auf die Nacht des Überfalls angesprochen wurde, wurde ihr Blick unstet und nervös. Der Arzt ermahnte die Polizeibeamten, schonend mit ihr umzugehen und nicht zu hartnäckig auf eine Atwort zu drängen. "Mit etwas Geduld erreichen Sie mehr," war sein Rat.
Susanne Berchthold setzte sich zu ihr ans Bett. "Wie fühlen Sie sich ?" erkundigte sie sich teilnahmsvoll. "Besser, danke. Ich kann jetzt wieder ohne Tabletten schlafen, das ist gut. Ich glaube, ich komme noch über dieses Erlebnis hinweg, in ein-zwei Jahren." - "Ganz sicher !" machte ihr die Kommissarin Mut. "Fühlen Sie sich imstande ein paar Fragen zu beantworten ? Wir wollen den Kerl fassen, der Ihnen das angetan hat !" Petra wurde nervös. "Ich weiß nicht. Ich habe ja nicht einmal sein Gesicht gesehen ! Was wollen Sie denn wissen ?"
Geduldig beruhigte die Kommissarin das Opfer erst mal. "Wir möchten erfahren, woran Sie sich erinnern können. Alles kann wichtig sein, auch wenn es für Sie unbedeutend erscheint. Jeder noch so kleine Hinweis hilft uns weiter." Petra wurde aufgeregt: "Sie haben diesen Kerl also noch nicht ? Er läuft weiter frei herum ? Ich gehe keinen Schritt aus diesem Haus, solange er nicht gefaßt ist !" - "Nur die Ruhe !" beteiligte Köhler sich. "Bis jetzt hat der Täter noch nie zweimal beim selben Opfer zugeschlagen. Sie gehören also im Moment zu den wenigen Frauen, die wirklich sicher vor ihm sind, auch wenn Sie die Klinik verlassen." - "Sie verstehen das nicht. Sie wissen nicht, wie das ist, nachts aus dem Schlaf gerissen und gefoltert zu werden. Die Angst davor verschwindet nicht so einfach, auch wenn man weiß, daß so etwas wahrscheinlich nie wieder passiert."
Susanne Berchthold warf ihrem Kollegen einen vielsagenden Blick zu, der nichts weniger als 'halt die Schnauze' bedeuten sollte, und wandte sich wieder Petra zu. "Keine Angst, wir kriegen dieses Schwein. Wenn Sie uns helfen. Also, was ist passiert in dieser Nacht ?" Petra beruhigte sich ein wenig. Sie schluckte und dachte nach, bevor sie ihren Bericht begann:
"Ich bin ganz normal ins Bett gegangen an dem Abend, so gegen elf. Mitten in der Nacht wachte ich plötzlich auf, die Nachttischlampe war an. Der Typ hatte mich gefesselt, als ich noch schlief. Im Bett habe ich nur mein Höschen getragen, es war ja warm. Er hatte die Bettdecke weggezogen, und ich lag nackt da. Daß ich mein Höschen nicht mehr anhatte, merkte ich erst später, als er mich dort kitzelte." - "Langsam, alles der Reihe nach," versuchte die Kommissarin etwas Ordnung in die Erzählung zu bringen. "Hat er mit Ihnen gesprochen?"
"Kann ich etwas Wasser haben, bitte ?" bat Petra. Köhler schenkte ihr Mineralwasser in das Glas auf ihrem Nachttisch. Langsam trank sie es aus. Sie brauchte die Zeit, um nachzudenken. Einige Minuten. Dann fuhr sie fort: "Er hat nur geflüstert, ich solle nicht um Hilfe rufen, sonst würde er mich umbringen. Wenn ich mich nicht wehren würde, sollte mir nichts passieren. Lachen dürfte ich aber. Ich wollte noch fragen, warum lachen ? Doch dann fing er schon an, mich zu kitzeln. Ganz sanft zunächst, mit den Fingern unter und neben meinen Brüsten. Ich mußte einfach kichern, ich bin so schrecklich kitzlig. Das hat er dann auch gemerkt, und sein Kitzeln wurde heftiger. Als er meine Rippen und Weichteile knetete, flippte ich vor Lachen schier aus. Es war so schlimm, ich konnte mich ja fast nicht bewegen. Und klar denken konnte ich auch nicht mehr, sonst hätte ich um Hilfe gerufen. Er hat einfach immer weitergemacht, bis ich fast keine Luft mehr bekam." - "Trug er Handschuhe ?" - "Ja, ganz komische. Sie waren rosa, so wie Haushaltshandschuhe, die man zum Abspülen benutzt. Und an jedem Finger war so ein Gummidorn, spitz, aber biegsam. Manchmal hat er meine Haut nur mit diesen Dornen berührt, und das hat dann ganz höllisch gekitzelt. Und manchmal hat er auch ganz fest mit seinen Händen zugepackt, vor allem an den Weichteilen und an den Rippen. Das war dann noch schlimmer. Am allerschlimmsten war es aber, als er meinen Oberkörper endlich in Ruhe gelassen hat und zu meinen Füßen ging."
"Wo hat sich der Kerl aufgehalten, als er Sie gekitzelt hat ? Saß er auf Ihrem Bett, oder stand er ?" - "Er kniete über meinen Hüften auf dem Bett. Dafür hat er sogar seine Schuhe ausgezogen. Ich habe noch gedacht, schön, daß er mein Bett nicht schmutzig macht. Was man so für einen Unsinn zusammendenkt in so einer Situation. Unglaublich ! Weiße Sportsocken hat er getragen, daran kann ich mich noch erinnern, weil ich selbst solche habe, mit zwei roten Ringen oben." Köhler notierte sich auch dieses Detail, während sich die Kommissarin ganz auf die Zeugin kontentrierte.
"Und was ist dann passiert, als er zu ihren Füßen ging ?" wollte sie wissen. Petra war während der Unterhaltung immer offener und lebhafter geworden. "Er hat meine Fußsohlen und Zehen gekitzelt, daß mir ganz schwarz vor Augen wurde. Dort war ich schon immer am kitzligsten, und jede Berührung dort treibt mich in absolute Hysterie. Ich muß schrecklich geschrieen haben, denn er hat mir dann ein Isolierband über den Mund geklebt. Als er mich dann weiter kitzelte, konnte ich nur noch durch die Nase lachen, und das war noch schrecklicher als zuvor. Ich habe dann erst recht kaum Luft bekommen, und ich wurde auch kurz ohnmächtig. Als ich wieder aufwachte, flüsterte er: 'Wenn Sie mir versprechen, nicht mehr so laut zu schreien, nehme ich Ihnen den Knebel ab.' Ich nickte nur, und er entfernte das Klebeband ganz vorsichtig, als wollte er mir auf keinen Fall wehtun." Susanne Berchthold nickte versonnen. Der Täter war offensichtlich erstaunlich rücksichtsvoll in seinem Umgang mit den Opfern, von der Kitzelfolter einmal abgesehen.
Petra fuhr fort: "Er hat mich dann auch nicht mehr so heftig gekitzelt. Aber er hörte einfach nicht auf damit. Er hat sich dann zwischen meine gespreizten Schenkel gesetzt und damit begonnen, oh Gott, er hat meine Geschlechtsteile gekitzelt ! Mit den Handschuh-Dornen !" Wieder unterbrach Petra, ihre Augen flackerten wild. Die Erinnerung hatte sie eingeholt. "Ganz ruhig, es ist ja schon vorbei," beschwichtigte die Kommisarin sie. "Sie verstehen nicht! Er hat mich mit seinen Handschuhen vergewaltigt !" - "Ist er in Sie eingedrungen ?" - "Nein ! Er hat mich so lange dort gekitzelt, bis ich gegen meinen Willen einen Orgasmus bekommen habe ! Oh Gott, ich schäme mich so ! Ich fühle mich wie eine Hure."
"Kein Grund, sich zu schämen," wandte die Kommisarin mitfühlend ein. "Sie haben es ihm ja nicht erlaubt, und er hat nur Ihre natürlichen Körperreaktionen ausgenutzt. Eine Hure kommt nicht so leicht zum Orgasmus, wenn Sie das beruhigt. Er hat Sie vergewaltigt, auch wenn er nicht mit seinem Glied in Sie eingedrungen ist. Dafür werden wir ihn auch bestrafen ! Was geschah nach Ihrem Orgasmus ? Hat er sich vielleicht selbst befriedigt ?" - "Wenn, dann habe ich nichts davon bemerkt. Er hat nur gefragt, ob es mir gefallen hat, dann hat er wieder meine Füße gekitzelt. Irgendwie war ich nach dem Höhepunkt noch kitzliger als vorher, und ich habe wieder geschrieen. Plötzlich hat er aufgehört und ist vom Bett wegegangen. Ich mußte immer noch weiterlachen, als die Türe aufging und meine Nachbarin hereinkam. Er hat ihr eins übergezogen, dann ist er verschwunden. Als ich langsam wieder atmen konnte, lag meine Nachbarin am Boden, und ich konnte ihr nicht helfen, weil ich noch gefesselt war. Ich war so erschöpft, daß ich eingeschlafen bin. Aufgeweckt hat mich dann meine Nachbarin, als sie mich losband."
"Na sehen Sie, jetzt haben Sie es überstanden. Sie haben über Ihre Erinnerung gesprochen, und Sie haben uns weitergeholfen. Was können Sie uns denn noch über den Täter erzählen ? Was hatte er für eine Figur ? Könnte es vielleicht auch eine Frau gewesen sein ?" Petra überlegte. "Nein, ich glaube nicht. Er roch nach Rasierwasser. Jetzt weiß ich's wieder: Aramis! Er benutzte das gleiche Rasierwasser wie mein Ex-Freund. Ich habe mich noch darüber gewundert." Köhler mischte sich wieder ein: "Könnte es denn Ihr Ex-Freund gewesen sein ?" Wider Willen mußte Petra lachen: "Nein, es sei denn, er wäre um zwanzig Zentimeter geschrumpft. Mein Freund war fast zwei Meter groß, und der Typ höchstens eins-achzig, wenn überhaupt. Er war auch nicht besonders kräftig, aber seine Bewegungen waren irgendwie geschmeidig. Mit dem Jogginganzug und der schwarzen Maske hat er mich ein bißchen an die japanischen Ninja-Filme erinnert." - "Toll, woran Sie sich noch alles erinnern können !" lobte die Kommissarin sie. "Ist er Ihnen denn sonst irgendwie bekannt vorgekommen ? Könnten Sie ihm vorher schon mal begegnet sein ? Hatten Sie in den Tagen vor dem Überfall den Eindruck, daß Sie jemand verfolgt oder beobachtet ?"
Petra versank wieder in nachdenkliches Schweigen. "Nun, in der Münzwäscherei unten an der Ecke, da hat mich letzte Woche mal so ein Typ angestarrt. Der war auch schlank und mittelgroß. Aber verfolgt hat er mich nicht. Ich bin mit meiner Wäsche gerade fertig gewesen, da hat er erst angefangen, die Trommel zu füllen. Außerdem kann ich mich nicht an das Gesicht erinnern. Muß wohl ziemlich nichtssagend gewesen sein. Und sonst fällt mir auch niemand ein, der dafür in Frage kommt." - "Hat Sie in letzter Zeit mal irgendwer gekitzelt ? Im Freundeskreis, in der Kneipe, unter Kollegen, beim Sport, im Supermarkt ? Vielleicht mit der Ausrede, er hätte Sie verwechselt ?" - "Nö, das hätte ich mir sicher gemerkt, so kitzlig wie ich bin."
Also wieder Fehlanzeige. Köhler bedankte sich artig, und auch die Kommissarin versprach ihr, bald mal für einen richtigen Krankenbesuch vorbeizuschauen, nicht zum Verhör. "Was meinen Sie zu dem Ganzen ? Was haben wir Verwertbares dazugelernt ?" wollte Köhler wissen, als sie die Klinik verließen. "Nun, wir wissen nur, daß der Täter Aramis verwendet, daß er außergewöhnlich rücksichtsvoll gegenüber Frauen ist, und daß er komische Handschuhe verwendet. Haben Sie die anderen Opfer nach den Handschuhen befragt ?" Köhler schüttelte den Kopf. "Alle haben ausgesagt, daß er Handschuhe getragen hat, aber eine solch detaillierte Beschreibung habe ich noch von keinem der Überfallenen gehört. Ich rufe alle noch einmal an. Aber er könnte diese Handschuhe auch erst kürzlich erworben haben." - "Und wo bitte gibt es solche Handschuhe zu kaufen ?" Darauf wußte auch Köhler keine Antwort. Die Kommissarin dachte laut: "Es könnte eine Sonderanfertigung sein. Aus Latex kann man doch alles mögliche formen. Vielleicht finden wir hier eine Spur."
Was Susanne ihm nicht erzählte: Die Beschreibung der Tat, des Kitzelns bis zum Orgasmus, hatte sie enorm erregt. Noch während Petras Geschichte hatte sie ein komisches Gefühl im Unterleib, als würde es plötzlich wärmer dort. War das normal ? Wenn ja, dann steckte vielleicht das als Methode hinter dem Kitzeln. Petra hatte sich dewegen geschämt, daß sie gegen ihren Willen einen Höhepunkt erlebt hatte. Vielleicht auch die anderen Opfer ? Und Dr. Liebermann hatte bei einem der Mordopfer ebenfalls genitale Schwellungen festgestellt, als ob sie kurz zuvor sexuell stark erregt gewesen wäre. Möglicherweise ging es dem Täter nur darum, seinen Opfern diese sexuelle Befriedigung zu verschaffen, an der er sich dann seinerseits erregte. Daß Kitzeln sexuell stimulierend sein konnte, hatte sie ja am eigenen Leib erfahren. Auch wenn Horst, dieser Trottel, diese Tatsache nicht kapiert hatte. Oder zumindest nur einmal, sie wollte nicht ungerecht sein.
Als sie ins Büro zurückkam, wartete Junior schon auf sie. Freudestrahlend, denn er hatte ein Erfolgserlebnis aufzuweisen. "Stellen Sie sich vor, ich bin fündig geworden. Es gibt einen kleinen Zirkel von Kitzelfetischisten, und jetzt raten Sie mal, wo !" - "Nicht etwa in Schwabing, oder ?" fragte die Kommissarin hoffnungsvoll. "Doch ! In einer kleinen Seitenstraße gleich bei der Kunstakademie. Die haben sich einen richtigen kleinen Folterkeller eingerichtet, echt professionell. Schalldicht, mit Klimaanlage und allen Schikanen. Sehr geheim. Nach außen hin treten sie als esoterischer oder spiritistischer Klub auf, der dort seine Treffen abhält. Einige der Hausbewohner haben offensichtlich Angst vor dem 'bösen Blick', denn sagen will keiner etwas. Alles, was ich erfahren konnte, ist, daß sich die Mitglieder immer am ersten Samstag im Monat treffen."
Susanne Berchthold war sichtlich beeindruckt. "Und, wie haben Sie das alles herausgefunden?" Junior berichtete stolz: "Ich habe tatsächlich eine Kontaktanzeige in einem SM-Magazin aufgegeben: 'Tolerantes Pärchen sucht Mitglieder für Soft-SM- und/oder Kitzelclub.' Raffiniert, was ? Gestern habe ich eine Antwort auf meine Chiffre-Anzeige in der Post gefunden, und ich habe mir das Haus mal angesehen. Ganz vorsichtig. Ich habe mich als Inspekteur der Feuerpolizei ausgegeben und wollte Treppenhaus und Keller sehen. Der Hausmeister hat mir anstandslos alles gezeigt. Hinter einer Brandschutztüre befinden sich die Klubräume, und auch dafür hatte er einen Schlüssel, allerdings nur für den Vorraum. Ich fragte ihn nach dem Schlüssel für die weiteren Räume, doch die hatte er nicht. Die hat nur der Mieter, ein gewisser Dr. Schlosser, der im Haus auch eine Wohnung hat, aber selten zuhause ist. Von dem Hausmeister habe ich seine andere Anschrift, in Starnberg. Er nutzt das wohl nur als Stadtwohnung. Hinter vorgehaltener Hand und nur im Flüsterton erzählte mir der Hausmeister, daß da ganz seltsame Dinge passierten. Einmal sei sogar der Notarzt gekommen. Eine zufällig vorbeikommende Hausbewohnerin bekreuzigte sich, als ich sie nach dem Klub fragte. Satans-Anbeter würden dort hausen, die ihrer Nachbarin schon mal einen Fluch an den Hals gehext hätten, weil sie zu neugierig war. Darum sollte sich die Polizei mal kümmern. Ich habe aber nachgeforscht, eine Anzeige gegen diesen Klub wurde nie erstattet."
"Donnerwetter, da haben Sie richtig gute Detektivarbeit geleistet," bemerkte die Kommissarin stolz. Sogar Schweiger meinte: "Na, aus dir wird noch mal ein guter Kommissar !" Von der Zentrale erhielt Susanne Berchthold die nicht veröffentlichte Telefonnummer von Herrn Dr. Schlosser in Starnberg. Dann rief sie bei der Feuerschutzpolizei an, wann das Anwesen Rambergstraße 24 in Schwabing zum letzten Mal überprüft worden war. Juniors Idee war goldrichtig, die ließ sich ausbauen. Die Kommissarin verabredete sich mit dem Brandschutzmann zu einer Ortsbesichtigung. Dann rief sie Dr. Schlosser an. Es meldete sich das Dienstmädchen. Der Herr Doktor sei im Moment nicht zuhause, ob er zurückrufen könnte. Nein, sie wüßte nicht, wann der Herr Doktor wieder zurückkäme. Ja, natürlich könnte man versuchen, ihn morgen zu erreichen. Klack.
"Haben Sie den Brief von Dr. Schlosser da ?" fragte die Kommissarin Junior. Natürlich hatte er das. Das Schreiben war recht nichtssagend. Er wäre interessiert, weitere Gesinnungsgenossen kennenzulernen, zumal er schon einen kleinen Klub mit diesem speziellen Interessengebiet gegründet hatte. Der Anzeigenaufgeber sollte an ein Postfach in München antworten. Kein Name, nur die Klubadresse in Schwabing. Und keine Erwähnung des Wortes 'Kitzeln'. Ein ganz Vorsichtiger, dachte sich Susanne Berchthold. Nun, gegenüber der Feuerpolizei würde er sein Reich öffnen müssen. Das Briefpapier war interessant. Der Klub nannte sich nur ganz simpel 'Der Klub', aber in das Papier imprägniert waren zwei sich kreuzende Federn. Na ja, vielsagend und gleichzeitig unverdächtig für Nichteingeweihte.
Schweiger mischte sich ein. "Also, ich finde, Sie sollten da nicht selbst hingehen. Sie sehen ganz und gar nicht wie eine Brandschutzbeauftragte aus. Lassen Sie mich das für Sie machen, ich sehe eher wie ein Bürokratenhengst aus." Susanne Berchthold mußte lachen. "Wo Sie recht haben, haben Sie recht. Aber nur da !" Ihr 'Assistent' wußte nicht recht, ob er über diese Antwort lachen oder weinen sollte. Doch er war zufrieden, daß er sein Anliegen durchgebrachte hatte, also tat er keines von beiden und verbiß sich stattdessen in seinen obligatorischen Krapfen.
Susanne hatte noch einen weiteren Hintergedanken bei ihrer Zustimmung zu Schweigers Vorschlag: Sie wollte sich als Interessentin melden. Weniger aus Berufsinteresse; sie dachte eher an ein aufregendes Sex-Erlebnis mit Kitzeln. Nach Feierabend setzte sie sich zuhause an die Schreibmaschine und schrieb einen Brief an den Klub. Sie hätte von einer Freundin gehört, die ... und so weiter. Das Postfach hatte sie sich im Büro notiert. Horst war sauer, weil sie ihn im Bett zuletzt hatte abblitzen lassen. Eine gute Gelegenheit, um sich mal anderweitig umzusehen, dachte sie. Nach einer Runde Schmollen würde Horst schon wieder zu ihr zurückfinden, das hatte er bisher immer. Keiner konnte ihr dann vorwerfen, sie wäre ihm untreu geworden.
Wieder vergingen ein paar Tage ergebnislos und gottseidank opferlos. Ihr Killer schien eine schöpferische Pause einzulegen. Am Freitag erhielt Susanne Post vom Klub. Eine Einladung zum Klub-Abend am Samstag. Klar, es war der erste Samstag im Monat. Ein erstes Kennenlernen war vorgesehen, aber die Aufnahme in den Klub war einer Abstimmung der Klubmitglieder vorbehalten. Man wollte nur wirklich interessierte und auch sympathische neue Mitglieder aufnehmen. Dr. Schlosser war auch in den vergangenen Tagen unerreichbar geblieben. Natürlich erzählte Susanne ihren Kollegen nichts von ihrem geplanten Alleingang, es war schließlich hauptsächlich ihre Privatangelegenheit. Wenn dabei etwas Verwertbares für ihren Fall herauskam, umso besser.
Sie freute sich auf diesen Abend, und gleichzeitig hatte sie Angst davor. Was würde man mit ihr machen ? Ganz sicher stand ihr ein Aufnahmeritual bevor, und das würde ebenso sicher aus Kitzeln bestehen. Welche Leute traf sie wohl dort ? Hoffentlich keinen Bekannten; sie hatte nicht vor, sich als Polizistin zu erkennen zu geben. Was ihr am meisten Unbehagen verursachte, war der Gedanke, daß sie an dem Ganzen Gefallen finden würde und sie dadurch in einen möglichen Interessenkonflikt gestürzt würde. Sie würde 'ihren' Täter dann besser verstehen, und das konnte auch bedeuten, daß sie ihm nicht mehr unvoreingenommen gegenüberstehen könnte. Das konnte sie den Fall kosten, wenn nicht mehr.
Papperlapapp, dummes Geschwätz, schalt sie sich. Ebensogut konnte ihr ein gewisses Verständnis des Täters helfen, ihn zu schnappen. Und dann würde sie auch niemand fragen, wie sie sich so gut in ihn hineinfühlen konnte. Also los, fertigmachen zur Attacke. Sie duschte und legte ein dezentes Makeup auf. Ganz sicher würde sie sich ausziehen müssen, also suchte sie ihre Unterwäsche mit besonderer Sorgfalt aus. Sie wählte einen weißen Spitzen-BH mit passendem Höschen. Kritisch betrachtete sie sich im Spiegel. Na ja, für eine Enddreißigerin sah sie noch ganz passabel aus. Ihr beharrliches Fitnesstraining hatte ihre Muskeln und Haut straff gehalten, und ihre Brüste waren nie so groß gewesen, als daß sich Hängen für sie rentiert hätte. Keine Zellulitis an den Schenkeln. Nur die verdammten Fettpölsterchen an den Hüften wurde sie einfach nicht los. Das ist kein Babyspeck mehr, haderte sie mit sich. Nun, der Klub hatte sich nicht nach ihrem Alter erkundigt, auch nicht nach ihrer Figur. Eigentlich konnte sie nur Komplexe bekommen, wenn dort ausschließlich Mannequins verkehrten.
Sie nahm sich ein Taxi, denn sie wußte, sie würde sich im Klub ein wenig Mut antrinken müssen. Mit pochenden Schläfen klingelte sie. Auf dem Türschild stand nur 'Klub'. Im dritten Stock wohnte Dr. Schlosser, mit separater Klingel. Der Türöffner summte. Ein provisorisches Pappschild wies ihr den Weg zum Keller. Die Türe war angelehnt, sie stieg die Stufen hinab. Vor der von Junior beschriebenen Brandschutztüre wartete ein grauhaariger Herr im dunklen Maßanzug. Er küßte galant ihre Hand und hieß sie willkommen. Im Vorraum standen zwei Stühle an einem kleinen Bistrot-Tisch. Sie setzten sich, und er holte zwei Gläser Champagner. Sie stießen an, und er begann sein Interview.
"Herzlich willkommen im Klub. Wie darf ich Sie nennen ? Sie dürfen sich ruhig einen Namen aussuchen, wir sind hier sehr diskret." Da ihr im Moment nichts besseres einfiel, murmelte sie nur "Susanne". -"Schön, Susanne. Darf ich fragen, was Sie zu uns geführt hat ?" Geschickte Eröffnung. Ohne selbst etwas preiszugeben, forderte er ein Glaubensbekenntnis. Sie nahm noch einen Schluck, bevor sie antwortete: "Nun, wissen Sie, ahem. Ich habe vor kurzer Zeit entdeckt, daß Kitzeln mich erregt. Mein Partner hält nichts davon, und so habe ich mich meiner besten Freundin anvertraut. Ohne mir Näheres zu verraten, hat sie mir empfohlen, mich an den Klub zu wenden. Ich habe keine Ahnung, woher sie die Adresse kennt, und sie hat mich gebeten, ihren Namen zu verschweigen. Hoffentlich respektieren Sie das." Der Gentleman nickte und schwieg.
Susanne wußte nicht weiter. Was erwartete der Grauhaarige jetzt von ihr ? Ein Codewort ? Hoffentlich nicht ! Der Mann betrachtete sie nur. Von oben bis unten, aber ohne sie mit den Augen auszuziehen. Nach einer Weile fragte er sie: "Wie kitzlig sind Sie ?" Sie erschauderte leicht, als sie an ihr erstes Mal mit Horst denken mußte. -"Ziemlich !" hauchte sie. "Haben Sie jemals selbst jemand gekitzelt ?" Sie verneinte schweigend. "Und was erwarten Sie sich hier?" Eine gute Frage. Sie nahm all ihren Mut zusammen und entgegnete: "Ich will hier etwas lernen. Ich will lernen, mich dem Gefühl hinzugeben und Lust daraus zu gewinnen. Und ich will Menschen kennenlernen, die ähnlich wie ich fühlen."
Es folgte ein langes Schweigen. Endlich räusperte sich der Grauhaarige. -"Nun gut, wir werden Sie zu einer Probesitzung einladen. Sie verpflichten sich dadurch zu nichts, außer zu absolutem Stillschweigen gegenüber Außenstehenden. Ich vertraue Ihnen, Sie haben ein ehrliches Gesicht. Sollte es Ihnen nicht gefallen, gehen Sie einfach wieder. Wenn Sie aber bei uns bleiben möchten, erwartet Sie eine Aufnahmeprüfung. Sie unterschreiben uns außerdem eine Verschwiegenheitserklärung, die Sie im Übertretungsfalle ernst bestraft. Und ein jährlicher Mitgliedsbeitrag von DM 500.-- zur Unkostendeckung wird fällig. Sie müssen sich von unserem Arzt auf AIDS testen lassen, denn bei uns kann es auch zu sexuellen Kontakten kommen. Heute noch nicht, das ist speziellen Treffen vorbehalten. Sind Sie damit einverstanden ?" Susanne nickte. "Ja, okay. Wie sieht die Aufnahmeprüfung aus ? Was muß ich da machen ?" Der Grauhaarige lächelte: "Sie ? Gar nichts. Wir werden das für Sie erledigen. Jetzt lassen Sie mich bitte Ihnen den anderen vorstellen." Er schloß die Türe auf, die in die dahinterliegenden Räume führte.
Susanne war sprachlos vor Staunen. Sie hatte eine Art Folterkammer erwartet, aber das Szenario erinnerte sie eher an ein Werkstatt-Theater. Einfache Stühle, eine Bar, eine kleine Bühne mit dazugehörigem Vorhang. An der Bar saßen zwei Pärchen, ins Gespräch vertieft. Der Gentleman und Susanne setzten sich dazu. Die beiden Pärchen blickten kurz auf, ließen sich aber ansonsten nicht stören. Der Grauhaarige stellte sich nun selbst vor: "Mein Name tut vorläufig nichts zur Sache. Ich werde hier nur 'Meister' genannt, aber das bedeutet keinerlei Unterwürfigkeit. Ich bin lediglich der Gastgeber. Wenn Sie sich wundern, warum so wenig los ist hier: Nun, die meisten Gäste treffen erst nach 22 Uhr ein. Es erwartet Sie eine kleine Show auf der Bühne, dann folgt Ihre Vorstellung und Aufnahmezeremonie, sofern Sie dazu bereit sind. Danach folgt zwangloses Beisammensein. Wer Lust dazu hat, kann sich in eines der Séparées zurückziehen, oder selbst auf der Bühne tätig werden, oder einfach auch nur plaudern. Versuchen Sie, etwas lockerer zu werden. Sie sind hier unter Freunden. Niemand wird außerhalb des Klubs über Sie sprechen. Das gleiche erwarten wir natürlich von Ihnen. Lassen Sie sich gehen, amüsieren Sie sich. Und bestellen Sie sich etwas zu trinken, das lindert Ihre Nervosität. Heute gehen Ihre Drinks auf das Haus, sonst haben wir aber auch ganz zivilisierte Preise."
Susanne bestellte sich einen Campari Soda, einerseits als Aperitif für das, was nun bald kommen sollte. Andererseits mußte sie das Gehörte verdauen. Der grauhaarige 'Meister' flößte ihr durchaus Vertrauen ein, obwohl er sich mit einer geheimnisvollen Aura umgab. Sie war höchst gespannt auf die versprochene Show, und vor allem auf die anderen Klubmitglieder. Was verbarg sich wohl hinter dem Bühnenvorhang ? Was in den Séparées ?
Unauffällig beobachtet sie die beiden Pärchen, die mit ihr an der Bar saßen. Sie waren leger, aber teuer gekleidet, beide Frauen Ende zwanzig, vielleicht Anfang dreißig. Der eine Mann war im gleichen Alter, der andere wohl ein Mittvierziger. Keine ausgesprochenen Fotomodelle, aber auch in keinster Weise häßlich. Sie schienen sich cool über völlig alltägliche Dinge zu unterhalten. Irgendwie beruhigte sie das.
Langsam, so gegen zehn Uhr, füllte sich der Raum. Fast alle Gäste kamen allein, nur zwei Pärchen trafen zusammen ein. Alle kannten sich untereinander, wie man an der lebhaften, zwanglosen Unterhaltung sehen konnte. Es hätte irgendeine beliebige Cocktailparty sein können. Plötzlich wurde Susanne aus ihren Gedanken aufgeschreckt: Eine Frau, etwa in ihrem Alter, setzte sich zu ihr, sagte einfach 'Hallo', und bestellte sich einen Gin-Tonic. Susanne hallote zurück. Nachdem die blonde, sehr schlanke Frau ihren Drink vor sich hatte, meinte sie: "Na, dich habe ich hier ja noch nie gesehen. Bist du neu hier ?" Susanne nickte, ein wenig schüchtern. Das sofortige Du war ungewohnt für sie, doch sie fand es nicht unangenehm. Die Blonde lächelte mitfühlend. -"Du bist wohl ziemlich schüchtern. Ich heiße hier Angela, und du?" - "Susanne." Sie gaben sich die Hand. Angela hielt Susannes Hand ein wenig länger fest, gerade lang genug, um ihr zu zeigen: Du bist mir sympathisch. Susanne war verwirrt. Sie hatte noch nie lesbische Neigungen verspürt, doch diese Frau brachte ihre Gefühlswelt durcheinander. Sie fand sie anziehend und sexy. Der Händedruck war angenehm gewesen, kräftig und erotisch zugleich.
Angela bemerkte den Aufruhr und lächelte wieder, ein wenig spöttisch: "Na, sehr gesprächig bist du ja nicht gerade. Ist dir unser Gespräch unangenehm ? Ich will mich nicht aufdrängen." - "Nein, nein, bitte bleib hier. Ich kenne ja noch niemand in diesem Klub, deshalb fühle ich mich ziemlich unsicher. Ich bin sehr dankbar, daß sich jemand um mich kümmert, mich den Anderen vielleicht auch vorstellt. Der Meister ist ja gerade beschäftigt. Ich bin sozusagen auf Probe hier, denn ich möchte eurem Zirkel möglicherweise beitreten." Angela lachte leise. "Dann steht dir heute ja noch etwas bevor. Aber keine Angst, wir alle hier haben die Aufnahmezeremonie durchlaufen, und wie du siehst, leben wir alle noch. Hast du denn schon Kitzel-Erfahrung ?" Susanne räusperte sich. "Nicht viel. Ich habe erst kürzlich entdeckt, daß es mich erregt, gekitzelt zu werden. Mit meinem Lebensgefährten kann ich das nicht machen, er steht nicht darauf. Ich möchte aber mehr davon, und ich bin bereit, zu lernen."
Angela sah ihr lange in die Augen. Susanne wurde verlegen. Sie bestellte sich noch einen Campari, diesmal mit Orange. Nach einer Runde Schweigsamkeit meinte Angela: "Ich bin auch alleine hier. Darf ich für heute abend deine Begleiterin und Fremdenführerin sein ?" Wieder dieses komische Gefühl in ihrem Bauch. Sie erwiderte leise: "Das wäre schön. Kannst du mir sagen, wann die Show losgeht ? Setzen wir uns in die Zuschauerränge ?" - "Wozu ? Wir sehen alles genausogut von hier. Die Show wird gleich beginnen. Schau, der Meister geht gerade auf die Bühne."
Der Raum war nicht so groß, daß ein Mikrofon nötig war. Der Grauhaarige klatschte kurz in die Hände, und langsam verstummten die Gespräche. Er begrüßte seine Gäste: "Meine lieben Freundinnen und Freunde, ich freue mich, daß ich euch auch heute wieder so zahlreich willkommen heißen darf. Zunächst möchte ich euch Susanne vorstellen, dort an der Bar bei Angela. Sie möchte sich uns vielleicht anschließen, hat sich aber noch nicht endgültig entschieden. Nehmt sie herzlich in eurer Mitte auf; ich glaube, sie paßt gut zu uns." Kurzer Applaus, und einige Anwesende sandten ihr aufmunternde Blicke zu. Sie bedankte sich mit einem Kopfnicken und einem Lächeln.
Der Meister sprach weiter. "Carola und Valerie haben sich dankenswerterweise wieder bereiterklärt, uns ein kleines Theaterstück vorzuführen, damit wir richtig in Stimmung kommen. Anschließend haben wir unter Umständen eine Aufnahmezeremonie in Aussicht. Es wird also ein interessanter Abend, und ich wünsche euch allen viel Vergnügen." Eine kurze, vielversprechende Ansage. Die Mitglieder applaudierten, der Meister ging von der Bühne, und das Licht wurde gedämpft. Der Vorhang ging auf. Dahinter kam ein ganz normales, wenn auch edel ausgestattetes Wohnzimmer zum Vorschein. Das zimmerhohe Bücherregal zur Linken wurde gerade von einem Dienstmädchen mit superkurzem Rock abgestaubt. Dazu benutzte sie einen altmodischen Federmop. Sie stieg auf eine kleine Büchereistaffelei, um auch an das oberste Reihe heranzukommen. Dennoch mußte sie sich strecken, und ihr Minrock gab den Blick auf ein völlig nacktes Hinterteil frei.
In der Mitte des Zimmers befand sich eine Couch, auf der sich eine Brünette im schwarzen Negligé lasziv räkelte. Offensichtlich die Dame des Hauses. Sie las gerade ein Buch, das sie anscheinend nervös machte, denn sie bewegte ihre langen, ausgestreckten Beine ständig, und ihre Zehen spielten miteinander. Endlich sprach sie das Dienstmädchen an: "Mizzi, bist du denn nicht bald fertig mit dem Bücherregal ? Komm lieber her zu mir, die Couch ist noch ganz staubig. Ich bekomme schmutzige Füße, und du weißt, daß ich das nicht leiden kann." Das Mädchen wandte sich der Herrin zu und wagte einen Protest: "Das kann aber nicht sein, gnä' Frau. Dort habe ich erst vorhin gewischt, bevor Sie sich niedergelegt haben." Dieses Mädchen sprach mit ausgeprägt österreichischem Akzent, was ihrer Rolle eine amüsante Wirklichkeitsnähe verlieh. Mizzi, in der Tat, schmunzelte Susanne.
"Dann wischst du eben nochmal !" befahl die gnä' Frau sehr ungnädig. Mit einem unnachahmlichen Augenaufschlag gehorchte Mizzi. Sie begann, das Fußende der Couch mit dem Staubwedel zu bearbeiten, sorgfältig darauf bedacht, die Füße der Herrin nicht zu berühren. Die schaute dieser Arbeit eine Weile zu, dann beschwerte sie sich: "Und was ist mit meinen Füßen ? Die sind immer noch staubig." Seufzend, mit innerhalb ihrer Rolle gespieltem Widerwillen, berührte Mizzi die Fußsohlen ihrer Herrin, was diese sofort mit Quietschen und Lachen quittierte. Nach kurzer Zeit hielt sie es nicht mehr aus, sie zog ihre Beine unter ihre Schenkel. Diesmal war es an Mizzi, sich zu beklagen: "Aber, gnä' Frau, so kriege ich Ihre Füße nie sauber, wenn Sie mir immer davonlaufen. Halten Sie doch mal ein paar Minuten still !"
Die Herrin jammerte: "Das kitzelt aber so, ich halte das nicht aus ! Du weißt genau, wie kitzlig ich bin, also tu doch etwas !" Mizzi grübelte, den Zeigefinger im Mund. "Ich könnte Sie ja festbinden !" Ohne die Zustimmung abzuwarten, nahm sie ihr Schürzchen ab und fesselte die Fußgelenke damit aneinander. Dann setzte sie sich auf die Knie ihrer Herrin und machte mit dem Abstauben weiter. Auch diesmal mußte die Dame heftig lachen, konnte aber ihre Beine nicht mehr bewegen. So wurde sie eine ganze Weile gekitzelt. Als Mizzi endlich fragte, ob die gnä' Frau nun sauber sei, antwortete diese, heftig atmend: "Ich glaube, an den Zehen hast du noch ein wenig Staub übersehen." Also bewegte sich der Wedel dorthin, was in noch schrillerem Gelächter resultierte. Schon eine Minute später rief die Gequälte: "Genug ! Meine Füße sind jetzt mehr als sauber. Aber hier oben bin ich noch staubig. Speziell unter den Achseln und am Brustkorb."
Es war ganz klar, die Herrin genoß das Gekitzeltwerden, und Mizzi schien auch überhaupt nichts dagegen zu haben, ihr auf diese ungewöhnliche Weise dienlich zu sein. Sie wandte lediglich ein: "Aber gnä' Frau, dort sind Sie ja noch kitzliger. Wenn ich Sie da nicht festbinde, schlagen Sie womöglich noch um sich und treffen mich. Warten's a bisserl, das haben wir gleich." Sie zog eine Wäscheleine unter der Couch hervor und fesselte die Handgelenke mit geübtem Griff zusammen. Das eine Ende der Schnur zog sie über die Armlehne nach unten und befestigte es dort an einem Couchbein.
Nun lag ihre Herrin ausgestreckt auf der Couch, völlig hilflos. Das das Negligé ärmellos war, hatte Mizzis Federwisch freien Zugang zu den glattrasierten Achselhöhlen, was natürlich zum Kitzeln geradezu einlud. Gnä' Frau wurde plötzlich sehr fröhlich, als Mizzi das ausnutzte. Eine erste Lachträne kullerte über ihre Wange. Nach einer Weile meinte Mizzi mit einem sadistischen Grinsen: "Na so was ! Heut' ist der Staub aber hartnäckig. Mit dem Mop kriege ich das nicht sauber. Ich muß die Fingernägel zu Hilfe nehmen !" Gesagt, getan. Ihre Herrin lachte nun aus vollem Halse und warf ihren gefesselten Körper auf der Couch hin und her. Sie bekam richtige Atemprobleme, und ihr Gesicht war zu der eigenartig säuerlich lachenden Miene verzerrt, die Susanne schon kannte.
"Sind Sie woanders auch staubig ?" fragte Mizzi scheinheilig. Die Herrin schüttelte ihren Kopf, konnte aber noch nicht richtig sprechen. Das Mädchen mußte die Geste wohl mißverstanden haben, denn sie öffnete das Negligé der Herrin, das vorne praktischerweise nur von ein paar Schleifchen zusammengehalten wurde. Sie teilte das sexy Kleidungsstück, der Oberkörper war nun nackt. Mit dem Staubwedel befederte sie sanft die Brüste, deren Spitzen sich sichtbar aufgerichtet zeigten. Offensichtlich war die Herrin auch dort kitzlig, wenn auch nicht so stark wie unter den Achseln. Sie konnte dennoch nicht mit dem Kichern aufhören, und sie bekam langsam einen roten Kopf.
Susanne saß mit übereinander geschlagenen Beinen auf ihrem Barhocker und preßte ihre Schenkel aneinander. Ihre eigene Erregung stieg ständig, sie spürte ein wohlbekanntes Kribbeln im Unterleib. Wie zufällig legte Angela eine Hand auf ihr bloßes Knie, was wie ein Stromstoß wirkte. Sie konnte nicht anders, sie legte ihre eigene auf Angelas Hand und drückte sie fest. Für einen Augenblick trafen sich ihre Blicke, und die glänzenden Augen verrieten sie beide.
Auf der Bühne fuhr Mizzi mit dem erotischen Kitzeln fort. Langsam wanderte der Federmop tiefer, bis zu den Weichteilen. Wieder schrie die Herrin vor Lachen. Dann zog Mizzi am Höschen der Hilflosen, bis sie es über die Hüften gestreift hatte. Sie packte die Fußfesseln und zog sie in die Höhe, in Richtung des Körpers, wodurch sich die Knie spreizten. Mit ihrem eigenen Oberkörper schlüpfte sie durch die Lücke und befand sich nun zwischen den Schenkeln. Susanne ahnte, was nun kommen würde, und starrte wie gebannt auf die Bühne.
Der Staubwedel fand sein Ziel nur zögernd. Er kreiste unschlüssig über die Schenkel und Lenden. Wieder lachte die Herrin laut, doch nun mit einem hörbar erregten Unterton. Ab und zu entfuhr ihr leises Seufzen und Stöhnen. Sie rief verzweifelt: "Nun mach doch endlich, ich brauche es jetzt !" Mizzi ließ sich das nicht zweimal sagen. Der Mop wirbelte nun heftig über die Lustorgane ihrer Herrin, immer auf und ab. Gnä' Frau begann, recht unherrschaftlich zu zappeln, sie wurde immer aufgeregter. Doch erst als Mizzi den Staubwedel beiseite legte, um den besonders hartnäckigen Staub mit ihrer feuchten Zunge aufzuwischen, bäumte sich die Herrin auf, sie stöhnte erbarmungswürdig, warf ihren hochroten Kopf hin und her und streckte ihrer Dienerin den Unterleib entgegen. Die griff mit einer Hand nach hinten, um sanft die Fußsohlen zu kitzeln, ohne ihre flinken Zungenbewegungen zu unterbrechen. Wieder durchrasten Stromstöße die Gefesselte, sie zuckte und zappelte wie ein Fisch im Netz. Ihr Lachen wurde hysterisch, als sie schließlich in ihrem eigenen Orgasmus unterging. Welle um Welle erfaßte sie, bis sie nicht mehr konnte. Total erschöpft und verschwitzt lag sie auf der Couch. Mizzi nahm ihr die Fesseln ab und fragte, nun wieder mit ihrer Dienstmädchenstimme: "Haben gnä' Frau sonst noch einen Wunsch ?" Immer noch atemlos, antwortete die Gefragte: "Oh Mizzi, das war wieder einmal wundervoll. Ich liebe es, wie du Staub wischst. Du bekommst eine Gehaltserhöhung !"
Der Vorhang schloß sich, und frenetischer Applaus erfüllte den Raum. Die beiden Akteure kamen noch einmal vor den Vorhang und verbeugten sich. Die 'Herrin' hatte immer noch einen roten Kopf, ihr Orgasmus war nicht gespielt gewesen. Auch Susanne fühlte eine nie gekannte innere Hitze in sich, ihr eigenes Gesicht war bestimmt ebenfalls gerötet. Als sie Angela ansah, wußte sie, daß es ihrer neuen Freundin genauso erging. Auch die anderen Anwesenden zeigten Spuren deutlicher Erregung.
Alle drängelten sich nun an die Bar, jeder benötigte jetzt einen Drink. Der Barkeeper, ein freundlicher Afro-Amerikaner, hatte das vorausgesehen: Er präsentierte zwei Tabletts mit Champagner, dem eifrig zugesprochen wurde. Susanne und Angela stießen miteinander auf den gelungenen Abend an und gaben sich einen Freundschaftskuß auf die Wange.
"Das war unglaublich ! Etwas so Erotisches habe ich noch nie gesehen. Sind das wirkliche Schauspielerinnen ?" fragte Susanne. Angela lächelte: "Nein, das ist ein lesbisches Pärchen, das unserem Klub angehört. Sie genießen auch in ihrem Privatleben öfter mal Rollenspiele, und ab und zu führen sie uns ein besonders gelungenes hier vor. Übrigens sind sie nicht die Einzigen, die auf der Bühne agieren. Auch andere Klubmitglieder geben hier von Zeit zu Zeit etwas zum Besten. Eigentlich haben wir fast bei jedem Treffen so eine kleine Show vorab. Es heizt die Stimmung an, wie ich ja auch an dir bemerken konnte." Susanne errötete.
Der Meister befreite sie aus ihrer gegenwärtigen Verlegenheit, nur um sie gleich in die nächste zu stürzen. Er unterbrach ihr Gespräch mit Angela und fragte sie: "Na, haben Sie sich schon entschieden, ob Sie bei uns mitmachen wollen ? Hat Ihnen unsere kleine Show gefallen ?" Susanne brauchte nicht so viel Zeit zum Überlegen, als vielmehr, um die Antwort zu formulieren. "Die Show war super. Ich glaube, ich möchte Mitglied werden." Der Meister lächelte, stand auf und ging zur Bühne. "Liebe Freundinnen und Freunde," bat er um Aufmerksamkeit. "Ich habe eine erfreuliche Mitteilung für euch: Susanne möchte sich uns anschließen, wenn ihr einverstanden seid. Wie bei allen Novizen müssen wir sie erst einer Aufnahmeprüfung unterziehen, bevor wir über ihre Aufnahme abstimmen. Gibt es dagegen Einwände ?" Alle applaudierten, also kein Einwand gegen die Zeremonie.
"Susanne, kommen Sie bitte nach vorne auf die Bühne und stellen Sie sich kurz vor. Sie brauchen keine Geheimnisse preisgeben, erzählen Sie einfach ein wenig über sich." Mit Lampenfieber bis unter die Haarwurzeln betrat Susanne die Bühne. Sie nannte ihren Vornamen und ihr Alter, und welch erregendes Erlebnis es war, das erste Mal von ihrem Freund gefesselt und gekitzelt zu werden. "Ich bin einfach neugierig darauf, mehr darüber und damit zu erfahren", schloß sie ihre Ausführungen. Ihren Beruf und ihr dienstliches Interesse verschwieg sie wohlweislich. Sie war privat hier.
Der Meister dankte ihr und erklärte: "Das war so aufschlußreich, wie man es unter den gegebenen Umständen erwarten konnte. Liebe Susanne, wir sind hier eine verschworene Gemeinschaft, deshalb duzen wir uns untereinander. Ich hoffe, das ist dir nicht unangenehm." Susanne verneinte. "Uns verbindet ein gemeinsames Interesse: die Lust am Kitzeln, und die Lust, die dadurch erzeugt wird. Deshalb müssen wir überprüfen, ob du auch wirklich kitzlig genug für uns bist. Da wir heute auf der Bühne ein Wohnzimmer aufgebaut haben, werden wir die jetzt so auf die Couch fesseln, wie es vorher Valerie gezeigt hat. Zieh dich bitte aus und lege dich auf die Couch."
Fast wie in Trance gehorchte Susanne. Sie führte keinen Striptease vor, sondern entledigte sich schnell ihrer Klamotten, die sie einfach auf der Bühne liegenließ. Ausgestreckt legte sie sich auf die nun absolut staubfreie Couch. Erst jetzt bemerkte sie, daß sich auch die anderen Anwesenden ausgezogen hatten. Ihre Arme wurden genauso gefesselt, wie es 'Mizzi' vorher mit ihrer Herrin gemacht hatte. Ein Bein wurde auf die Rückenlehne gebunden, das andere geradeaus an der Armlehne befestigt. Einen weiteren Unterschied gab es noch: Das Fesselmaterial. Statt nur die Wäscheleine zu verwenden, schnallte man ihr mit Fell gepolsterte Ledermanschetten um Hand- und Fußgelenke. Lederriemen wurden mit Karabinerhaken in die Manschetten eingeklinkt; das andere Ende der Riemen knotete man um die Beine der Couch. Der Meister erläuterte die Vorgehensweise:
"Alle Anfänger zerren wild an den Fesseln. Um dabei Verletzungen vorzubeugen, verwenden wir diese recht bequemen Manschetten. Valerie und Carola sind schon sehr erfahren, bei ihnen ist diese Vorsicht unnötig. Lasse dir nun die Augen verbinden. Jeder von uns wird dich nun für kurze Zeit an einer Körperstelle nach Wahl kitzeln, manche mit den Fingern, manche mit Federn oder anderen Instrumenten. Bei dieser Gelegenheit finden wir vielleicht gleich heraus, wo du am kitzligsten bist. Keine Angst, wir werden dir genügend Atempausen lassen. Entspanne dich einfach und versuche, dich auf deine sexuellen Empfindungen zu konzentrieren." Inzwischen hatte man ihr mit einer Flugzeug-Schlafmaske die Augen verbunden. Vor Aufregung und Erwartung heftig atmend lag sie hilflos gefesselt da und harrte der Dinge, die da kommen würden.
Der Klub ließ sie eine Weile schmoren. Sie sprachen untereinander ab, in welcher Reihenfolge sie die Probandin testen wollten. Endlich wurde es still auf der Bühne. Susanne konnte die Spannung kaum ertragen.
Plötzlich fühlte sie eine äußerst sanfte Berührung auf ihrer linken Fußsohle. Jemand kitzelte sie dort mit einer Feder. Sie mußte zwar lachen, aber es war bei weitem nicht so schlimm, wie sie es sich vorgestellt hatte. Nach ein paar Sekunden spürte sie tanzende Finger auf ihren Rippen, und das kam ihrer Erwartung schon wesentlich näher. Krampfhaft zerrte sie an ihren Handfesseln und lachte laut. Kurze Pause, dann waren ihre Knie an der Reihe. So verging Minute um Minute, bis nahezu jeder zugängliche Quadratzentimeter ihrer Haut eine Dosis Kitzeln erhalten hatte. Susanne war inzwischen von den zarten Berührungen hochgradig erregt, obwohl oder gerade weil das ständige Lachen sie vollständig erschöpft hatte. Ihre Bauchmuskeln schmerzten, doch ihr Kreischen und Quieken ertönte bei jeder Berührung von neuem.
Endlich, als sie schon glaubte, um Gnade flehen zu müssen, fühlte sie eine neuartige Stimulation. Irgendwer berührte ihre Geschlechtsteile mit einer Feder, dann mit der Zunge. Gleichzeitig wurden ihre Zehen geleckt, und zwei weitere Zungen kümmerten sich um ihre hartgewordenen Brustwarzen. Es dauerte gar nicht lange, und sie bäumte sich in einem Feuerwerk der Extase auf. Lustkrämpfe schüttelten sie, ihre Fingernägel gruben sich in ihre Handflächen. Sie zuckte völlig unkontrolliert und gab kleine, spitze Schreie von sich, die in einem pfeifenden Keuchen endeten. Wieder und wieder raste das Feuer eines Mehrfach-Orgasmus durch ihren Körper. Sie verlor den Kontakt zur Wirklichkeit, die Couch schien vom Boden abzuheben und in ein sternengefülltes Weltall zu starten. Sie flippte vollständig aus und verlor für kurze Zeit das Bewußtsein.
Als sie wieder zu sich kam, nahm man gerade ihre Fesseln und die Augenbinde ab. Angela hatte ein Handtuch mit kaltem Wasser getränkt und legte es ihr auf die Stirn, um sie vollends wiederzubeleben. Alle diskutierten fröhlich und erregt das soeben Erlebte. Sie konnte sich immer noch nicht bewegen, ihre Muskeln gehorchten ihr einfach nicht mehr. Arme und Beine waren bleischwer, obwohl sie selbst sich leicht wie eine Feder fühlte. Ihr Atem beruhigte sich nur langsam.
Es dauerte eine ganze Weile, bis sie wieder zu ihrem alten Ich zurückfand. Diese Erfahrung hatte sie verändert, das fühlte sie. Normaler Sex würde ihr keine Freude mehr bereiten, sie hatte eine neue, höhere Ebene betreten. Von dort wollte sie sich nie mehr vertreiben lassen. Angelas Augen besaßen einen ganz merkwürdigen Ausdruck, als sie Susanne ansah. Eine Mischung aus tiefer Zuneigung und grenzenloser Geilheit. Die beiden Frauen küßten sich leidenschaftlich, und Susanne schmeckte ihren eigenen Liebessaft auf Angelas Lippen. Sie war es also gewesen, die ihr diese himmlische Lust hauptsächlich bereitet hatte. Ihre Liebe wuchs mit jeder Sekunde, mit jedem Zungenschlag, mit jeder zarten Berührung.
Noch nie zuvor hatte sie eine Frau geküßt. War sie jetzt lesbisch ? Egal, es interessierte sie nicht; Hauptsache, dieser Kuß ging nie zu Ende. Angela legte sich auf Susanne, ohne das Spiel der Zungen zu unterbrechen. Ihre Körper waren heiß und verschwitzt, sie lösten sich auf und verschmolzen zu einem neuen Wesen, das Susangela hieß, oder vielleicht auch Angelanne. Zeit verlor ihre Bedeutung, und der Raum um sie herum hörte auf zu existieren.
Ihre Zungen begannen zu ermüden, und langsam kehrten die beiden wieder auf die Erde zurück. Der ganze Klub stand im Halbkreis um die Couch herum und klatschte Beifall. Der Meister, nun im grauhaarigen Brustpelz, lächelte verständnisvoll. "Wie es scheint, gehört Susanne nur wirklich zu uns. Sie hat schon eine Fürsprecherin gewonnen, die ganz deutlich einer Aufnahme zustimmt. Laßt uns zur Abstimmung kommen. Jeder von euch besitzt eine weiße und eine schwarze Kugel. Wer für Susanne als neues Mitglied ist, werfe die weiße Kugel in den Sektkübel an der Bar, wer dagegen ist, die schwarze. Eine einzige schwarze Kugel im Eimer, und die Aufnahme ist abgelehnt, ihr kennt die Regeln. Nicht drängeln, schön der Reihe nach."
Es schienen überhaupt nur weiße Kugeln ausgeteilt worden zu sein. Der Meister gratulierte ihr zur Aufnahme in den Klub. Als Mitgliedsabzeichen erhielt sie einen kleinen silbernen Anstecker in Form einer Feder. "Die genaue Bedeutung dieses Symbols erkläre ich dir später," sagte der Meister. "Der offizielle Teil des Abends ist vorbei, ich kann mir vorstellen, daß die Séparées heute sehr begehrt sein werden. Kinder, laßt wenigstens eines für Angela und Susanne frei, sie haben es sich verdient." Alle lachten und verzogen sich zu zweit, zu dritt oder zu viert. Bald ertönte heftiges Lachen aus dem Hintergrund, vermischt mit heißem Stöhnen und Seufzen.
Die beiden Frischverliebten benötigten zunächst einen Drink an der nun leeren Bar. Sie sprachen wenig und küßten viel. Mit belegter Stimme fragte Susanne: "Ich habe noch nie mit einer Frau geschlafen. Zeigst du mir, wie das geht ?" Wortlos nahm Angela sie an der Hand, führte sie in das einzige noch freie Séparée und schloß die Türe. Nach dem nächsten innigen Kuß sah Susanne sich um. Der ganze Raum bestand fast nur aus Bett. An der Wand hingen verschiedene Fessel- und Kitzelinstrumente. Angela legte sich auf das Bett und bat Susanne: "Bitte feßle mich jetzt, ich will dir ganz ausgeliefert sein." Susanne zögerte keinen Augenblick, diesem Wunsch Folge zu leisten. Ohne weitere Instruktionen zu benötigen, strich sie mit zwei bunten Straußenfedern über Angelas herrlichen Körper. Diese war schon von der Aufnahmezeremonie so erregt, daß sie alleine dadurch schon fast einen Höhepunkt bekam. Doch Susanne verhinderte das, indem sie die Rippen und Weichteile der superschlanken Blondine mit den Fingern eifrig kitzelte. Angela war mindestens ebenso empfindsam wie sie, und enstsprechend laut mußte sie auch lachen. Natürlich blieben auch die Füße nicht verschont, und die Innenseiten der Schenkel, und die Achselhöhlen, und der Nacken, und die Scheide, und die Klitoris ...
Danach liebten sie sich ohne Fesseln, wieder und wieder. Zum ersten Mal in ihrem Leben erfuhr Susanne, daß eine Frau beliebig viele Höhepunkte in einer Nacht bekommen konnte. Ihre Partnerin wurde nicht müde, ihr auf immer neue Weise Lust zu bereiten. Sie brauchte keine Zigarette danach, und auch kein Waschen, und vor allem keinen Schlaf. Ihre Pausen dauerten höchstens ein Glas Champagner lang, doch auch der ging zu Ende. Als sie endlich beide vollständig befriedigt waren, waren sie die letzten im Klub. Sie zogen sich an, löschten das Licht und verließen das Haus. Draußen wurde es bereits hell, und die Vögel zwitscherten. Engumschlungen gingen sie zum nächsten Taxistand. Bevor sie sich trennten, tauschten sie noch ihre Telefonnummern aus, und sie verabredeten sich zum Abendessen.
XII.
An diesem Sonntag schlief Susanne bis Mittag. Sie wachte von ihrem Hunger auf. Der gestrige Abend hatte offensichtlich eine ganze Menge Kalorien verbraucht, gut für Ihre Figur. Sie bereitete sich ein ausgiebiges Frühstück zu und aß mit Genuß. Horst schmollte gottseidank immer noch; er hatte nicht mal angerufen. Ihn konnte sie in ihrer derzeitigen Gemütsverfassung ohnehin nicht brauchen: sie war neu verliebt ! Und zwar erheblich heftiger, als es jemals mit Horst der Fall gewesen war. Oder mit ihrem Ex.
Dabei hatte sie dennoch ein komisches Gefühl in der Magengegend: Sollte sie tatsächlich lesbisch geworden sein ? Welche Konsequenzen ergaben sich daraus ? Der endgültige Bruch mit Horst ? Würde die Beziehung zu Angela auch über den Sex hinausgehen ? Oder war sie vielleicht nur eine Romanze, ein One-Night-Stand für die Andere ? Sie kannten sich kaum. Was machte Angela in ihrer Freizeit ? Hatten sie gemeinsame Interessen ? Und was tat Angela beruflich ?
Ein heißer Schreck durchfuhr sie. Sie würde Angela gestehen müssen, daß sie Polizistin war und in einem Mordfall ermittelte, der mit Kitzeln zu tun hatte. Möglicherweise nahm ihre Geliebte dann an, daß sie sich nur zum Zweck der verdeckten Ermittlung in den Klub eingeschleust hatte, und auch die Zuneigung zu ihr nur ein Teil des Plans war. Wie konnte sie Angela von der Echtheit ihrer Gefühle überzeugen ?
Ihre Euphorie wich ein wenig und machte Platz für den Gebrauch ihres Verstandes. Sie entschied sich dafür, Angela die ganze Wahrheit zu erzählen. Wenn sie es geschickt anstellte, würde sie in ihr eine wertvolle Verbündete finden, und ihre Liebe würde keinen Knacks bekommen. Und wenn Angela nun doch nur auf Sex aus war, würde sie eben den Klub nie wieder aufsuchen. Sie hoffte inbrünstig auf die erste Alternative.
Die Nachmittagsstunden zogen sich zäh in die Länge. Sie ging ein wenig im Englischen Garten spazieren, um die Spinnweben aus ihrem Kopf zu vertreiben. Überall um sie herum vergnügten sich verliebte Pärchen, und ihre Sehnsucht nach Angelas Zärtlichkeit wurde schmerzhaft. Zum ersten Mal bemerkte sie auch bewußt ein lesbisches Pärchen auf einer Parkbank. Sie stellte sich vor, sie würde jetzt mit Angela dort schmusen. Was würden die anderen Spaziergänger über sie denken ? Homosexualität bedeutete immer auch ein Außenseiterdasein. War sie wirklich bereit, ihr gesellschaftliches Ansehen der Liebe zu einer Frau zu opfern ?
Endlich wurde es Abend. Sie hatten sich in einem romantischen spanischen Restaurant in Schwabing verabredet. Als Polizistin war Susanne an Pünktlichkeit gewohnt, deshalb irritierte sie die zehnminütige Verspätung Angelas ein wenig. Sie ließ es sich aber nicht anmerken und küßte ihre Freundin zur Begrüßung. Zu ihrer großen Erleichterung fühlte sie, wie glücklich auch Angela über das Wiedersehen war.
Das Restaurant war gut gefüllt. Der für sie reservierte Platz befand sich in einer diskreten Nische, außerhalb der Hörweite des Nachbartisches. Susanne hatte bei der Reservierung speziell um diesen Tisch gebeten. Hier hatte sie sich schon so manchesmal mit dem einen oder anderen Verehrer getroffen. Angela war begeistert.
Sie unterhielten sich eine Weile recht zwanglos, suchten sich die besten Leckereien aus der Speisekarte aus und eine gute Flasche Wein dazu. Angela fragte vorsichtshalber: "Ich hoffe, du magst Knoblauch ? Ich liebe ihn, aber nur, wenn du auch etwas mit Knoblauch ißt. Sonst habe ich Angst, den Abend alleine beenden zu müssen." Nun, Susanne bestellte sich Gambas en Ajillo, da war genug Knoblauch für zwei drin. Angela grinste nur.
Nach der Vorspeise sprachen die beiden über ihre Freizeitbeschäftigungen. Es stellte sich heraus, daß sie ziemlich viel gemeinsam hatten. Beide fuhren gerne Rad, am liebsten im Englischen Garten. Beide lasen eine ganze Menge, und sie hatten sogar den gleichen Musikgeschmack, zumindest was den Radiosender betraf. Das Hauptgericht kam, und erst danach traute sich Susanne zu fragen: "Was machst du eigentlich beruflich ?" Angela wurde verlegen. "Ich habe schon befürchtet, daß du mich das fragst. Was ich dir jetzt sage, darf im Klub niemand erfahren. Verstehst du, das ist absolut oberlebenswichtig ! Versprochen ?" Susanne versprach es ihr in die Hand.
"Also: ich bin Journalistin und Schriftstellerin. In den Klub habe ich mich ursprünglich nur eingeschlichen, um dort für mein neues Buch zu recherchieren. Es geht natürlich um Sexklubs in Deutschland. Erst dort habe ich meine Vorliebe für das Kitzeln entdeckt. Jetzt stecke ich in einer Klemme: Entweder ich schreibe das Buch nicht, was natürlich schade wäre, nach all der Arbeit, die ich schon darin investiert habe. Oder aber, wenn ich dieses Buch doch schreiben sollte, müßte ich den einzig wirklich interessanten Klub, den ich kennengelernt habe, unerwähnt lassen. Ich habe dort Freunde gefunden, die ich nicht hintergehen oder bloßstellen möchte. Wenn nun dort bekannt würde, was ich beruflich mache, wäre kein Mitglied mehr bereit, sich mit mir abzugeben. Fast alle im Klub sind gesellschaftlich hochangesehene Persönlichkeiten, oder haben einen Partner aus den oberen Zehntausend, und sie fürchten um ihren Ruf, oder einen entsprechenden Erpressungsversuch. Sie würden mich sofort ausschließen, und möglicherweise versuchen, mir beruflich zu schaden. Ganz abgesehen davon ist der 'Meister' ein Rechtsanwalt aus einer unheimlich reichen Familie. Er besitzt eine Menge Einfluß und Macht; ein wenig habe ich nämlich doch recherchiert."
Susanne lächelte: "Ich weiß, Dr. Schlosser besitzt eine Villa in Starnberg. Zu ihm vorzudringen, ist fast unmöglich für Außenstehende." Angela blickte erstaunt auf: "Du weißt auch, wer der Meister ist ? Kennst du ihn ?" - "Nein, aber auch ich habe recherchiert. Und bei dem, was ich dir jetzt anvertraue, ist Verschwiegenheit mindestens ebenso wichtig wie bei deinem Geheimnis !" Angela schluckte: "Bist du etwa auch Journalistin ?" Susanne grinste: "Viel schlimmer: ich bin bei der Kripo. Wenn meine Dienststelle erführe, wo ich mich privat herumtreibe, wäre meine Karriere wahrscheinlich beendet. Ich mache mich dadurch erpreßbar, und das ist gefährlich in meinem Job."
Angela kam ins Grübeln, sie antwortete nicht sofort. Zögernd nippte sie an ihrem Wein. Endlich platzte es aus ihr heraus: "Dann war das alles letzten Abend nur Theater ? Deine Liebe, dein Sex, deine Zärtlichkeit ? Für eine Undercover-Ermittlung ?" Susanne legte ihre Hand auf Angelas und drückte sie fest: "Nein ! Bei allem, was mir heilig ist, schwöre ich dir: Alles war echt. Ich liebe dich wirklich, und ich hoffe, auch du siehst in mir nicht nur ein Objekt für deine Recherche."
Erleichtert atmete Angela auf. "Ich habe es gehofft. Jetzt eben, als du mir deinen Beruf genannt hast, ist mir das Herz in die Hose gerutscht. Ich habe einen Moment lang wirklich geglaubt, es wäre nur Show gewesen, was wir gestern zusammen erlebt haben." - "Wenn, dann hätte ich mindestens einen Oskar für meine schauspielerische Leistung verdient," lachte Susanne, und Angela stimmte ein. Wieder ernsthaft, bemerkte Susanne: "Und ich habe befürchtet, daß du so etwas vermuten würdest, wenn ich dir von meiner Arbeit erzähle. Du hättest mir vielleicht deine Liebe entziehen können, und das hätte ich nicht verkraftet. Aber ich finde, zur Liebe gehört auch absolute Ehrlichkeit und bedingungsloses Vertrauen. Ich hätte dich keine Sekunde lang belügen können, glaube mir." Wortlos festigte sich der Druck ihrer Hände.
Angelas Neugierde war noch nicht befriedigt: "Mal ehrlich: Warst du wirklich nur privat im Klub, oder hast du dich auch 'eingeschleust', um zu ermitteln ? Wie bist du überhaupt auf diesen Klub gekommen ?" Nun war es an Susanne, mit der Antwort zu zögern. "Tja, das darf ich dir leider nicht alles erzählen. Bitte frage mich nie nach Einzelheiten meiner Arbeit, ich kann darüber nicht sprechen. Nur soviel kann ich dir anvertrauen: Ich bin durch meinen derzeitigen Fall auf das Kitzeln aufmerksam geworden. Es war, wie ich im Klub erzählt habe: Ich habe es mit meinem Freund ausprobiert, und es hat mir gefallen. Bei meinen Ermittlungen bin ich durch Zufall auf diesen Klub gestoßen, und ich habe beschlossen, mich dort näher mit dem Thema zu befassen. Teils aus beruflichem Interesse, aber hauptsächlich aus meiner neu entdeckten Vorliebe für Kitzelsex heraus. Wenn sich daraus eine neue Erkenntnis für meinen Fall ergeben würde, umso besser."
"Nun ja, eine neue Erkenntnis hast du ja gewonnen: Mich ! Und du hast entdeckt, wie schön die Liebe zwischen zwei Frauen sein kann. Ist das etwa nichts ?" Wieder blickten sie sich tief in die Augen. "Doch, das ist viel, unendlich viel mehr, als ich erwartet habe. Warst du eigentlich schon immer lesbisch ?" Angela verneinte. "Ich bin überhaupt keine Lesbe, ich bin bisexuell. Du bist erst meine zweite Freundin. Ich war sogar schon zweimal verheiratet, und ich habe einen neunzehnjährigen Sohn, der aber bei seinem Vater in USA lebt. Und du, warst du schon mal verheiratet ? Was sagt dein Freund dazu, daß du jetzt eine lesbische Freundin hast ?" Susanne errötete schuldbewußt. "Der weiß gar nichts davon. Wir haben gerade wieder mal Streit, und er wohnt wieder in seinem früheren Appartement. Kinder habe ich keine, aber geschieden bin ich auch. Wie geht das eigentlich mit der Bisexualtität ? Hast du gleichzeitige Beziehungen zu einer Frau und einem Mann, oder nacheinander ?" Vergnügt lachte Angela: "Mal so, mal so. Wie's gerade kommt. Aber wenn richtige Liebe im Spiel ist, schließt das eigentlich einen zweiten Partner aus, egal welchen Geschlechts. Es sei denn, es wird ein flotter Dreier daraus. Das habe ich einmal ausprobiert, und das war der heißeste Sex, den ich jemals erlebt habe."
Der Ober wagte zu stören. Ob die Damen noch einen Wunsch hätten. Nun, beide waren Schleckermäuler, auch in kulinarischer Hinsicht, und so ließen sie sich ein süßes Dessert nicht entgehen. Beiläufig fragte Angela: "Wieso hat dein Fall eigentlich mit Kitzeln zu tun ? Für welche Verbrechen bist du überhaupt zuständig ?" Susanne drohte ihr mit dem Eislöffel: Du sollst mir doch keine Fragen über meine Arbeit stellen !" - "Aber ich sterbe vor Neugier ! Hab' Mitleid mit mir, bitte. Ich erzähle auch nichts weiter." - "Na schön. Also, ich bin beim Morddezernat." - "Wie aufregend ! Und was hast du dort mit Kitzeln zu tun ? Wurde etwa jemand zu Tode gekitzelt ?" Sie kicherte, doch Susanne antwortete sehr ernst: "Allerdings, und das ist überhaupt nicht zum Lachen. Es läuft in München ein Mann herum, der junge Frauen zuhause überfällt, fesselt, kitzelt und ausraubt. Dabei sind insgesamt schon mindestens drei Frauen um Leben gekommen. Er hat sie so lange gekitzelt, bis sie starben, stell' dir das mal vor !" - "Das gibt's nicht !" meinte Angela ungläubig. "Kitzeln ist doch Spaß, da kann man doch gar nicht daran sterben !"
"Leider doch," versetzte Susanne. "Es gibt Frauen, bei denen bricht dann das Nervensystem zusammen, und das endet mit einer tödlichen Herz- oder Atemlähmung. Das Dumme dabei ist: Kitzeln hinterläßt keine Spuren. Es hat ziemlich lange gedauert, bis wir überhaupt auf diese Todesursache gestoßen sind. Und unser Täter ist sehr clever: er hinterläßt nämlich auch keine Spuren. Wir tappen noch völlig im Dunkeln. Momentan ermitteln wir im SM-Milieu und in Sex-Shops, aber das ist alles nur frustrierend." Angela kicherte trotz des ernsten Themas: "Schade, daß ich darüber nicht schreiben darf. Ich hätte auch schon eine tolle Schlagzeile dafür: 'Der Kille-kille-Killer'!" Gemeinsam prusteten sie los. Susanne verschluckte sich, als sie gegen ihren Willen lachen mußte, und bekam einen Hustenanfall.
Langsam wurde es Zeit, aufzubrechen. Montag rückte unaufhaltsam näher, und sie hatten beide noch etwas vor, das vielleicht länger dauern würde. Sie stritten ein Weile darum, wer wen zum Essen einladen durfte, und zahlten dann doch getrennt. Die nächste Uneinigkeit folgte dann bei der altbekannten Frage "bei dir oder bei mir". Sie gingen schließlich zu Angela, da Susanne nicht ausschließen konnte, daß Horst die Reue gepackt hatte und er in ihrer Wohnung auf sie wartete.
Angela bewohnte ein kleines, aber gemütliches Appartement in Neuperlach, einem Hochhausviertel. Praktischerweise hatte sie ein altes Bett mit Messinggittern an beiden Enden, hervorragend zum Fesseln geeignet. In einer Schublade bewahrte sie eine ganze Sammlung verschieder Dinge auf, die alle nur einem Zweck dienten: dem erotischen Kitzeln. Verschiedene Federn lagen da, eine ganze Palette von Pinseln in unterschiedlicher Stärke, ein Vibrator mit einem Präservativ darüber, das vorne mit drei Noppen bestückt war, und ein Paar Haushaltshandschuhe aus rosa Latex. Susanne sah genauer hin: Tatsächlich, jeder Finger des Handschuhs endete in einem etwa zwei Zentimeter langen Latexdorn. "Wo hast du diese Handschuhe her ?" fragte sie in ungewollt strengem Verhörton.
Dieser Tonfall erschreckte Angela ein wenig. "Den habe ich mir anfertigen lassen, nach einem Muster aus dem Klub. Warum fragst du ?" Susanne entschuldigte sich zuerst für ihre Aufgeregtheit und sagte dann: "Unser Täter hat solche Handschuhe benutzt. Die sind nirgends erhältlich, also müssen sie eine Sonderanfertigung sein. Wenn wir wissen, wer solche Handschuhe herstellt, kommen wir vielleicht einen Schritt weiter. Also: wer produziert so etwas ?" Angela war sofort Feuer und Flamme, daß sie möglicherweise einen Beitrag zur Aufklärung einer Mordserie leisten konnte. "Da gibt es einen Fetisch-Laden in
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Danke!«
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Gruß Laokoon«
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Martin«
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beteiligten Personen ist es aber nicht immer einfach zu folgen.
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An Autors stelle würde ich nach einem Verlag suchen.
Note: 1*«
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Mir fehlen einfach die richtigen Worte, um meine Eindrücke von dieser Geschichte wiederzugeben. Es ist eine faszinierende und vollendet geschriebene Kriminalgeschichte, in der sich die Spannung zum Ende einfach atemberaubend steigert. Man kann die Geschichte einfach nicht aus der Hand legen.
Die Star-Autoren von Sevac hätten ihre Mühe, Goury das Wasser reichen zu können.
Ich wünsche mir noch viele Geschichten von Goury und würde dafür auch die Kitzel-Spiele in Kauf nehmen. Auch wenn man diese nicht selbst nachspielen will, kann man die teils humorvoll beschriebenen Szenen mit einem Lächeln sehr gut lesen.«
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lg luna «
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Danke! :-)«
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27.02.2011 - Ich bleib dabei - bestens!«
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Leichtgewicht
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Ich konnte ohne Witz nicht mehr aufhören zu lesen.
Spannend, erotisch und perfekte Story.
Bravo«
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Davon darf es hier gern mehr geben!«